von J&azzL fäurgfSalizr
2. Fortsetzung. Was war es nur, daß Hilde sich an diesen Bildern, die Edi so (indrucksnoll und dadei so launig zeigt«, schweigend vorüberführen ieß, wie an Gemälden einer Galerie, die sie interessieren mußten— vi« konnte es denn anders sein— aber doch nicht zu ihrem Herzen Drachen? Plötzlich kam es ihr in den Sinn: Mutti weiß von all- lem so wenig wie sie selbst, die nach dieser verklungenen Zeit ge- ioren wurde. Mutti pflegte zwar nie viel von ihren Mädchentagcn ind ihrer kurzen Ehe zu erzählen, aber gewiß hätte sie von Reisen »r die Schweiz und den anderen Freuden berichtet, wenn sie sie triebt hätte. Longe konnte Hilde nicht bei ihren Gedanken bleiben und in Wis Zwiegespräch mit Edi klang die Ausgelassenheit der jungen teut« ringsum. „Das ist gar nicht, wie bei den Erwachsenen, wo alle immer tinsilbiger werden, bis das Essen kommt", konstatierte Edi und ein Fräulein rief schnippisch, als ob es Scherz wäre, aber sie meinte ls auch crnsthast:„Ich bitt' Sie, Herr Eduard, protzen S' nicht so nit Ihrer Schokolade, die haben wir auch zu Hause." „Hätten wir Sie sonst eingeladen, Fräulein Lola?" antwortete kdi sogleich.„Sie find ja hier nicht Objekt einer Ausspeisung, sondern einer Einladung!" „Oh, welch reizesidcs Objekt,«in Knnstobjekt!" schwärmte der Italienische Offizier so laut, daß ihn dieses Objekt seiner De- wunderung bestimmt hört«. „Was, Herr Graf, könn' ma noch in Wien Auktionen ver- onstalten mit derartigen Kunstobjekten?"„Gott sei Donk!" de- merkte Edi und olle, die diese Anspielung verstanden und mußten, daß der Italiener mit rasender Eile zusammenkaufte, was ihm an Kunstwerken unter die Hände siel, lochten. „Oh, Vienna, Vienna , wie ßode diese einzige Sstadt! Europe wird ein Juwel weniger haben!" „Ro, sein S' so gut, Herr Gros, jetzt Helten S' uns ja gleich einen Nekrolog!" „Nekrolog! O nein! Die Menschen werden gewiß nicht unter- gehen. Dies« Liebenswürdigkeit! Diese Gastfreundschaftlichkeit! Oh, welche Population! Aber die Sstadt, futsch, leider Gatte«! Mein Dater, der Minister, sagt eben das gleiche. Die Kaiserstadt ist es nicht mehr und dann ist eben nicht mehr Menno." >„Aber was, Herr Graf, o Stadt, wo man verdient, lebt!" sagte brutal einer der Gäste, der dem Aeußercn nach älter war als die anderen jungen Leute im Salon— er trug kurze Kotcletten und zeigte in seinem ganzen Wesen gewollt Altwienerisches.„Ich war während des Krieges in Bukarest und noch tiefer am Balkan . Glauben& die Leut' bleiben dort zu Haus? Z'Haus machen s' das G'schaft und dann fahren s' nach Paris , an die Riviera. Is a net schlecht." „Oh, ich lade die ganzen Erschasten zu mir nach Roma, meine Eltern werden sein glücklich, Ihre Gastwirtschaftlichkeit zu be- antworten." „Damit hat's noch Zeit, jetzt sein wir hier und die Jausen ist schon ang'richt," kommandiert« Edi, und die jungen Herren und jungen Domen waren froh, daß es mit dein ernsten Gespräch zu Ende war. Unter lautem Geschnatter stürmten alle zur Tür, die dos Stubenmädchen geöffnet hatte, und in die sich alle zur gleichen Zeit hineindrängen wollten, daß keiner ins Speisezimmer gelangt«. Auch hier brannten die Lampen an dem Luster, waren die Räume gut erwärmt, der allzu frühe Herbst ließ beides, Wärme und Licht, wohlig empfinden. Auf den Tischen waren Berge von Backwerk aufgestapelt, in der Mitte glänzte ein gewaltiger Gugl- hupf, machtgebietend und wie ein« Feuersonne alles überstrahlend, und über der Schokolade in jeder Schale wölbte sich gleich einer Schneedecke über bräunlichem Boden ein Hügelchen von Schlagsahne. „Wie in der guten alten Zeit!" sagte ein Nein«? Fräulein, und da konnte man schon sehen, daß sie alle, Mädeln und Jungen, und auch der Senior der Gesellschaft, jener 5)crr mit dem Schubert- Gesicht, noch einen Augenblick hinter ihren Sesseln standen und das Bild dieses Iausentisches mit anerkennenden Blicken musterten, ehe sie sich niederließen. „Uje, die Dely ist wieder ein Mädel geworden!" rief noch«in junger Herr. Seine Nachbarin war blitzschschnell verschwunden, hatte rasch die Ofsiziersuniform abgeworfen und sich in eine Dame verwandelt, die das Kleid an der Seite gerafft, an der Hüfte ge- bauscht und schon bis zu den Knöcheln trug und das Haar hoch- gesteckt, im Nacken zu einem Knötchen geschlungen hatte. Dann machten sich alle gewissenhaft'an die Jause, die der italienisch« Offizier französisch als eine„Schofö" ansprach, als man nach der Pause eben wieder zum Sprechen kam. Cduard erhob sich, als ob er einen Trinkspruch ausbringen wollte:„Also bitte: Erstes Gebot. Vom Essen wird nicht geredet!" Alle stimmten zu. „Zweites Gebot. Schau ma, daß wir ohne llebertreibung, aber mit Anstand, fertig werden, damit wir zum Tanzen kommen. Und driltes Gebot. Getanzt wird Walzer, Polka, meinetwegen Boston . Aber nix vom Foxtrott und dem sonstigen modischen Zeug. Höchst« Ueberraschung: Vor dem Nachtmahl wird sogar ein« Quadrille arrangiert. Wie in der guten alten Zeit!" „Ich kann keine Quadrille tanzen!" flüsterte ihn lauter, als sie es gewollt hatte, Hilde zu, die neben ihm saß. „Na fa. Bei Ihrem Alter sind Sie halt noch beim Menuett stehengeblieben, Fräulein Hilde, aber wir werden Sie unterrichten." Man aß, man erhob sich, man tanzte. Glühende Mädchen- gesichier, ein duftiger Reigen von flatternden, hellen Mädchen- kleidern, die im Wiegen des Tanzes zu einer vielfarbigen Einheit verschmolzen,«in rhythmisches Scharren und Stoßen der Füße, goldumkleidet«, atlosverhüllte, lockumschlossene Füße, die unter den Kleidern hervorlugten und über den Boden schwebten. Und über allem tirilierend und jubelnd die Straußschen Walzer. „Ob, sagen Sie mir nochmals die Namen von der Piccola Signorina im gelben Kleid, mit der Sie so oft tanzen. Signor Gruber!" Der italienisch« Ossizier nahm Edi beiseite und jeder Darsteller des Othello hätte ihn jetzt um seine rollenden Augen benridet.
..Das? Dos ist die Hilde Fernleitner." Der Offizier verlor in seiner Bcrzückung seine deutschen Sprach- kenntnisse und sprudelt« nur italienisch. Dann besann er sich: „Aber, die ist ja entzückend! Die Wienerin, wie man das auf una pLttura sieht. Und diese... diese... Anmutigkcit im Tanz, ein bisset— sagt man so?— Höchen tut sie..
„Aber, was Ihnen net einfallt. Wahrscheinlich sind S' ihr am Fuß getreten..." „Nein, Sie'oben mich ßlecht verstanden, ich mein', so... wiegen tut sie sich im Tanz..." „Regen S' Ihnen net wieder auf. Herr Graf, die Hilde ist ja noch a Schulmädel." „Aber das wird bald ein« Sßönheit allerersten Ranges fein.. „Das weiß ich schon," erwiderte Eduard, und sein blasierter Ton wurde jetzt warm.„Schön ist die Hilde. Und ein Pracht- mödel dazu." „Ich muß... ancor... nochmals mit ihr tanzen..." „Geben S' nur acht, daß sie nicht wieder hatßt." Dann, als all« vom Tanzen müde waren— der Edi hatte an- scheinend vergessen, die Quadrille zu arrangieren—, setzte sich der Doppelgänger Schuberts , der Herr mit den Bartkoteletten und den Vatermördern und der altwienerischen Riescnkrawotte, ans Klavier imd sang wienerische Lieder, echte Schrammellieder, und Fräulein Dely kopierte eine Operettcnsängerin, die gerade in Mode war. Und Lutz spielte mit zwei Freunden einen Film, in dem es sehr blutig zuging und worin alle drei zappelnd und zitternd die Be- wegungen so nachahmten, wie sie auf der Leinwand voriiberzu- flimmern pflegen. Zum Schluß erst kamen die Couplets an die Reihe, die der junge Hans Heinz eigens für diesen Tag gedichtet hatte und die jedem aus der Familie Grubcr, wie jedem der Gäste gutmütig einig« Klapse versetzten. Es war wirklich sehr lustig und als man schicklicheriveifc fortgehen wollte, ging man noch lange nicht fort. Wieder Tanz und wieder Büfett, und selbst die traditionellen Würstel fehlten nicht. mit denen ein solches Fest in der guten alten Zeit stets abgeschlossen hatte, und die in Schüsseln zu Haus lagen, kunstvolle Kreise schlingend, von bläulichen Dünsten umschwebt, und sie waren durch die Geschästsverbindungen des Firineiffcniors aus Prag hierher gelangt. Bei dieser Anknüpfung an das Einst hielten die Gäste mit ihrer Bewunderung nicht mehr zurück. Aber dann nahm man doch Abschied. Die jungen Leute begleiteten die Mäd6>en, zwei Kavaliere drängten sich an Hilde, um sie aus der Eottage in die Iosefftadt heimzuführen, und der italienische Offizier schloß sich gerade dieser Gruppe an.(Fortsetzung folgt.)
WAS DER TAG BRINGT.
.Versicherungspolice des amerikanischen Heeres. Di« Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat ihr ganzes Heer gegen Unfall bei einer großen Versicherungsgesellschaft für die jährliche Summ« von 9 975 323 Dollar und 59 Cent versichern lassen, so wird von„drüben" berichtet. Allerdings, das amerikanische Heer ist weiter den Unbilden d« Krieges ausgesetzt. Jetzt sogar erst recht. Denn diese eigenartige Police versichert eigentlich den Staat und befreit ihn von der lästigen Verpflichtung, für die körper- lich« Sicherheit seiner Soldaten zu sorgen. Geschah bisher ein Unglück während des Exerzierens, explodierte unvorhergesehen eine Granate und richtete Unheil an oder wurde gar Krieg geführt, dann mußte der Staat den Kriegsinvoliden und Hinterbliebenen Renten zahlen. Das macht zurzeit jährlich 15 Millionen Dollar aus. Run wird dos anders werden. Das gesamte ständige Heer ist gegen Unfall, auch im Kriegsfälle, versichert. Jetzt können beruhigt Kriege begonnen werden. Nicht der Staat, die Ver> sicherungsgesellschast ist ersatzpflichtig. Angenehme Aussichten. In Bowncmouth in England hat ein gewisser Bening Arnold sein hundertjähriges Lebensjahr angetreten. Bemerkenswert an dieser Tatsache ist besonders, daß Arnold noch heute Tennis spielt, während er sich in früheren Jahrzehnten aus diesem Sport gar nichts gemacht hoben soll. Wenn das so weiter geht: was wird Herr Arnold mit 129 Iahren wohl anfangen? Geburtenregelung auch bei den„Wilden". Im Kampf für und gegen die Geburtenregelung wird von Freund wie Feind meist übersehen, daß die Rationierung des Nach- Wuchses durchaus keine Erfindung der Neuzeit und kein„Auswuchs unserer Ueberzivilifation" ist. Schon die primitivsten Völker haben sich mit diesem Problem auseinandersetzen müssen. Bei den Acker- dauern freilich ist die Regelung der Geburten kein dringendes Problem, denn hier sind, wenn genug Land zur Verfügung steht, die Kinder als Arbcitskrastzuwochs für die Familie meist herzlich willkommen: anders bei den Iägervölkern. Eine zu große Ber- mehrung der Familien, die, wie die Eingeborenen Australiens , hier auf engem Raum hausen müssen, bedeutete für olle Hungersnot, und bei den Iagdzügen und den Wanderungen der Nomoden sind die Kinder wenig geschätzter Ballast. Interessant ist es nun. wie die Austrglier für sich die Frag« der Geburtenbeschränkung gelöst haben, Menschen, die noch vor 30 Iahren im„Slsin.zeitalter" lebten und deren Kultur auf denkbar niedrigster Stufe steht. Einige Stämme setzen eine gewisse Anzahl von Neugeborenen aus oder töten sie. Bei anderen wird nach vorheriger Beratung der Alten eine Anzahl der Jünglinge zur Kastrorion bestimmt; die betreffenden Jünglinge werden dann einiein vom Camp weggelockt und verstümmelt. Außer durch Kostrotion erreicht man das ge- wünschte Ziel aber auch aus die Weis«, daß den Uebersqllenen mit emem Steinmesser die Harnröhre aufgeschlitzt und durch Einlegen von Basffäden verhindert wird, daß die Wund« sich schließt. Bei einigen Stämmen ist es scgar üblich, daß sich nach Geburt seines zweiten oder dritten Kindes jeder Mann dieser Operation unterzieht: damit ist ihm Mar nicht der Geschlechtsverkehr, wohl aber jede weiter« Zeugung unmöglich gemacht. Dieses System der Geburten- rsgelung hat sich bei den Bewohnern der kargen australischen Steppe seit Jahrhunderlen bewährt, und wenn sie jetzt aussterben, so ist daran nicht die Rationierung der Geburten, sondem der Schnaps-
import durch die weißen„Kulturpionier«" und der Zwang schuld, europäische Kleidung zu trogen. Außerdem läßt man st« bei karger Unterstützung in den Reservationen vegetieren, so daß sie. die an schrankenldse Freiheit gewöhnt waren, hinsterben, wie Raubvögel in engem Käfig. R. L. Der Vers als Mahner. In den hannoverschen Straßenbahnwagen finden sich neuer- dings folgende nette Derse anstatt der sonst üblichen Ge- und Ber - böte: Spring'»nicht ab und spring' nicht auf, wenn der Wagen noch im Lauf. Rechte Hand am rechten Griff, so steig' ein beim Abschiedspfiff. Steigst du aus, merk' dir den Kniff, Linke Hand am linken Griff. Reiseziel und Strecke melde, Zahle stets mit kleinem Gelde. Wenn der Schaffner dich vergißt, Zahle, wenn du ehrlich bist. Deinen Fahrschein, deinen alten, Darfst du gern für dich behallen. Essen darf du mit Behagen, Aber wirf nichts in den Wagen. Eine wirksame Bekämpfung des gefährlichen Auf- und Ab- fpnngens hat die Stadt Magdeburg eingeführt. Eine Tafel, deren Zahlen monatlich erneuert werden, zeigt die Zahl der so entstan- denen Unglücke an. Zur Nachahmung empfohlen! Wi. Wo. Ein faschistischer Wellenbrecher. Der Innsbrucker Sendestation wurden in letzter Zeit wiederholt Störungen im Radioempfang gemeldet, die durch einen 5hirzwel!eri- sender hervorgerufen waren. Man glonbte zunächst, daß die Störungsquellc in Innsbruck zu suchen sei. Wie'nun die Inns - bruckcr Sendeleitung mitteilt, wurde festgestellt, daß die Störungen durch einen Kurzwellensender verursacht werden, den Italien knapp an der Brenncrgrcuze ausgestellt Hot. Es läßt sich nickt entscheiden, ob man«s da nur mit einer der gewohnten faschistischen Rücksichtslosigkeiten zu tun Hot, oder ob nicht vielmehr der Kurz- wellcnsendcr in der Absicht ausgestellt worden ist, die deutschen Süd- tiroler am'Abhören des Innsbmckcr Senders zu behindern. Früh krümmt sich... Susi, bald fünf Jahre, sieht zu, wi? der Pudding— nicht aus dem fertigen Pulver in der Tüte— zubereitet wird. Da fragt da» Kind:„Machst du den Pudding eigentlich mit Sulionmen oder ohne?"—„Ohne!"—„Dann ist es gut; ich habe nämlich die Sultaninen schon aufgegessen!"--— Ein gütiger Vater. In einer Zeitschrift wird aus dem Schreiben eines schlessschen Bauern an den Lehrer seines Sohnes folgend« nette Stelle mit- geteilt: „Wir hoben«ine befreundete Leiche und ich wollte das Kind der Freude nicht berauben." Natürlich! Spaß muß sein.——