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Morgenausgabe

Nr. 323

A 165

45.Jahrgang

Gmut

Böchentlich 85 Bfg., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Postbezug 4,32. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne ment 6,-M. pro Monat.

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Der Borwärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Volk und Zeit und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wiffen"," Frauen ftimme", Technit", Blick in die Bügerwelt" und Jugend- Borwärts".

Vorwärts

Berliner Volksblatt

Mittwoch

11. Juli 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die ein patige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart Kleine Anzeigen" das fettge orudte Wort 25 Pfennig( zuläffig zwei tettgedruckte Borte), edes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, edes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden Straße 3. wochentägl. von 81/2 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

,, Bereits vollstreckt!"

Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Boftscheckkonto: Berlin 87 536. Bankkonto: Banf der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstr. 3

allen Fugen ächzt und kracht, wieder innegehalten werdendern nur physische Vernichtung" gegenrevolutionärer Bera fönnen, nur weil man ein paar Spez" niedergeknallt hat? brecher gibt. Sie wird das Monopol der Hinrich­Wer das glaubt, ist würdig, Abonnent der Roten tungen für den Sowjetstaat proflamieren. Sie wird end­Fünf Schachty- Berurteilte hingerichtet.- Die übrigen zu Fahne" zu werden. Diese wird heute ein Jubelgeschrei er- lich die 2 m ne stie für die eigenen Parteigenossen in Deutsch­zehn Jahren Gefängnis begnadigt. tönen laffen. Sie wird jene Klassenjustiz verherrlichen, die land fordern. Aber aus ihrem blutrünstigen Gefreische wird hart bleibt, nur das schlechte Gewissen von Menschen sprechen, die in gegen unversöhnliche Konterrevolutionäre während sie sich ,, reuigen" Gegnern gegenüber barmherzig geistiger und finanzieller Hörigkeit einer fremden Regierung zeigt. Sie wird im übrigen noch einmal versichern, daß es Dinge verherrlichen müssen, die bei jedem europäischen in Sowjetrußland feine Todesstrafe", son- Arbeiter nur ein Gefühl des Etels erzeugen!

Moskau , 10. Juli.

Das Zentralexekutivkomitee der Sowjet union wandelte auf Gesuch des Obersten Gerichtshofes die Todesurteile im Schachth Prozeß gegen Matow, Bratanowski, Beresowski, Bojarschinoff, Kasarinoff und Schadlun in zehnjährige Gefängnisstrafen um und be­stätigte die Todesurteile gegen die fünf Verurteilten. Diese Urteile sind bereits vollstreckt.

Aus dieser lafonischen Meldung sind die Namen der von Der Sowjetregierung ermordeten fünf Angeflagten nur indirekt zu entnehmen. Es sind jene fünf, die vom Gericht nicht zur Begnadigung empfohlen waren, weil sie an­scheinend nicht genug Reue" zeigten und weil ihre ,, tech­nischen Fähigkeiten" nicht genügend geschätzt wurden. Die Totgeschossenen heißen: Gorlegki, Bojarinom, Bojarinom, Krichischanowski, Jussewitsch und Budny. Man beachte die Stilisierung dieses Sowjet- Kom­muniqués: Zunächst die Gn a de. Die Sowjetregierung ist großmütig. Sie schenkt sechs Männern das verwirkte Leben. Die sechs werden einzeln mit Namen aufgeführt, damit die Welt erkenne, wie unendlich groß die Barmherzigkeit Stalins ist. Sodann, ganz kurz, die Tatsache der fünf Hinrich­tungen. Reine Namen- wozu braucht die Mitwelt sich länger mit Menschen zu befassen, die gar nicht mehr sind? ,, Bereits vollstrect." Schluß! Interessiert höchstens noch die Anatomie.

Bereits vollstrect." Das Motto eines mittel­alterlich- mongolischen Regimes. So war es auch vor Jahres: frist, als es galt, die Ermordung des Gesandten Woitow zu rächen: man verhaftete wahllos einige Leute, führte fie zu ſammen mit anderen Leuten, die bereits seit Jahren als Geiseln im Gefängnis saßen. Salve! Und dann die kurze Meldung: Bereits vollstrect!"

Warum auch nicht? Rußland ist so groß! Seine Be­Dölkerung ist statistisch gar nicht zu erfassen, sondern nur schäzungsweise. Auf fünf Menschenleben mehr oder weniger tommt es nicht an. Denn russische Menschenleben sind billig- und schutzlos! Hinter ihnen steht keine Macht, die erklärt: Ich werde erst wieder in Wirtschaftsverhandlungen mit euch eintreten, wenn ihr diese Prozeßschweinerei, soweit unsere Landsleute in Frage kommen, einigermaßen be­friedigend liquidiert haben werdet!"

Die russischen Angeklagten waren einer 100prozenti­gen Willfür ausgeliefert. Keine Möglichkeit der Kritik und der Kontrolle durch die öffentliche Meinung- es gibt ja nur eine bolfchemistisch- amtliche Preffe. Keine freie Ber­teidigung es wurde mehreren Anwälten die sich zu Be­ginn des Prozesses über die ganze Anklage steptisch geäußert hatten, einfach das Berteidigungsrecht entzogen. Es durfte nur von Offizialverteidigern auf mildernde Um stände plädiert werden..

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Wer bis zuletzt gehofft hatte, die Sowjetregierung würde nicht wagen, auch dieses Justizverbrechen auf sich zu laden, der übersah dabei eines: Es mußte Blut fließen! Die Staatsräfon verlangte es. Sie verlangte ein paar Sie verlangte ein paar russische Leichen, ebenso wie sie wegen der unterbrochenen Wirtschaftsverhandlungen den Freispruch der zwei Deutschen Meyer und Otto verlangte.

Das Prestige Stalins ließ es nicht zu, daß dieser Prozeß abgeschlossen wurde, ohne daß eine Gewehrsalve auf ein paar verhaftete Ingenieure abgefeuert wurde. Wenn man fünf Monate lang den russischen Arbeitern eingeredet hat, die Sowjetwirtschaft werde durch Spezialisten im Dienste der ehemaligen Besizer und des polnischen Generalstabs ruiniert, wenn man durch Fabritbelegschaften Hunderte von Resolutionen votieren läßt, in denen Todesurteile gefordert werden, wenn man Zehntausende von Arbeitern nach Moskau gratis befördert. um dem Gerichtsschauspiel im größten Theatersaal der Stadt beizuwohnen, wenn man einen Prozeß in eine politische Propagandasensation größten Stils um­wandelt, dann muß dabei auch etwas herausfommen. Im Blutrausch, den die Nachricht der fünf Erschießungen zuerst erzeugen wird, werden die russischen Arbeiter zu nächst vergessen, daß sie sich nach Brot anstellen müssen; daß Rußland , der größte Kornerzeuger des alten Kontinents, zurzeit Masseneinkäufe von Getreide in den kapitalistischen Ländern abschließt, um bis zur Ab­lieferung der Ernte durch die Kulaken die städtische Bevölte rung notdürftig ernähren zu fönnen. Es mußten einige Sündenbode geschlachtet werden, um das russische Proletariat darüber hinwegzutäuschen, daß das Sowjet­system wirtschaftlich versagt.

Deutschland für den Kellogg Paft.

anunsjsus Beratung im Auswärtigen Ausschuß.

Der Auswärtige Ausschuß des Reichstags traf am Dienstag unter dem Vorsitz des Abg. Scheidemann( S03.) und Dienstag unter dem Vorsitz des Abg. Scheidemann( S03.) und in Anwesenheit des Reichskanzlers Müller zusammen, um die mit dem Kellogg - Patt, dem Sicherheitskomitee und der Bölkerbundsratsfihung zusammenhängenden politischen Probleme zu erörtern. Staatssekretär v. Schubert gab zunächst eine ausführ­liche hiftorische Darstellung der den Kellogg- Pakt betreffenden diplo­matischen Borgänge. Ueber die Arbeiten des Sicherheits­tomitees sprach alsdann Staatssekretär a. D. v. Simson. Den Erklärungen der Vertreter der Reichsregierung folgte eine um­fangreiche Aussprache.

sie erfolgen kann, ist noch ungewiß. Der Termin hängt namentlich von der Bereinigung der Meinungsverschieden­heiten ab, die vorerst noch zwischen den Bereinigten Staaten und Frankreich bestehen. Das französische Kabinett wünscht bekanntlich die ausdrückliche Betonung der Berech= tigung des Verteidigungstrieges und die Berücksichtigung der militärischen Verpflichtungen, die den einzelnen Staaten aus dem Bölferbundspakt, den Locarno - Abmachungen und sonsti­gen beim Völkerbundssekretariat registrierten und damit an­erkannten Verträgen erwachsen. Der Wortlaut des amerika­ nischen Entwurfes spricht nun von der Ablehnung des Krieges ganz allgemein, und wenn, auch in der letzten ameri­fanischen Note die französischen Bedenken mit dem Hinweis Borlage als unbegründet bezeichnet worden find, so bestehen auf die Auslegungsfähigkeit der amerikanischen doch Zweifel, ob die Pariser Regierung sich mit diesen Fest­Bertragstertes oder die Unterzeichnung von ihrem Stand­stellungen begnügt und nicht entweder eine Abänderung des Vertragstextes oder die Unterzeichnung von ihrem Stand­punkt gerecht werdenden Sonderprotokollen fordert. Es ist vorgesehen, daß der Kriegsächtungspaft in Kraft tritt, wenn außer den sechs Großmächten, an die Amerika Die Reichsregierung wird danach schon in den nächsten ursprünglich gedacht hat, auch Belgien , Bolen und die Tagen auch auf die zweite Kollegg- Note eine zu stim Tschechoslowakei als Mächte, die in Locarno beteiligt mende Antwort erteilen. Das bedeutet jedoch noch waren, unterschrieben haben. Dann steht allen übri­nicht die Unterzeichnung des Entwurfes. Wanngen Staaten der Zutritt offen.

Am Schluß der Sihung gab der Vorsitzende, Abg. Scheide. mann, den besten Wünschen des Ausschusses für eine baldige völlige Genesung des Reichsminifters des Auswärtigen, Dr. Strefe­mann, Ausdrud. Die Ergebnisse der geftrigen Verhandlung zu­fammenfaffend, erklärte er: Die große Mehrheit des Aus­fchuffes habe ihr Einverständnis damit ausgesprochen, daß die Reichsregierung die letzte amerikanische Note über den Kellogg paft alsbald zustimmend beantwortet."

Um den Nationalfeiertag.

Reichsinnenminister Severing begründet die Vorlage im Reichstag.

Der Reichstag beriet gestern in erster Lesung über| den Beschluß der Berfassung freudig begrüßt haben, wollen heute den Gesezentwurf, der den 11. August als Verfassungs­tag zum Nationalfeiertag erheben will.

Nach längerer Debatte wurde mit 214 Stimmen der in der Regierung vertretenen Parteien gegen 136 Stim men beschlossen, die Vorlage dem Rechtsausschus zu überweisen.

Reichsinnenminister Severing vertrat die Vorlage. Er führte aus: In den letzten sechs Jahren hat der Gedante des Nationalfeiertages im Volte Wurzeln ge­ichlagen. Nicht nur in Berlin sind durch Reich, Staat und Ge­meinden Verfassungsfeiern veranstaltet worden, sondern auch die privaten Organisationen haben den Verfassungstag ge­feiert, so daß es eigentlich nur noch die Aufgabe des Reichstags ist, den tatsächlichen Zustand gefehlich zu fanktionieren.( Sehr wahr! bei den Soz.) Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob, der Zeit­punkt und die Bedeutung des 11. Auguſt es zweckmäßig erscheinen laffen, gerade diesen Tag zum Nationalfeiertag zu machen. Die Bedenken wegen der Schulferien, daß verspätete Schulfeiern nur ein schwacher Abflatsch sein würden, sind bis zu einem gewissen Umfange richtig; aber die Feiern der Erwachsenen könnten so aus­gestaltet werden, daß sich auch die Jugendlichen daran beteiligen, und wenn dann hinterher noch einmal Schulfeiern stattfinden, um Schülern und Schülerinnen Staatsbürgerkunde und Verfassungs­funde beizubringen, fo gilt wohl das alte Wort, daß man das eine tun und das andere nicht laffen soll.( Sehr wahr! bei den Soz.) auch der Einwand, daß der 11. Auguft die Ernie stören würde ( Sehr wahr rechts und im Zentrum), ist bis zu einem gewisien Um­fange berechtigt, aber heute bestehen schon in den Einzelstaaten Bolizeivorschriften für die Landeszentralbehörden und die Polizei­behörden die Möglichkeiten, in solchen Fällen eine Ausnahme vom Gesetz zu machen.

Wenn, wie es den Anschein haf, Kommissionsberatung gewünscht wird, dann fann noch einmal in dieses Gesetz hineingeschrieben werden, daß die Landeszentralbehörden Ausnahmen machen fönnen.

an dieser Reichsverfassung tein gutes Haar laffen.( 3wischenrufe bei den Kommunisten.) Ich nehme Sie( zu den Kommunisten) aus. Sie lernen es nie.( Buruf bei den Komm.: Das wollen wir nicht lernen, was Du gelernt hast!) In der Nationalversamm­ lung bestand die Erkenntnis, daß wir nur auf demo­frafischer Grundlage aufbauen können und daß wir nur aus dem Chaos herauskommen fönnten, wenn es gelänge, eine gemeinschaftliche Blattform herzustellen. Eine ausgezeichnete Rede hat damals Herr v. Kardorff gehalten. Wenn der General­feldmarschall v. Hindenburg fich ein großes Verdienst durch die

zurückführung der Soldaten in die Heimat erworben hat, so wären doch alle Bemühungen der Obersten Heeresleitung und des General­feldmarschalls v. Hindenburg nicht erfolgreich gewesen, wenn nicht in jener Zeit die Arbeiterorganisationen mit ihren lebendigen Kräften sich in den Dienst der allgemeinen Wohlfahrt gestellt hätten.

Vom alten zum neuen Deutschland .

Wir haben es fertig gebracht, daß in furzer Zeit mehr als 7 Millionen Soldaten wieder in das Erwerbsleben zurüdgebracht wurden, und wir haben einen großen Teil des Verdienstes daran, daß die Erbitterung der Volksmassen, die sich damals betrogen fühlten, sich nicht in Gewalttaten entlud. Ich unterstreiche die damaligen Ausführungen des Herrn v. Kar dorff,

daß die Angehörigen der schaffenden Stände durch das alte Regime nicht verwöhnt waren, obwohl ihnen gesagt wurde: Ich führe Euch herrlichen Zeiten entgegen!"

Im November 1918 fanden die Zurückgekehrten in Deutschland Arbeitslosigkeit vor. In der Kriegszeit ist vom Blah des Reichskanzlers das Wort gefallen, daß nun nach der Solidarität des deutschen Boltes, die sich besonders glänzend 1914 gezeigt habe, freie Bahn jedem tüchtigen Boltsgenossen sein würde. Damals galt noch in Breußen das Dreitlassen­unrecht, das die Arbeiter nicht als gleichberechtigte Bürger an erkannte. Die Arbeiter haben nicht aus Dankbarkeit sich in den Dienst der nationalen Sache gestellt, sondern in der Erkenntnis, daß nun der Zeitpunkt gefommen war für die Arbeiterschaft, aus dem neuen Staat auch einen Staat für die Arbeiter zu schaffen.

Werden jetzt, weil fünf Leichen von Bourgeois- Intellet­tuellen seziert und verfcharrt werden, die Gruben und Fa briten auf dem Gebiete der Sowjetunion auf einmal blühen Benn bezüglich des Beitpunktes Zweifel bestehen können, ob der und gedeihen, wird der in den Moskauer Bureaus zusammen- 11. Auguft der idealite Tag fei, so fönnen teine Zweifel darüber gefrizzelte fünfjährige Wirtschaftsplan von Minst bis Mladi bestehen, ob der 11. Auguft nach seiner Bedeutung ein Feier­wostot, von Archangelst bis Taschkent , der schon längst austag ist. Selbst diejenigen Herren, die in der Nationalversammlung tag ist. Selbst diejenigen Herren, die in der Nationalversammlung Diese Erkenntnis hat damals die Arbeiter bestimmt.( 3uruf bei den