?tf. Z4Y» 45. Jahrgang Vonners�g. 26. Luli 192»
Daß dam in dar Zwingburg dar Alillionenstadl ein- geaagtkn schassendan Volke, daß besonders dem in licht- und lustlosen Mietskasernen lebenden Proletariat Raum und Zeil zur Erholung und Auffrischung gegeben werden müßten. ist eine Erkenntnis, die von den Möchten des alten Staates vollkommen außer acht gelaflen wurde. Erholungsstätten nach hartem Kampf. Dos„von oben" protegierte Muckertum sorgte durch seine Dunkelmänner dafür, daß aufklärend« Arbeit mutiger Lebens- resormer e r st i ck t und verschüttet wurde und daß die von der Sozialdemokratie im Interesse der Volksgesundheit auf- gestellten Forderungen weilen Kreisen des Volkes vorenthalten blieben. Di« Behörden selbst dachten nicht im entferntesten daran. dem Volke Erholungsplütze zu schaffen; die Gelder der
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Lübars , das Freibad des Nordens. Steuerzahler fanden für den Bau mm Aaferneo und Exerzier» und Schießplätzen Verwendung. Die sozial- demokratischen Stadtverordneten waren es. die schon fair Jahrzehnten in den Gemeindevertretungen einen zähen, im» erbittlichen Kampf für die Schafslina von V ol k s e r h ol u n g s- statten und die Einrichtung von städtische,. Freibädern führte. Dieser Kampf, bei dem Stück um Stück dem verbissenen Gegner abgerungen werden mußt«, fand in Verlin außerhalb des Valhauses seine Fortsetzung durch die Selbsthilf« der Arbeiterschaft, die an geeigneten Stellen der märkischen Seen ihre Logerplätze einrichtete und so tatsächlich söhne die An- Wesenheit von ö. M.f den„Grundstein" zu unseren Freibädern legte. Das erste Kapitel der Geschichte der Freibäder Berlin » bildeten die volizeiattocken gegen die„roten Freibäder", die, ihre Kleider im Schilf oersteckt haltend und selbst bis zum.stalfe im Wasser stehend, die hoch zu Roß sitzenden � und mit schweren „Plempen" bewaffneten„Blauen " mit einem höllischen Hohn- g e l ä ch t e r empfingen. Was illustriert den Sieg der fazialdemo- kratischen Arbeiter und ihrer Führer besser als die Tatsache, daß der heutige Direktor des Freibades Wonnsee einer von denen war, aus die von der Polizei Treibjagden veranstaltet wurden! Der Selbsthilfe der sozialdemokratischen Arbeiter und der Zähen, vor- bildlichen Arbeit sozialdemokratischer Kommunalpolitiker ist e. Zu
danken, daß die leßten Kapitel der Geschichte der Berliner Frei- bäder von zukünftigen Generationen mit dankbarem Stolz gelesen werden können. Eine Rundfahrt durch Berlins Freibäder. Es konnte daher außerordentlich begrüßt werden, daß die Stadt Berlin am vergangenen Dienstag die Vertreter der Presse zu einer Rundfahrt durch die städtischen Freibäder einlud, wo- durch Gelegenheit zur Besichtigung der verschiedenen kleinen und großen, sowie der Freibäder, die noch im Entstehen sind, gegeben war. Zuerst ging die Fahrt zu dem kleinen von dem Bezirksamt Reinickendorf geschaffenen und erst in diesem Jahr eröffneten Freibad Lübars. Idyllisch in dem als Freisläche ausgewiesenen Fließtale bei W ai d m a n n s l ust liegend, kann es— über die Stettiner Vorortbahn— von der Bevölkerung der Bezirke Pankow , Reinickendorf und der nördlichen und östlichen Außenbezirke bequem erreicht werden. Don Tegel führt die Autobuslinie ZS zum Freibad. Das Bezirksamt Reinickendorf hat hier eine sehenswerte Erholungsstätte geschaffen. Umgeben von schattenspendcnden Pappeln, liegt der bis zu IS Meter tiefe Ziegeleisee,' der früher einer Ziegelei gehörte, die jetzt stillgelegt ist. Aus einer Wüstenei haben die mit Rotstandsarbcitern vorgenommenen Regulierungsarbeiten ein hübsches Stück Erde gemocht, das ay� den letzten heißen Togen von über zehntausend Personen besucht wurde. Weil die vorhandenen Räumlichkeiten — int Freibad befindet sich ein Restaurant und die Umkleidähallen — nicht mehr ausreichen. Hot das Bezirksamt beim Magistrat Mittel zu Erweiterungsbauten angefordert. Es soll z. B. eine lllkl Meter lange Schwimmbahn mit Tribüne angelegt werden. Ohne Zweisei wird das Freibad Lübars, aiff dessen Wosier- fläche im Winter Schlittschuhsport gelrieben werden kann. einen weiteren Aiffschroung nehmen. Von Lübars ging es nach Tegelort. wo sich heute nach ein im allcrichlimmsten Sinne des Wortes„wilde, Freibad " befindet. Gegenüber der Insel Scharfenberg und der kleinen.Liebesinsel" erstreckt sich ein fast 1 Kilometer langer stacher Strand, der von einem prächtigen Kiefernwald begrenzt wird. Auch zu diesem Gelände, dos jetzt schon von Tauseichen besucht wird, führen bequeme Fahrver- bitchiingen. Für den Ausbau des Geländes zu einem städtischen Freibad hatte der Magistrat dem Bezirksamt Reinickendorf , das im Einvernehmen mst der Forstdeputotion arbeiten wollte, bereits eine
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Im Plötzensee.
Summe als erste Rat« bewilligt. Der Einspruch der Hochbau- deputotion hat aber schließlich den Beginn der Arbeiten erneut verzögert. Das Bezirksamt wollte einen etwa 700 Meter langen Strand schaffen, aus dem mehrere über den ganzen Strand vcr- teilte Gebäude errichtet werden sollten, um den Waldbesiavd nicht zu gefährden. Die Hochbaudeputalion dringt aber ans die Errichtung eines großen Zentralgcbäudes, das nicht nur das Land- schaslsbild verschandeln, sondern auch zur Ab Holzung eines großen Teiles des herrlichen Waldbestandcs zwingen würde. Dieser Streit schweb, noch. Indessen verwandelt sich das wilde Freibad zu einem Müllhanfen, von dessen Umfang und Widerwärtigkeit man
Das Zukunftsbad Tegelort. sich komm eine Barstellung mcichen kann. Die Verschmutzung des Geländes durch Papier, Kot. Konserrenbüchsen, zerbrochene Pier- imd Thermosflaschen, zerrissebe Stiesel und Kleidungsstücke und Matratzenrestc hat einen Grad erreicht, der den Aufenthal, aus dem Gelände zu einer Gefahr für die Gesundheit macht. 'Schuld an diesem Zustand trägt natürlich das Publikum selbst, das mst feinem Verhalten erschreckend wenig Selbsterziehung offenbart. Wenn allerdings ein geordneter Freibadbetrieb herrschen würde, wäre dem widerlichen Anblick des mit Unrat besäten Strand- und Woldgeländes und der ganzen buchstäblich zum tVnnref stinkenden Unordnung mit einem Schlage ein Ende bereilet. Hoffentlich kann nun bald mit dem Bau des Freibodes begonnen werden, damit aus dem Schandfleck Tegelort ein Erholungsplatz wird, der den andere» würdig zur Seile steht. Welchen wunderbaren Anblick bot das nächste Ziel der Fahr:, dss Freibad Psötzenfee, dos im Jahre 1922 von dem Bezirksamt Wedding errichtet wurde! Dam Gründungstage ab hat es einen ununterbrochenen Aufschwung genommen, so daß die Besucherzahl von 300 000 im Eröfsnungsjahr 1922 auf 900 000 im vergangenen Jahr gestiegen ist. Ueoer SO 000 Besucher wurden allem an einem Tage der vergangenen heißen Wochen gezählt. War früher der Plötzensee durch viel« tödliche Badeunfälle berüchtigt, ja, ist fetzt dank der vorzüglichen Organisation und Einrichtungen kein ernsthafter Unfall zu verzeichnen. Auf lcÄcrcm, weichem Ufersand lagern hier Taufende, während sich im Wasser das frög- liehe Badeleben abspielt. Die den Plötzensec umgebenden Park-
Sie Aacht nach demVenat.
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Mulholland zog den Bauch ein, stieß den Atem aus, zuckte die Schultern, streckte den rechten Fuß vor und lehnte sein Gewicht schwer nach hinten auf den linken Fuß. Dann drehte er den Kopf schräg nach oben, so daß der rieselnde Regen ihm hinten in den Nacken schlug statt gegen das lMicht. Das Grinsen wich von seinem Mund, und einen Augen- blick lang schien er ärgerlich zu sein. Ganz sanft flüsterte er:„Heute scheinst du jedenfalls kein Geld zu brauchen Gypo." Ebenso plötzlich brach er in ein heuchlerisches und schmeichlerisches Lachen aus. Dann fuhr er mit seiner ge- wohnten trägen Stimme fort:„Versuch' doch nicht, uns vor- zumachen, daß du nichts hättest, wo wir gesehen hoben, wie dir grod vorhin in der Küche das Geld aus der Tasche ge- fallen ist. Willst du nicht einen für uns ausgeben?" Gypo fing an zu schaudern. In winzigen Bewegungen überliefen ihn die Schauer, wie ein riesiger Baum zittert, wenn der Waldboden durch einen heftigen Erdstoß erschüttert wird. Dann plötzlich bekam er sich wieder in die Gewalt. Ohne einen Augenblick zu überlegen, schössen seine beiden Hände gleichzeitig wie Kolben vor. Mulholland schnappte nach Atem, als sich die beiden riesigen Hönde um seine Kehle schlössen. Hilflos schlug er auf Gyno ein. Aber seine Schläge waren so wirkungslos wie ein kleiner Bogel, dessen flatternde Flügel gegen seinen Käfig schlagen. Eine teuflische Freude leuchtete in Gypos Gesustt, möbrend er Mulhollands Körper mit beiden Händen am Hals vom Boden hob. Er hob ihn wie ein Buch,'n dem er lesen wollte, bis Mulhollands Augen in gleicher Höhe mit den feinen standen. Dann sahen sie sich beide einander an. Mulhollands Augen waren noch immer kalt und glasig. undurchdringlich und vollkommen gefühllos. Gypos Augen waren mildglühend in einer tollen, rohen Freude Sein Mund war fest geschlossen und seine Haut hotte sich über den blanken Beulen seines Gesichts gestrafft, so daß es wie
gegerbtes Schweinsleder aussah. Mulholland hing die Zunge heraus. Gypo stöhnte und schickte sich an, Mulhollands Leben zwischen seinen dicken Fingern herauszuquetschen, als ein Schrei von hinten ihn störte. Er-ließ Mulholland wie einen Sack auf den Boden fallen und schwang sich herum. Tommy Connor war vom Hauseingang der» Nummer 44 herbei- gestürzt, wo er gewartet hatte. Er stand nun mit vor Staunen und Schreck weit offenem Mund und schrie:„Was ist passiert. Iungens, in Gottes Namen, was tut ihr da?" „Er verdächtigt mich und----" Gypo brüllte das, dann schwieg er plötzlich, unfähig, weiterzusprechen. Seine un- gestillte Wut erstickte ihn. „Verdächtigt dich weswegen? Weswegen sagst du, daß er dich verdächtigt?" schrie Connor. „Ich Hab' ihn gar nicht verdächtigt." Mulholland kam langsam wieder auf die Füße. Sein Gesicht war schmerz- verzogen.„Ich Hab' ihn bloß gefragt, ob.. „Du lügst," brüllte Gypo.„du verdächtigst mich und ich Hab' dich durchschaut, Mulholland. Denkst du vielleicht, ich müßte nicht Bescheid über dich? Immer hast du was gegen mich und McPhillip gehabt. Ich weiß doch, daß du Kom- missar für den dritten Bezirk bist und daß du jetzt herum- schnüffelst, Ueberwachungs.. „Sei still oder ich knall' dich über'n Hausen!" Connor rammte die Mündung seines Revolvers Gypo in die Seite. „Weißt du nicht daß da die Leute zuhören? Willst du, daß jeder Hund auf der Straße die Geheimnisse der Organisation erfährt, die du mit deinem Eid geschworen host, geheim- zuhalten?" Er rang nach Atem und fuhr dann noch leiser zischend fort:„Bist du verrückt geworden oder willst du mit Gemalt niedergeknallt werden?" Gypos Mund blieb offen stehen, als ob er etwas sagen wollte, aber er brachte kein Wort heraus. Er wandte halb den Körper, um Eonnors Gesicht zu seben. Er sah es, groß. zornig, drohend, mit geblähten Nasenflügeln, sa daß die. fohlengeschwärzten Innenseiten sichtbar wurden. Das Ge- ficht war nur vier Zall von Gypos Gesicht enffernt. Eonnors Renolnermündung preßte sicb in seine rechte Schulterbök l». Gypo fürchtete weder das Gesicht noch den Veoolner. Mit gerunzelter Stirn starrte er auf Eonnar; er wußte, daß er
ihn zerquetschen konnte,-ihn und Mulholland zusammen, daß er sie zu Tode quetschen konnte, zu einem formlosen Brei in der Umklammerung seiner Arme. Aber das waren nicht bloß zwei Männer, zwei mensch- liehe Lebewesen, sie waren mehr als das. Sie verkörperten die revolutionäre Organisation. Sie waren nur die Zähne in dem Rad jener Organisation. Das war es, was er fürchtete und was ihn hilflos machte. Er fürchtete das ge- heimnisvolle, unfaßbare Ding, das ganz Gehirn war und nicht körperlich, ein körperloser Geist, ein Ding, das volW Pläne stak, unerbittlich, unsichtbar, überallhinreichend mit unsichtbaren Fühlern wie ein übernatürliches Monstrum. Ein Ding, das wie eine Religion war, mysteriös, verborgen und teuflisch. Francis McPhillip hatte ihn einmal erzählt, daß sie einen Mann in Argentinien verfolgten, irgendwo am an- deren Ende der Welt. Schossen ihn tot, in einem Logier- Haus, obendrein bei Nacht. Was sagst du dazu? „'s ist gut, steck' dein Schießeisen weg, Tommy, ich will ruhig sein," sagte er schließlich. Ein paar Leut� hatten sich in der Entfernung ange- sammelt und schauten neugierig her. Bei gewöhnlichen Ge- legenheiten würde sich schön eine riesige Menschenmasse ge- staut haben, aber Furcht und Spannung lagen in dieser Nacht über dem Distrikt. Jeden Augenblick konnte eine Schießerei beginnen. Immer war das so. Ein Toter zieht andere nach. Jeder einzelne dachte im Innern daran, obwohl niemand einen Laut von sich gab. Es war eine Art schweigenden Schreckens. „Kommt. Iungens." sagte Eonnor,„machen mir, doß wir hier fortkommen. Die Leute laufen zusammen." In seiner gewohnten trägen und vieldeutigen Weise flüsterte Mulholland, als ob nichts geschehen märe, Gypo zn:.„Komm mit herunter zu Ryans Kneipe. Kommandant Gallagher ist dort. Er will dich sehen." „Wozu will er mich sehen? Ich bm nicht mehr M't» glied der Organisation. Ich komme nicht." „Komm, Mann," wisperte Eonnor, steh hier nicht 'mm und schwatze nicht. Er wird dich nicht fressen. Komm? Bist du ba»ge«er dem Kommandanten? Warum denn das?" „Ich Mn nicht bange, vor keinem Mann, der jemol»- ausgekrochen ist.— Los, kommt mit.". i (Fortsetzung folgt.)(\