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�Beilage Montag, 16. Juli 1928
Offenen Auges in die Welt! Was Kinder modemer Schulen auf Wanderfahrten lernen,
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Die unter Leitung von K a r s e n stehenden Schulen in Neukölln, Koiser-Friedrich-Rcalgymnasium, Deutsche -Oberschule und Aufbauschule, veranstalteten im Mai mehr- wöchige Wanderfahrten. Die starken Erlebnisse und Ein- drücke wurden van den Schülern täglich niedergeschrieben und zum Teil auch zeichnerisch wiedergegeben. Täglich fanden Besprechungen über das Erlebte statt. Der bohe erzieherische Wert dieser lebensanschaulichen Methode tritt am deutlichsten aus den Tagebüchern der Schüler selbst her- vor. Wir bringen einen Auszug aus dem Tagebuch mit H. P. aus der Untertertia. 10. Mai. Alles einsteigen!— Fertig! Langsam setzt sich der Zug in Bewegung. An einigen Stationen im schwarzen Berlin hält er noch einmal. Nun verläht er Berlin mit wachsendem Tempo. In Dessau überqueren wir die Elbe . Bold auch die Saale . Wir kommen durch ein reiches Industriegebiet. Hinter Songerhausen erblicken wir, tief in Nebel gehüllt, den K y s f h ä u s c r.. Da uns die Zeit langweilig wird, spielen wir einige Gesellschaftsspiele. Nach- dem wir etwas geschlafen hoben, kommen wir um 24 Uhr in Frankfurt a. M. an. Wir gehen schnell zur Jugendherberge, um noch ein paar Stünden zu schlafen. 11. Mai. Um ss>(5 Uhr werden mir geweckt. Schnell machen wix uns fertig und gehen zum Bahnhof. Wir fahren über Darm- ftadt— Karlsruhe nach F r e i b u r g. In Freiburg angekommen, gehen wir zur Jugendherberge und legen unsere Sachen ab. Dann besichtigen wir dos Münster und das Freiburger Theater. Herr Papmeyer erklärt uns einiges vom Münster Dos Ouerschifs ist in romanischem Stil gebaut. Während der Bauzeit muß aber ein anderer Baustil ausgekommen sein, denn der Turm und das Längs- schiff sind in gotischem Stil gebaut. Die Fenster sind bunt be> malt, lleber dem Eingang sind große BrSnzefiguren, wahrscheinlich Heilige. Wir besteigen den Turm und zählen dabei ungefähr IOV Stufen Bald gelangen wir in den Glockenstuhl. Dort hängen große Glocken an fast morschen Balken. Um den Glockenstuhl geht ein schmaler Gang. Jetzt gehen wir noch ein paar Stufen höher und kommen dann in die eigentliche Spitze. Dort oben hat man eine herrliche Aussicht auf ganz Freiburg und die Umgegend. Es ist eine schwindelnde Höhe...•-. 13. Mai. Nach dem Kaffectrinken ist eine Besprechui� über den Arbeitsplan. Einer von uns hat draußen eine bergauf- fließende Quelle entdeckt. Wir gehen gemeinsam hin, ury das Wunder zu besichtigen. Es stellt sich ober heraus, daß die Quelle nicht bergauf fließt.— Nun spielen wir Trapper und Indioner. Um ,12 Uhr versammeln sich alle zum Mittagessen. Danach schickt uns unser Lehrer noch H o f s g r u n d, um dort zu studieren. Wir teilen .uns iii, kleine Gruppen, und jede Gruppe geht in. ein..Haus, um sich von den Bauern etwas erzählen zu lasten. Der Bauer, den ich fragte, war ein sehr netter'Monn. Er sagte mir, daß Getreide hier nicht gebaut wird, da die Winde zu rauh sind und der Boden zu feucht. Hier in der Nähe sei auch ein Bergwerk Dieses sei im Jahre 1300 gebaut. Während des Krieges habe es stillgestanden. Noch- dem wir so Kenntnisse über Land und Leute gesammelt haben, geht
schreiben unser Tagebuch..Nach dem Essen machen einige einen Spaziergang nach Notschrei. Andere rodeln und tollen im Schnee herum. Nachdem unsere Kaffeetafel aufgehoben ist, spielen wir Tischtennis. 13. Mai. Heute geht's nach Hasgrund zur Besichtigung eines Stollen im Bergwerk. Wlr öffnen ein Eisengitter und be- treten den feuchten, dunklen Gang. Das Wasser tropft von den Wänden. An den starten Boltenträgern sitzt dicker Schimmel. Mit dem Scheine einer Taschenlampe vor uns gehen wir in den Berg hinein. Der Weg wird immer beschwerlicher. Wir müssen uns oft bücken, damit wir mit dem Kopf nicht gegen die Decke stoßen. Plötzlich sagt unser Führer:„Halt!" Wir sehen vor uns einen kleinen Tümpel. An der rechten Wand führt ein schmaler Gang steil aufwärts. Nun kehren wir um. Der Weg ist sehr matschig. Oft müssen wir durch Wasser waten. Bald wird der Gong etwas heller und schließlich langen wir wieder an dem Eingang an. Wir
Haus im Schwarzwald . freuen uns, als wir endlich dos Tageslicht erblicken. Bon dem Spaziergong unter der Erde geht's auf den Gipfel von Schau- insland, wo wir uns viel wohler und freier fühlen als in der dunklen Tiefe. Auf dem Heimweg kommen wir an einem Stein- bruch vorbei. Wir fragen die Arbeiter, da sie ein Loch in dos Ge- stein bohren, ob heute noch gesprengt wird. Um 2 Uhr soll es los- gehen. Wir sind pünktlich zur Stelle und dürfen uns in einer Ent- fernung von 150 Meter van der Sprengstelle aushalten. Die Zünd- schnür wird angesteckt. Eq dauert gar nicht lange,. schon gibt es einen lauten Knall und ein Teil der Felswand stürzt ein. Einige Steine sind bis zu uns geflogen. Nun gehen wir wieder zum Stein- bruch und lasten uns einiges erklären. Ein Arbeiter zeigt uns das Dynamit. Es ist eine weiche gelbe Masse, die wie Kunsthonig aus- sieht und mit rotem Oelpapier umwickelt ist. Dos Dynamit explo- diert erst bei einer Hitze von 300 Grad. Die Hitze wird durch Schlag- feuer erzeugt. Dazu nimmt man eine Kapsel, die mit Pulver ge- füllt ist.' Die Zündschnur hat einen Koliber von zirka 5 Millimeter. Sie ist mit Teer getränkt und enthält Pulver. Durch die Schnur geht ein Seidenfoden, der glimmend das Feuer sortbewegt. 25. Mai. Noch dem Kosfeetrinken wandern wir nach Alt- g l a s h ü t t e n, um ein« Blaufuchsfarm zu besichtigen. Als wir einen Berg erklommen hoben, erblicken wir durch ein Gitter ein paar Füchse. Sie hoben ihren Winterpelz noch nicht ganz abgelegt, denn
Konfisziert! Preßgeschichten aus Alt-Osterreich.
So sah der Zwölf jährige das Freiburger Münster . Herr Popmeyer mit einigen Iungens durch dos Dorf und dann zur Herberge zurück. Dort werden wieder Gruppen gebildet. Jede Gruppe nimmt sich eine Arbeit vor. Einige sammeln Stein« oder Pflanzen, photographieren oder zeichnen. Noch dem Abendbrot wird wieder ein« Besprechung abgehalten, in der jeder erzählt, was er am Tage erlebt und beobachtet hat. 17. Mai/ Wir sehen zum Fenster hinaus und erblicken eine weiße Landschaft. Es hat geschneit. Wir rennen hinaus in den Wald und toben uns im Schnee aus. Nun wird ein Schneemann gebaut. Hände und Füße sind wie abgestorben. Bald ist der Schnee- mann fertig. Jetzt rennen wir noch Hause, um uns aufzuwärmen. Scharfer, kalter Wind braust uns entgegen. Schneebälle pfeifen von hinten an uns vorbei. Jetzt aber beginnt die Arbeit. Wir
Dos oltösterreichische Recht ermächtigte den Staatsanwalt, in Städten ohne Gerichtshof sogar den Bezirkshouptmann, jede Druck- fchrift zu beschlagnahmen, nicht nur, wenn die Angabe des-Ber- antwortlichen' auf dem Druckwerk fehlte, sondern auch, wenn sein Inhalt irgendwie eine strafbare Handlung darstellte. Eine Anklage brauchte der Konfiskation nicht zu folgen, es war das sogenannt« objektive Versahren, von dem auch massenhaft Gebrauch gemacht wurde— besonders natürlich gegen die radikalste Opposition; das waren die Sozialdemokraten und die verschiedenen Natianalradikolen. Gegen die Konfiskation, die der Gerichtshof fest immer bestätigte, gab es nur das fragwürdige und gewöhnlich nutzlose Rechtsmittel des Einspruchs, über den ohne Anhörung und in Abwesenheit des Redakteurs verhandelt wurde und gegen desten Abweisung noch die Beschwerde an das Oberlandesgericht, die genau so verhandelt wurde. Hotte solch ein Rechtsmittel mal Erfolg, so mußte der Staat den nachgewiesenen Schoden ersetzen— ober er kam höchst selten dazu. Das Konfiskationsrecht wurde in der Frühzeit der Arbeiterbewegung systematisch mißbraucht, um ihre Zeitungen zu ruinieren. So entstand ein zäher Kampf zwischen der Preßpolizei- gewalt und der Pfiffigkeit unserer Genossen, di« ihre Ehr« darein setzten, möglichst wenig Blätter den Polizisten zu überlassen und möglichst viele zu verbreiten. Selbstverständlich wurde nach einer Konfiskation immer eine zweite Auflage herausgegeben, die die verbotenen Stellen durch schwarze Flächen ersetzte, aus denen das Wort„konfisziert" weiß herousleuchtete, oder durch weiße Flächen, auf denen man dieses Wort schwarz los; sehr schön war es, wenn dabei etwa herauskam: Unsere Freiheit ist ja längst--- konfisziert! Monetzmal ersetzte man auch die gestrichen? Stelle durch neuen Satz, womöglich solchen, daß der Leser erroten konnte, weswegen man konfisziert worden war. Als zum Beispiel unser Porteiblott in der nordböhmischen Glasindustrie Gabloirz a. d. Neiße einmal wegen Beleid igpng der Kirche konfisziert wurde, erschien die zweite Aus- läge mit dem— JSoter unser" als Ersatz. Das konnte nicht kon-
an der Schwanzspitz« sind sie nach weiß. Sie gucken uns staunend an. Als wir den Mann fragen, was so ein Blaufuchs koste, sagt er uns, daß diese keine Blaufüchse, sondern Silberfüchse seien. Das Paar koste 6000 M. Ein Pelz sei aber schon für 750 M. zu haben. Auf dem Rückweg besichtigen wir noch die Kirche. Am Nachmittag machen wir eine Wanderung nach dem Schluchsee , der 1'/- Swn- den von uns entfernt ist. Dort wollen wir rudern, finden ober nur einen Fischerkohn. Wir besteigen ihn und fahren damit in der Nähe des Users umher. Bald machen wir uns aus den Heimweg.
Die„Eute Stellung". Was einer jungen Heusangcstcllicn zugemutet■wird Als kluger Geschäftsmann, der sich auf seine Interessen versteht, hotte sich Herr B. von seiner Hausangestellten bei ihrem Abgang eine Ausgleichsquittung unterschreiben lassen. Als ihn das Mädchen beim Arbeitsgericht verklagte, berief sich B. auf seinen Schein mit der Sicherheit eines Mannes, dem keiner etwas an- halien kann. Doch der Richter belehrte ihn: Im allgemeinen ist es zwar so, daß jeder das gelten lassen muß, was er unterschrieben hat. Aber hier wird das Gericht doch prüfen müssen, ob die Klägerin—- ein achtzehnjähriges Mädchen s i ch der Trag- weite dessen, was sie unterschrieb, bewußt war. Nun muhte sich der vorsichtige Geschäftsmann in eine sachliche Erörterung der Klage einlassen. Diese war dadurch veranlaßt, daß das Mädchen bei seinem noch ordnungsmäßiger Kündigung erfolgtem Abgang einen Teil des verdienten Lohnes nicht be- kommen hatte.— Worum nicht? Weil B. als Geschäftsmann nur an seine Interessen denkt. Er hatte nämlich dem Mädchen, dos ein Jahr zur vollen Zufriedenheit bei ihm in Stellung war und den für heutige Verhältnisse sehr mäßigen M o n a t s l o 5 n von 25 M. er- hielt, ein Hauskleid und einen Sommennantel im Werte von 18 M. geschenkt» sicher in der Absicht, die tüchtige und so billige Arbeits- kraft seinen Haushalt möglichst lange zu erhalten. Aber dies« Ab- ficht wurde nicht erreicht, denn das Mädchen hatte bald nach Emp- fang des Mantels gekündigt, um sich zu verbessern. Darum zog ihr B. nicht nur den Betrag des Geschenks vom Lohn ab, sondern auch 3 M., die er ihr für geleistete Mehrarbeit, weil Gäste im Hause waren, gegeben hatte. Im übrigen konnte B. nicht Worte genug der Klage finden über die„Undankbarkeit" des Mädchens, das es so gut bei ihm gehabt habe und nun, „aufgehetzt durch den Bräutigam", die gute Stellung verlassen habe. Das Mädchen konnte dagegen Tatsachen anführen, welche die „gute" Stellung als«in« sehr schwere und arbeitsreiche kennzeichnen. Alle zwei bis drei Wochen mußte sie die große Wäsche ganz allein ausführen. An diesen Tagen hat sie von morgens 5 bis abends 11 Uhr gearbeitet. Auch sonst war ihr ein reich- liches Teil Arbeit zugemessen. Zu dieser Darstellung bemerkte der Richter:„Das ist ja elne Ausbeutung der Arbeitskraft, aus die man den Staatsanwalt auf» merksam machen müßte." Der Beklagte verwahrt sich dagegen. Das sei doch nicht: zu- viel verlangt, wenn das Mädchen die Wäsche für drei Personen waschen müsse. Aber das sei ja eine allgemeine Erfahrung, daß die Mädchen heuzutag« möglichst wenig arbeiten wollen. Darauf er- widerte der Richter: „Ich Hobe hier beim Arbeitsgericht schon oft die Erfahrung ge- niacht, daß Damen, die den ganzen Tag aus dem Sofa liegen, von ihren Mädchen mehr Arbeit verlangen, als sie beim besten Willen leisten können. Was den Abzug der Geschenke be- rrifft, so liegt hier der Fall vor, von dem es im Bürgerlichen Ge- setzbuch heißt:„Scheiiku.rgen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird, unterliegen nicht der Rückforderung." Die.Klage endete mit einem Vergleich, wonach sich das Mädchen mit der Zahlung von 10 M. begnügt.
fisziert werden, mochten auch schon Schillerzitate beschlagnahmt worden sein! Frühzeitig schon entwickelte sich ober die Praxis, konfiszierte Artikel zu immunisieren. Das geschah so: Da nach der Ver- fossung wahrheitsgemäße Berichte über die Verhandlungen des Reichsrats nicht beschlagnahmt werden konnten, ließ man im Ab- geordnetenhaus eine Interpellation einbringen, die dem Justiz- minister die Konfiskation folgenden Artikels miiteilte— folgte der konfiszierte Artikel— und der Schluß:„Was gedenkt der Herr Minister gegen solche rechtswidrige Einschränkung der Preßfreiheit zu tun?" In der nächsten Nummer konnte man so den beschlag- nahmten Inholt wieder abdrucken. Diese Immunisierung entwickelte sich mit der Zeit zu imposanter Großartigkeit. Als z. B. in der Epoche der alldeutschen„Los-von-Rom "-Agitätion irgendein Staats- onwalt sogar Wilhelm Busch '.„Heiligen Antonius von Padua " kon- siszierte, wurde das ganze Buch samt den Zeichnungen als Jnter- pcllation eingebracht und dann mit dem Aufdruck„Interpellation des Abg. I. und Genossen in der y. Sitzung des Abgeordnetenhauses vom....." und der Schlußsrage munter wieder verkauft. Aller- dings wurde die Immunisierung auch mißbraucht, um wilde anti- semitische Hetzschriften freizumachen. Als ober zur Zeit eines üblen Ritualmordprozesses die damals geradeheraus pogromiftischen tschechischen Nationalsozialisten judenhetzerijche Lebkuchen- f i g u r e n. die verboten worden waren, als— Interpellation ein- bringen wollten, hinderte der Präsident diesen Unfug. Heute noch besteht das objektive Verfahren ziemlich un- geschmälert in der Tschechoslowakei und anderen Nachfolgestaaten. jedoch scheint die Immunisierung abgekommen oder wohl nicht mehr möglich zu sein. In Deutschösterreich hat die Republik vorgeschrieben. daß jeder Konfiskation die Anklag« gegen den Verantwortlichen vor den Geschworenen folgen müsse: aber die Staatsanwälte helfen sich meist so. daß sie die dasür bestimmte Frist verstreichen lassen, ohne die Anklage zu erheben. Der Staat muß dann allerdings den Schaden bezahlen, ober in einem solchen Wien » Fall vom Juli vorigen Jahres hat man mit Hilf« des Gerichts dabei noch größte Snickngkeit gezeigt. r-bq.