Beilage
Sonnabend, 4. August 1928.
Dichter der Arbeit.
Otto Krille und Max Dortu , zwei Fünfzigjährige.
Wer ihn nicht persönlich kennt, muß erst daran erinnert werden, so| zwischen den beiden ist gegeben, so daß man sagen darf: das Anwenig macht Krille den Eindrud eines Fünfzigjährigen.
Wir sind der junge Staat, erzeugt
Bom Proletarierweibe.
Uns hat die Mutter Not gesäugt
An ihrem dürren Leibe.
Trommelflang war in diesen Versen, Aufruf, Fanfare, und fie wirkten auch so, als das erste Gedichtbuch Krilles ,, Aus engen Gassen" in die Welt ging. Es waren Verse, in der Fabrit entstanden und zum Teil mit Motiven, die eben nur ein Arbeiter finden fonnte. Dazwischen aber auch schon Töne von zartester Innigkeit und philosophischer Abgeklärtheit:
Einen Halm von dem Samen, den wir streun, Einen Erntetag in der Jahre Flucht,
Gleich dem sorglosen Knaben sich zu erfreun,
Der im Waldgras die reifen Eicheln sucht.
Und wirds uns nicht, sei still und fest!
Es hegt, bringst du auch sonst nichts heim, Berstürmter Gluten Aschenrest
Wohl einer Winterblume Keim.
In rascher Folge erschienen ,, Aus Welt und Einsamkeit und Neue Fahrt", in denen neben sozialen und politischen Gedichten ganz verträumte und empfindsame Liebeslieder, hauchartige Naturstim mungen entstanden, was allerdings zur Folge hatte, daß diese Seite des Dichters Krille nie recht gewürdigt wurde. Gedichte wie ,, Die Spulerin", Arbeiterliebe",„ Die Tagelöhnerin"," Gesang der Jungen gingen durch die gesamte Arbeiterpresse und fanden auch in nichtsozialistischen Kreisen viel Beachtung. Wo er dieser Zeiten neue Flamme schwang, fand Krille rasch Beachtung, die andere Seite seines Dichtens fennen nur wenige. In vielen seiner Verse ahnt man eine tragischer angelegte Natur:
Mit allem Leid des Lebens tief verwandt, Geh ich, der Luft die Pfade zu bereiten. Mein ist von allem nur der Stunde Glanz,
Und alles Glück der Erde liegt im Schreiten.( ,, Neue Fahrt".) Da ist einer, der sich immer wieder selbst bezwingt und an anderer Stelle fagt er, daß er längst der ,, dunklen Schwermut Beute" sei, wenn er nicht stündlich den Fuß im Bügel habe. In einem anderen Gedichte ist dieser vom Leser geahnte Kampf zu reineren Tönen geläutert:
Es spricht die Nacht: Mein ist, was mir entspringt Es ruft der Schmerz: Ich habe dich beschwingt. Die Höhe bannt mit rotem Firnenschein. Die Tiefe schreit: Wer mich berührt, ist mein!
Ich tauch in Licht und Dunkel auf und ab, Welt, Zeit und Tod ermißt mein Wanderftab. Ich zwinge sie und lasse mich bezwingen, Lächler und Träumer über allen Dingen.
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Die ursprüngliche Kämpfernatur in Krille kommt aber trotz dieser Berse immer wieder zur Geltung. Es tonnte ja auch bei dem Entwicklungsgange des Dichters nicht anders sein. Kind der Not, der Bater starb vor der Geburt, eine Knabenzeit poll Entbehrung, später Soldatenschüler, dann ein gehetzter Prolet, Schreiber, Spuler, Fabrikarbeiter, dann wieder Soldat, darauf folgt ein Jahr Selbststudium
Obwohl die Kritif die Bühnensicherheit des Stüdes rühmte, hat Krille
denken jenes ehren heißt, auch diesen, der noch lebt, beachten. Am 26. Juli hat unser May Dortu sein 50. Lebensjahr vollendet, ein Anlaß mehr, etwas über ihn zu sagen.
in
Beglar, jenem Lahnstädtchen, das auf fleinstem Raum ein so eigenartiges Nebeneinander der Zeiten darstellt, ein Bilderbuch zur Wirtschaftsgeschichte seit dem frühen Mittelalter. Man weiß wohl, daß hier der junge Werther gelitten hat, aber man fennt Wetzlar noch nicht, wenn man sich nur darauf beruft. Es ist auch die
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
Geburtsstätte von Bebels tüchtiger Mutter und der Schauplatz der Leiden und färglichen Freuden des schwächlichen verwegenen Schuljungen und strenge gezogenen Drechslerlehrlings. Hier ist es ge= mesen, wo August vom Karzerfenster philosophische. Betrachtungen über die Freiheit der Spazzen anstellte, die auf dem Schulhofe in Scharen lärmten", und wo er zorngeladen ,, an schönen Sonntagen... im Laden stehen und auf Kundschaft warten und den Bauern ihre schmutzigen Pfeifen fäubern mußte". An diesem Orte herkömmlicher Gegensätze und Spannungen hat vor Jahren der Mann aus friesischem Geschlecht die Stille gefunden, die ihn prüfend in das Land, in das eigene Herz und in die Geschichte hineinlauschen läßt. Von hier kommen die lebensvollen plastischen Stizzen, in denen er die großen und kleinen Begebenheiten des Tages deutet, das Ewige aus Gestrigem heraushebt. Von einer unbändigen Sehnsucht nach Schönheit und Gemeinsamkeit ist er getrieben. Dafür hat er von jeher das ganze Leben eingesetzt und Menschennot in allen Graden erfahren. Er fennt das Handwerk und das Leben in der Fabrik, er ist Matrose gewesen, Kaufmann, Kellner, Erdarbeiter und in allen möglichen Gelegenheitsdiensten, doch nicht nach Willkür, sondern immer durch äußere und innere Not gejagt. Daher weiß er, wo es einem jeden mehtut, und hilft ihm in brüderlichem Verstehen, indem er die besondere Lage vornimmt, fie in ebler Glut flärt und Rüstungen schafft für den Tagesund Lebenstampf. Vom flüchtigen Dasein des einzelnen schlägt er die Brücke zum Ewigen und gestaltet das Schicksal seines Volkes und der Menschheit, die Vergangenheit aufflärend, die Zukunft bestimmend, zum Nutzen und zur Rechtfertigung der Gegenwart.
Ein tragisches Schicksal hat den Nimmermüden vor einigen Bochen ereilt. Der Chirurg mußte bei beginnendem Halskrebs eingreifen. Die melodische volle Stimine ging verloren, ein schweres Opfer seinen Hörern, die er bei Begegnungen und in den Kulturverfamlungen stets fesselte und löste. Aber ungebrochen behauptet er sich. Nun steht er wieder aufrecht als Wächter und Ründer in der Unruhe des Tages. Dr. H. Rasp.
Der Meister von 179 Sprachen. Die Britische Akademie hat zur Erinnerung an den Abschluß des monumentalen Sprachenwerts von Indien dem Leiter dieser großen Arbeit Sir George Grierson eine goldene Medaille überreicht. Der greife Gelehrte hat 60 Jahre des Studiums der Aufzeichnung von 179 Sprachen und 554 Dialekten gewidmet, aber noch immer seht dieser Meister von 179 Sprachen", wie ihn die englischen Blätter nennen, seine Arbeiten über die Sprachen Indiens unermüdlich fort.
Verzehren mitgebrachter Speisen.
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Von Jahr zu Jahr zieht eine sich ständig vermehrende Scharf dem fchlichten Schweizerhaus mit den mächtigen Balfen, den grünen glücklicher Touristen über die südlichen Grenzen des Reiches, um in der Bergwelt der Schweiz , Tirols und Salzburgs einige forg. lose Wochen der Erholung zu verbringen. Die ersten von ihnen tamen schon an, wenn in Meran und Bozen , und Locarno und an den südlichen Abhängen der Alpen die ersten Blumen aus der Erde stießen. Später mehrte sich ihre 3ahl, fie füllten die Dörfer und Flecken der Berge, um in den eigentlichen Ferienmonaten wie Heu schreckenschwärme das ganze Engadin und das Berner Oberland zu schreckenschwärme das ganze Engadin und das Berner Oberland zu überfallen. Doch wie verschieden sind die Gäste, die alljährlich über die Berggipfel hinweg ins Blaue stürmen!
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Fensterladen und den Blumen auf den Geschossen protzt das sechsbis siebenstöckige moderne Hotel mit Diele, Dancing und Lift für die Bergsteiger", damit sie die Treppen nicht zu steigen brauchen! Es raubt dem bescheidenen Beschauer den Blick auf den See und gestattet dem gewöhnlichen Sterblichen lediglich den Blick auf die Wirtschaftsräume und den Hof. Ein ,, Coiffeur" und eine„ Conditorei" haben fich aufgemacht, Maniküre und Pediküre wird gepflegt, Jazzmusik schmettert los- unentbehrliche Requisiten für den Genuß der Bergschmettert los melt, wie fie fich heute repräsentiert! Und diese modernen Hotels sind mit den Bergbahnen hinaufgezogen in 800, 1000, 2000 und 3000 Meter Höhe! Man braucht die eigenen Glieder nicht mehr anzuſtrengen, um in diese Regionen zu steigen. Für Geld ist man wie höhnisch blicken die in bequemen Aussichtswagen oder im Auto ſizentier hinaufschleppen selbst in den ewigen Schnee. Mitleidig oder den„ mondänen Leute" auf den minderbegünstigten oder veralteten Bergsteiger, der sich im Sonnenbrande aufwärtsmüht. Denn wenn er glücklich oben ist, gebührt ihm auch dort nur ein Platz auf der Rückseite des Lebens.„ Das Verzehren mitgebrachter Speisen" ist in den Sälen den Gästen des Rigihotels selbstverständlich verboten, und der einfachste Schuhputzer sieht den elenden Fußgänger ohne Lackschuh herablassend an. Irgendwer erbittet brei Tassen Kaffee. ,, Hier gibt's nur Portionen!"" But, zwei Portionen mit drei Taffen!"- Dann kostet die Tasse 50 Centimes ertra." Die leere Tasse 50 Centimés extra! Ja, was hat denn dann der„ Tourist", der sich mit seinen eigenen Beinen auf die Berge begibt, überhaupt noch da oben zu tun? Auf der Vorderseite sicherlich nichts! Auf der Rückseite, wo die Schafe weiden, da ist für den Fußkrarler noch Blatz genug!
und endlich hinein in den politischen Kampf. In dem Buch„ Unter under der Natur in mich aufnehmen durfte. Das Sträußchen am daheim jede Anstrengung los und läßt sich von dem eisernen Zugdem Joch" hat Krille seine harte Jugendzeit wahrheitsgetreu geschildert. Niemand wird sich dem Eindrud dieser Aufzeichnungen entziehen können. Auch in dem 1912 aufgeführten Drama„ Anna Barenthin" meint man hie und da Selbstbekenntnissen zu begegnen. außer dem im Manuskript vorliegenden Schauspiel„ Die Flut" sich nicht mehr im Dramatischen versucht. Ueberhaupt wird die Beur teilung seines Schaffens erschwert, weil seine Bücher bis auf ganz menige vergriffen sind und vieles nicht gesammelt ist. Die Samm. lung von Stizzen und Novellen„ Die rote Palette" beweist, daß Krille auch ein ausgezeichneter Erzähler sein kann. Die vor nicht zu langer Zeit veröffentlichte Erzählung„ Eine Weihnachtspredigt" bestätigte diese cpischen Qualitäten. Mannigfaltig sind die Töne, die dem Lyriker zur Verfügung stehen.
Während des gewaltigen Blutvergießens, an dem Krille vier Jahre teilnahm, hat er nur wenig geschrieben, darunter aber so
schöne Berse, wie Flandrisches Dorf" und„ Am Rand der Ewigkeit". In die Heimat zurückgekehrt, trat zunächst der Dichter zu gunsten des politischen Kämpfers in den Hintergrund. Gelegentlich aber trifft man in Zeitschriften und Zeitungen auf neue Gedichte, aber trifft man in Zeitschriften und Zeitungen auf neue Gedichte,
die aufhorchen machen:
Mir ist, als hätt' ich mich getannt, Ein Schifferknecht im Leitfeilzuge, Ein Bauer hinter seinem Pfluge, Und Bog' und Scholle grüßen mich verwandt. Es springt die mütterliche Quelle Mir auf in jedem Busch und Baum.
Ein starkes Lebensgefühl, Berbundenheit mit dem 2, aus der wieder eine lächelnde Bescheidenheit wächst, tennzeichnet nicht nur den Dichter, sondern auch die Persönlichkeit, die nicht minder Intereffe medt.
Krilles Entwicklung ist trok der Fünfzig nicht abgeschlossen. Alles deutet darauf hin, daß er uns noch viel zu sagen hat. Wenn wir ihm an diesem Tage grüßen und ihm danken für das, was er uns gegeben, so sollten wir uns zugleich der Verpflichtung erinnern, daß wir unsere Talente nicht so vernachlässigen sollten, wie es bei Krille zuletzt geschehen ist.
M. Montigel.
Ich will keinen Nachruf schreiben. Der Revolutionär und Märtyrer von 1848/49, dessen Tod sich in diesen Tagen wieder gejährt hat, ist längst gewürdigt. Aber ein Hinweis auf den lebenden Mar Dortu ist wohl geboten. Die Berbindung
Es sind jetzt gerade 30 Jahre her, daß ich zum erstenmal diese Hut, den Stab in der Hand, kam ich als Wanderbursche mit zwei Kollegen von der schwarzen Kunst von Neapel und Rom herauf gepilgert, dem Sonnenland, das damals noch nicht dem Maul und der Faust Mussolinis gehorchte, sondern im Zeichen der freien Gewerkschaften stand. Wir stiegen den Ticino hinauf bis zum St. Gott hardt, ließen uns, durchnäßt von dem frisch auf unseren Buckel ge fallenen Schnee von der humanen Schweizer Polizei in Airollo durch den Tunnel auf den Schub" bringen, um im Göschenen die Wanderung über Altdorf in die Nordschweiz fortzusetzen. Beicht beschwingt, zuweilen auch barfuß, stiegen wir die Arenstraße hinab, auf der uns damals noch feine Kraftwagen störten, machten an der Tellplatte Raft, pflückten Erinnerungszweige in der hohlen Gasse von Küßnacht " und waren glücklich, ein paar Tage später Arbeit in einer Buchdruckerei in Luzern zu erhalten und so die herrliche Gegend noch einige Wochen ganz aus der Nähe genießen zu können.
Wochentags änderten wir den Winterfahrplan der Schweizer Bundesbahn
, Sonntags gings auf die Berge hinauf. Ein schöner hinausgeschobenen Borposten der Schweizer Berge. Sechs Hand. Sonnentag führte uns dabei auf den Rigi , den vielbesuchten, weit werksburschen aus einer Herberge gingen wir, die Fourage in ein leichtes Bündel geschnürt, von Luzern bis Weggis , dann hinauf, die Felswände entlang und bestaunten aus Turmeshöhe die weißen Riesen vom Titlis bis zum Eiger , zum Mönch und zur Jungfrau hinüber. Ein Anblick, den feiner von uns vorher im Leben gehabt hatte, versetzte uns in eine geradezu feierliche Stimmung und voller Stolz, daß wir diesen Genuß uns mit den eigenen Stiefeln und dem selbstvergossenen Schweiß erfämpft hatten, trafen wir gegen Abend den Heimweg nach Küßnacht an. Am anderen Morgen träumten wir immer noch davon bei unserem Tagewerk im Buchdruckersaal.
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Dreißig Jahre später schaue ich wieder einmal in die Bergwelt hinein. Suche die alten Wege wieder, die wir als junge Burschen beschritten haben, steige wieder voll Erwartung den Rigikulm hinauf, wie damals von Erwartung und Sehnsucht erfüllt. Wie anders sehen allerdings heute die Nachbarn aus, die uns rechts und links begleiteten! Wie anders haben die Menschen Stadt und Dorf gestaltet, um möglichst viel vom Komfort der Großstadt und von der Bequemlichkeit des eigenen Hauses in die reine freie Natur hinaus zuschleppen. Gewiß, an den gewaltigen Konturen der mächtigen Berge hat sich nichts geändert. Sie stehen noch an demselben Platz wie vor dreißig und dreitausend Jahren und werden wohl nach drei tausend Jahren noch am selben Blaz verwurzelt sein.
Aus den Tälern und Dörfern aber ist viel von dem vertrieben worden, was sie einst so heimelig und traulich gemacht hat. Reben
"
Und doch zieht eine neue Generation von Bergwanderern heute hinauf.. Der Handwerksbursche der alten Zeit ist ja wohl tot, und Daneben aber steigt seitwärts der„ mondänen Bläße" eine ganz neue der Bergproßz beherrscht mit seinem Geldsad die Bahn und das Hotel. Touristenforte die Berge hinauf. Sie hat keine Lackschuhe an, sondern eine feste Montur, einen blauen oder braunen Kittel und pfeift auf Dancing und Afternoontea! Und ist doch viel froher, wie die Brozengesellschaft in der Bahn! Dieses fröhliche Bolk, das lachend und scherzend den Berg hinauf- und hinunterkollert, braucht kein Wirtshaus, teine Diele und feine Five o'clock. Es fikt auf dem Schiff in der untersten Klasse und singt aus pollem Hals! Wie unvornehm wäre es, in der ersten Klasse zu brüllen! ,, Naturfreunde" und Kinderfreunde" mischen sich mit ihrem hellen Freundschaft!" dazwischen, und zum Schluß sieht es aus, als fehre sich kein Teufel um die ,, mondänen Leute" mehr. Wir holen uns die Natur wieder, wie sie uns gefällt und schauen auf die Berge und auf den See, als ob er uns allein gehörte und sonst niemand auf der Welt!
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Wer weiß das?
Die Boa constrictor, die im Gebiete des Amazonenstromes lebt, bringt es hier auf eine Länge von 20 bis 25 Meter.
Auf der Erde finden jährlich im Durchschnitt 8000 bis 10 000 Erdbeben statt.
flossen.