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BERLIN  Freitag, 3. Auguft 1928

Der Abend

Ericheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abenbausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Erpedition: Berlin   SW68, Lindenfir.3

Spätausgabe des Vorwärts

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10 Pf.

Nr. 364

B180 45. Jahrgang.

Anzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezeite 80 Vf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Voffcheck konto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin   Nr. 37 536. Ferusprecher: Donboff 292 bis 297

Gefreuzigt in der Stadtbahn.

Flucht eines Einsponangeklagten aus Moabit  .

Auf seltsame Weise versuchte heute vormittag der feit längerer Zeit stellungslose 37jährige Artist Reinhold elmer aus der Rykestraße 51, im Nordosten Berlins  , die Aufmerk­famkeit zu erregen: In einem leeren Abteil dritter Klasse eines Borortzuges auf der Strede Wannsee- Potsdamer Bahnhof fchlug fich Uelmer selbst an ein zwei Meter hohes Holzkreuz.

Durch beide Hände und Füße maren gewöhnliche schmiede: eiferne Nägel, sogenannte Bierzöller" geschlagen. Als die Bahnbeamten sich anschickten, das Kreuz zu zersägen, um den Getreuzigten zu befreien, stieg er zur größten Verwunderung aller felbst vom Kreuz herunter. Man brachte Ule., da er sich bei feiner Selbstbefreiung verlegt hatte, zur Rettungsstelle in der Eichhornstraße, wo die Bundmale desinfiziert und verbunden wurden. Reinhold elmer, der einen intelligenten Eindruck macht, war früher Marineoffizier. Er mußte seinen Dienst später quittie. ren und betätigte sich einige Zeit unter dem Namen Mortago als Entfesselungstünstler. Das Geschäft wollte abe: durchaus nicht mehr gehen und so fam Helmer auf den Gedanken, eine sensationelle Attrattion zu schaffen. Durch monatelanges hartes Trai. ning gelang es ihm, nach dem Vorbild des Bergmannes Diebel  , fich die Bund male beizubringen. Er zimmerte sich selbst ein etwa zwei Meter hohes Kreuz und die Versuche glüdten. Es gelang ihm, sich ohne fremde Hilfe ans Kreuz zu schlagen und fish ebenso wieder zu befreien.

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Als der Gekreuzigte heute vormittag in dem Abteil gefunden wurde, hatte er seine Füße noch mit einer Rette fest um= midelt. An einer Schnur, die um den Hals gehängt ma:, war ein Zettel befefttigt, in dem Uelmer bat, falls man ihn ohnmächtig vorfinden sollte, ihn in seine Wohnung zu bringen. llelmer hatte fich, wie er später erzählte, seit 8 Uhr früh auf dem Wannsee  - Bahn­hof aufgehalten, um ein leeres Abteil zu finden. Endlich, kurz nach 11 Uhr, bot sich ihm die Gelegenheit. E: stellte in größter Eile fein Kreuz auf und schlug sich die Nägel zuerst durch die Füße, dann durch die linke und zuletzt durch die rechte Hand.

Nach Anlegung von Verbänden mußte der Verlegte in seine Wohnung gebracht werden.

Wo der Kellogg- Pakt unterzeichnet wird.

Die

Der Konferensraum im Auswärtigen Aml in Paris  , wo England, Deutschland  , Frankreich   und Amerika   den Kellogg  - Friedenspakt unterzeichnen werden. Bilder zeigen Dr. Stresemann, Chamberlain, Briand   und Kellogg  

In Moabit   spurios verschwunden. Wie man Völker aufeinanderhetzt.

Geheimnisvolle Flucht des Einsponangel'agten Meinhold.

Die eintönige Flut der 28 Verteidigerreden in dem großen Einfpon- Betrugsprozeß der 88 Angeklagten ist durch einen fenfationellen Zwischenfall unterbrochen worden: dem in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten Walter Meinhold ist es geffern nach Schluß der Sigung auf bisher noch ungeklärte Weise gelungen, zu entweichen. Die Gefängnis- und Justizverwaltung steht bisher vor einem Rätfel, wie Meinhold seine Flucht bewerkstelligt hat.

Die bisherigen eingehenden Bernehmungen der Mit­gefangenen und der in Frage kommenden Beamten haben noch teine Aufklärung gegeben. Die Flucht Meinholds erinnert lebhaft an das Entweichen des berüchtigten Ein- und Ausbrecher­fönigs Spang, der in demselben Schwurgerichtssaal unter Anklage stand und dem es in gleicher Weise nach Schluß der Sigung des ersten Berhandlungstages bei der Zurüdführung in seine Belle ins Unterfuchungsgefängnis gelungen war, den Weg ins Freie zu fin­den. Auch Meinhold befand sich bis zum Schluß der Sizung unter den auf der Anklagebant gehaltenen, in Haft befindlichen An­geflagten.

Polen   verspricht Ostpreußen   den Litauern.  - Blick in eine Lügenfabrik.

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Eine große Zahl deutscher   Zeitungen, darunter| Form verzichte, sei Pilsudski   bereit, seine Truppen aus Litauen  in Berlin   allein die Germania  ", die Kreuz Zeitung  ", die Berliner Börsenzeitung", dazu Dukende von großen Provinzzeitungen veröffent lichten Ende Juli eine Meldung, die ihnen durch die Telegraphen- Union zugestellt war. Diese Meldung war geeignet, zwischen Deutschland   und Polen   neue Verbitterung zu schaffen. Denn sie lautet:

zurückzurufen. In polnischen militärischen Kreisen rechnet man bei einem Vormarsch in etwa drei Tagen Kowno   besetzen zu können."

Ill. Kowno  , 28. Juli.

Die Jüdische Stimme" veröffentlicht einen Borschlag, den

Bilfubfti durch einen ihm nahestehenden Bolitker der litaui­fchen Regierung unterbreitet hat. Danach verzichtet Litauen   auf Wilna   und erhält nur einige Bezirke an der De Litauen auf Wilna   und erhält nur einige Bezirke an der De­martationslinie: Seinn   und Swenziany.

Als Kompensation für den Verzicht verspricht Polen Litauen   in Zukunft den litauischen Tell Ostpreußens" zu geb. Königsberg  würde Polen   jedoch als Ausgang zum Meer für sich behalten.

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Die erste Annahme, daß es ihm gelungen sei, bei dem Gedränge Der polnische Politter sall dabei die Meinung geäußert haben, beim Verlassen des Saales unbemerkt sich unter die in Freiheit be daß die Entente Staaten sich diesem Plan nicht wider. findlichen Angeklagten zu mischen und so den Ausgang zu finden, feßen würden. Die Reise Zalestis nach Frankreich   und Belgien  hat sich nicht bestätigt. Es steht fest, daß Meinhold von der Anflage- soll angeblich mit diesem Plan im Zusammenhang gestanden haben. bant mit den anderen Gefangenen bis zu dem Raum, in dem die Einem Bressevertreter gegenüber äußerte sich Pilsudski   dahin Uebergabe an das Gefängnis erfolgt, geführt worden war. Alis dann die llebergabe der Gefangenen stattfand, ergab sich, daß ein Gefchieren wollte. Wenn dann eine litauische Regierung zustande Ais   gehend, daß er spätestens im September in Romno einmar fangener fehle. Meinhold muß eine fich plöglich bietende Gelegen- tommen würde, die auf das Wilnagebiet endgültig und in schriftlicher heit in den Gängen vom Gefängnis benutzt haben, um in einem der Gänge fich zu versteden. Er befindet sich aber schon seit langem in Untersuchungshaft,

Matteotti!! Der italienische Senator General   Emilio De Bono  , Gouverneur von Tripolitanien  , zur Zeit des Matteotti Mordes Bolizeichef und äußerst start belastet, wurde zum be. Dollmächtigten Minister ernannt!

Exzess eines Reichswehrsoldaten.

Ein polnischer Ozcanflug.

Berichte 2. Seite.

Danach wird es als Tatsache mitgeteilt, daß Pilsudski   den Litauern einen Teil von Ostpreußen   angeboten hat. Wir haben die Quelle für diese angebliche Tatsache die Jüdische Stimme" in Kowno   nachgeprüft und festgestellt, daß diese Zeitung am 26. Juli folgende Nachricht gebracht hat:

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Polen   bereit Litauen   drei Kreise abzugeben? ,, Wie aus Berlin   gemeldet wird, verlautet aus Kreisen, die den litauisch- polnischen Berhandlungen nahestehen, daß sich in Berlin  Gerüchte verbreitet haben sollen, denen zufolge ein pro­minenter polnischer Politiker, der Pilsudski   nahesteht, auf einem Um­wege der litauischen Regierung folgenden Vorschlag zur Beilegung des litauisch- polnischen Konflikts gemacht haben soll: Litauen   ver­zichtet auf Wilna   und anerkennt die gegenwärtige Demarfations­linie mit gewiffen Korrekturen zugunsten Litauens   als Grenze an. Durch die Grenzberichtigungen erhält Litauen   die Kreise Seinn, Binst(???) und Swienziany. Als Kompensation für den Verzicht auf Wilna   sehen die Polen   für die Zukunft die Möglichkeit vor, Rönigsberg wollen die Polen   als Meereszugang für sich behalten. Litauen   die litauischen Teile Ostpreußens   zu geben. regierungen nichts gegen diesen Plan einzuwenden hätten. Die letzte Der polnische Politiker sprach die Bermutung aus, daß die Entente­Reise von Zaleski nach Frankreich   und Belgien   soll damit im Zu­sammenhang stehen, wo er sich über den Standpunkt der Mächte unterrichtet habe, ob es nicht möglich wäre, die Räumung des Rhein­gebiets bis zur Beilegung des litauisch- polnischen Konflikts zu ver tagen."

Die Fälschung, die sich die Tl. oder ihr Vertreter in Komno hat zufchulden kommen laffen, liegt ganz klar: die Jüdische Stimme" verzeichnet die aus Berlin  (!) tommende Behauptung, daß in Berlin