Montag, 23. Juli 1928
= Der Abend™
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Spätausgabe des„ Vorwärts
130 in
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45. Jahrgang.
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Bei dem Empfang im Rathaus sagte Bürgermeister Seit: Dieses Fest wird uns immer in Erinnerung bleiben als eine Rundgebung der Verbundenheit aller Deutschen . Dafür danke ich im Namen Wiens , der alten deutschen Stadt an der Donau . Grüßen Sie unsere Brüder im Reich und sagen Sie ihnen, daß hier ein Bolt lebt, das sich eins fühlt mit den deutschen Stammesbrübern. Wien wird deutsch bleiben und seine Sendung erfüllen.( Stürmischer Beifall.) Nach den Ausführungen des Präsidenten List, der für die Aufnahme in Wien dankte, sprach Reichstagspräsident 25 be, Borfikender des Oesterreichisch- deutschen Volksbundes, zuerst von dem ungeheuren Eindruck, den der Festzug auf ihn gemacht habe. Dieser Tag sei zur größten Anschlußkundgebung und Einheitskundgebung der Deutschen geworden, die die Welt je gesehen habe. Wir werden der ganzen Welt eine Runde mitbringen: Wir waren nicht in einem fremden Land, und wir famen nicht aus fremden Land.
Weil wir ein Volk sind und eine Nation, wollen wir auch ein Staat sein.
( Stürmischer Beifall.) Kann man auf die Dauer einem Siebzig- Millionen- Volt verbieten, was jedem anderen Bolt erlaubt wird? Ebensowenig wie die italienische Einigung oder die Einigung der jugoslawischen Völker berhindert werden konnte, wird man verhindern können, daß das deutsche Volt sich das Selbstbestim. mungsrecht erringt. Herr Benesch und Herr Marin towitsch, wenn Sie dem deutschen Volke das Recht be streiten, dann sagen wir Ihnen: Sie vernichten damit die Magna Charta Ihrer eigenen nationalen Entstehung! ( Stürmischer Beifall.)
Borbildlich war bie Organisation des Festzuges, bei der neben
ben annähernd 200 000 Teilnehmern auch die Bewegung von etwa Eine seltsame Kindesentführung.
einer Million Zuschauern zu berücksichtigen war. Der
annähernd acht Stunden dauernde Feſtzug bot durch die Regierungsumbildung in Mexiko .
ungeheure Masse der Teilnehmer und durch die Farbenpracht ein malerisch buntes und monumentales Bild. Tiefen Eindruck machte der Borbeimarsch einzelner Gruppen aus den bedrängten deutschen Gebieten, besonders aus dem Rheinland , der Rheinpfalz, aus dem Saarland . Die Saarländer trugen Tafeln: Das Saargebiet zurüd zum Vaterland!
Tiefe Bewegung rief die Gruppe Südtirol hervor. Inmitten eines weiten Zwischenraumes fchriften drei ältere Männer in Bolfstracht, den Südtiroler Adler in ihrer Mitte stumm vorüber. Schweigend faßen die Zuschauer, bis das innige Mitgefühl sich in einem leidenschaftlichen Ausbruch von Heil. und Hochrufen für Südtirol Luft machte.
In der Sängerhalle, wo an vierzigtausend Personen den Festzug erwarteten, nahmen auf dem Riesenpodium des ungeheuren Raumes über 35 000 Sänger Aufstellung und trugen nun unter Begleitung Don 400 Musikern Massenchöre vor.
Das Wiener Sängerfest ruft in der Pariser Breffe immer schärfere Proteste hervor. Der Petit Parifien" spricht von einer förmlichen deutschen Invasion nach Wien , die einer Generalprobe zur endgültigen Annektion Desterreichs gleichtomme. Die ganze Anschlußbewegung, behauptet das Blatt weiter, sei eine fünstlich hochgezüchtete, pangermanistische Angelegenheit. Die Desterreicher hätten gestern bei dem tötlich langweiligen Demonstrationszug deutlich genug ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Anschlußbewegung gezeigt. Die österreichische Regierung habe sich vollkommen ferngehalten und die Wiener Bevölkerung habe ta um geflaggt. Was aber auch in der Pariser Presse stärkste Entrüstung hervorruft, ist die Tatsache, ( Fortsetzung auf der 2. Seite.)
( Berichte auf der 2. Seite)
Ueber die Zugbrücke ins Meer! Eisenbahnfatastrophe in Amerika .
In der Nähe von New York hat sich im Strand. und Badeort Rod away ein eigenartiges, schweres Eisenbahnunglüd ereignet, bei dem 32 Personen verlegt worden sind.
Der verunglückte Eisenbahnzug wurde elettrisch betrieben und bestand aus zehn Wagen. Der erste Wagen des Zuges, der von New York nach Rockaway unterwegs war und in dem sich 60 Personen befanden, stürzte di egeöffnete Zugbrücke in die Jamaikabucht hinunter. Der zweite Wagen blieb halb auf der Brücke in schwindelnder Höhe hängen. Der Passagiere bemäch tigte sich eine furchtbare Panit. Die Reisenden in dem ab= gestürzten Bagen fämpften verzweifelt um ihr Leben. Es gelang ihnen schließlich, die Scheiben einzuschlagen und sich schwimmend zu retten. Den meisten Personen glückte es erst nach gewaltigen Anstrengungen, aus den Wagen herauszufommen, wobei viel durch die zerschlagenen Fensterscheiben schwer verlegt wurden. Lediglich dem Umstand, daß sich das Unglück zur Zeit der Ebbe ereignete, ist es zu verdanken, daß niemand ertrunten ist.
Die Zugbrücke war furz vor der Ankunft des Vorortzuges auf gezogen worden, um einem Schleppdampfer die Durch fahrt zu ermöglichen. In diesem verhängnisvollen Augenblick brauste der elektrische Zug heran, der wahrscheinlich deshalb verunglückt ist, weil die Zugbrüde wochenlang fehlerhaft ar
beitete.
Ein Auto vom Flugzeug gerammt.
Anläßlich eines englischen Fliegerrennens ereignete sich dieser Tage der eigenartige Unfall, den unser Bild zeigt: Ein Flugzeug rammte bei seiner Landung ein Automobil. Beide Fahrzeuge wurden schwer beschädigt.
200 Menschen in Seenot.
Rettungsmöglichkeiten sehr gering.
Silfe
Der englische Dampfer City of Yokohama" ist mitten im Indischen Ozean in Seen of geraten. Wie der„ Sunday Expreß " aus Colombo meldet, besteht wenig Aussicht, daß den 200 Paffagieren Hilfe gebracht werden kann. Zur Zeit befinden sich eine Dampfer in der Nähe der berni Der Nä Unfallstelle. Der heute in Colombo eintreffende Dampfer ,, Catuna" werde sofort zur Hilfeleistung entsandt werden, före aber die City of Yokohama" erst in etwa einer Woche erreichen.
Ein Toter, elf Berletzte.
Im nördlichen Teil von Pommerellen ( polnischer Korridor) hat sich auf der Strede kantrichin- Karthaus zwischen den Stationen Garcz und Protau unweit der Danziger Grenze ein 3ugzufammenstoß ereignet, bei dem eine Person getötet, vier Personen schwer und sieben leicht verlegt
wurden.
Ein Güterzug, der in der Richtung Karthaus fuhr, fam bei der großen Steigung des Bahnförpers allmählich zum Stehen, und der Lokomotivführer entschloß sich, die Maschine abzukoppeln und eine zweite Maschine zu holen. Kaum war die Lokomotive einige hundert Meter davongefahren, als die Güterwagen sich in Bewegungsegten und den Berg hinunterfuhren. Der Bremser fonnte die Wagen nicht zum Stillstand bringen, und ein Perso. nenzug, der um diese Zeit fahrplanmäßig auf der eingleisigen Strecke nach Karthaus verkehrt, fuhr gegen die Güterwagen und schob sie ineinander. Der Tote ist der Bremser des Güterzuges.