Montag, 30. Juli 1928
10 Pf.
356 B176 45. Jahrgang.
Der Abend™
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Sonntag nacht sind die geretteten Teilnehmer der Nobile
Warnemünde eingetroffen. Der Wagen mit den Italienern ift von dort direkt nach Halle geleitet worden, wo er an einen Schnellzug Berlin - München - Italien angehängt werden wird; der tschechoslowakische Radiologe Professor Dr. Behounet, der Begleiter nobiles, trennte fich von seinen Reisegefährten und ist heute vormittags mit seiner Schwefter, die ihm nach Stocholm entgegengefahren war, in Berlin eingetroffen. Die Braut Professor Behouneks und ihre Mutter erwarteten ihn auf dem Stettiner Bahnhof. Man fann fich denken, wie herzlich die Begrüßung war, nachdem die ganze Welt wochenlang mit Bangen auf die Rettung der Berunglückten gewartet hatte.
Ueberaus freundlich war natürlich auch der Empfang, der dem Prager Gelehrten durch die Bertreter der tschechoslowakischen Ge fandtschaft zuteil murde. Dann machte der großgemachfene, blonde Mann den zahlreich erschienenen Breffe vertretern Mit teilungen über seine Erlebnisse und Eindrüde. Nachdem Behounet den Photographen standgehalten hatte, berichtete er:
Ich kann alle Behauptungen über Unstimmigkeiten unter den Expeditionsteilnehmern und mit General Nobile als unrichtig bezeichnen. Bielleicht erklären sich diese Behauptungen und auch ge wisse Meldungen über das traurige Ende Malmgreens, die ja aus der russischen Presse hierhergelangt find, aus der Tatsache, daß die fieben Journalisten auf dem Eisbrecher ,, Krassin" sämtlich nur der russischen Sprache mächtig waren, nur einer von ihnen tonnte etwas Französisch. Da sind wohl Mißverständnisse bei der Ausfragung der Geretteten zu verstehen. Was Malmgreen selbst m- belangt, so dürfte es für die Leitung der Expedition nicht ganz leicht gewesen sein, ihn mitzunehmen, da es doch in Italien selbst genug Meteorologen gibt. Die Drei- Männer- Gruppe, die sich nach dem Unglüd zu Fuß auf den Weg zur Küste machte, hat Malmgreen
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Ausführlicher Bericht 8. Seite.
aus eigenem Entschluß verlassen, da er sein Ende unabwendbar her. Am gestrigen Sonntag wurde in Bernau der Grundstein für die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkannahen fühlte. Zappi hätte ja in Anbetracht der später aufge tauchten Behauptungen gewiß richtig gehandelt, wenn er Malmgreen gebeten hätte, diesen Entschluß schriftlich festzulegen. Aber in jener gefährlichen Situation ist manches vergessen worden, woran man in normalen Umständen wohl gedacht haben würde. Es ist auch nicht richtig, daß Malmgreen die Nobile- Gruppe unfreiwillig verlaffen hätte. Nobile hatte nach der Strandung uns allen freigestellt, unsere Rettung auf jede nur mögliche Weise zu versuchen.
Was die Tatsache der Keffung Nobiles als erften und zunächst einzigem anbelangt, so hatten wir untereinander für den Fall einer Reffung durch Flugzeug eine Reihenfolge feffgefeht, in der Ceccioni als erfter stand und Nobile als vierter. Aber dies scheiterte daran, daß Lundberg zunächst nur einen Mann mitnehmen fonnte, um das Flugzeug nicht zu überlaften. Und das für war Ceccioni mit seinen 210 Pfund viel zu schwer. Von den anderen dreien aber bedurfte Nobile, der Hand und Bein gebrochen hatte, zuerst der Rettung. Selbst als Lund berg zum zweiten Male tam und außer dem Beobachter auch die Radioeinrichtung samt Affumulatoren usw. absetzte, fonnte Ceccioni wegen seines hohen Körpergewichtes nicht mitgenommen werden. Im übrigen kann ich über die Vorwürfe gegen Nobile noch nichts sagen, da ich sie im einzelnen nicht tenne. Nach meiner Anficht hat sich Nobile als äronautischer Fachmann bewährt. Das halb starre Luftschiff Norge" war ja auch seine eigene Konstruktion.
Auf eine Frage, ob nicht gerade malmgreen furz vor dem Unglück auf schlechte Navigation und drohende Gefahr aufmerksam gemacht habe, antwortet Profeffor Behounet: Malmgreen fam turz vor dem Absturz zu mir und machte mich in sehr ernstem Tone dar auf aufmerksam, daß wir nur mit dem Steuer fahren und jeden Augenblick auf dem Eis sein könnten.
Dies war jedoch nicht ganz richtig, denn als das Cufffchiff niedergegangen war, erhob es sich wieder auf 900 meter. Die Katastrophe ist erft beträchtlich später erfolgt und zwar infolge eines plötzlichen und starken Gasverluftes. Dieser Gasverluft war durch Ceccioni vorher bemerkt und gemeldet worden. Darauf wurde der
zuständige Mann, der zu der später sogenannten Alessandri- Gruppe gehört, mit Untersuchung der Ballonhülle beauftragt, fand aber nichts fo daß man glaubte, es sei alles in Ordnung.
Kurz darauf erfolgte der Absturz, der uns natürlich mit den schwerften Sorgen erfüllte, wir standen zunächst im Schnee, ohne irgendwelche Lebensmittel und sonstige Hilfsmittel. Erst nach einer Weile fand Malmgreen im Schnee Riften, die vor ( Fortfegung auf der 2. Seite.)
Ein Ringbahnzug entgleift.
Erfreulicherweise fein Verletzter.
tommt nicht in Frage. Die Maschine ist aus bisher noch völlig ungeflärter Ursache entgleift.
Kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Westend entgleifte| Berschulden des Zugpersonals nicht vor, auch ein Materialfehler heute früh um 7 Uhr beim Paffieren der Weiche 17 ein Ringbahnzug, der aus Grunewald tam. Die Cotomotive sprang plöglich aus den Schienen und riß die drei nachfolgenden Wagen dritter Klasse aus den Gleifen. Zum Glück wurde nie
mand verletzt.
Es ist als ein besonderer Glüdsumftand zu bezeichnen, daß die Maschine und die Bagen, die mit zahlreichen Reisenden besetzt waren, nicht um stürzten. Mehrere Fensterscheiben gingen in Trümmer. Die Fahrgäste mußten den Weg zum Bahnhof Westend zu Fuß antreten.
An der Unfallstelle war noch bei Redaktionsschluß eine größere Arbeitertolonne mit den Eingleisungsarbeiten beschäftigt. Die Störung wird vermutlich erst in den Abendstunden endgültig behoben sein.
Hochbahnkatastrophe in New Hort.
Drei Zote, sechsundvierzig Schwerverlette. New York, 30. Juli. Ein furchtbares Unglück, durch das 46 Personen zum größten Teil schwer verlett wurden, hat sich auf der New Yorker Hochbahn zugetragen. Infolge Kurzschluß war ein Zug, in zugetragen. Infolge Kurzschluß war ein Zug, in Dunkel gehüllt, stehen geblieben, auf den dann ein zweiter zug auffuhr.
Wie von der Direktion der Reichsbahn hierzu noch mitgeteilt wird, handelt es sich um einen Bersonenzug der Strede Brunewald- Nordring, der über die Stadtbahn verfehrt. Beim Baffieren der Beiche entgleifte die Lokomotive und drei Wagen, die fich quer über die Schienen stellten und sowohl den Stadtbahn verkehr in beiden Richtungen wie auch den Güterverkehr von und nach Halensee( perrten. Der Bersonenverkehr wurde dadurch aufrechterhalten, daß die Ringbahnzüge, die aus Richtung Potsdamer Bahnhof ankamen, und ebenso die Züge, die aus entgegengesetter Richtung aus der Frankfurter Allee einliefen, von Bestend zurüdgeleitet wurden. Die Reifenden, die als End. ziel Salenfee hatten, mußten über Charlottenburg fahren. Wie uns furz vor Redaktionsschluß gedrahtet wird, wurSofort nach Bekanntwerden des Unfalls eilten mehrere Sach verständige an die Unglüdsstätte, um die Ursache der Ent- den bei dem Zusammenstoß zweier Hochbahnzüge 50 Pergleisung festzustellen. Nach den bisherigen Ermittlungen liegt ein jonen verlegt, darunter drei tödlich.
Drei Wagen wurden vollkommen zertrüm. mert. Unter den Insassen der dicht mit Ausflüglern besetzten Züge entstand eine große Panit.