Nos bru
1928
Der Abend
Ericheint täglich außer Sonntags. Zugleich Abendausgabe des„ Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Erpedition: Berlin SW 68, Lindenstr. 3
Spalausgabe des„ Vorwärts
EM
10 Pf.
Nr. 332
B164 45. Jahrgang.
66 anzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezeile
80 Vf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Bosscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37536. Fernsprecher: Dönhoff 292 bis 297
Zusammenstoß und Brand.
München steht wieder einmal im Mittelpunkt einer Eisenbahnkatastrophe. Sie erinnert an das furchtbare Unglück vom 27. Mai 1926 am Münchener Ostbahnhof , dem 27 Menschenleben zum Opfer fielen. Diesmal spielte sich das Unglück in unmittelbarer Nähe des Münchener Hauptbahnhofs ab. Am Sonntag abend gegen 10 Uhr fuhr der Nürn- 6 berger Sportzug, Stammzug Nr. 52 841, auf den Vorläufer des Nürnberger Sportzuges kurz außer halb der Hackerbrücke auf. Gegen Mitternacht wurde an der Unfallstelle bekannt, daß zehn Tote und 25 Verlekte zu beklagen sind. Im Vorläufer war ausbisher unbekannten Gründen die Notbremse gezogen und dieser Zug zum Halten gebracht worden. Eine halbe Stunde nach dem Unfall fingen die beiden ineinandergeschobenen Wagen zu brennen an. Die Bekämpfung des Feuers, das sich sehr rasch aus. dehnte, war äußerst schwierig. Die Hilfsaktion zur Rettung der Verunglückten sette sofort tatkräftig ein.
München , 16. Juli. ( Eigenbericht.)
Am Sonntag abend gegen 9,30 Uhr stieß außerhalb des Münchener Hauptbahnhofs in der Nähe der Haderbrüde ein Berfonenfonderzug mit einem Borzug zusammen. Die Katastrophe mar leider viel größer, als nach den ersten Meldungen angenommen werden mußte. 9 Personen blieben auf der Stelle tot; sie schieden von dieser Welt unter den fürchterlichsten Qualen und völlig verkohlt. Das zehnte Todesopfer forderte die Katastrophe bei der Einlieferung Ins Krankenhaus. Von den 10 Toten find 7 Männer, 2 Frauen, 1 Mädchen, deren Personalien bisher nur teilweise festgestellt werden fonnten. Die Leichen sind so verkohlt, daß sie nicht mehr kenntlich find. Nur in einem Falle, wo der Tod durch Ersticken eintrat, konnte die Person des Opfers bereits festgestellt werden. Außer den zehn Tcdesopfern sind noch 13 Schwerverletzte und ebensoviele Leichtverlegte zu verzeichnen. Die Schwerverletzten mußten mit Knochenbrüchen und Brellungen ins Krantenhaus eingeliefert werden. Ein Teil befindet sich in Lebensgefahr.
Die Ursachen des katastrophalen Unglüds sind bisher im einzelnen noch nicht festgestellt worden. Infolge des starken Reiseverkehrs sah sich die Eisenbahndirektion in München veranlaßt, dem fahrplanmäßig um 9,22 Uhr von München - Hauptbahnhof abgehenden Zug einen Borzug vorausgehen zu lassen. Dieser Vorzug ver ließ um 9,15 Uhr den Hauptbahnhof. Er befand sich bereits 1 kilo meter vom Bahnhof entfernt und in voller Fahrt, als plötzlich die Notbremse gezogen wurde. Die Eisenbahnbeamten verfuchten sofort die Ursache dieses Attes festzustellen, aber schon war das Unglüd passiert: der 6 Minuten später von München abgehende fahrplanmäßige Zug war auf den Vorzug aufgestoßen. Mehrere Wagen gerieten in Brand; das Feuer forderte feine Opfer. Die Lokomotive des fahrplanmäßigen Zuges schob sich so in den letzten gepolsterten Wagen des Vorzuges, daß ganze Teile auseinanderge schweißt werden mußten. Die Brandgefahr wurde größer und größer, so daß gegen 11 Uhr abends die Münchener Feuerwehr eingreifen mußte. Er gelang ihr, schon nach kurzer Zeit den Brand zu löschen. Die Reichsbahndirektion München behauptet, daß nach den Feststellungen der Eisenbahnbeamten in dem dritten Abteil des vordersten Zuges die Plombe der Notbremse verlegt und der Hebel der Bremse benutzt worden ist. Es war bisher jedoch nicht möglich, die Person des Täters festzustellen. Die Staatsan waltschaft München nahm bereits furz nach Mitternacht die ErmittLungen auf. Ein Ergebnis liegt bisher noch nicht vor.
-
Der amtliche Bericht.
Ueber das Eisenbahnunglüd bei München wurde folgender amtficher Bericht ausgegeben:
Am 15. Juli tam der Vorzug des Berwaltungsfonderzuges 52 841( Sportzug) München - Augsburg- Nürnberg etwa 21,30 Uhr bei Ausfahrt aus München - Hauptbahnhof zwischen Hackerbrücke und Donnersberger Brücke durch Ziehen der Notbremse in einem Abteil des Zuges zum Halten. Während Lokomotivführer und Zugführer zur Feststellung der Ursache der Bremsung den Zug entlang gingen, fuhr der nachfolgende Stammzug 52 841 aus das Zugende auf und fjob deffen beide letzte Wagen ineinander. Auf die um 21,37 Uhr
Die Flucht vor tropischer Hitze.
10
Aehnlich wie das neue Freibad Rummelsburg , das unser Bild zeigt, waren am gestrigen Tage sämtliche Frei- und Schwimmbäder Berlins infolge der tropischen Sommerhitze von Erfrischungsuchenden überfüllt.( Vgl. auch unsere Berichte im Innern des Blattes.)
Der Mordprozeß Hein. Malmgreens fragisches Ende. Andauernde Tropenhitze.
Berichte im Innern des Blattes.
eingegangene Meldung des Unfalles traf der Hilfszug um 21,50 Uhr an der Unfallstelle ein und es wurden sofort Versuche unternommen, unter Ansehung von Schneidebrennern eingeklemmte Reisende zu befreien. Die hierbei entstandenen Brandstellen konnten durch die bahnfeitig eingefeßten Löschmittel immer wieder erstickt werden. Inzwischen war jedoch im letzten Abteil erster Klasse des Schlußwagens des Vorzuges Feuer ausgebrochen, das sich schnell ausdehnte und auch den vorletzten Wagen erfaßte. Zur Bekämpfung des Feuers wurden aus den benachbarten D- 3ug- Garnituren zirfa zwanzig Handfeuerlöscher entnommen und außerdem eine Schlauch leitung an die Lokomotive des Hilfszuges angelegt. Mit diesem Hilfs mittel gelang es, bis zum Eintreffen der städtischen Feuerwehr das Feuer in den mittleren Abteilen soweit niederzuhalten, daß etwa um 22,50 Uhr der erste Reisende noch lebend aus dem Wagen heraus: gebracht werden konnte. Die städtische Feuerwehr löschte den Brand der beiden Wagen vollständig ab, etwa um 23,30 Uhr.
Die Toten.
Aus den gänzlich ausgebrannten Wagen wurden sodann neun Leichen geborgen. Von diesen konnten bisher festgestellt werden:: Niedermaier, Mar, Hauptmann bei der Landespolizei, Augs. burg.
Deifinger, Rudolf, Oberleutnant bei der Landespolizei Augsburg.
Geißler, Josef, Friseur, Alpenstraße, Ort unbekannt. Unbekannte Leichen:
Eine weibliche Person, Leiche trägt weiße Stußen, Finger ring mit rhtem Stein;
eine männliche Person, 30-40 Jahre alt, verfohlt; cine männliche Person, 20-30 Jahre alt, trägt Siegelring ; eine weibliche Person, etwa 20 Jahre alt, verheiratet, trägt Chering;
eine weibliche Perfon etwa 50 Jahre alt;
cine männliche Perfon, etwa 30 Jahre alt.
Der aus dem Wagen gerettete Wäschereibefizer Rebele, Gottfried, aus Augsburg ist nach Ueberführung in die Klinik dort verstorben. Verletzt
wurden nach den bisherigen Feststellungen:
Kaiser, Marie, Augsburg , beiderseitiger Knöchelbruch; Her mann, Erna, Augsburg , Prellung am Unterarm; Rücker 1, Hugo, Augsburg , Gehirnerschütterung; R unges, Berta, Nürnberg , leichte Berlegungen; Köstler, Waldemar, Augsburg , Schürfungen an Beinen und Armen; Aigner, Ludwig, Hautabschürfungen; Rudert, Mag, lediger Redakteur aus Augsburg , Verlegungen am Kopf; Schultes, Eduard, Eisenbahnangestellter, Augsburg , starke Rohlenberger, Georg, Kraftwagenführer, Nürnberg , Brellung Brellungen am linken Handgelenk und rechten Oberschenkel; der linken Hand; 3 weifel, Wilhelmine , Augsburg , Brellungen an der Stirn; Gebhardt, Wolfgang, Oberfranten, Schienbeinverletzungen; Schürger, Albert, Dentist aus Nürnberg , Brellungen Verletzungen an Kopf und Hals.
am linken Arm, Kopf und Hals; Dorn, Johanna, Nürnberg , leichte
zum Teil gar nicht festzustellender Verlegungen sowie wegen zu Außerdem haben sich eine Anzahl von Reisenden wegen leichter, Berlust geratener Gepäckstücke bei der Bahnstation München - Hauptbahnhof gemeldet. Auch haben einige bei den Rettungsarbeiten beteiligte Angehörige der Eisenbahn und wohl auch der Feuerwehr und Sanitätsmannschaft durch die Rauchwirkung Schaden genommen. Ueber die Ursache des Unfalles konnten die in Gang befindlichen Erhebungen bisher keine Klarheit schaffen.
Wer zog die Notbremse?
Zu dem Eisenbahnunglüd im Münchener Hauptbahnhof wird berichtet, daß der Lokomotivführer des Vorzuges mit dem Zugführer die Ursache des ziehens der Notbremse feststellen wollte, als der Stammzug 52 481 sich näherte und auf den Bor3ug aufffieß, wodurch die beiden letzten Wagen des Vorzuges ineinander geschoben wurden. Wie es möglich war, daß der Stammzug abgelassen wurde, während der Vorzug noch nicht das nächste Blockfignal erreicht hatte, ist bisher noch nicht aufgeklärt worden. Durch die eindringenden Heizgase aus der Lokomotive des Stammzuges entstand im letzten Abteil erster Klaffe des Borzuges ein Brand, der fich rasch auf die beiden lehten Wagen des Vorzuges ausbreitete und auch auf benachbarte Zaggarnituren übergriff. Besonders aus dem mittleren Teil der Wagen wurden
Hilferufe hörbar.
Es gelang nach 11 1hr, des Feuers soweit Herr zu werden, daß der erste der Berunglückten noch lebend, aber mit schweren Quetschungen