Morgenausgabe
Rr. 351
A 179
45.Jahrgang
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Freitag
27. Juli 1928
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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
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Der polnische Gesandte in Mostau, Patet, hat am 25. Juli bei karach an dem Vertreter des erkrankten sowjetrussischen Bolts tommiffars für auswärtige Angelegenheiten, Tschiffcherin, wegen der von Bucharin auf dem 6. Kongreß der kommunistischen Internationale gehaltenen Rede Protest eingelegt. Bucharin hatte in feiner Rede unter anderem auch die Lage der kommunistischen Partei Polens behandelt und der Hoffnung Ausdrud gegeben, daß der Kongreß dem Exekutivkomitee der kommunistischen Internationale besondere Bollmachten erteilen werde, die das Komitee zur Regelung der Parteiverhältnisse ermächtigen, damit die Kommunistische Partei Polens eines der wichtigsten Wert. geuge der fommuniftifchen Internationale werde und die Kommunistische Partei Polens für den Fall eines Krieges als revolutionäre Militärmacht gegen ihre eigene Regierung auftreten revolutionäre Militärmacht gegen ihre eigene Regierung auftreten fönnte. Patet erklärte, daß der Inhalt der Rede Bucharins eine Einmischung in die inneren Verhältniffe Polens und eine Berlehung des Artikels 5 des Rigaer Bertrages bedeute.
Die Antwort Mostaus ist nicht schwer zu erraten: Die tommunistische Internationale hat mit der russischen Sowjetregierung nichts gemein. Bucharin ist weder Mitglied der Regierung, noch Sowjetbeamter, sondern nur Borsigender des Präsidiums der Internationale. Was auf dem Kongreß der Internationale geredet wird, geht die Sowjetregierung nichts an; sie hat auf die Beratungen des Ron greffes feinerlei Einfluß...
Raphael fälschlich entlassen.
Er hat noch eine Gefängnisstrafe zu verbüßen. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, hat die Nach. prüfung durch die Strafvollstreckungsbehörden ergeben, daß die urSprüngliche Annahme, sämtliche in der Gesamtstrafe des früheren Oberleutnants Raphael enthaltenen Straftaten feien aus politischen Beweggründen begangen, nicht zutrifft. Soweit Raphael wegen Anstiftung zu versuchter Gefangenenbefreiung verurteilt worden ist, fehlt es vielmehr an einem solchen Beweggrund. Den auf diese Straftaten entfallenden Teil der Gesamtstrafe wird er daher in voller Höhe, aber nunmehr als Gefängnisstrafe& u verbüßen haben. Wegen der Bollstreckung des hier noch ver bleibenden Strafreftes hat die Staatsanwaltschaft das Erforderliche
veranlaßt.
Amnestie für Schmelzer?
Die Telegraphen- Union meldet:
In der Presse ist verschiedentlich die Frage erörtert worden, ob der Amnestieerlaß auf den viel besprochenen Fall Schmelzer, Vater und Sohn, Anwendung findet. Nunmehr ist dahin entschieden worden, daß der Amnestieerlaß auch auf diesen Fall anzuwenden ist, und der zuständige Oberstaatsanwalt in Frant furt( Oder) ist angewiesen, sofort das nötige zu veranlaffen.
Da es sich bei den Schmelzers um ein Tötungsdelift handelt, so kommt nach den Bestimmungen des Amneſtiegefeßes für beide feine Bollamnestie, sondern nur die Herabjegung der Strafe auf die Hälfte und Umwandlung von Zuchthaus in Ge= fängnis in Frage. Schmelzer sen. hat also statt 1½ Jahr Zuchthaus 9 Monate Gefängnis, Schmelzer jun. statt 5 Jahre Zuchthaus 2½ Jahre Gefängnis zu verbüßen, worauf außerdem die erlittene Untersuchungshaft voll anzurechnen ist, so daß Schmelzer fen. nur noch einen geringen Strafrest abzufigen haben dürfte.- Auf die zivile Schadensersagtlage der Angehörigen der getöteten Reichsbannertameraben gegen die beiden Schmelzer hat die Amnestie teinen Einfluß, fie nimmt ihren Fortgang.
Das Satyrspiel mit Ricklin und Roffé. Mandate ungültig, Nachwahlen notwendig? Paris , 26. Juli.
Die Agentur Havas glaubt auf Grund von Auskünften aus gut unterrichteten Kreisen erklären zu können, daß es juristisch gefehen, feinem Zweifel unterliege, daß die vom Shwurgericht in Solmar verurteilten Dr. Ridlin und Rossé nicht ihr Abgeordnetenmandat ausüben dürfen, da Artikel 77 und 42 des Strafgesetzbuches, die die Verbrechen und Bergehen gegen die Sicherheit des Staates betreffen, den Berlust der bürger. lichen und politischen Rechte vorsehen. und da solche Strafen nicht auf dem Gnadenwege erlassen werden könnten,
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Das würde prattish die Notwendigkeit von zwei Nachwahlen bebeuten und es unterliegt gar feinem Zweifel, daß beide Abgeord
Auf eine solche Antwort fonnte sich die polnische Regierung eigentlich im voraus gefaßt machen. Oder hat sie die Brotestnote dennoch eingereicht, weil sie entschloffen ist, diesmal die übliche Unterscheidung zwischen Regierung und Komintern nicht gelten zu lassen?
Sowjetrussische Justiz.
Zerror gegen Sozialdemokraten.
Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depositenkasse Lindenstr. 8
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Zu einer großen Konferenz" der Außenminister am 27. Auguft in Paris hat die französische Regierung eingeladen. Sieben oder acht Außenminister Europas werden fich dort mit dem Außenminister der Vereinigten Staaten um einen grünen Tisch sezen, Ansprachen an die Welt über die geschichtliche Bedeutung dieses Augenblides halten und ein Dokument unterzeichnen, in dem sie gegenseitig auf den Krieg als Mittel Mittel ihrer nationalen Politik ver= zichten zu wollen erklären. Es wird das erstemal sein seit Wilson, daß ein amerikanischer Staatsmann der jetzige Außenminister Kellogg - in amtlicher Eigenschaft zur UnterWie der Sozialistische Bote" meldet, ist Ende April die Gezeichnung eines internationalen Vertrages nach Europa wenn Stresemanns Gesundheitszunofsin Eva Broido in Südrußland verhaftet und für die Dauer fommt, und es wird von drei Jahren nach dem politischen Gefängnis in Susdal ge- stand es ihm erlaubt auch das erstemal sein seit 60 Jahren, bracht worden. Genossin Broido, die in den letzten Jahren in Berlin daß ein deutscher Außenminister als solcher die Hauptstadt gelebt hat und vielen unserer Genossen wohl bekannt ist, ist seit Frankreichs besucht: kein ganz gleichgültiges Ereignis der mehr als drei Jahrzehnten in der russischen Sozialdemokratischen Gegenwartspolitik, ein so wenig gleichgültiges Ereignis, daß Bartei tätig, in der sie viele Jahre an leitender Stelle stand. Wäh- schon jetzt im voraus vierzehn Tage lang der internationale verurteilt, in den Gefängnissen und Berbanmungsorten des Barismus Melodien den alten Tert auf französisch, auf englisch , auf rend ihrer langjährigen revolutionären Tätigkeit war sie oft dazu Chor der Nationalisten und Militaristen mit immer neuen zu schmachten. Als der Bolschewismus ans Ruder fam, war sie, wie polnisch gesungen hat: Aber es wird doch nicht abgerüstet. alle unfere Genossen, die ihrer lleberzeugung treu blieben, Gegen- Nun ist allerdings richtig: wenn der Kriegsverzichtvertrag stand der tommunistischen Verfolgungen. Sie entzog sich ihnen einige auch am 27. Auguft unterzeichnet sein wird, der Krieg als Jahre hindurch, indem sie nach dem Ausland ging, wo sie in der Mittel der Politik ist damit noch durchaus nicht abgeschafft, internationalen sozialistischen Frauenbewegung tätig war. Jegt, nach nicht einmal in dem engen Kreise des Dutzends Bertragsunterihrer Rückkehr in die Heimat, ist sie den bolschewistischen Kerter- zeichner. Nach den monatelangen, nunmehr abgeschlossenen meistern zum Opfer gefallen. Die alte erprobte Kämpferin, die die Berhandlungen stellt ja die Vertragsunterzeichnung erst eine besten Jahre thres Lebens der Befreiung der Arbeiterfiaffe ge- 3 weite Etappe dar. Die dritte Etappe die Ratifiopfert hat, ist jetzt selbst das Opfer jener würdigen Erben der zierung des Kriegsverzichts ist damit noch längst nicht erRevolution geworden, die ihre Hauptaufgabe in der Bernichtung der reicht. Man braucht nur daran zu denken, wieviel Monate I verhaßten Sozialisten sehen. es dauerte und wieviel Fährnisse es sorgsam zu umschiffen gab, bis das in Locarno vor den Außenministern persönlich ,, paraphierte"( mit ihren Initialen versehene) Vertragswert von der Unterzeichnung in London am 1. Dezember 1925 bis zum Inkrafttreten durch Deutschlands Einzug in Genf am 10. September 1926 gedieh. Unterzeichnung bedeutet ja doch nur die Verpflichtung einer Regierung, einen Bertrag den zuständigen Instanzen zur Annahme vorzulegen; erst die Annahme durch diese in Deutschland Reichstag und Reichspräsident und die Ratifizierung" durch dazu bestimmte Delegierte macht einen Vertrag bindend. Und wenn es auch wahrscheinlich ist, daß in Deutschland , England und Frankreich ganz große Mehrheiten in den Parlamenten für den Kriegsverzichtvertrag zusammenkommen werden, bei den Vereinigten Staaten sich zuspizenden Parteigegensätzen den von Monat zu Monat angesichts der Präsidentenwahl in steht zwar wohl nicht dahin, o b, aber doch durchaus wohl, wann der amerikanische Kongreß ratifizieren wird, ebenso ist es angesichts der antidemokratischen und unsicheren Verhältnisse in Italien und Polen nicht durchaus sicher, ob durch sie nicht selbst das Inkrafttreten des Vertragswertes auch nur unter den neun( oder fünfzehn, wenn man die britischen Dominien gesondert zählt) Bertragsstaaten lange und unberechenbar aufgeschoben wird. Und erst dann, wenn die Unterzeichnung und Ratifizierung durch die Vertragsstaaten erfolgt ist, steht allen übrigen Staaten der Beitritt offen: erst dann wird die Frage des Anschlusses der Sowjet union an diesem Paft akut und man fann nur sagen, hoffentlich durch ihren Beitritt bejaht werden, wobei Deutsch land als Mittler eine besondere Aufgabe zuteil wird. So ist noch ein weiter Weg, bis auch nur unter den„ Kulturstaaten" der Kriegsverzicht völkerrechtliche Wirklichkeit sein wird.
nete mit erheblich vergrößerten Mehrheiten wiedergewählt merden würden. Das weiß die französische Regierung ganz genau und deshalb wird sie nur sehr ungern die beiden Mandate für ungültig erffären.
Nur noch italienisch in Brigen!
Innsbrud, 26. Juli.
Wie die Bozener Alpenzeitung" meldet, hat der AmtsbürgerBrigen von nun an alle öffentlichen Bekanntmachungen, Aufschriften, meister von Brigen einen Erlaß veröffentlicht, wonach auch in Tarife und Fahrpläne in italienischer Sprache abgefaßt sein müssen. Bis 30. November müssen auf Kosten der Beteiligten alle deutschen Aufschriften entfernt sein. Mit dem 1. Of tober wird in den Briger Volksschulen der Unterricht ausschließ lich nur noch in italienischer Sprache erteilt werden.
Die belgische Militärvorlage. Hauptkampf während des Gozialistischen Weltfongresses.
Brüssel , 26. Juli( Eigenbericht).
Der Senat beschloß, nächste Woche bis Ende September in Ferien zu gehen. Die Regierung hat alſo darauf verzichten müffen, die Militärvorlage vor den Parlamentsferien auch noch im
Senat zu erledigen.
Inzwischen geht die Debatte über dieses Gesetz in der Kammer schleppend weiter, hier und da belebt von mehr oder minder heftigen Zwischenfällen. Vor dem 10. Auguft dürfte die Vorlage nicht verabschiedet werden. Die entscheidende parlamentarische Schlacht wird alfo während des Jnternationalen gefehes vor sich gehen.
Ordnung in Bulgarien ! Sozialistische Forderung an die Regierung.
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Aber auch damit nicht genug, daß die Militaristen und Nationalisten schon jetzt versichern, daß an den Rüstungen und den Notwendigkeiten der Rüstungen der formelle Verzicht auf den Krieg nichts ändere: der einfache und klare Gedanke des Sozialisten- Kriegsverzichtes ist von den Regierungen mit Borbe halten belastet worden, Einschränkungen, die hier und da die Meinung aufkommen ließen, daß der Vertrag nun überhaupt nichts mehr wert sei. Dabei ist jedoch zu beachten, daß alle diese Einschränkungen der Regierungen in den Vertrag selbst nicht aufgenommen werden, sie wenigstens nach angelsächsischer Rechtsauffassung, für die Auslegung und Anwendung des Bertrages erst in zweiter Linie in Betracht tommen. So ist, nicht zum wenigsten dank dem Zusammengehen der deutschen mit der amerikanischen Regierung, der ursprünglich einfache und furze Vertragstert des Kriegsverzichts erhalten geblieben. Und allerdings hat dieser furze Bertrag, sobald er in Kraft ist, die Wirkung, daß jede Regierung, die einmal noch mit dem Kriege droht oder ihn als unvermeidlich hinstellt, von einer anderen Regierung bloßgestellt werden kann: die Drohung mit Krieg, die vor dem Weltkriege zu den werktäglichen Arbeitsmitteln der Diplomatie gehörte, fie würde unter der Geltung eines solchen Bertrages nicht mehr möglich sein, ebensomenig würde es noch einen diplomatisch- politischen Sinn haben, zu rüsten und aufzurüften, um damit, wie das so oft in der Borfriegszeit gefchah, ein Nachgeben des Berhandlungspartners
Die innerpolitischen Zustände Bulgariens find gegenwärtig äußerst zugespitzt. Das Zentralfomitee und die Parlamentsgruppe der Sozialistischen Partei beschloffen deshalb nach einer ausführlichen Debatte über die jüngsten blutigen Auseinanderfehungen innerhalb der mazedonischen Bewegung und der erhöhten Aktivität der faschistischen Organisationen, eine Delegation zu dem Ministerpräsidenten Ciaptfcheff zu entfenden. Es wurde nachdrüdlichst darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit schwerer 3usammenstöße besteht und eine verantwortungsbewußte Regierung schleunigft scharfe Maßnahmen gegen die mutmaßlichen Ruhefförer ergreifen müffe. Die Sozialisten forderten außerdem volle Amnestie für alle politischen Gefangenen.
Der Schritt der Sozialdemokratie hat weit über die Sozialistische Partei hinaus lebhafte Zustimmung gefunden.
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