Nr. 344* 45. Jahrgang
-1. Beilage des Vorwärts
Sonnabend, 24. Juli 4925
W-'nn Mc Berliner Umgebung vom Westen bis zum Osten mit Freibädern in großer Zahl gesegnet ist. so dars man auch den Süden nicht vergessen, der aus der Zossener Strecke an dem idyllisch ge- legcnen RangsdorferSee eine neue Freibadcgelegen- h e i t besitzt. Man geht von der Station Rangsdors aus frischgeschiitteter Chaussee bis zum Dors in etwa 20 Miwlten, um von der Dors- mitte aus schon mit wenigen Schrittzen den Badestrand zu erreichen. Neuerdings wird dieser Weg zun» Bad auch von Dors- kremsern befahren,«in Behelf, der schon seinen Schatten den großen künftigen Dingen vorauswirft. Parzellierungen und kleine Neu- bauten Mischen den Waldbäumen oersprechen«in«„Dauer-Wochen- endtolonie* zu werden nach dem Muster Wonnsees. Im Dorf selbst überrascht die Primitivität des märkischen Gutsmesens, das man in solcher nächsten Nähe der chauptstadt nicht mehr vorzusinden glaubte. Die Leutehäuser der Gutsarbeiter sind noch mit Stroh gedeckt. Einzig der uralte Park und die alten Dorfbäume heben sich vorteilhaft von diesem Berfäll ab. Aber diese Erscheinungen sind nur noch ein Provisorium. Man kann hier direkt daraus warten, um zu sehen, wie sich der Umschwung vom Alten zum Neuen vollzieht. Den elroa 1000 Morgen große« See mit dem Gut Hot der Kreis aus früherer Privothand gekaust. Den größten Teil des Geländes besitzt die Gemeinde als Eigentum. Sie will alles lwn Grund auf um- gestalten und besonders am See«in Strandbad schaffen, wie es Verlin sonst noch nicht auszuweisen vermag. Ein ZOjähriger Vertrag mit dem Pächter des Freibades verpfktchtet diesen, große moderne Anlagen zu bauen, für deren Ausführung �»ic kleine Gemeinde selbst zu finanzschwach wäre. Die stark oerschrlsten Ränder des' Sees sind im Freibad bereits ausgebaggert, ein 600 Meter breiler Badestrand wirb hier entstehen. Von einer nahen Berghalde wird schöner weißer Dünensand, den die Natur vor 60 000 Jahren hier anwehte. Herangesohren. Es entsteht ein Saudstrand wie an den Oslseebädern. Bisher sind bereits 35 000 Kubikmeter Boden bewegt worden. Ein Restaurant mit Terrassen, die direkt an den See hinabführen, wird demnächst gebaut werden. Weiter ist ein großes Sportforum ge- plant. Um den See für Segler und Paddler zugänglich zu machen, wird der Zufluß in Verbindung mit dem Nutlzekanal reguliert. Während wir es sonst bei den Seen märkischer Struktur mit Fluß- wannen zu tun haben, die, wie z. B. beim Wannsee , in einem Kranz
bewaldeter chöhen eingebettet liegen, liegt der Rcmgsdorser S« wie ein großes blaues?lug« inmitten flächiger Landschaft, nur von sanften Höhen und Feldern imrkrönzt, was ein ungenuin friedlich ruhiges Bild gibt. Westwärts erblickt man die Schulzendorfcr Mühlen . Der Iühnsdorfcr Kirchturm blickt hinter Woldspitzen her- vor. Die geplanten großen Anlagen werden jedenfalls dem Charakter der Landschaft keinen. Zwang antun, ivenn man dem Geschmack Vmna Tauts, der die künstlerische Ausführung übernommen hat, vertrauen darf. Im Augenblick freilich ist alles noch im Werden. Es ist ein Provisorium, dos den Preis von 20 Pf. für Eintritt und nochmals 23 Pf. für die Garderobenablag« durchaus nicht rechtfertigt. Immerhin ist auch jetzt schon«in lebhafter Bodebetrieb dort, der an schonen Sonntagen«inen großen Umfang annimmt. Und man sagt sich auch in Rangsdorf : Ob wir nun an der Ostsee sitzen oder am Rangsdorfer See, ist Piepe. Wasser ist Wasser! Demzufolge legt man es bei der holden Weiblichkeit mit mehr oder minder großem Geschick darauf an, so schick und potent wie möglich zu sein und die neuesten Schöpfungen der Bademode sind auch in Rangs- darf Trumps. Wilhelm-Kilchner-Stistung. Der Oberbürgermeister von Berlin hat eine „Dr.-Wilhelm-Filchn er- Stiftung" eingerichtet. Er selbst Hot hierfür 3000 M. überwiesen, der Magistrat hat in seiner Sitzung vom 18. Juli 12 000 M. bewilligt. Zur Venvaltung der Stiftung ist ein Ausschuß eingesetzt worden, der aus den Rektoren der Unioerjstät und. der..�chuischeo. Hochschule. Stoatsrwnister a. D. Dr. S ch m i d t- O t t, Rfchtsanivali Dr. Luke, Stadtmedizinalrat Prof. Dr. v. Drigalski und dem Oberbürgermeister besteht. Der Zweck der Stiftung ist, einmal dem Gelehrten die Mittel für den Unterholt und für die Ausarbeitung seiner Entdeckungen zur Verfügung zu stellen und chm weitere Forschungsreisen zu ermöglichen. Bei der Darmstädter und Nationalbank , Berlin , Depositenkasse Königstraße, ist unter Nr. 2040 ein Konto„Dr.- W i l- helm-Filchner-Stiftung" eingerichtet worden. Alle die- jenigen, die der oufopferungsbereiten Tätigkeit des Gelehrten, der dem deutschen Ansehen und der deutschen Wirtschast in der ganzen Welt große Dienste geleistet Hot, Interesse entgegenbringen, können auf das obengenannte Konto Spenden überweisen.
Ein Bravo den Freidenkern! Die vernichtende TUederlage der Kommunisten. Am dritten Verhandlungstag des Kongresses der Frei- denker in Franksurt o. M. konnte die Generalversammlung an die grundlegende Aenderung des Verbands st atuts heran- geben. 100 Anträge standen zur Debatte und wurden nach griind- licher Vorberatunz im Ausschuß, dem u. a. als Berliner Vertreter unser Genosse Exner angehörte, nom Plenum erledigt. Auch hierbei mußt« die Opposition erleben, daß alle Versuche, den Verband in«ine K'ampfesstellunq gegen die Koalitivns- Politik der Sozialdemokratischen Partei zu drängen, von einer Bierfünftel-Mehrheit zurück- gewiesen wurden. Unter dem Vorwand,„zur Gcschästsordming" zu reden, erschlichen sich die Kommunisten noch einmal dos Wort und trieben Mißbrauch damit wie immer. Dem ersten Oppositions- redner gelang dies noch, weiter« Redner aus seinen Reihen wu-den nicht mehr angehört. Daran änderte auch die Tatsache nichts, daß die Komimmisten die Tribüne strahlenförmig besetzen ließen und der eigens aus Verlin-Pantow herbeigeholt« kommunistisch« Stadtrat M e n z sich artig wie ein Ki id verhielt. Wie sehr die Opposition glaubte, den Verbandstag an die kommunistische Kette zu legen, zeigen einige von ihnen gestellte Antröge: 1. Beitritt zur R o t e n Hilfe: 2. sofortiger Rücktritt des Vorstandes: 3. Beteiligung an politischen Kundgebungen: 4. Rückoersetzung ausgeschlossener Genossen: 5. Maslowsti als Referent zuzulassen: 6. Aufhebung der H a u s k a s s i e r un g: 7. Delegation nach Rußland : 8. Stimmrecht der Mitglieder unter 18 Iahren(also vom 1. Lebensjahr ab) und ähnlister Hokirspokus. Besonders bekämpft aber wurde die winzige Bei- tragserhöhung, die der Vorstand infolge der feit 1024 ge- ftieqenen Material- und Beftottungskosten beantragt«. Seit dieser Zeit sind Mehrkosten entstanden: Gesongsbegleitung bei Bestattungen, jährlich 62 000 Mark Bessere Ausstattung der Särge..„ 12 000„ Dos Berbandsorgon......„ 77 000, Mehr an Propaganda.....„ 60 000„ .Kultursekretariat und Ausbau des Archivs 16 000 „ Belastung durch Steuern. ,,.... 3Z 000
Gesamt 262 000 Mark
Das Gros der Mitglieder befindet sich in Gruppe ü: sie leisteten 96 M. Beitroge nach zwanzigjähriger Mitgliedschaft. Die Bestattungskosten betragen bei diesem Mitglied 145,30 M. Es spricht für die mustergültige Sparsamkeit des Varstandcs. wenn bei dem bisherigen Beitragssatz olle lausenden Verpflichtungen bis Data erfüllt werden konnten. Sträflicher Leichtsinn aber wäre es, den Mitgliedern die tatsächliche Lage vorzuenthalten. Darum wagte die Generalversammlung die Flucht in die Mitglied- schast und sie ist überzeugt, daß alle einsichtigen Mitglieder den geringen Mehrbeitrag von etwa 20 Ps. pro Monat zahlen werden. Di« Opposition, die den Vsrbandstag mit seinen hohen Kosten verursacht hat, predigte Sparsamkeit. Bei der Neuwahl zu den Verbandskörperschasten wurde kein Kommunist gewählt. Mit Verachtung ging die Generalversammlung über diese Sorte„Kulturträger" zur Tagesordnung über. Neu in den Vorstand gewählt wurde der Genosse Bernhard Meier, Berlin , der sich um den Aufbau des Verbandes große Ver, dienst« erworben Hot. Zur„Rag"-Tagung in Dessau würden von Berlin D r a t w a und Fuß delegiert. Alle Freunde der deutschen Kulturbewegung können aus dos Ergebnis der Franksurter Tagung des„Verbandes für Freidenker- tum und Feuerbestattung" mit Stolz blicken. Die innere organlsolorlsche Festigkeil ist hergestellt. Zwar wird die Oppasilion nochmals den Versuch machen, Mißtrau ensanträge gegen die Delegierten an den Mann zu bringen, um ihre eigene, selbst- verdiente Blamage zu verschweigen. Aber sie mag nur kommen, will sie nun noch keine Ruhe halten, werden die G o n e r a l v e r- s a m m l u n g s b e s ch l ü s s e zu voller Wirkung gebrocht. Die Sozialdemokratie darf auf die Frankfurter Tagung mit Befriedigung zurückblicken!
AieAachinachdemVemt. isi Roman von Liam O'Flaherty . (Au« dem Englische « übersetzt von«.Häuser.) Wenn niemand hinsah, pflegte sie oft Gypo eine halbe Krone in die Hand zu drücken und zu slüstern:„Möge die heilige Jungfrau dich beschützen, und willst du nicht auf Francis aufpassen und zusehen, daß ihm nichts passiert." Sie ist eine gute Frau, dachte Gypo ganz unpersönlich, während er sie ansah. Dann leerte sich die Küche plötzlich hinter einem fetten kleinen Manne, der einen dunklen Regenmantel und einen schwarzen, steifen Hut trug. Alle machten ihm Platz, als er aus der Tür ging, und man flüsterte. Einige starrten ihn mutend an, ober es war augenscheinlich, daß olle großen RZpekt vor ihm hatten und ihn bcneu,eten, sogar diejenigen die chn finster anstarrten. Er war ein bedeutender Politiker der Arbeiterpartei. Abgeordneter im Parlament für den Wahlkreis, zu dem Tittstreet und dle umliegenden vluin? gehörten. Dieser wichtige Politiker war in seiner Jugend m>. McPhillip zusammen Maurer gemesen und McPhillip mar noch immer seine Hauptstütze.. Als der Politiker gegangen war. blieben außer McPhillip und seiner Frau nur noch fünf Menschen im Zimmer. Drei Männer in der Ecke beim Fenster, links von Gypo, steckten die Köpfe dicht zusammen und flüsterten mit jener plötzlichen Vertraulichkeit, die aus der Gegenwart eines Unglücks ent- steht oder aus einem Gegenstand des allgemeinen Interesses. Zwei davon kannte Gypo. Die beiden waren Mitglieder der revolutionären Organisation.- Gypo murmelte in sich hmeiir:„Dieses Stinktier Bartly Mulholland ist hier und der andere bei ihm ist Tommy Connor. Mulholland ist, glaub' ich, drauf aus. Francis .McPhillips Stelle im Zntelligenzdepartement zu kriegen: »tnd vermutlich versucht der lange steife Connor ihn da hin- (sack McPhillip saß auf dem schmalen Bett in der von Gypo entferntesten Ecke. Er redete zu zwei Frauen, die chre Stühle nahe an da? Vett herangezogen hatten. Sie hotten sich auf das Gespräch mit McPhillip gestürzt, sobald der Politiker gegangen»vor. Sie nickten mit den Köpfen und
zappelten in dem erstaunlichen Ueberschwung von Gefühlen, die Frauen auf der untersten Stufe des Mittelstandes zu ent- wickeln pflegen, wenn sie sich in Gegenwart von Mitgliedern der Arbeiterklasse befinden, die noch mehr im Urzustand ieben. Die eine war die Frau eines Kleinkrämers der Tittstreei, die andere die Frau John Kennedys, des Lastwagenkutschers. der sich gerade selbständig gemacht hatte. Jack McPhillip saß auf dem Bett, die rechte Schulter an den Pfosten gelehnt. Der eine Fuß hing fast bis auf den Baden, der andere lag auf dem Bett. Er hielt, während er sprach, seine rechte Hand, die Handfläche nach außen gekebrt. vor sein Gesicht, als ob er eine phantastische Vorstellung von sich vertreiben wollte. „Da seid ihr nun und seht, wozu's der Mann in seinem Leben gebracht hat. Das ist es, wonach jeder streben sollte, statt einen Narren aus sich zu machen, der Schande über feine Klaffe und über seine Familie bringt. Johnny Daly sitzt heute als Abgeordneter im Parlament, weil er seivu Groschen und freie Stund«, die er hatte, auf seine Bildung verwandte.'Er paßte auf sein Geschäft auf und tat. was in seinen Kräften stand, seine Genosien zu bilden und ihre Lage zu verbesiern. Danach sollte jeder handeln. Mein Sohn ober... ich hatte ihm eine gute Stellung als Vsrsicherungs agent verschafft, und wenn er nur etwas auf sich geholten hotte, dann wäre er jetzt aus dem. cgen Wege gewesen, sich eine, angesehene Lebensstellung zu erwerben, anstatt min ober. Plötzlich entstand eine erstaunliche Unterbrechung, die jedermann aufsehen ließ. Gypo hatte mit seiner tiefen, dröhnenden Stimme, die das ganze Haus erfüllte, gesprochen: „Es tut mir leid um das Unglück, das Sie betroffen hat, Frau McPhillip." Die Worte hallten m dem, Schwergen nach, das ihnen folgte. Sie waren wie mit eurem Male herausgeschaffen. Gypos Stimme hatte sich plötzlich aus feine« Lungen gelost, als unmittelbarer Ausdruck der Erregung, zu der ihn«in leidenschaftliches Mitgefühl gebrocht hatte, als«r Frau McPhillip ansah. Er suhlte plötzlich, daß er diesem Empfinden mst Gewalt Lust machen mußte. Nicht mit Flüstern, nicht mit über- legten, rücksichtsvollen Worten, sondern mst einem wilden Schrei, der keinen Widerspruch duldete. Der Schrei durchwanderte den Raum, lang« nachdem der Klang verhalst war. Niemand sagte ein Wart. Serie Kraft mar pt übermalt,-
gend. Aus irgendeinem erstaunlichen Grund schnüffelte jeder nach dem Geruch der Bratensoße, der jetzt mit einem Male die Luft in der Küche durchzog. Der Geruch kam von der Pfanne her, die noch auf dem Feuer stand mit dem Abend- brot, das für Francis Joseph McPhillip gekocht wurde, als die Polizei kam. Er war so müde gewesen, daß er seiner Mutter sagte, sie solle ihm das Abendbrot ans Bett bringen. So stand es denn jetzt noch vergessen neben dem Feuer. Dann wich das erste, starre Staunen, und alle sahen zu Gypo hin. Sie sahen ihn auf dem Boden sitzen, zusammengeknickt, massig tn seinem blauen Zeug, das prall wie ein Schwimm- anzug an ihm saß, mit dem Hütchen oben auf den Kopf ge- stülpt, und immer noch wie magnetisch angezogen auf Frau McPhillip starrend, ohne Ahnung der Lähmung, die sein Ruf verursacht hotte. Die einzige von allen Menschen im Raum, die sich nicht wunderte, war Frau McPhillip. Sie hatte nicht aufgesehen. Sie bewegte nicht einmal die Augen. Ihre Lippen fuhren fort, Gebete zu flüstern. Ihr Geist mar angezogen non einem anderen Magneten, sie mar in die Betrachtung von Dinge« nerloren. die weit abseits lagen non den Menschen im Raum, west abseits auch vom Leben, in die Betrachtung von Dingen. deren Wurzeln irgendwo in den geheimnisvollen Grenzen der Ewigkeit steckten. Da raffte sich McPhillip auf dem Bett zu sitzender Hol- tung auf. Er faßte noch der alten Kappe, die von seinem grauen Kopf gefallen mar, und rief:„Oh. du bist es, der da- hinterftsckt, du bist das! Du Sohn der Hölle!" So wild stierte er Gypo an, daß sein Gesicht zu zsttern anfing. Es war von der Sonne so verbrannt, hoß es beinahe schwarz aussah. In der Nähe war es rotbraun. Er hatte ein Glasauge. Das andere Auge kreuzte den Blick d«s gläsernen, wie um es zu bewachen. Er mußte immer von einem Menschen weaschouen, um ihn zu sehen Diese Geb störung hatte feine Frau immer mst Schrecken erfüllt, so daß sie stets zitterte, wenn er sie ansah. Er war so mcheimlich. wenn er so aus der Entfernung guckte wie jetzt. Sein Körper war untersetzt und dürr, er mar fünfzig Jahre alt. Er sprang aus dem Bett auf und stand da in seinen grauen Socken, die blaue Weste aufgeknöpft. Der kleine weiß« Leinenflicken ans dem Bauch semes grauen Flanell- Hemdes blies sich ein und aus mst dem schwere« Atem, der chm die Kehle schnürte, während seine Hände sich rastlos SffpH** tmb M/m.(Forts, folgt.)