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Sonnabend, 28. Juli 1928

16 ho

Der Abend

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Korruption als Kampfmittel.

Kommunistische Spitzelwirtschaft am Pranger!

Lage und Berleumdung find die Waffen, mit denen die Kommunistische Partei den politischen Kampf führt. Sach­liche Gegensätze innerhalb der Arbeiterschaft allein hätten nie die Kluft so tief aufreißen fönnen, wenn nicht die kommu­niftische Hehpropaganda einen Teil fanatisiert hätte. Aber nicht nur Lüge und Berleumdung der Sozialdemokratie find die Waffen der Kommunisten. Die Bezirksleifung der kommu­niftischen Partei in Berlin hat sich nicht gescheut, bezahlte Spigel in anderen Lagern zu unterhalten.

Im Einverständnis mit der fommunistischen Bezirksleitung haben Leiter der kommunistischen Jugendbewegung schon seit Jahren be mußt und planmäßig sogenannte ,, oppositionelle Gruppen" innerhalb der Berliner Sozialistischen Arbeiterjugend aufgezogen. Schon im Oktober 1926 wurde eine gedruckte Erklärung in den Kreisen der Sozialistischen Arbeiterjugend verbreitet, die sehr scharf Stellung nahm gegen die Arbeit innerhalb der sozialistischen Jugend­organisation. In weiterer Folge wurden gedrudte Rund briefe bis zu 18 Seiten start hergestellt. Später wurde auch eine Beit­schrift der Oppositionellen herausgegeben, die sich scharf gegen die Bolitif und Arbeit der Sozialdemokratie und ihrer Jugendorgani fation wandte. Auffallend war es, daß in den letzten beiden Jahren über alle Ronferenzen der Arbeiterjugend in der Roten Fahne" Berichte erschienen, ohne daß es der sozialdemokratischen Bezirks. Jeitung möglich war, festzustellen, wer diese Informationen der Roten Fahne" überbrachte

Die Zustände innerhalb unserer Arbeiterjugend wurden unhalt­bar und auf der Generalversammlung vom Februar 1927 wurden fieben Jugendliche ausgeschloffen. Heute steht fest, daß diese Aus­geschloffenen unter Führung eines gewiffen Goldenberg im Ein. verständnis mit der Rommunistischen Jugend und Partei die Opposition in unsere Jugendbewegung hineingetragen haben. Einer der Führenden innerhalb der Opposition war ein Jugendlicher mit Namen Nikolaus Osterroth . Dieser junge Mann wurde seit zwei Jahren von der fommunistischen Leitung angehalten, die Opposition zu organisieren und über alle Borgänge genauen Bericht zu erstatten.

Alle Rundschreiben und Flugblätter der Opposition wurden in der Kommunistischen Zentrale hergestellt. Damit die unsaubere Arbeit dieser Oppositionellen nicht erkannt wird, wurden die jungen Leute angehalten, alle ihre Briefe und Schrift­ftüde mit einem falschen Namen zu unterschreiben. Alle nur bei einer Polizei üblichen Methoden, wie Dedadreffen ufw., wurden zur Befpitelung unserer Jugendorganisation an­gewandt.

So richtete der aus der SAJ. ausgeschloffene und jetzige Gegner­obmann der KJ., Walter Ehlen, unter dem schönen Decknamen Eva Briefe an sogenannte Vertrauensmänner der Opposition mit der Aufforderung, dafür zu sorgen, daß alle oppofitionellen Anträge, die vorher mit den Kommunisten beraten waren, in den Berfamm­lungen der SAJ. angenommen werden. Ein ehemaliger Abteilungs­leiter der SAJ., Siegfried Raiser, hat in einem Brief vom 30. 11. 26 fich selbst als kommunistischer Jugendspizel bezeichnet. Wurden kommunistische Spizel aus der Sozialistischen Arbeiter­jugend ausgeschloffen, so wurden in der Kommunistischen Zentrale Refolutionen abgefaßt, die als Proteft den Mitgliedschaften der SAJ. zur Unterschrift vorgelegt wurden mit dem Zwed, bei der Leitung der SAJ. Einspruch zu erheben. In der Ausschluß- Angelegenheit Osterroth- Strang wurde die folgende, non Kommunisten verfaßte, Protestresolution den Arbeiterjugend­Mitgliedern zur Unterschrift unterbreitet:

Proteft- Resolution.

8070

Quer durch das Hochgebirge.

Ein neuer Eisenbahntunnel, dessen Eingang auf der spanischen Grenzstation Canfranc unser Bild zeigt, wurde kürzlich eröffnet. Die Bergbahn selbst ist ein einzigartiges Bauwerk, weil dieser Riesentunnel im Innern des Berges eine Schleife bildet.

Großer Arbeitskampf in England.

Zur Krise in der englischen Textilindustrie.

In der englischen Textilindustrie droht ein Konflikt auszubrechen, der eigentlich schon seit Jahren akut ist, jetzt aber in ein entscheidendes Stadium gerückt ist.

Der Konfliktstoff begann sich bereits nach den Jahren 1920/21 aufzuspeichern, als in der englischen Textilindustrie die Dauer­trise einsette. Kurz nach dem Kriege hatte die englische Textil­industrie genau so eine Hochtonjunktur, wie wir sie damals auch in Deutschland aufweisen konnten. In dieser Zeit stellten sich damals viele englische Textilbetriebe, die sich im Privatbesiz befanden, zu Attiengesellschaften um. Bei dieser Umstellung wurden

aber die

Betriebe viel zu hoch bewertet.

Sie wurden mit einem Aftienfapital ausgestattet, das nicht im ent­ferntesten den wirklichen Werten der Betriebe entsprach. Infolge dieser Ueberkapitalisierung verzinsten sich die in den Betrieben angelegten Kapitalien nur sehr schlecht.

Von dieser Zeit an datieren die Versuche der englischen Textil­Mit Entrüstung hören wir von dem Ausschluß einiger at industriellen, die Löhne herabzusetzen und die Arbeits­tiver Funktionäre unserer Bewegung, so der Genosse Osterzeit zu verlängern. roth und Strang!

Desgleichen verlautet, daß gegen den Genossen Dünner, Mitglied des Vorstandes der Berliner Jungjozialisten, ein Aus Schlußverfahren anhängig gemacht wird. Wir vernehmen, daß dieses Ausschlußverfahren dazu dienen soll, diesem Genossen die fernere Arbeit in Partei und Jugend unmöglich zu machen!!

Bir protestieren gegen diese Maßregelung dieser Genoffen und fordern bedingungslose Wiederaufnahme bezw. sofortige Ein­stellung des Verfahrens!!

Bir erklären uns mit diesen Genossen solidarisch und sind be­reit, sie mit allen Mitteln zu verteidigen!!

Die Unterschriften wurden in der Kommunistischen Zentrale ( Fortsetzung auf der 2. Seite.)

Die Textilarbeiter weisen ein solches Ansinnen ganz entschieden zurüd. Bor etwa einem Vierteljahr beschäftigte sich ein Kongreß der Tertilarbeiter mit diesen Fragen und faßte seine Meinung in einer Entschließung zusammen, in der alle Textilarbeiterorganisa­tionen verpflichtet wurden, jedem Verlangen der Unternehmer auf Verlängerung der Arbeitszeit über 48 Stunden den schärfften

Der Prozeß der 88. Wieder ein Zugunglück.

Berichte im Innern des Blattes.

Widerstand entgegenzusehen. Eine weitere Forderung der Unter­nehmer, in eine 12% prozentige Lohnreduzierung einzuwilligen, wurde von den Textilarbeitern ebenfalls energisch zurückgewiesen. Die Gewerkschaften machten den Unternehmern Vorschläge, die Produktion mit anderen Mitteln als denen des Lohnabbaues und der Arbeitszeitverlängerung zu heben und zu verbilligen.

Diese Vorschläge fanden jedoch bei den Unternehmern feine Die englischen Textilindustriellen besprachen vielmehr ein Projekt, das Beachtung. ihren restlosen organisatorischen Zusammenschluß vorsah. Dieser Bersuch schlug aber fehl. Inzwischen waren verschiedene kleinere Bewegungen in der Textilindustrie entstanden. So streiften zum Beispiel die Textilarbeiter in Nelson, weil ein alter Gewerkschafts­funktionär gemaßregelt worden war. Außerdem streifen zurzeit etwa 5000 Arbeiter der Ausrüstungsindustrie. Sie ver­langen 25 Proz. Ausschlag auf die Zeitlöhne oder den kollektiven Afford. Aus Anlaß dieses Streifs haben bereits die Unternehmer erwogen, ob sie nicht sofort die Aussperrung vornehmen sollten. Man nahm aber noch einmal davon Abstand. Die Unternehmer der Baumwollspinnereien versuchten nunmehr, eine

allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit auf 24 Stunden pro Woche durchzuführen. Eine bei den Unternehmern vorgenommene Ab­ftimmung ergab jedoch nicht die notwendige Mehrheit für diesen Beschluß. Da die Unternehmer jezt feinen anderen Ausweg mehr aus der latenten Krise sahen, griffen sie zu dem Mittel der Ge. samt aussperrung. Die Gesamtaussperrung soll am 1. August er­

folgen.

Es ist selbstverständlich, daß die englischen Gewerkschaften dieser Aussperrung den schärfsten Widerstand entgegensezen werden, da sie nicht zulassen wollen, daß in der englischen Textilindustrie wieder Zustände einreißen, wie sie in der frühfapitalistischen Epoche in Eng. land bestanden und wie sie schon von Karl Marx so erschütternd festgehalten wurden.