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Die enge Stube. Mutti, da bist du ja endlich! Warum bist du so schlecht ze- loun;?" Das et Iva vierzehnjährige Mädel sprang von den Büchern, vor denen es gesessen hatte, auf und wendet« sich der eintretenden Mutter zu: Ach, Kind, das verstehst du nicht. Später einmal, viellei ht später!" Die Mutter legt« ihre mit Büchern vollgestopfte Tasche aus ein Regal und räumt« den Hut in den Kasten. Dann setzte sie sich auf- seufzend nieder. Di« Tochter sah prüfend in das liebe, müde, vergrämt« Antlitz. O, sie kannte jeden Zug darin und jede Falte, die der Kummer ein- gegraben hatte, und war nun gewiß, daß etwas die Mutter wi«der bedrückte. Aber wenn sie fragen und trösten wollte, kam die ab- wehrende Antwort:Das verstehst du nicht! Später!" Warum sollt« sie denn die Mutter nicht verstehen? War sie d«nn mit ihren vierzehn oder«igentlich fünfzehn Jahren nicht schon«rwachscn? Und bewies sie nicht, daß sie im schweren Kampfe d«s Alltags so aufrecht blieb wie die Erwachsenen? Wenn sie diesesSpäter!" hörte, wer immer es ihr zurief, so konnte sie recht ärgerlich werden. Sie trat wieder cm den Tisch, ein blondes Mädel, freilich ein bißchen kleiner, als es ihrem Alter entsprach, ganz schmal, ganz blaß. vom ruchlosen Kriege, wie all« Kinder ihres Alters, gezeichnet. Sehr ernst sagte sie zur Mutter: Aber warum willst du mir nicht sagen, was du hast, Mutti? Ich errat's ja doch. Was wird's denn sein? Irgendwer hat hast wieder die Stunden aufgegeben, wahrscheinlich der Professor oder gar die Familie vom Ministerialrat, die sind ja die letzten, die die ganze Zeit durchgehalten haben." Die Mutter sah auf das Mädel, stand auf und ging einige Schritte durchs Zimmer. Als ob sie vor dem Kinde verlegen wäre. Als ob ihr ein Geheimnis schwer auf der Zunge läge und als ob sie zögert«, sich davon zu befreien. Ja!" sagte sie jetzt, scheinbar fügsam.So ist's! Der Professor will kein« Französischstunden mehr. Es geht nicht, meinte er. Das macht wieder acht Stunden im Monat weniger. Ich bin wahrhaftig nicht böse, woher soll er's denn nehmen? Wer ich binge es auch nicht länger zusammen." Das Mädel versuchte keinen banalen Trost. Der Winter fing wirklich böse an. Es ging jetzt so hart zu in dieser Welt, daß die Leute nicht einmal mehr den Ehrgeiz hatten, sich mit den Franzosen und Engländern in ihrer Sprach« zu oerständigen, ein großes Un- «cht: hinsichtlich der Völkerversöhnung und besonders hinsichtlich des Budgets der Familie Fernleitner. In der kleinen Stube herrschte Schweigen. Die Mutter ging in die Küche, um das Nachtmahl zu bereiten. Indessen setzte sich das Mädel wieder an feine Bücher, las aber nicht. Wenn sie nur Helsen könnte! Wenn sie nur helfen könnte! Da rückte die graue Not ganz nahe heran und das Schicksal sagte so wie die Mutter:Später, vielleicht später!" Aelter sein, aber was dann? Törichte KiirdertrSume und die Pläne eines reifen Menschen gingen ihr durch den Kopf, durchkreuzten sich, überschlugen sich, ein Ring- kämpf zweier Gewalten, von denen die«in««rdenschwer war und von den häßlichen Lasten, die jeder Tag erhöhte, zu Boden gezogen wurde und die andere sich walkenleicht über all die Kümmernisse erhob. Ich hätte doch lieber in die Handelsschule gehen sollen, sagt« sich das kleine Mädel und machte ein ernstes Gesicht, oder gleich zu einer Modistin, da könnt' ich jetzt schon was verdienen... oder sich als Bub oerkleiden, als Schiffsjunge ins Ausland, weit weg, in Süd- afrika Diamantengräber werden.... Unsinn, sie war ja doch ein Mädel und die Verkleidung als Bub war gerade gut genug fürs Theaterspiel, damals bei den Grubers, was war das für in Herr- sicher Nachmittag gewesen... wenn sie älter wäre und nur ein bissel größer, könnt« sie filmen, das war ja das neueste Kompliment, das ihr die dummen Jungen machten:Fräulein, Sie haben so ein ausdrucksvolles Gesicht wie ein« Filmdiva...." Ja, Filmdiva oder Opernsängerin, die Mutter in ein Sanatorium auss Land schicken, daß sie wieder essen lernte, essen und schlafen, das war wohl not- wendig... und die Direktoren müßten dann, wenn sie eine be- rühmte Theaterdam« wäre, vor ihrer Tür angestellt sein, wie... wie jetzt die Leute ums Fett.... Und mit dieser Erinnerung an die Gegenwart sanken die Luft- schlösser zusammen, an denen sie nicht lange gebaut haben mochte, denn schon trat die Mutter mit dem Abendesien ein und dessen Her- richtung pflegt« nur kurz zu währen. Sie brachte ein Gemüse, das von einer grüngrauen Sauce Überzossen war und nicht gerede an- regend aussah und als erbärmlich kleines Häufchen auf der Schüssel dalag. Die Mutter nahm einige Löffel und hörte zu essen auf, aber die klein« Hilde griff tüchtig zu. Ich Hab' halt immer Hunger," sagte sie und ihre Augen lachten, und da lächelte auch die Mutter. Weißt du was, Mutti," fuhr die kleine fort,wir nennen das einen Rostbraten und eine Wildsauce, dann wird's dir auch anders schmecken, koastbeek ä la Sauce tatare. Und garni de... wie wie beißen die Wrucken auf französisch, Mutti? garni de Wrück." Die Mutter lächelte wieder. Na, es würde dir nicht schaden, wenn du einmal ein Roastbeef hättest!" Will ich gar nicht, Mutti," erwiderte Hilde und löffeite weiter. Roastbeef in heutizer Zeit, das würde mich in eine Nachbarschaft bringen, die ich nicht mag und würde mich stolz und hofsärtig machen." Und besser aussehend." Das Mädel schnitt al» Antwort«ine Grimasse. Aber, du wirst bald alle» haben, was du brauchst, olles, was du willst...." Die Mutter sprach plötzlich hastig, als hätte sie jetzt Mut gefaßt und mußte alles hinausreden was sie vergebens hatte bei sich be- halten wällen. Ja. was hast du denn, Mutti?" fragte das Mädel betroffen. »Du du fantist jetzt nach Dänemark fahren.., gerade habe ich die Derständizung erhalten."

Jetzt? Aber die Schule?" Die Schul« wird dich für so lange freigeben, das ist das wenigste, dos macht sie immer." Hilde stieß einen Schrei aus und fiel der Mutter um den Hals. Die lange Reise und ein sernes Land sehen, ein« neue Sprache, nicht aus Grammatik und Ucbungsbuch, sondern von lebenden Menschen lernen! Aber die Mutter blieb merkwürdig kalt. Sie ließ sich vom Kinde abküssen und erwiderte nicht die Liebkosungen. Seit wann freute sie sich denn nicht mit, wenn sich ihre kleinc Hilde freute? Und als Hilde innehielt, sah sie auf den Wangen der Mutter groß«

Tränen, untd nun schob diese den Teller weg und oergrub, heftig schluchzend, ihr Antlitz zwischen die Hände. Was hast du denn, Mutti? Du freust dich nicht?" fragte das Mädchen erschrocken. Ja. ich freu' mich gewiß... um deinetwillen, aber was wird in der langen Zeit aus mir werden!" Hilde trat zurück,«in hysterisches Weinen erschütterte den Kör- per der Mutter. Dann blickte sie auf und trocknete ihr« Tränen. Kein Wort wurde gesprochen, man hörte das rasche Ticken der alten Standuhr auf der Kommode. Mutter und Tohter schienen zu war- ten, daß die andere das Wort ergreife, spreche, erkläre, den Schleier wegschiebe, der sich, gewiß zum erstenmal, zwischen Tochter und

Mutter gesenkt hotte. Aber lang« sagte kein« von beiden ein Wort. Dann zog di« Mutter die Tochter an sich und sagt« mit bebendem Atem: Geh' nicht von mir, geh' nicht von mir, Kind! Monat« ohne dich ich könnt's nicht ertragen! Du hast ja noch dos Leben vor dir, du kannst noch glücklich sein, aber verlaß mich nicht, ich fühl« mich so alt und so müde!" Dann, nachdem sie das gesagt hatte, tat es ihr leid, sie horchte doch auf eine Antwort und suchte nach neuen Argumenten, die ihr in ihrer Erregung nicht einfielen. Aber Hilde sagte aus di« natür- lichste Weise der Welt: Nun gut, Mutti, so fahre ich nicht, wenn du es nicht willst. Ich bleib bei dir, Mutti! Ist mir ohnehin lieber, bei dir zu bleiben! Da droben in Dänemark muß es ja fürchterlich kalt fein!" Die Mutter riß dos Kind in stürmischer Umarmung an sich. Du gutes, du braves Kind! Du bleibst bei mir und du wirft sehen, daß du es auch hier gut haben wirst. Nein, du wirft nicht leiden, ganz gewiß nicht! Und noch ein Jahr, dann bist du frei!" Nein, Mutti, nein, das ist was ganz anderes, noch ein Jahr, dann gehe ich ins Gymnasium!" Ach, darüber reden wir noch. Für heut« will ich nur dos eine wissen, daß ich dich bei mir haben werde, jeden Tag, jeden Tag... das LKben wäre mir sonst unerträglich gewesen." Frau Fernleitner beruhigte sich, wie gewöhnlich, ebenso rasch, wie sie sich ihren Nerven zu überlassen pflegte. Noch einmal sah sie Hilde prüfend in die Auzen, und als sie darin das spitzbübische Leuchten sah, das sie so reizend machte, stand sie auf, ordnete das Haar und räumte vom Tische ab. Ein letztes Mal vergewisserte sie sich: Also es ist wahr?... Wir sagen ab, wir ziehen da, Gesuch zurück?" Aber ja, Mutti, wir haben'» ja schon ausgemocht." Und was sagen wir den Leuten?" fragte die Mutter w'«der. Ach, die Leute! Was kümmert denn sie das, was du und ich tun?" Sage das nicht, Kind! Was werden di« Leute sogen da; muß für alle Menschen das oberste Gesetz sein. Wir werden also den Leuten sogen..." Daß ich einfach nicht mag und daß ich von der Schul« nicht wegbleiben will und daß ich ja auch meine Stunden Hab'!" Na, deine Nachhilfestunden! Daß man deswegen nicht nach Dänemark fährt, werden die Leute wohl kaum glauben!" (Fortsetzung folgt.)

WAS DER TAG BRINGT. nmmiininnmmniniiminnMiiiiiimmitniiminiimHiiiiiminniimiiniimmmninniiiimimniinimiimiimniiiiniiimniiiiiiiimiiiiiiimimiiiiimiiiiimnimiinmtniiminiiinnmnnn

.... Ihr liebt die Blüten. Von einem Leser wird uns mitgeteilt: Auf dem Zentral- friedhof in Friedrichsfelde Hot auch die Verwaltung unter denFingerfertigen" zu leiden. Da die SchilderSchützet die Anlagen!" nicht den erhofften Erfolg gebracht haben, so wurden bei den Neuanlagen Aufschriftm an den Bänken angebracht. Eine Rundbank trägt folgenden Spruch an der Lehne: Ach, ich weiß, ihr liebt die Blüten In den Beeten und am Strauch, Ist's nicht Pflicht, daß wir sie hüten, Denn unser Nächster liebt sie auch. Eine Eckbank mahnt das Publikum: Für jeden Müden diese Bank, Für jeden Fuß ist jeder Gang, Für dos Aug' gehöret alles dir, Nur für die Finger ist nichts hier. Diese Sprüche finden viel Beachtung, aber leider noch immer zu wenig Beherzigung. * Von einem anderen Leser wird uns geschrieben: Eine Mahnung an die Spaziergänger ist auch im Stadtpark von F i n st e r w a l d e(N.-L.) zu lesen, die wie folgt lautet: Für jeden Fuß ist jeder Gang, Für jeden Müden jede Bank, Für jedes Auge jede Blum', Zum allgemeinen Eigentum. Für Herz und Sinn ist alles dir, Doch nichts für Hand und Finger hier. Aber es gibt nicht nurNarrenhände", sondern auchNarren- süße", die ermahnt werden müssen. Ganz besonders schlechte Er- fahrungen scheint man mit den letzteren in dem Orte W i p p r a bei Finsterwalde gemacht zu hoben. Aus einer grünen Wiese steht dort einepoetische" Warnungstafel mit folgender Aufschrift: Lieber Leser, merke dir das: Geh auf dem Weg und nicht ins Gras! Damit man leidst und ohne Müh' Dich unterscheiden kann vom Vieh! Die Morgenandacht des Bankiers. Di« Blätter in oller Welt sind voll von dem phantastischen Leben, das der Brüsseler Bankier Löwen st«in geführt hat. Er war ein verwegener Reiter und Boxer. Er war ein wilder, leiden­schaftlicher Spieler, der oft genug den Lebensoerdienst eines Durch- schnittsmenfchen auf eine einzige Partie Baccarat setzte. In Biarritz stand eine seiner Villen, in der tagelang grandioseste Freß-, Sauf- und Liebesfeste gefeiert wurden. Ein Autopark, ein Flug- zeugpark, ein Bedienstetenheer stand zu seiner Verfügung. Zu- weilen hatte er Appetit auf besonders frischen, besonders guten Kaviar. Dann mußte, eigens zur Befriedigung seines Gaumen- kitzels, ein Flieger starten und ihm auf schnellstem Wege aus Ruß- land das Gewünschte besorgen. Auf allen Börsenplätzen der Welt war er zu Haus« und löste Hausse und Baisse au». Er hatte da»

wenig zarte Gemüt des steinreichen Mannes, der Rücksichten nicht zu nehmen braucht, und er schämte sich nicht, seine Macht zuweilen die kleinsten Leute fühlen zu lassen; beispielsweise einem Platzanweiser auf einer Londoner Rennbahn, gegen den er sich so unflätig be- nahm, daß ihm nahegelegt wurde, die Bahn zu oerlassen. Aber dennoch war mit Spekulationsmonövern und Orgien de» Lebens- genusics der Tag dieses so überaus erfolgreichen Nutznießers eines verfehlten Gesellschaftsprinzips nicht völlig ausgefüllt. Frühmorgen», noch dem Aufftehen, tot Löwenstein zunächst etwas anderes als Aktienpakete kaufen und feilhalten, als Kaviar essen und Sekt trinken, er hielt eine Andacht ab, er betete. Sehr hübsch von einem Großen der Welt, in ollem Glanz seines Reichtums di« Frömmigkeit nicht zu vergessen, indessen bleibt zu hoffen, daß Löwenstein, der sich alles vom Besondersten leistete, auch seine Religion nach einem besonderen, umredigiertcn Exemplar der Bibel betätigte. In dem beispielsweise jener so taktlos millionärfeindliche Satz fehlt«, der in einer gewissen Situation, bei der es daraus ankommt, durch ein Nadelöhr zu kriechen, nicht dem Fuchs, der er war, sondern dem Kamel, das er nicht war, die größere Chance einräumt. H. B. Der Fremdenlegion entronnen. Neun deutsch « uni> ein österreichischer Deserteur aus der fran- zösischcn Fremdenlegion sind in Britannien gelandet. Zwei wurden in Gran ton, Edinburgh -Shire, von einem in Leith beheimateten, aus Tunis kommenden Dampfer an Land gesetzt, aus dem sie sich als blinde Passagiere versteckt gehalten hatten, bis Durst und Hunger sie zwangen, hervorzukommen, und sich dem Kapitän auf Gnade und Ungnade auszuliefern, der sie gut behandelte. In Granton ver- ständigtc der Kapitän die zuständigen Konsuln, die den Deserteuren Zivilklcidung besd)afft«n und sie nach Hamburg einschifften. Die acht anderen Deserteure landeten in P l y m o u t h; zwei von ihnen waren als blinde Passagiere auf einem mit Phosphat beladenen, ebenfalls aus Tunis kommende Schiffe gewesen, während die übri- gen als zahlende Passagiere schon ein« weite Reise hinter sich hatten und nur aus Niederländisch-Guinea kamen. Ein sonderbares Testament. Der als Sonderling bekannt« Landwirt Peljko P a k a r d l?n der Gemeinde Maratonos in Karpathenrußland starb kürzlich und hinterließ ein werkwürdiges Testament. Seine ansehnlichen Habseligkeiten»eilte er in gerechter Weise auf die Hinterbliebenen aus. Ferner hinterließ er eine wohl einzig dastehende Verfügung, daß sein Begräbnistag ein Festtag für die gesamte Bevölkerung des Dorfes fein müsse. Unter Glockengeläute, Böllerschüssen und in Begleitung einer Blechmusik sei er zu Grabe zu tragen. Dann habe der Leichenschmaus zu beginnen, bei dem SM Kilogramm Fleisch und 500 Liter Wein zu oerteilen seien. Ferner sei Schnaps zu bringen, die Musik habe aufzuspielen und auch getanzt solle werden. Am Tage meines Begräbnisses muß das ganze Dorf betrunken sein." Mit diesen Worten schloß das Testament. Der letzt« Will« des merkwürdigen Sonderlings wurde pünktlich vollzogen. Ob das ganze Dorf wirklich betrunken war, wird allerdings nicht berichtet,