10. Fortsetzung. Die Reise war an sich schon eine Sensation! Familie Gruber hatte bereits das Billett für sie besorgt, natürlich erster Klasse(neben- bei bemerkt hätte selbst die zweite für childe alle Geheimnisse des Unbekannten und nie direkt Berührten gehabt). Dies« wundervolle Fahrt ins Salzkammergut , ollein mit Mama Gruber und Lutz und De'y im Kupee, auf den weichen Stoffpolstern, das war freilich andere als alle die kurzen Fahrten auf harten cholzbänken, die sie bisher gemacht hatte: Frau Gruber und Dely rauchten sehr viele Zigaretten, die aus England importiert waren und so süß rochen, so blond aussahen, und sie sprachen von Kleidern, unausgesetzt von Kleidern, die sie in Modesalons gesehen oder bestellt oder auf anderen Damen gesehen und schließlich doch nicht bestellt hotten. Dann kannten die Grubers auch so fabelhaft viele Leute und sie wußten den ganzen Tratsch von Wien , alle Scheidungen, die voll- zogen waren oder in Aussicht standen— es war eine andere, ein« leichtere, beschwingtere Welt als diejenige, in der Hilde bisher gelebt hatte. Und es war sehr amüsant, in sie nicht bloß flüchtig hinein- zuschauen, sondern ihr, wenigstens für ein paar Wochen, anzu- gehören. Und diese Billa Bietoria! Sie hatte einem Aristokraten gehört, der sie nicht mehr weiter erholten konnte und sie„vorläufig" ver- mietete. „Fch hätte in unserem Hause zwar lieber eine Herrschaft ge- sehen," sagte die Besitzerin unverschämt nach dem Bertragsabschluß Frau Gniber ins Gesicht,„aber der Krieg war ja für Sie das große Los." Frau Gruber war nicht ein« von denen, die sich so was schweigend gesollen ließ. Sie erwiderte nämlich ganz ruhig: „Sehen Sie. Exzellenz, wenn der Krieg für uns das große Los war, so haben wir es wenigstens gewonnen, während der Herr Gemahl Eurer Exzellenz ihn verloren hat?" Frau Gruber ließ sich eben nichts gefallen, wenn mar ihr auf die Füße treten wollte, auch von einer Exzellenz nicht, die sie ja zu verehren sonst sehr bereit war. Auch eine Generaloberstengattin und Barornin sollte wissen, was Adolf Grubers Söhn« waren, und daß man sie mit dem neureichen hergelaufenen Pack nicht verwechseln dürfe. Im übrigen hatte Ihre Exzellenz in dem einen Punkte recht gehabt, daß die Billa Victoria «in wirklich herrschaftlicher Besitz war, auf dem nun Frau Gruber Hof hielt und die unabsehbar abrollend« Folge von seligen Togen überwachte, Wochen, Monate, in denen man auf nicht» anderes als darauf bedacht war. sich mit ollen Sinnen zu vergnügen. Die männlichen Mitglieder der Familie Gruber waren zumeist in Wien . Papa Gruber hielt im Geschäft streng« Zucht, und die Zeiten waren zu ernst und dabei zu ergebnisreich, als daß man sich für lange entfenren konnte. Aber an jungen Leuten mangelt« es nicht. Und die drei Gruber-Mädeln, man rech- nete Hilde der Einfachheit halber gleich dazu, samt ihrer stattlichen Mama, waren bald der Mittelpunkt eines großen Gesellschaftskreises, den die Ungezwungenheit des Landlebens zusammenbrachte. Die Rochrichten, die aus Wien und von seinen Röten und Kämpfen hereindrangen, waren wie die Schauer eines fernen Gewitters. Ein drohender Regen, der«inen Ausflug verhindern konnte, schein weit- aus wichtiger und ging den Menschen hier seelisch näher als das Echo der Leiden, die so viel Menschen in Wien den strahlenden Sommer verdüsterten. Sie waren ein Gesprächsstoff, wie es deren auf diesem Eiland der Glücklichen so viele andere gab. Man erzählte— und der schwarze Kaffee wurde auf der Ter- rosse serviert, von der aus man weithin über den See und bis zu den höchsten Alpenqipfeln sehen konnte—> man erzählte von Heimkehrern, die in Monate währenden Fußmärschen, ein« ge- stohlene Glühlampe als einzigen Besitz, sich aus Sibirien fort- geschlichen hatten— die Glühlampe tauschten sie gegen eine Jacke und die Jacke gegen ein Brot und das halbe Brot gaben sie für eine Wagenfahrt hin— und das war so spannend wie ein Abenteurer- roman, nur daß er erlebt und wirtlich war. Man erzählte, daß jetzt in Wien hundert Menschen mehr in der Woche starben, als die Statistik im Durchschnitt zu verzeichnen pflegte— und das wurde, wie es die gut« Sitte und die anerzogene Barmherzigkeit erforderten, aufrichtig bedauert. Man erzählte von jenen mannigfaltigen Aben- teuern der Not, die sich jetzt zu taufenden ereigneten, von den Siegern darin und von den Besiegten— am liebsten aber, freilich «in bißchen spöttisch, von den Siegern, von Liftjungen, die mit weiß Gott woher erlangten Ausfuhrbewilligungen gehandelt hatten, mit behenden Sprüngen Millionäre geworden waren, und die ein« mit sehr ernsten Dingen beschäftigte Welt ernst nehmen mußte. Ein Primgeiger bei den Philharmonikern hatte in sich das Talent ent- deckt, das ihn befähigte, Ehef der Devisenabteilung einer Großbant zu werden, und man hörte diese Berichte mit dem bewundernden Staunen an, das einstens Goldgräbergeschichten erregt hatten. Man verwünschte dies« Zeit, raunzte über sie, verglich sie mit der ruhi- aeren Vergangenheit, beklagte den Verlust von Südtirol , weil man früher dahin ohne Paß und Geldwechsel hatte reisen können, man beklagte, daß neu« Schichten— und was für Schichten, wie man stets dazu bemerkte— aus ihrer Unterwelt heraufgestiegen waren und den ohnehin engen Raum noch mehr beengten, man sprach die Hoffnung aus, daß die Entente, der Sorgen um den Friedensvertrag ledig, mit der Arbeiterherrschaft bald Ordnung machen werde, man belächelt« die neue Erfindung schweizerischer Holdingqesellschafien, die es ermöglichten, gewisse unbequeme Gesetze dieser Republik zu um- gehen, man konstatierte, daß ein förmliches Scheidungsiieber rasch gefügte sowie anscheinend solide Ehen auseinandersprenge, man gab dos Gkriicht weiter, daß der berühmte Komponist erklärt habe, künftighin nur noch in Amerika seine Werke aufführen zu lassen, weil es sich in Europa nicht lohne, man kommentierte die grauen- hgste Mordtat eines Voters, er eine ganze Familie. Frau, vier Kinder und schließlich sich selbst erschossen hott«, weil er der ver- rückten Zeit nicht weiter standzuhalten vermocht«, und man wählte au» d«n reichen, verwirrenden, nach nie in gleicher Fülle sich zu- drängenden Ereignissen das zur Betrachtung aus, was eben spon- nend war. wie ein Leser für«in« lang« Bobnsahrt sich gerade dos Buch heraussucht, dos er für geeignet hält, ihm über einige leer« Stunden hinwegzuhelfen, und das zu gar keinem Zweck geschrieben wurde. So war es für diese Gesellschaft, die als Betrachter vor ihrer Zeit stand und sich von ihren Wellen rficht berühren lieh: alle
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Geschehnisse zogen wie ein Wandelpanorama an ihnen vorüber, sie selbst war auf ihrem sicheren Aussichtsturm im Zentrum, daran nur als Zuschauer und für Sensationen geschulte Menschen interessiert. Diese Welt der Qualen, Demütigungen, Anspannungen, diese Welt des Berzweifelns, Verderbens, Vergehens als Gesprächsstoff für sternüb«rglänzt«, wohlige Abende! Dazu oft Musik, man tanzte viel beim Seewirt und ließ sich von Bouernburschen gern derb anfassen und übertrug dann, von Städtern umschlungen, die bäuerliche Tanzweise ins Salonhafte. Junge und manierliche Leute in der neuesten Dreß kamen in die Billa Biktoria, salopper gekleidet« Künstler, Doktoren, Gelehrt«,
deren Sonderlichkeiten man gellen ließ, wenn Titel und Erfolge si« entschuldigten. Gelegenheit macht« natürlich Lieb«, und wenn auch die Mädeln des Hauses erst sechzehn oder siebzehn Jahre all waren, so taten sie doch so erwachsen und war immer auch sonst so viel reizende Weiblichkeit zu treffen, daß man aufs Sentimentale nicht zu verzichten braucht«. Und wirklich gab es in der Villa Viktoria, von ihrer Geselligkeit angeregt und gefördert, nicht bloß Flirts, über die man nachsichtig hinweggehen konnte, wenn sie sich in den Grenzen des Zulässigen hielten, sondern auch leibhaftig«, offizielle Verlobungen, die Mama Gruber den Ehrennamen einer Schwieger- muttcr von Aussee eintrugen.
So oerging der Juli, der August, und es schien allen, daß wahrhaftig nichts leichter zu ertrogen fei als eine solche Reihe von schönen Togen, und daß dieses Wort Goethes, wie dies mit Dichter- worten so manchmal der Fall ist, erlebt und überprüft, sich als trügerisch« Weisheit erwies. Hilde war in der Sonne und der guten Lust, in der Füll« der Freuden, die ihr jeder Augenblick bot, förmlich aufgeblüht. Rein, sie war wirklich nicht krank gewesen. Dely musterte sie und konsta- tierte: der blasse Teint war geschwunden und—„Hilde, du wächst ja!" Hilde war emporgeschossen und war, wie Dely feststellt«, die ihre Vorliebe fürs Theater gern auf ihre Ausdrucksweise abfärben ließ, aus der Soubrette ein« Primadonna geworden, nicht mehr so mager wie ehedem, sondern vollschlank, wie es jetzt modern wurde und wie man das Kompromiß zwischen dem Pariser Gebot und der Wiener Tradition bezeichnete. „Na, dein« Mutti wird diesmal an dir eine Freude haben," stellte Frau Grub«r, Hilde musternd, fest. „Ja, Mama Gruber." Frau Gruber hatte von ihnen Ahnen her, rüstigen Hand» werkern, den Drang überkommen, zu schasten, zu leisten, und da es di« glücklichen Verhältnisse, in denen si« lebte, es ihr geradezu oerboten, selbst Hand an eine Arbeit zu legen, so suchte sie ihrer Tätigkeitslust zu genügen, indem sie unausgesetzt und an hun- derterlei Stellen etwas ins Werk setzte. Was es war, schien viel weniger wichtig, als daß es geschah. Das gute Aussehen Hilden » betrachtete sie als ihren persönlichen Erfolg, wie etwa di« kleine Milchwirtschast, die sie errichtet hatte, und wie die Erfolge, daß auch mehrere Paare unter die Haube gebracht worden waren, und wie di« improvisierten Derbesserungen des Haushalts, die sie in der Villa Viktoria eingeführt hatte. Dieses Mädel, die Hilde, wie sie sie jetzt ansah, prächtig entwickelt, stattlich geworden und ganz damenhaft in ihrem Gehaben, war einfach ihre Schöpfung, und sie ahnte, daß si« mit dieser noch einmal Ehre einlegen würde. Diel- leicht die gleiche, wie mit dem Musiklehrer, den si« veranlaßt halle, sich von den faden Sinfonien fort, die kein Orchester spielen wollte, zur Operette zu wenden, und der jetzt angeblich was ganz Exquisites zustande gebracht haben soll. Wahrscheinlich mehr Ehr« als mit der oder jener unter ihrer Patronanz geschlossenen Ehe, von der sie gewiß war, daß si« rascher als man erwartet«, in Brüche gehen würde. Ja, die Hilde sollte ihr Geschöpf sein, an dessen Zukunft— was? eine glanzvoll« Heirot? Karriere auf dem Theater?— sie mitbouen wollte. Um Dely und Lutz braucht« sie sich nicht zu be- kümmern, die gingen mit sicherem Instinkt ihr« Weg«, und wenn man die mit liebevoller Fürsorge begleitete, so war das genug. Aber noch ihnen, natürlich nach ihnen, wenn die versorgt waren, sollt« die Hilde an die Reihe kommen, und um drei Mädeln statt um zwei sich zu bekümmern, war für die schasfenslusllge Mama Gruber eine Kleinigkeit, ja, das machte ihr eben um ein Drittel mehr Freud«. (Fortsetzung folgt.)
Rätsel-Ecke des„Abend. iiiiiniitiiiiiiiiiiiiininiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiuiiiiiiiiMiiiiiiiiiiiiiiiiiiiMiiiiiimmiiiininiiiiHiiimiimnnNnimiHnniimiinimnniiiniiimnilHiHiiinmmiinniHiiiiiiiiiiiniiniiiiniimiiiimm
Kreuzworträtsel.
Gilbenausschnitträtsel. Ans nochbenonnten Wörtern ist so je eine Silbe zu entnehmen, daß diese Silben ein bekanntes Zitat aus Schiller ergeben: Zweifels- ohne, sodaß, Anästhesie, Edomiter. Koswig, ergrübeln, gewinnen. geblieben, lobesom, Dieberei, beschönigen. Anemone , Hcrbst.zenlvse, Oderbruch, junterhast, verbergen, abliefern, Weberei. Ouadraträtsel.
Senkrecht: 1. bibl. Gestalt: 2. Gestalt d. griech. Soge: 3. Getränk: 4. ägypt. Göttin: 5. Fluß in Schweden : 6. weidlichcr Vorname: 11. Verschluß: 13. warme Quelle: 13. Baum; 13. sumpfiges Gebiet; 19. Teil des Auges: 21. Teil des Baumes. — Wagerecht: 1. Werkstatt: 7. Flächenmaß: 8. Umhang: 9. Fürwort: 10. Chemikol: 12. Wasser pflanze: 14. unbestimmter Artiteli 17. Kopfbedeckung: 18. Körperorgan: 20. Fürwort; 22. Reptil.
Ergänzungsrätfel.
Die Silben di die heit ihr noch rich sen sich ten uns wir sind in die freien Felder der neben- stehenden Figur einzu- ordnen. Bei richtiger Löfnna erholten wir einen Spruch und dessen Verfasser. �
Eharade.
Im feinen Frankreich bin ich geboren: Dort leb' ich meistens als Mama. Doch wenn ich Anfang und Ende verloren, So bin ich aller Weit Papa.
Die Buchstaben sind so zu ordnen, daß die wagerechten Reihen Wörter von folgender Bedeutung ergeben: 1. Nebenfluß der Elbe: 2. Singvogel: 3. füdeuropäischer männlicher Vorname: 4. Ort bei Abevill« an der Sommemündung: 5. Ursache.— Die vorderste und die hinterste senkrecht« Reihe, beide von oben nach unten gelesen, ergeben je eine wichtige Verkehrsiinie.
Auflösungen der Rätsel aus voriger Kummer. Zahle nrätsel: Geburt, Reger, Grube, Geber, Trug, Brut, Burg, Tube, Rute, Berg, Gurt, Bug, Ger. Kreuzworträtsel. Wagerecht: 2. Leid; 3. Marne : 8. Ierusolcu: 9 Uschi: 10. Sau.— Senkrecht: 1. Tierschau: 3. Amrum ; 4. Melis. V c r s r ä t f c l: Luft, Spiel, Lustspiel. Scherzsrage: Hinter die Schote. Versteckrätsel: Bluff, Tunis , Hudson, Rennen, Gefiern, Wunder, Sehein, Achtung, Windwolke, Sennerin. Luft und Sonne, Gesundheit und Wonne! Buchstaben-Füllrätsel: 1. Sand: 2. Nero: 3. Eber: 4. Eden: 5. Wahr: 6. Zngo; 7. Tut«: 8. Top»: 9. Chi«; 10. Hochz 11. Erb«: 12. Rein.— Sneewittchen, Dornröschen.