Morgenausgabe
Nr. 373
A 190
45.Jahrgang
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Donnerstag
9. August 1928 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
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Stefan Raditsch gestorben.
Der Führer des Kroatentums dem serbischen Mörder erlegen.
Belgrab, 8. August.
Agram gestorben.
Der altserbische Abgeordnete Rasitsch hatte in der Stupschtina zu Belgrad auf die kroatische Bauernfraftion gefchoffen, als fie sich der Ratifizierung des Nettuno- Abfommens mit Italien widersette und ihre- nach furzer Unterbrechung und sogar Regierungsteilnahme wieder aufgenommene Kampfstellung nicht nur gegen die augenblickliche Regierung, sondern gegen das verfassungsmäßige blickliche Regierung, sondern gegen das verfassungsmäßige Gefüge des Südflamenftaates aufs neue bekräftigte. Alt ist dieser Gegensatz zwischen den katholischen, lateinschreibenden Kroaten und den orthodoxen, zyrillische Schrift ge brauchenden Serben. Nicht in diesen Aeußerlichkeiten, sondern in dem Verlangen der kroatischen Autonomiebewegung gegen den serbischen Zentralismus ist dieser Gegensatz be gründet, der nun im eigenen Staat eine neue Serie von Attentaten auf ihre lange Reihe unter der früheren ungarischen Oberhoheit folgen ließ.
Der Tod des Führers muß nicht der Funke in das Der Tod des Führers muß nicht der Funke in das Bulverfaß sein, denn bei seiner schweren Bermundung und feiner, durch Zuckertranfheit geschwächten Konstitution mußte mit diesem Ende längst gerechnet werden. Auch ist es ein friedenstiftendes moment, daß Bribitschewitsch, der Führer der mit Raditsch toalierten Demokratenpartei, Serbe ist, so daß die Anhänger Raditsch' wohl nicht die Gerben haffen fönnen, mögen sie auch Serbien nicht lieben und feine Regierung und seine Barlamentsmehrheit verabscheuen. Bei dem leidenschaftlichen Temperament diefer zwar flawischen, doch füdlichen Menschen fann aber auch ein Ausbruch der Boltsleidenschaft die nächste Folge sein und die Parole, os von Belgrad , wo man unsere Führer er mordet!" zündende Kraft gewinnen.
Stefan Radftsch ist seinem sofort in der Stupichtina getöteten Reffen, in den Tod gefolgt. Sollen über diesen Gräbern auch noch hefatomben meiterer Opfer dargebracht, sollen füdslamische Gewehre auf südslawische Menschen entLaden werden Der junge Südslawenstaat hätte schwer zu
tun, folche Erschütterung auszugleichen und die einzig mögliche Beruhigung ehrlich demokratischen Zusammenſchluſſes der südslawischen Volksteile wäre dann schwieriger
als je zuvor.
Der Lebenslauf von Raditsch. Raditsch, der 1871 in einem froatischen Dorfe geboren wurde, trat nach seiner Studienzeit bereits als politischer Redner für den Banflawismus hervor. 1904 gründete er die Kroatische Bauernpartei und trat später, besonders nach dem Kriege, in heftige Oppofition gegen die Belgrader Konftituante. Seine Bersuche, fremde Mächte für die Forderungen der Kroaten zu gewinnen, bie Bauerninternationale in Moskau durchsetzen. 1924 führte er den schlugen fehl. Jedoch konnte er die Aufnahme der Bauernpartei in Sturz des Kabinetts Davidowitsch herbei, wurde aber unter der Regierung Basitsch Bribizewitsch, die die Bauernpartei auflöſte, verhaftet. Dann schloß er unter Verzicht auf das bisherige Partei programm mit der Regierung Pafitsch Frieden und erhielt 1925 fogar das Unterrichtsministerium. In den letzten Jahren verschärfte fich aber die Gegnerschaft der Bauernpartei und der Radikalen, was zu immer heftigeren Zusammenstößen in der Stupschtina führte, in deren Berfolg es Ende Juni zu dem bekannten Attentat und nach diesem zu verschärften Kämpfen der Opposition gegen das Barlament und den Staat selbst mit der Forderung der Lostrennung Kroatiens von Jugoslamien fam.
Serbische Gendarmen statt froatischer Poliziften.
2gram, 8. Auguft.
Der Obergespan( Oberpräsident) der Provinz Kroatien - Slamonien und der Polizeichef von Agram haben ihre Aemter niedergelegt, um damit gegen die von Belgrad geplanten Sicherheitsma- nahmen gegen Unruhen in 2gram zu profeftieren. Das Minifterium des Innern hat nämlich verfügt, daß bei Unruhen die Agromer Stadtpolizei außer Dienst gestellt und durch Belgrader Gendarmerie ersetzt werde. Ministerpräsident Dr. Korosetsch hat sich unter dem Drud von Gegenvorstellungen veranlaßt gefehen, die betreffende Weifung zurüd zunehmen. Die gramer Polizei will eine fommunistische Ver. Ber. fchwörung famt Waffenlager aufgebedt haben; jedenfalls hat sie 13 angebliche Führer" diefer in Südflamien verbotenen Partei verhaftet.
V. Sch. Brüffel, 8. Auguft.( Eigenbericht.)
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Die beiden britischen Arbeiterparteien haben am Dienstag in Resolutionsentwurfes, den die Erekutive feinerzeit einstimmig gut der Abrüstungskommission eine wesentliche Aenderung des geheißen hatte, gefordert. Darüber entstand eine lebhafte Debatte. Nacheinander mandten fich Andersen Dänemart, Broudère Belgien, Breitscheid . Deutschland , A prato Italien , Renaudel Frankreich, Julius Deutsch Desterreich, Crispien Deutschland und noch andere Redner scharf gegen die Taktik der englischen Delegierten, einen Text, den sie vor einem halben Jahr in der Exekutive gutgeheißen haben, auf einmal in bas Gegenteil umfehren zu wollen.
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Besonders stieß die plötzlich von den Engländern ausgesprochene Unterstützung der ruffifchen Agitationsvorschläge in Genf zu gunsten einer sofortigen Totalabrüftung bei allen Rednern mit Ausnahme von Reinhard Schweiz auf entschiedenen Widerspruch. Breitscheid hob hervor, daß das jetzige Berhalten der englischen Delegierten einer Desavouierung ihrer eigenen Vertreter in der Exekutive gleichkomme. Crispien unterstrich den
Widerspruch zwischen der Haltung der Bolschewifi in Mostau, wo sie das Höchstmaß an militärischer Kraftentfaltung üben, und in Genf , wo sie zur selben Zeit hundertprozentige Abrüstungsforderungen einbringen.
Diese fast einmütige Abwehr hatte zur Folge, daß Dalton, der Bertreter der Labour Party , den größten Teil der Abänderungsanträge zurüd 30 g, besonders, soweit sie die sowjetrussischen Borschläge betrafen. Nur die Anträge gegenüber dem Kellogg Batt sowie einige redaktionelle Abänderungen wurden aufrecht erhalten, und dürften auch berücksichtigt werden. Schließlich wurde bei der Abstimmung mit allen gegen die Stimme Fenner- Brockways, des Bertreters der Unabhängigen Arbeiterpartei Englands, der Entwurf der Erefutive als Grundlage der neuen Resolution bestätigt. Am späten Abend ist eine Unterkommission zusammengetreten, um den endgültigen Entwurf auszuarbeiten.
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V. Sch. Brüffel, 8. Auguft.( Eigenbericht.) Die politische Kommiffion hatte am Montag einen Unterausganzen Welt eingesetzt. Diese Unterfommission hatte am Dienstag schuß zur Ausarbeitung eines Manifests an die Arbeiter der ein Dokument ausgearbeitet, das außerordentlich umfangreich ist und das sowohl die grundfäßliche Stellungnahme zum Faschismus und zum Bolfchemismus fennzeichnet, wie auch zu allen wich tigen außenpolitischen Problemen der Gegenwart Rheinlandräumung, China , Indien , Aegypten usw.- Stellung nimmt. Am Mittwoch wurde in mehrstündiger Gigung dieses Do tument abfabweise von der Bollkommiffion durchberaten. Es entspann sich eine außerordentlich lange und zum Teil recht lebhafte De. batte, die weniger durch die grundsäglichen Meinungsverschieden beiten verursacht wurde, als vor allem Stiliſierungswünsche betraf. Diese Distuffion wurde allerdings dadurch kompliziert, daß die bekannten inneren Gegenfäße innerhalb der französischen So. zialistischen Bartei in die Debatte hineinspielten. Daraufhin wurde die Distuffionsmethode geändert und es wurde eine neue Unterfommiffion ernannt, der sämtliche Abänderungsanträge
überwiesen wurden, um sie in den Tegt hineinzuarbeiten.
Sowohl die Wirtschafts fommission wie die Kolonial tommission haben ihre Arbeit nahezu abgeschlossen. Die von den Untertommiffionen ausgearbeiteten Resolutionsentwürfe find grundfäßlich genehmigt. Doch sind diese Untertommiffionen am verschiedene redaktionelle Wünsche zu berücksichtigen. Mittwochabend noch zu Nachtsizungen zusammengetreten, um
Baltische Flotte mit Flugzeugen.
Die baltische Flotte ist Mittwoch unter der Führung Bittorows zu den Sommermanövern in der Ostsee aus Kronstadt ausgelaufen. Daran beteiligen sich sämtliche Kriegsschiffe, die in Ostseehäfen ftationiert sind, auch die Wasserflugzeuge
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Reue Parteigründung und Erschütterung alter Parteien. J. H. Prag , im August. Unzufrieden mit der Politik des tschechisch- deutschen Bürs gerblocks sind nicht bloß die Arbeiter aller Nationen, sondern auch weite Schichten des deutschen Bürgertums. Die Arbeiter find erbittert über die politische und sozialpolitische Reaktion, die den Weg der Bürgerregierung fennzeichnet, das städtische Bürgertum ist unzufrieden, weil die verheißenen nationalpolitischen Erfolge des Mitregierens deutscher Parteien ausblieben, ja noch mehr, die unter Mitwirkung der deutschen Regierungsparteien beschlossene Verwal= tungsreform die fümmerlichen leberbleibsel nationaler Selbstverwaltung noch verringert, die Deutschen in den Landesvertretungen Böhmens und Mähren - Schlesiens zu ohn= mächtiger Minderheit herabdrückt, und gerade durch zu nationaler Gliederung der Verwaltung zu komdie Einrichtung von Landesverwaltungen die Aussichten, je men, äußerst gering geworden sind.
Die Nuznießer der Regierungsteilnahme, die Mitgenießer der materiellen Vorteile, die mit der Beherrschung des politischen Apparates verbunden sind, die großen wirtschaftlichen Beutemacher bei der gesamten Gesetzgebung des Bürgerblocks sind die Agrarier und in gewissem Abstande von ihnen die Klerikalen. Die Agrarier haben durch die Einführung der Lebensmittelzölle Riefenprofite erzielt, fie profitieren bei den Staatssubventionen, haben sich durch die Verwaltungsreform, die in allen Bezirken den Einfluß Der Arbeiter mefentlich verringern und so die sozialen Ausgaben auf ein lächerliches Minimum reduzieren wird, und durch das Gemeindefinanzaeſe's gewaltige Ersparnisse an Abgaben gesichert. Das städtische Bürgertum giert aber auch nach jenen Vorteilen, welche sich aus der Zugehörigkeit zu einer staatsnahen Partei ergeben: staatliche Aufträge, Lieferungen an den Staat, Steuernachläffe, dies nur einige Beispiele. So verbinden sich Abneigung gegen die derzeitige deutsch - aftinistische Politik und Berstärung der aktivistischen Tendenzen im fudetendeutschen Bürgertum. Attivismus als Gegensatz zur Fernhaltung vom Staat zu verstehen. Red. d. ,, V.".)
Das Ergebnis des Zusammenfließens dieser beiden Strömungen ist die Gründung einer neuen Partei, der Deutschen Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft", zu der sich die Deutschdemokratische Partei, die deutsche Gewerbepartei und Dr. Rosche vereinigt haben. Dieser war bis vor wenigen Wochen deutschnationaler Abgeordneter. Er mußte auf Geheiß der Partei das Mandat niederlegen, weil er eine Ver= ständigung mit den anderen Deutschbürgerlichen, besonders mit den Regierungsparteien, gesucht hatte und weil er ficher als Wortführer der deutschnationalen Unternehmer- eine Annäherung zwischen aktivistischen und oppositionellen Deutschbürgerlichen herbeizuführen suchte. Nun handelt er ebenso nach dem Willen der deutschnationalen Fabrikanten, wie in Befriedigung seines Führerehrgeizes, wenn er mit der Deutschdemokratischen Partei, die im Parlament über= haupt nicht vertreten ist, und mit der Gewerbepartei eine neue Gruppe bildet. Demokraten und Gewerbepartei sind zu einigt und verstärkt durch die deutschnationalen Dissidenten schwach, um bei den kommenden Landesvertretungswahlen aus eigener Kraft Mandate zu erringen. Berhaben sie bessere Aussichten. Bei der Gewerbepartei ist es ein Frontwechsel insofern, als sie bisher in der Gefolgschaft des Bundes der Landwirte marschierte und nun die Kleingewerbetreibenden unter die politische Botmäßigkeit der Großbourgeoisie bringt. Besonders pikant ist, daß die drei gewerbeparteilichen Abgeordneten auch weiterhin in der Regierungsmehrheit zu bleiben gedenken. Das Ganze Bielleicht ist hier die eigentliche bourgeoise Partei, mit unnennt man dann ,, Einigung des sudetendeutschen Volkes". entbehrlicher fleinbürgerlicher Gefolgschaft, im Werden- zweifellos wird die attivistische Strömung im deutschen Bürgertum wesentlich gestärkt und die Regierungsmehrheit in eine neue Verlegenheit gestürzt.
Barteien, beträchtlich an Anhang verloren. Bei den GeDie Regierungsmehrheit hat, besonders ihre deutschen meindewahlen im Borjahre haben besonders die Christ lich sozialen eine sehr ernste Niederlage erlitten. Der Kampf um die Novellierung der Sozialversiche rung hat diese Partei wieder schwer in die Klemme getrieben. Gegen die Verschlechterung der Sozialversicherung begannen auch die christlichen Arbeiter zu rebellieren. Ihr Widerstand blieb fast unbeachtet bis das Ergebnis der Wahlen in Deutschland den Klerikalen Angst und Schrecken einjagte. Das Zentrum hatte hunderttausende Arbeiterwähler verloren drohte nicht gleiches Schicksal auch den flerifalen Parteien im fast fulturgleichen Nachbarstaat?
Es kam zu Mißhelligkeiten, zu Berstimmungen im Bürgerbiod. Nicht nur wegen der Sozialversicherung, auf deren Verschlechterung vor allem die Agrarier bestanden. Finanzminister Dr. Englisch kam mit den Agrariern in Gegensah, meil er sich ihren immer unverschämteren Forderungen nicht