(17. Fortsetzung.) „Sager Sic: Stellen Sic sich so blöd oder sind Sie wirklich so?' „Ich bin wirklich so.' „Dann sind Sie leider unheilbar. Also meine Mutter ist ge- prüfte Lehrerin für Französisch und Englisch , und ich gebe Nach, hilfestunden, und wenn ich noch nicht bei„Tristan' war, so deshalb, weil ich kein Geld dazu g'habt Hab' und nur ins Theater geh', wenn man mich einlädt'. „Uje! Das ist ja dann noch ärger. Noch ärger, dann sind Sie ja eine Stehkragenproletarierin...' „Was das heißt, versteh' ich nicht. Ich hob' noch in mein' Leben kein Stehkragen getragen.' JD ja, Sie versteh'»'s schon. Eine, die nicht dort ist, wo sie natürlicherweise zu stehen hätte und von ihrem Noblichtun g'rad mehr Unannehmlichkeiten hat als Annehmlichkeiten.' Wieder eine Pause. „Kommen S' mit mir oder dem Dosiischitsch, Sie werden ein» mal echte Begeisterung kennen lernen auf der vierten Galerie im Burgtheater oder im Stehparterre beim Philharmonischen und Nächte, Nächte im Schrebergarten..." „Nein!' Hilde war aufgesprungen. „Sie wissen ja nicht, was Sie daherreden...? Ich bin ganz bestimmt kein Genie, das weiß ich, ober wenn ich's in mir spüren möcht', durch die„Boheme' würd' ich's um keinen Preis wecken wollen. Lieber bleib' ich, wer ich bin.' „Sie haben mich ganz mißverstanden, Fräulein Hilde. Was ich gemeint Hab'... man muß dem großen Erlebnis entgegen- gehen und das große Erlebnis können Sie überall finden...' „Das glaub' ich auch. Es muß in einem sein... Aber hören wir zu plauschen auf— da ist die Meisterin.' „Die Meisterin, die Meisterin!' brummte der Longe.„Es ist ja nur die Norrek.' Als Hilde nach diesem Gespräch am späten Abend zu den Grubers kam, fühl!« sie sich freier. Der lange Kerl hatte sie ver- wirrt und beunruhigt. Was wollte er? Was war in seinen Reden echt und was ein heimlicher Versuch, sie an sich zu locken? Nein, hier bei den Grubers war die Luft durchsichtiger, man wußte stets, woran man war. Edi war von einer respektvollen Zärtlichkeit, die sie wohl spürte. Und selbst die Frivolitäten des Schubert, des Herrn mit den Kotclettchen an den Wangen, mit dem hohen Stehkragen und der bauschigen Krawatte, waren nicht so unheimlich wie die Reden Drobauers, nicht förmlich« Fallstricke, die ausgelegt schienen, um sie cinzufangen. „Was Sie nur immer mit der Masse wollen!' rief Hilde dem Drobauer zu, als er sie einmal heimbegleitete und wieder zu laut auf, der Straße davon schwärmte, nicht im engen Raum eines Theater« zu rezitieren:„Ich furcht' mich vor zu vielen Leuten!' „Sie fürchten sich! Oha, weil Sie die Masse nicht verstehen wollen! Natürlich bei der Premiere in einem Operettentheater ist's Ihnen behaglicher. Sie waren ja vorgestern bei einer solchen Festlichkeit!' „Wie gut Sie über meinen Lebenswandel informiert sind. Waren S' vielleicht auch dabei?' „Ich? Was Sie glauben! Aber so ein Flitscherl von unseren Kolleginnen war dabei, oben aus der Galerie, und hat Sie in der ersten Rangloge gesehen." „Ig, ich war dort, eine befreundete Familie hat mich mit- genommen.' „Sie leugnen also nicht einmal.' „Ich leugne nie, was ich tu'.' „Prmzivienfest.' konstatierte Drobauer. „Und ich gestehe— elegante Menschen, Frauen in schönen Abendtoiletten, Herren im Smoking gefallen halt besser als... als Menschen..., die nicht gut gekleidet sind. Das ist doch an und für sich kein Verbrechen.' „Na, ja, äußerlich betrachtet. Aber wenn man a bissei Röntgen- äugen hat. die durchschauen...' „Ich Hab' keine..." „So? Dann sehen Sie die Welt aber sehr oberflächlich an. Ich weiß, ich bin a gemeiner Kerl in meiner Ausdrucksweise, aber die Herrschaften, die so gewunden sprechen, sagen nix anderes als wie ich.' „Und was sagen Sie denn?" Hilde war so unvorsichtig zu fragen. „Daß ich Sie gern Hab', Fräulein Hilde, und daß ich Sie zwingen werde, zu mir zu kommen.' Hilde lief wortlos fort, der lange Mensch mit seinen flammenden Haaren und seinen in die Weite greifenden Armen machte ihr Angst. Für diesen Abend war sie zu Grubers eingeladen. Großer Empfang, der seinen Glanz durch die Anwesenheit des Barons Rosenberg erhielt, eines neuen Sterns im Wiener Finanzleben. Der Schubert— man nannte ihn nicht anders und Hilde konnte sich nicht einmal immer seines richtigen Namens entsinnen— war fein Sekretär und hatte die Aufgabe, ihm den Schliff und die Be- Ziehungen der vornehmen Welt zu verschaffen. Denn der Baron- titel war sehr frischen Datums und recht exotischen Ursprungs und wurde nur deshalb hingenommen, weil sein Träger im Geschäfts-, leben so glücklich und im Privatleben so generös war. Hatte er nicht neulich be! einem auserlesenen Souper, das er einigen wenigen Freunden und dessen Frauen gegeben hatte— es war gerade zwölf— in die Serviette einer jeden Dame ein kostbares Schmuckstück hingeleot. das sie nun ihm zu Ehren auf ihren Abend- kleiden, trugen? Also, so einer Freundschaft zuliebe konnte man schon tun. als ob dieser Herr Rosenberg ein wirklicher Baron wäre, wa» ja sonst in den Augen dieser Kreise etwas besonders Ghr.onrn»aes zu sein ichicn. „Wsis?n 8' was, Fräulein Hilde,' sagte Schubert,„Sie bleiben Na und lallen oie großen Leut' im Salon, die sich um den Herrn gespart haben, ungestört beisammen. Ich erzähl' Ihnen alles, mos er sagt, ick, hab's ihm ja erst am Nachmittag eing'lernt.' flllde willigte ein, sich in einem der kleinen Empfangszimmer vor eV.en, Rnndlisch auf ein Sofa zu setzen, und der Schubert setzte �ch ihr gegenüber. Er fragte sie' au-, wie es denn in der Theaterschul« gehe und
&tn von jDcsajl Mvrgßhlbzr
ob man bald die Freude haben werde, sie auf einer Bühne zu sehen und was man eben als Einleitung zu einem Salongespräch sagt. Er habe, soweit es die Zeit zulasse, denn jetzt habe er wirk- lich zu arbeiten: wieder einen Einakter gedichtet und komponiert, und die Hauptrolle sei für die Hilde Fernleitner bestimmt; er habe geradezu nur die gesehen, als er an dem Werkchen geschrieben habe. Eine französische Marquise, ganz so wie sie im vorigen Jahr auf dem Kostümfest in Aussee war— dos Bild verlasse ihn nun einmal nicht. „Na, gut,' antwortete darauf die Hilde leichthin.
„Wie schade, wie töricht, daß Sie sich damals nicht haben photographieren lassen, Fräulein Hilde, aber das kann ja leicht nachgeholt werden. Wissen S', Fräulein Hilde, Sie kommen zu mir— ich hob' ja ein ganz ausgestattetes Amateurotelier— im Kostüm..." ,Lch hab's ja gar nicht mehr.' „Na, das läßt sich leicht wieder herstellen. War so lauter Gschnas. Und ich photographiere Sie." „Das war' nett! Ich komm' also einmal mit der Lutz zu Ihnen hinauf." „Nur die Lutz wollen S' mitnehmen? Warum nicht gleich ein ganzes Mädchenpensionat zur Ueberwachung! Uebrigens, wenn Sic es wünschen— die Lutz. Ich werd' sie halt Bilder anschauen lassen. Aber: haben Sie schon etwas von meinem Atelier und meiner berühmten Photographiensanmilung gehört?'
„Nein.' „Ich mach' immer zwei Aufnahmen." .„Na. gut." „Die eine als Geschenk für die Dam«, die einwilligt, sich photographieren zu lassen, die ander« als... Honorar für mich." „So? Ein Honorar oerlangen S'? Wie muß man Sie denn honorieren?" „Wie gesagt... Ich mach' immer zwei Aufnahmen: eine in dem von den Domen gewählten Kostüm und eine im Kostüm, das ich bestimme... ohne... oder höchstens mit Badekostüm.' „Das ist«ine Frechheit!' sagte die Hilde und wollte aufstehen. Gleich zweimal an einem Tage solche Dinge zu hören, war ein bißchen viel. Der Schubert hielt sie zurück. „Sie sind doch Schauspielerin!.Und wenn ich Ihnen ein« Rolle schreib', wo Sie im Badekostüm auftreten müssen, werden Sie deshalb di« Rolle nicht spielen wollen, aus dem Engagement treten und weiß Gott , was für Spampanadln machen? Sie sind zu— wie sag' ich nur— zu zurückhaltend. So werden Sie nie zu einer Karriere kommen." Der Schubert sprach jetzt mit einer geradezu liebkosenden Stimme, ganz leise, damit die Eintretenden ihn nicht hören sollten, und in dem etwas verfetteten Gesicht leuchteten die Aeuglein. „Ueberlassen Sie die Sorge um meine Karriere mir, Herr— wie heißt der Mensch nur?— Drobauer..." „Aber ich heiß' ja Waldbauer. Warum nennen Sie mich übrigens nicht Schubert wie sonst?" „Weil ich mit Ihnen auf Formalitäten Wert lege.' „Oho, Sie sprechen wie eine große Dame. Und sehr gut betont. Macht der Frau Neumann-Norrek alle Ehre. Aber ich sag' Ihnen nochmals: seien Sie nicht so unklug. Der Baron ist ein Kunstmäzen. Ich bin sein Sekretär und sehr mächtig, ja, ja, der Schubert ist jetzt sehr mächtig... eine Persönlichkeit wie Bach.' „Wollen Sie mir vielleicht drohen. Herr Waldbauer?' „Drohen? Das hieße ja alle Verehrung für Sie, die ich im Herzen hege, zurückdrängen, und das ist unmöglich. Nein, ich zeige Ihnen bloß einige... Möglichkeiten einer raschen, ungeahnt auf- steigenden Karriere... wenn Sie vernünftig sein wollen.' Der Dicke spricht ja genau so brutal wie der Lange, sagte sich Hilde, nur sagt er seine Worte behutsamer, höflicher. Und di« andere Seite ihrer gegenwärtigen Existenz, der Maturakurs, kam ihr in den Sinn und sie dacht« an ein lateinisches Sprichwort, das sie umkehrte: Wenn zwei auch nicht dasselbe tun, so kann es dasselbe sein. Der Schleichende und der Brutale— es war dasselbe, was si« umlauerte. Hilde stand auf. „Sei'n S* nicht bös, Fräulein Hilde. Ich... verehr' Sie holt sehr. Ich Hab' Sie gekamrt, wie Sie ein kleines Schulmädel waren und jetzt sind Sie ausgeblüht... und eine angehende Künstlerin... und schön... so schön...'(Fortsetzung folgt.)
WAS DER TAG BRINGT. iitimiiiimmiimmiiiiiimiiiiiiiimniiiiiiiiiiiiiiminmtmninnniimiiniiinnmniiminnininmiiiiiiiiiininiiiiiiiiiiiHiiiniiiininnnmiiiiniimiiiiiiiimiiiiiiiiiniiiniininiiitiiiiiiiiiimimn
Altbayerische Eisenbahnwirtschaft. Ende Oktober 1911 fuhr ich von Berlin nach Innsbruck . Um 9 Uhr abends ging mein Zug von München -HauptbaHnHof nach Innsbruck ab. In München -Ost hielt er, wao nicht weiter verwunder- lich war— aber er blieb stehen. Als das den Reifenden zu lange zu werden begann und sie sich nach der Ursache erkundigten, erfuhren sie.chahnamtlicherseits", daß die.Maschine des eben von München - Hauptbahnhof erst in Verkehr gesetzten Zuges schadhaft sei;«ine Ersatzmaschine vom Hauptbahnhos müsse gleich kommen. Es dauerte eine Stund«, bevor die Maschine vom Zentralpunki de» kgl. bayerischen Eisenbahnwesens ankam. Dann gings los und statt um 12 Uhr, waren wir um 1 Uhr in Innsbruck . So geschehen z' Minta, in der kgl. Haupt- und Residenzstadt, in der allerdings der Königssohn Prinz Karl dem Derkehrsminister v. Frauendorfer, als dieser sich ehrfürchtigst ihm vorgestellt hatte, das Sprüchlein per Antwort huldvollst zu geben geruht: Wo» nix is und wos nix kann geht zur Post und Eisenbahnl rb. Gespräche. „Langsam", so erzählte bei Tisch in einer Familienpension ein Nordpolsahrer,„sahen wir unserem Ende entgegen. Wir hatten nichts, gar nichts mehr zu essen. Da schnitten wir unsere Schuhe in Stücke und machten davon ein« Suppe. So konnten wir bis zur An- kunft der Hilfsexpedition leben.'—„Nicht so laut!' unterbrach ihn ein Tischnachbar,„die Pensionsmutter könnte es hören!" * Ein junger Gelehrter bekommt als Tischdame da» entzückende Töchtcrchen eines Bankiers. Es entspinnt sich folgendes Gespräch: „Gnädiges Fräulein, kennen Sie Scotts Werke?"—„Nein, wieviel Dividende geben die denn?" * „Meine Frau benützi einen Punktroller."—„Und bemerkst du eine Wirkung?"—„Gewiß, der Punktrollcr ist dünner geworden." Schwarz oder weiß? Aus dem„Bochumer Abendblatt": „... Dabei lachte der Neger über das ganze e b e n h o l z- schwarze Gesicht und fletschte in aufrichtiger Freude das tadellose blendend weiße Gesicht." Der unglückselige Neger scheint sich über seine endgültig« Hautfarbe noch nicht ganz im klaren zu sein! Die ausjrebotene Bureaudame. Im„Oranienburger General Anzeiger" findet man das folgende merkwürdige Inserat: „Bürodame gegen gute hypothekarische Sicherheit auf Haus- und Grundbesitz in Provinz Brandenburg von 1000 M. aufwärts in größerem Umfang« sofort verfügbar. Günstig« BedinguOgen,
kostenlose und unverbindliche Auskunft. Kredit- und Finanzierung?- bank A.-G." Diesen fragwürdigen Handel sollte sich doch einmal die Polizei näher ansehen. Die Expedition Martins. Das Rätsel um den Tod des schwedischen Forschers Malmgreen ruft die Erinnerung an eine andere Polarexpedition wach: die erste Expedition nach Spitzbergen , die unter Leitung Dr. Martins, eines Schützlings des bekannten Botanikers Linne , stand. Martin hatte in Aabo — das heute zu Finnland gehört— studiert und kam schließlich nach Upsala, wo er den philosophischen Doktorgrad erwarb und mit Linnä enge Freundschaft schloß. Ein Jahr später, 17S8, segelte er von Gotenburg nach Spitzbergen . Ende April kam er in die arktischen Gewässer, und die Kälte war so ungeheuer, daß die Expeditionsmitglieder Perücken und dicke Pelzmäntel tragen mußten. Die Bemannung des Expeditions- schiffes litt unsäglich unter der Kälte, bekam erfrorene Füße und konnte kaum das Schiff bedienen. Am 9. Mai erreichte Martin das Packeis auf 77� Grad n. Br. und fand bald darauf die west- liche Küste von Spitzbergen . Hier landete Martin, und mit unermüdlichem Eiser sammelte er. was es nur zu sammeln gab, Pflanzen, Insekten und andere Tiere. Außerdem führte er trotz der großen Kälte, die selbst das Trinkwasser im Augenblick gefrieren ließ, mit peinlicher Sorgsalt Tagebuch, und seine Auszeichnungen aus der Frühzeit der arktischen Forschungen stellten für die schwedische Akademie der Wissenschaften Pn außerordentlich wertvolles Material dar, das sich auch auf die Färbung des Eises, auf die Eisbildung, auf die Erscheinung von Nebensonnen. Polarlichtern und andere Dinge erstreckt. Böse Folgen einer Hochzeitsreise. Im Jahre 1897 hatte«in Kaufmann aus Naranganganj in Bengalen eine Hochzeitsreife nach Australien unternommen und als Erinnerung einige in Indien unbekannte Pflanzen mitgebracht. barunter eine schöne hyazinthenartige Wasserpflanze mit blauen Blüten. Als der junge Ehemann diese Pflanze im Garten seines Hauses unterbrachte, ahnte er nicht, was er anstellte. Die Pflanze. in Indien „kachuri" genannt, verbreitete sich mit der unheimlichen Geschmindigkeit, die Unkräutern eigen ist, über den ganzen Garten, ergriff von weiten Landstrecken Belitz und, was viel schlimmer war. wucherte in allen Wasserläusen, Seen und Flüssen mit solcher Ueppigkeit, daß Schiffahrt auf diesen Gewässern unmöglich war. Riesige Flächen in Ostbengalen sind der blauen Wasserhyazinthe. I die man auch als„blauer Teufel" oder„bengalisch« Pest " be- zeichnet, befallen worden, die Schifkahrt hat ungeheuren Schaden erlitten, und alles nur, weil ein Kaufmann von seiner Hochzeit«- reise nach Australien ein unscheinbares blaues Pflänzchen mitbrachte.