Der Abend
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Spalausgabe des„ Vorwärts
10 Pf.
Nr. 324
B 160 45. Jahrgang.
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Helden für 10000 Mart.
"
Wies
Der Dzeanflieger Hauptmann Röhr und sein monofelbehafeter Reklamechef v. Hünefeld, der seine halbsemitische Abstam mung durch junterliche Manieren zu verdecken sucht, hatten der Stadt Köln mitgeteilt, daß sie bereit seien, sich dort empfangen und feiern zu laffen. Am 8. Juli traf aber aus Jrland, wohin sie den anderen Ozeanflieger Figmaurice begleitet hatten, ein Telegramm ein, aus dem hervorging, daß sie erst nach Doorn fliegen und dann nach Köln tommen wollten. Als das in Köln Sp. fannt wurde, hat die Rheinische Zeitung ", das Organ der Sozialdemokratie, sich entschieden gegen einen Empfang der Flieger dur h die Stadt Köln ausgesprochen. Der zuständige Dezernent legte den Artikel der Rheinischen Zeitung " dem Oberbürgermeister vor und bat um Entscheidung, ob es bei dem vorgesehenen Programm bleibe. Der Oberbürgermeister erflärte, menn auf der Besuch der Flieger in Doorn während ihres offiziellen Rundfluges bedque: lich sei und die öffentliche Meinung nunmehr gegenüber den Fliegern geteilt sein würde, so solle der Empfang und das Frühstück im Rathaus wie vorgesehen stattfinden. Darauf wurde mit den Vorbereitungen auf dem Flugblag fortgefahren, die Einladung zu dem Frühstüc telephonisch mitgeteilt und die Einladungskarten in Drud gegeben. Am 6. Juli, spät nachmittags, wurde dem Dberbürgermeister durch einen Herrn der städtischen Verwaltung mitgeteilt, ein frühere: Kamerad des Hauptmanns Koehl habe ihm telephoniert, er habe mit dem Privatsekretär der Flieger in Doorn telephonisch gesprochen. Diese tämen nicht um 12 Uhr mittags, sondern im Laufe des Nachmittags. Sie fönnten teinesfalls vor 5 Uhr eintreffen.
Am selben Nachmittag lief von anderer Seite bei der Stadtverwaltung die Mitteilung ein, die Flieger fämen überhaupt nicht mehr am Sonnabend, sondern erst am Sonntag. Eine telegraphische ader telephonische Mitteilung der Flieger an die Stadtverwaltung tam nicht.
Die Einladungen zum Frühstüc wurden nun rüdgängig gemacht. Empfangsfeierlichkeiten für Sonnabend abend wurden nicht mehr vorgesehen mit Rücksicht auf das Telegramm vom 4. Juli, in dem um Ruhe für die vollständig überanstrengten Flieger gebeten wurde, mit Rücksicht auf die Ungewißheit, ob und wann die Flieger überhaupt fommen würden, mit Rücksicht auf die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, und mit Rücksicht auf die geringe Bedeutung, die die Flieger dem Empfang durch die Stadt Köln offenbar beilegten. Bei ihrer Ankunft in Köln am Nach 3 mittag des 7. Juli wurden die Flieger vom Beigeordneten Billstein im Namen des Oberbürgermeisters auf dem Flugplatz begrüßt und in das von der Stadt im Hotel vorgesehene Quartier gebracht. Bei der Begrüßungsansprache waren nur wenige Menschen zugegen.
Die ganze Kölner Bresse nahm gegen die Flieger Stellung, mit Ausnahme eines fleinen deutschnationalen Blättchens von ganz untergeordneter Bedeutung. Die Veranstaltung auf der Pressa war außerordentlich schlecht besucht, man mußte die Saaltüren weit öffnen, um den Raum mit Ausstellungsbesuchern notdürftig zu füllen. Die Bevölkerung der Stadt Köln hatte für die Flieger überhaupt fein Interesse; daß sie auf der Breffa" am Sonntag mehr Zulauf hatten, erflärt sich aus der Tatsache, daß an diesem Tage 50 000 bis 60 000 Besucher auf der Ausstellung weilten.
Geschäft bleibt Geschäft.
Die Rheinische Zeitung " schreibt dazu noch folgendes: Die Kölner Episode ist zu Ende. Sie dürfte den beiden Fliegern, befonders aber dem Freiherrn v. Hünefeld, in aller Deutlichkeit bewiesen haben, daß man in diefer Stadt einer schrankenlosen Heldenverehrung höchst abhold ist, um so mehr, wenn es sich um Personen
handelt, die durch den eklatanten Bemeis politischer Ge. fchmadlofigfeit sich bei der weitaus größten Mehrheit der Bevölkerung unbeliebt gemacht haben. Herr v. Hünefeld hat das auch eingesehen und darum die Erklärung abgegeben, daß er und Hauptmann Röhl als„ Privatleute" in Doorn geweilt hätten. Demzufolge sind die beiden Herren auch in Köln als Privatleute behandelt worden. Kennzeichnend für die beiden Flieger dürfte auch noch die Tatsache sein, daß sie es ablehnten, während ihres Fluges von Holland nach Köln in Krefeld eine Zwischenlandung von 10 Minuten Dauer zu machen, dagegen aber bereit waren, für 10 000 Mark einen Vortrag zu halten. Diese Offerte ist wegen der Höhe des Preises abgelehnt worden. Man muß schon sagen, daß beide Herren ihre Geschäfte verstehen. Daß ein folches Borfommnis mie in Krefeld nicht zur Stärfung der öffentlichen Sympathie für Köhl und Hünefeld beiträgt, ist ganz Mar. Das sollten die beiden Herren auch wiffen. Schwer ist es, Ruhm und Ehre zu erreichen, aber rascher als man denkt, hat man sich die Begeisterung und die Sympathie der Deffentlichkeit verscherzt. Die beiden Flieger, ins besondere aber Freiherr v. Hünefeld, sind auf dem besten Wege bazu."
Die Kundgebung für den Nationalfeiertag.
Am Dienstag hat das Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold eine große Kundgebung für den Nationalfeiertag am 11. August veranstaltet.- Oben: Die Massen auf dem Gendarmenmarkt. Unten: Der Redner, Gauvorsitzender Johannes Stelling .
Die Entrüstung über das Berhalten der Ozeanflieger beschränkt sich durchaus nicht etwa auf sozialdemokratische Kreise. So berichtet der Kölner Lotalanzeiger", ein Organ des Zentrums, über einen Bortrag des Freihern v. Hünefeld:" Dort sprach der Junker vom Typ auch international verhängnisvoller vorkriegszeitlicher Arroganz und Selbstüberschätzung. Allgemein war der Eindruck start, daß der Redner Hünefeld nach Effekten haschte, daß er sich in Poje jetzte, um diese Effekte zu erzielen und daß es ihm vor allem Bedürfnis war, seiner durch die Gestaltung der Dinge in Köln verletzten Gitelfeit Genugtuung zu geben. Dieser Eindruck war besonders bei der Versammlungsrede des Junkers Freiherr v. Hünefeld in der großen Messehalle so allgemein, daß er uns von den verschiedensten Seiten, teilweise mit großer Schärfe, bestätigt worden ist."
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Die Ozeanflieger hatten auch für Dessau ihren Besuch angemeldet. Die sozialdemokratis he Fraktion des Dessauer Gemeinderats hat dem Magistrat einen Beschluß übermittelt, in dem es heißt, daß die Empfangsfeierlichkeiten für die Ozeanflieger mehr und mehr in den Dienst einer republikfeindlichen Propaganda gestellt worden feien.
Das Verbredien Nobiles.
( Bericht 2. Seite.)
Die Lohnsteuer wird gesenkt!
Einigung der Regierungsparteien.
Bor der Sitzung des Steuerausschusses des Reichstags, die um
11 Uhr begann, verhandelte heute vormittag Reichsfinanzminister Dr. Hilferding nochmals mit den Parteiführern über die Frage der Einkommensteuersentung. Das Ergebnis dieser abschließenden Besprechung war, daß Sozialdemokraten, Demokraten und Zentrum dem Steuerausschuß einen gemeinsamen Antrag vorlegen werden, 2 Mart monatlich erfolgende Abzug vom Steuerbetrag auf monach der gegenwärtig in Höhe von 15 Proz. bzw. höchstens 25 Pros. bzw. 3 Mart erhöht werden soll. Unter diese Ermäßigung
würden Einkommen bis zu 15 000 Mart jährlich fallen. Daneben soll eine weitere Ermäßigung der Steuerleistung durch eine Abrundung herbeigeführt werden. Die Neuregelung foll ab 1. Oktober in Kraft treten.
Am 2. Dezember Gemeindewahlen. Als Wahlter min für die Gemeinde-, Kreis- und Provinziallandtagswahlen ist, wie wir erfahren, für Preußen allgemein der 2. Dezember in Aussicht genommen worden. Ausgenommen sollen die Regierungsbezirke Arnsberg , Münster und Düsseldorf bleiben, da hier bekanntlich eine große fommunale Neuregelung zu erwarten ist.