Donnerstag, 2. August
1928
19050
= Der Abend
Ericheint täglich außer Sonntags. Fugleich Abendausgabe des„ Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin SW 68, Lindenstr. 3
Spätausgabe des„ Vorwärts
10. F1.
Nr. 362
B 179
45. Jahrgang
66 anzeigenpreis: Die einfaltige Nonpareillezeile
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Anklagen gegen einen Fürsten.
Die Kundgebung der Sozialdemokratie gegen den Krieg.
Nie Allgemeine Abrus tung ker wieder Krieg
Die gestrige Kundgebung der Sozialdemokratischen Partei gegen den Krieg im Humboldhain. Riesige Menschenmengen füllten den weiten Platz, einig in dem Willen, alles zu tun, um die Wiederkehr des Völkermordens zu verhindern. Besonderen Beifall band der englische Redner Lyons, Parlamentskandidat in London , der die Grüße der fritschen Arbeiterpartei überbrachte. Die große Demonstration wurde leider getrübt durch das Verhalten einiger kommunistischer Störungstrupps, die die an- und ab
marschier enden Züge mit Schimpfworten belegten und an mehreren Stellen sogar Tätlichkeiten versuchten. In zahlreichen Zuschriften an uns gaben die Teilnehmer an der Kundgebung ihrer Empörung darüber Ausdruck.
Unser Bild gibt einen Ausschnitt aus der eindrucksvollen Veranstaltung. Künstler, der Vorsitzende der Berliner Organisation der Sozialdemokratischen Partei, spricht zu den Massen.
Hohenlohes Beamte.
Den Reichstagsabgeordneten ist in diesen Tagen eine Petition zugegangen, die eine interessante Charakteristik für jene Kreise darstellt, die nicht genug von Menschenliebe und Rechtsempfinden reden fönnen. Die Petition stammt von zehn Familien, die bei der Fürst zu hohenlohechen Verwaltung in Slawentziz( Oberschlesien ) beschäftigt waren, wegen Teilnahme an einem Streif im Sep tember 1922 fristlos entlassen wurden und nun vergeblich ihre Pensionsansprüche geltend machen.
Ueber die Vorgänge wird in der Petition gesagt: Die Forstbeamten der Hohenloheschen Verwaltung waren in der Inflationszeit durch ihre furchtbare wirtschaftliche Lage und durch die jede Lohnerhöhung ablehnende Einstellung der Berwaltung zum Streit gezwungen. Aus der Tatsache des Streits entnahm jedoch die fürstliche Berwaltung das Recht zur fristlosen Entlassung, obwohl ein großer Teil der auf diese Weise auf die Straße geworfenen Beamten jahrzehntelang im Dienst des Fürsten stand." Ueber die Dienstzeit der in Frage kommenden Beamten wird folgende Aufstellung gebracht:
1. Oberforstmeister Brodersen, 25 Dienstjahre. 2. Kammerdirektor Pieckardt, 23 Dienstjahre. 3. Oberförster Dietrich, 5 Dienstjahre.
4. Wildmeister Nerlich, 25 Dienst jahre. 5. Revierförster Foizit, 45 Dienstjahre. 6. Revierförster Wolff, 43 Dienstjahre. 7. Revierförster Hunger, 34 Dienst= jahre. 8. Revierförster Woehl, 34 Dienst jahre. 9. Revier förster Müller, 26 Dienstjahre. 10. Revierförster Vetocha, 26 Dienstjahre. 11. Revierförster Eichner, 3.4 Dienstjahre. 12. Forstsekretär Grofe, 24 Dienstjahre. 13. Förster Schwarzer, 14. Förster Malorny, 22 Dienst jahre 24 Dienstjahre. 15. Förster Reschke, 10 Dienstjahre. 16 Förster Fechner, 8 Dienst jahre. 17. Förster Czaifa, 14 Dienstjahre. 18. Förster Wagner, 12 Dienstjahre. 19. Brettmühlenverwalter Schwanig, 27 Dienst jahre. 20. Brettmühlenverwalter Salinger, 10 Dienstjahre. 21. Revierjäger Czubaj, 22 Dienstiahre. 22. Heger Magiera, ( Fortsetzung auf der 2. Seite.)
Ein neuer Ozeanflug.
Der englische Flieger Courtney auf den Azoren gestartet.
Der englische Flieger Courtney, der am 28. Juli bon Lissabon kommend in Horta landete, ist heute zum Weiterflug nach Neufundland gestartet. Die Wetterlage ist denkbar günstig. Es herrscht Sonnenschein, und die See ist bei leichtem Nordwind vollkommen ruhig.
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Die Radio- Marinecorporation gibt bekannt, sie habe von dem Schnelldampfer Berengaria" und von der Funkstation auf Rap Race Meldungen erhalten, aus denen hervorgehe, daß der britische Flieger Courtney, der gestern in Horta zum Weiterflug nach Neufundland gestartet war, gezwungen war, 500 Meilen von Kap Race entfernt auf See niederzugehen.
Der Weltflug Francos mißglückt.
Die Vanguardia erhielt von ihrem Korrespondenten in Huelva die telegraphische Mitteilung, daß das Wasserfugzeug Numancia, das mit Major Franco von Cadiz aus nach den Azoren fliegen wollte, um 9 Uhr abends bei Huelva auf dem Meereniedergegangen set. Es habe wieder umkehren müssen, da es ihm unmöglich gewesen sei, feinen Flug förtzusetzen.
Während es unmöglich ist, in amtlichen Kreisen etwas über die Rückkehr der Numancia zu erfahren, wird die Meldung durch Privattelegramme beſtätigt. Danach scheint es, daß die Numancia infolge Motorendefefts auf die Erreichung der Azoren verzichtete und zur spanischen Küste zurüdfehrte, wo sie gegen 9 Uhr abends gegenüber von Huelva an der Mündung des Guadiana auf das Wasser niederging. Die Besatzung des Flugzeuges wurde um 10 Uhr an Land gebracht und begab sich in ein Hotel
Das Ergebnis der Nobile- Expedition.
In einem Interview, das Professor Dr. Behounek einem Vertreter des Tschechoslowakischen Brejsebureaus gewährte, gab der heimgekehrte tschechoslowakische Gelehrte eine eingehende Darstellung seiner wissenschaftlichen Arbeiten während der Fahrt der " Italia ", die er auch später infolge des glücklichen Umstandes, daß bei der Katastrophe seine Apparate vollkommen unbeschädigt geblieben waren, auf der Eisscholle fortzusehen in der Lage war. Seine Arbeiten bewegten fich hauptsächlich in zwei Richtungen, in der Messung der elektrischen Spannung der Atmosphäre sowie der Messung der Radioaktivität der Luft und der Intensität der atmosphärischen Strahlung. Zur Katastrophe der„ Italia " äußerte sich Behounek, sie könne nur in der plöglichen Entleerung eines Ballons ihre Ursache gehabt haben, wodurch die Tragfähigkeit des Luftschiffes um nicht weniger als eine Tonne herabgesetzt wurde, was in feiner Weise ausgeglichen werden konnte, da das Luftschiff feinen Ballast mitführte. Das Manometer hätte aber erstaunlicherweise nichts Abnormales gezeigt. Die Ursache der Katastrophs werde für immer in undurchdringliches Dunkel gehüllt bleiben. Ueber den Schweden Malmgreen erklärte Behounek, daß er der Wesen nach war er ein Bessimist, wenigstens hat Behounek diesen einzige erfahrene Polarreisende der ganzen Expedition war. Seinem
Eindruck von ihm gewonnen. Insgeheim hatte Malmgreen fein Zutcauen zu den Italienern und zu ihrer Widerstandskraft. Noch vor Beginn der Expedition hätte sich Malmgreen Dr. Behounek gegenüber fopfschüttelnd geäußert: Wenn wir irgendwo auf Eis geraten sollten, so wäre das eine sehr traurige Expedition.