Morgenausgabe
Nr. 327
A 167
45.Jahrgang
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Freitag
13. Juli 1928
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Lohnsteuersenkung beschlossen!
Mit 210 gegen 188 Stimmen.
Ein Erfolg der Sozialdemokratie. - Die
Kommunisten stimmen mit Volkspartei und Deutschnationalen dagegen.
Der Reichstag hat am Donnerstag die| damals so bedentenlos, mit dem deutschnationalen FürstenSenkung der Lohnsteuer um 10 Pro3. anwalt Everling ein Bündnis abzuschließen, das den vermit 210 gegen 188 Stimmen bei 7 Stimm- urteilten Fememördern die Freiheit bringen sollte. Hier, enthaltungen angenommen. Die Kommu wo es sich um die Interessen der breiten Arbeitermassen nisten stimmten mit Nein. handelt, beschimpfen sie die Sozialdemokraten des Berugs", weil sie mit bürgerlichen Barteien gemeinsam eine Herabsetzung der Lohnsteuer beschließen. Der einfachste deutsche Arbeiter versteht es, daß die Sozialdemokratie gegenüber einer Bürgerblockregierung, die auf die sozialdemokratischen Forderungen feinerlei Rücksicht nimmt, ihre eigenen Anträge vertritt, daß sie dagegen, menn sie die Möglichkeit hat, durch Verständigung mit anderen Parteien einen materiellen Borteil für die Arbeiterklasse zu erreichen, auch bereit sein muß, ihre eigenen Forderungen teilmeise zurückzustellen.
Diese Aenderung der Gesetzesbestimmungen über die Lohnsteuer bedeutet eine Entlastung der Lohnsteuerpflichtigen um 132 Millionen Mart im Jahr. Davon entfallen etwa 20 Millionen auf die neu eingeführte Abrundung des der Steuer unterliegenden Einkommensbetrages, der Rest auf die Erhöhung des an der Lohnsteuer vorzunehmenden Abzugs von 15 auf 25 Broz. Für den einzelnen Lohnsteuerpflichtigen ergibt sich aus dieser Sentung nur eine geringe Entlastung. Trogdem fonnte sie nur im heftigsten Kampfdurchgefeht werden.
Die Deutschnationalen glaubten, in der Taktik der So In diesem Kampf schieden sich die Geister nicht nach zialdemokratie eine Rechtfertigung ihres Betruges an den Koalitions- oder Regierungsgemeinschaft, sondern nach den Sparern erblicken zu können. Die Deutschnationalen überwirtschaftlichen Interessen. Die reinen Vertreter sehen hierbei den kleinen Unterschied, daß sie selbst die von der Besiginteressen, Deutschnationale, Deutsche Volkspartei und ihnen bei der früheren Wahl gemachten Bersprechungen im Wirtschaftspartei, zu denen sich aus partikularistischem Eigen- Reichstag bekämpft und die Mehrheit für eine bessere Auffinn noch die Bayerische Volkspartei geſellte, auf der einen wertungsgesetzgebung, die sie bilden fonnten, nicht geSeite, Sozialdemokratie, Zentrum und Demokraten auf der anderen Seite. Gewiß drängen fich auch beim Zentrum und den Demokraten die Besißinteressen vor, aber diese Parteien haben doch noch auf größere Schichten von Lohn- und Gehaltsempfängern Rücksicht zu nehmen. Darum schlossen sie fich nach langen Verhandlungen der sozialdemokratischen Forderung auf sofortige Sentung der Lohnsteuer an.
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bildet haben, während die Sozialdemokratie nur einstweilen sich mit dem Erreichbaren begnügt, weil sie für ihre volle Forderung eine Mehrheit nicht erreichen tann. Trotz des tatsächlichen Berrats der Arbeiterinteressen durch die Kommunisten hat die Sozialdemokratie im heißen Rampfe einen Erfolg erzielt. Der Verlauf dieses Kampfes hat die Lage bligartig beleuchtet. Ihre Beteiligung an der Regierung hat die Sozialdemokratie nicht gehindert, mit anderen an der Regierung beteiligten Parteien scharf die Klinge zu freuzen, um den breiten Massen der wirtschaftlich Schwachen in Stadt und Land zu dienen. Wie nicht anders zu erwarten, ist in diesem Kampfe die deutschnationale Oppofition an die Seite der mitregierenden Deutschen Volkspartei getreten, um den wirtschaftlich Schwachen die kleine Entlastung zu versagen. Daß auch die Kommunisten sich diesen Gegnern der arbeitenden Schichten angeschlossen haben, wird vielen die Augen öffnen.
Die Sozialdemokratie ist sich bewußt, daß sie auch fernerhin gegen die geschlossene Phalang der Arbeiterfeinde auf der Rechten und der Kommunisten zu fämpfen haben wird. Das wird sie nicht hindern, sondern erst recht anspornen, ihren Mann zu stellen.
Botschafter Hoesch bei Poincaré .
Das deutsch - französische Problem in seiner Gesamtheit besprochen!
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nutzen. Die Besatzung hätte lediglich den Zweck, die Durchführung der Entwaffnung und die genaue Beobachtung der von Deutschland eingegangenen Reparationsverpflichtungen zu sichern. Die Entwaffnung sei aber erfolgt und es könne höchstens noch die Rede von Rheinlandzone sein. In teinem Falle aber tönne man sollte oder Frankreich seine Festungen ausbauen müsse. Die erstere Auffassung sei nach Locarno juristisch unhaltbar und was die Feftungsbauten beträfe, so fönne man ja dann einfach die Bauten dauernd verzögern, um die Besatzung rechtfertigen zu können. Schwieriger läge die Frage in bezug auf die Reparationen. Jedenfalls sei das deutsche Verlangen auf die Festsegung einer Endsumme vollkommen gerechtfertigt.
der Errichtung einer internationalen Kontrolle für die
Wo aber standen die Kommunisten in diesem Kampfe? Bei der gekennzeichneten Parteigruppierung sollte man glauben: an der Seite der Sozialdemokratie, an der Seite der Arbeiterschaft. In Wirklichkeit verhielten sie sich anders. Sie marschierten an der Seite der Großagrarier und SchwerinduDer deutsche Botschafter v. Hoesch hatte am Donnerstag eine striellen, fie unterstügten die Trust herren. Unterredung mit dem französischen Ministerpräsidenten Poincaré . Wäre es auf die Kommunisten angekommen, so wäre die B. Hoesch gab zunächst einige Aufklärungen über die deutsche Lohnsteuersenkung entsprechend den Wünschen der Herren Regierungsbildung. Hierauf wurden wie ein komRademacher, Hugenberg, Becker- Hessen und Genossen vermuniqué der Botschaft mitteilt- in der Unterhaltung die deutschsich etwa darauf stüßen, daß erst die Ostfrage geregelt werden hindert worden. franzöfifchen Beziehungen in ihrer Gesamtheit Es handelt sich hier um eine proletarische Ange- in allgemeiner Weise besprochen. legenheit im vollsten Sinne des Wortes. Die kämpfenInwieweit in der Unterredung auch die Rheinlandfrage den Parteien standen sich in flaren Linien einander gegenüber. Selbst die Notionalsozialisten erkannten, daß sie es erwähnt wurde, geht aus der französischen Presse nicht hervor. bei diesem Aufmarsch der Heerlager nicht wagen durften, Immerhin versucht die französische Lintspreise, die Rheinlandgegen die Hand- und Kopfarbeiter zu stimmen. Die Kom frage weiterhin in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen. In der Bolonté" wird z. B. am Donnerstag davor gewarnt, die Bemunisten aber taten es! Entscheidend für sie war nicht die Geringfügigkeit des Zugeſtändnisses an die Lohn- legung in unzuläffiger Weise zur Durchfeßung von Wünschen auszuSteuerpflichtigen. Sie selbst beantragten z. B. die Aufhebung der Zuckersteuer, die für das ganze deutsche Bolt eine Entlastung um 140 Millionen bedeuten würde. Es kann also nichts Bagatellartiges sein, wenn die Lohnsteuer um 132 Millionen gesenkt wird, wovon nur ein fleiner Bruchteil auf die veranlagte Einkommensteuer entfällt. Nein, es war der Haß gegen die Sozialdemokratie, der die Kommunisten antrieb, den Lohnsteuerpflichtigen eine Milderung der Steuerlaft zu verweigern, die den bürgerlichen Mittelparteien in zähen Auseinandersetzungen abgerungen worden war.
Haß macht blind. In ihrer Blindheit wähnen die Kommunisten, mit dem Hinweis auf frühere sozialdemokratische Anträge die Arbeiterschaft topficheu machen zu können. Gewiß hat die Sozialdemokratie früher weitergehende Anträge gestellt. Heute noch hält sie, wie ihr Bertreter Dr. Herz im Reichstag ausgeführt hat, diese Anträge sachlich für richtig. Sie hätte aber den Lohnsteuerpflichtigen mit der Zustimmung zu diesen von den Kommunisten wieder aufgenommenen Anträgen nicht einen Deut genügt, sondern nur das Zugeständnis gefährdet, das sie den Mittelparteien abge tämpft hatte. Bor die Frage gestellt: für einen weitergehenden Antrag zu stimmen, der feine Aussicht auf Annahme hatte und damit den ganzen Erfolg zunichte zu machen, oder auf den Abstimmungseffekt zu verzichten und die Entlastung der Lohnsteuerpflichtigen in Sicherheit zu bringen, mußte die Sozialdemokratie auf die Sicherung des Erfolges bedacht sein.
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Die Malmgreen- Gruppe erreicht!
Malmgreen feit einem Monat tot.- Mariano und Zappi gerettet!
Mostan, 12. Juli.
Es ist dem russischen Eisbrecher ,, Krassin" gelungen, die Malmgreen- Gruppe zu erreichen. Ma Imgreen selbst ist schon seit einem Monat to t; seine Leiche wurde geborgen. Die beiden Italiener Mariano und 3appi wurden gerettet.
Der Eisbrecher Straffin" erreichte am Donnerstag früh um 6,40 Uhr die von dem russischen Flieger Tschuchnowski am Dienstag nachmittag um 18,45 Uhr entdeckte Malmgreen- Gruppe. Die beiden geretteten Italiener Mariano und Zappi hatten in den letzten 13 Tagen sehr unter Nahrungsmangel zu leiden gehabt. Mariano hatte infolge einer Beinverletzung große Schmerzen aushalten müffen. Die geringe von Tag zu Tag abnehmende Aussicht auf Rettung sowie der vor vier Wochen eingetretene Tod ihres Führers, Die Kommunisten stellen sich einfichtsloser als sie sind. des Schweden Malmgreen, hatte auf ihre seelische Berfassung natür. In dem Kampfe um die Amnestie in diesem Frühjahr erlich sehr eingewirkt. An Bord des Eisbrechers„ Kraffin", der seine darstellt, Vereinbarungen mit anderen Parteien treffen muß, Suche nach der Biglieri- Gruppe weiter fortseßt, um Mehrheitsbildungen zustande zu bringen. Sie waren hegen die beiden Geretteten die Hoffnung, noch Augenzeugen der
fannten sie, daß man, wenn man selbst die Mehrheit nicht
Rettung ihrer Kameraden bei der Biglieri- Gruppe werden zu können. um die Bergung des Fliegers Tschuchnowski, dessen Bemühungen die Rettung der Malmgreen- Gruppe zu danken ist, bemüht sich jetzt der russische Eisbrecher ,, Malygin", der den Flieger Babuschkin an Bord hat. Der notgelandete Flieger steht mit den Eisbrechern in ständiger Radioverbindung.
,, Sagen Sie die Wahrheit!"
Der Fall Nobile.
Der Fall Nobile wächst sich immer mehr zu einer Angelegenheit aus, die nicht mur Spezialiniereffe beansprucht, sondern auch den Faschismus an sich in seinem besonderen eigenen Lichte erscheinen läßt. Bedeutsam scheint in diesem Zusammenhange eine Erklärung der größten schwedischen bürgerlichen Zeitung Spensta Dagbladet", die in diesen Tagen erschien. Man erlangt von Nobile flipp und klar eine Erklärung darüber, warum Malmgreen und feine Kameraden ohne Ausrüstungsgegens stände das Lager verließen. Es heißt, daß man es als under zeihlich ansehen müsse, wenn der verantwortliche Leiter der