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Morgenausgabe Jlr. 372..,, -���s.Iahrgang
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berliner volksblat«
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Festtag der Zlevubtik.
Die Republik   steht fest! Von RotoNsmtnjgtor Oarl Loverlngj. Wenn in wenigen Monaten sich zum zehntenmal der Tag jährt, an dem das alte Kaiserreich zu Grabe getragen wurde und die Revolution der Republik   zum Siege verhalf, dann werden wir uns auch daran erinnern müssen, daß mit der Ausrufung der Republik   ihr Bestand noch nicht gewähr- leistet war. Schon in den ersten Tagen der Tätigkeit der Bolksbeauftragten versuchten die Anhänger des Spartakus- trnndesdie Revolution vorwärts zu treiben": auf welchem Wege und zu welchem Ziele, war den meisten Parteigängern bieses neuesten politischen Bundes nicht bekannt. Die ersten blutigen Kämpfe, die das junge Staatswesen zu bestehen hatte, waren nicht gegen Verteidiger des alten Systems gerichtet, denn die waren nicht vorhanden oder doch van den Ereignissen so bestürzt und eingeschüchtert, daß nie- rnond auch nur einen Finger zur Rottung der sinkenden mon- archischen Herrlichkeit zu rühren wagte. Es soll heute nicht darüber geurteilt werden, welche Unsumme von blindem Fanatismus sich in den Treibereien der Spartakisten offen- barte. Volksbewegungen von einem Ausmaß, wie wir sie im Jahre 1918 erlebten, lassen sich nicht wie eine wohlge- ordnete Vortragsfolge führen. Und Volksleidenschast hat ihr eigenes Gesetz. Dem gewissenhaften Historiker aber erwächst die Verpflichtung, festzustellen, daß das Deutschland   von heut«, «daß die junge Republik   in Wirtschaft und Gesellschaft wahr- scheinlich andere Züge tragen würde, wenn sich die Tätigkeit der Bolksbeauftragten und der Regierungsstellen darauf hätte konzentrieren können, anstatt die Kräfte in der Abwehr spar- takistischer Anschläge verzetteln zu müssen. Auch die weiteren Jahre haben die deutsche Republik recht oft in eine Abwehrstellung gegenüber denen gedrängt, die mit Gewaltmitteln die demokratische Staatsform befeiti- gen wollten. Allmählich waren auch die Rechtstreise wieder auf dem Plan erschienen und eine gewisse Demagogie hatte es erreicht, die ersten Ansätze eines neuen Reichsheeres, das dem Schutze der Verfassung dienen sollte, gegen die Der- fassung ins Treffen zu führen. Aber wie der junge Staat mit den Spartakisten  - a u f st ä n d e n des Jahres 1919 fertig geworden war. so ge- lang es auch der Solidarität seiner freiheitlich gesinnten Bürger, den Kapp-Putsch   in wenigen Tagen zu erledi- gen. Was später folgte, Kommunistenputsch und Minister- mord, Landsknechtverschwörungen und Dynamitanschläge, war wohl ein Beweis dafür, daß der entsetzliche außenpoli- tische Druck, der auf Deutschland   lastete, nach der Kriegs- psychose eine neue seelische Seuche verbreitet hatte, aber zu gleicher Zeit eine bündige Widerlegung der albernen Behaup- tung, daß es nur eines leisen Anstoßes bedürfe, um das Ber- fassungswerk von Weimar   und das von ihm errichtete neue Reich wie ein Kartenhaus umzublasen. Heute dürfen wir ohne Uebertreibung sagen, daß d i e Republik   als Staatsform gesichert ist. Die Ver- treter der Rechtsparteien, die noch im Jahre 1920 glaubten, mit dem kühnen Husarenritt eines Landsknechtputsches die Republik   überrenen zu können, haben längst erkennen müssen, daß für die Anwendung derartiger Mittel die Re- publik ein untaugliches Objekt geworden ist. In den mon- archischen Parteien wuchert üppig der republikanische Spalt- pilz. Die schwarzweißrote Ideologie ist nicht mehr stark ge- nug, um die Parteigänger des eigenen Lagers vor den ersten Anfängen republikanischer Staatsgesinnung zu bewahren. Die Republik   hat sich durchgesetzt. Das wird heute am Verfassungstag ihr ärgster Gegner nicht mehr be- streiten wollen. Wir sind weit von der Auffassung entfernt, daß man den Streit, der trotz allem über die Frage Republik   und Mon- archie noch weiter tobt, allein durch eine Predigt über die Einigkeit beseitigen könne. Je mehr die Monarchisten ein- sehen müssen, daß sie ihre monarchischen Ideale bestenfalls im Schrein ihrer Erinnerungen aufbewahren, keineswegs aber mehr als ein politisches Kampfziel betrachten dürfen, um so lauter wird ihre Rückzugskanonade sein, um so eigensinniger «erde« ihre Wortführer vom uabedülgteu Festhaltea am
Artilcel I der Reichsverfassung: DasDeutsche Reich ist eine Republik  . Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.
monarchischen Prinzip sprechen. Das soll ihnen nicht ver- wehrt.werden, wie es niemandem verwehrt werden kann, Verlorenes und Verlorene zu beklagen. Ebensowenig wer- den wir uns darüber entrüsten, wenn sich d'e Jünger Mos­ kaus   darin gefallen, ihre Enttäuschung über das Ausbleiben der Weltrevolution in Schimpfkanonaden über die verläß- lichsten Träger der deutschen Republik, die Sozialdemokraten, zu entladen. Von Lufterschütterungen dieser Art bersten die Fundamente der Republik   nicht. Eine andere Frage ist es, ob die Republik  , die nach der Präambel ihrer Verfassung ihre Stämme einig sehen will und damit das ganze Volk, deren Nationallied Einigkeit undRechtundFreiheitals unerläßlich für das Wohl- ergehen ihrer Bürger bezeichnet, nun nicht endlich den Schich- ten, die sich in sogenannten Wehrorganisationen zusammengeschlossen haben, sagen soll, daß es an der Zeit ist, eine innere Abrüstung vorzunehmen. Das soll nicht heißen, daß ein solcher Appell in das Gewand eines polizeilichen Berbotes gekleidet werden müßte. Aber unsere sogenannten Wehrverbönde, die alle, wenn auch in verschiede- nen Ausdrucksformen, mit Stolz betonen, daß sie ihre Mit­glieder zu reifen Staatsbürgern heranziehen wollen, sollten gerade am Berfassungstage bedenken, daß diese Erziehung mit den drohenden Gesten der allsonntäglichen Aufmärsche nicht gerade am besten betrieben wird. Wir haben neben den politischen Parteien, die ihre Mitglieder zur politischen Ein- ficht und zum polttischen Kampf schulen wollen, Sport» und Kulturvereinigungen, die jedem Bedürfnis nach Erziehung gerecht werden, so daß es nun wirklich an der Zeit ist, zu überlegen, ob nicht die WehrorHanisationen ihr Eigenleben aufgeben können. Staatsbürgerliche Erziehung: da» heißt, auch aus eigenem die Maßnahmen zu prüfen und durchzu- führen, die zur Sicherung der Interessen des Voltes not- wendig sind. Angeblich ist aus diesen Erwägungen heraus der Stahlhelm ins Leben gerufen. Er wollte helfen,
Deutschland   vor der Bolschewssierung zu bewahren. Angeb- lich verdankt diesen Grundsätzen das andere Extrem, der Rote Frontkämpferbund  , sein Dasein, denn er ist ja ausdrücklich als antifaschistische Organisation ins Leben gerufen. Die Festigkeit der Republik  , deren reale und ideelle Machtmittel heut« mit allen Putschern fertig werden, raubt den Kampsoerbänden selbst jede Existenzberechtigung. Idea- lismus und Betätigungsdrang läßt sich heute auf bessere Art befriedigen. Ist die Staatsform der Republik   heute darum als ge- sichert anzusehen, so bleiben ihre Verheißungen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet noch unerfüllt. Gewiß, die Anzahl der Unternehmer wächst, die sich vom Standpunkt des Herrn-im-Hause emanzipieren und die Wirtschaftsdemokratie theoretisch aner- kennen. Aber das Geschlecht der Scharfmacher ist noch nicht tot. Auf vielen Gebieren unserer Wirtschaft sehen wir heute die Diktatur in Reinkultur. Willkürliche Preiserhöhungen, die eine Vorbelastung der Waren und damit Druck auf Löhne und Gehälter bedeuten, beunruhigen fast täglich die Oeffentlichkeit. Schlecht entlohnte Arbeitergruppen müssen oft monatelang um eine minimale Erhöhung ihrer Löhne kämpfen. Das ist nicht das Deutschland  , das brüderlich zu- sammenhält, sondern das ist eine Republik  , die zwar den alten Obrigkeitsstaat der Monarchen abgeschafft hat, in der aber noch die Obrigkeit der Geldfür st en die Mit- Wirkung freiheitlicher Staatsbürger erschwert! Wir feiern darum den Verfassungstag nicht im Gefühl der Sättigung, nicht mit den Empfindungen der Selbst- gerechten, die sich berauschen daran, wie herrlich weit sie es bisher gebracht. Wir freuen uns über die Fortschritte der deutschen Republik, die immer mehr auch unser Staat werden soll, während das alte Deutschland   nur der Staat der Besitzenden und Privilegierten war. Diese Freude lassen wir uns auch nicht vergällen durch alle Unvolltommenheiten, di« die sozialdemokratisch« Arbeiterschaft sehr gut kennt. Die vorhandenen Mängel und Unvolltommenheiten werden uns ein Ansporn sein, in der Fortentwicklung der Verfassung nicht die Hände in den Schoß zu legen, sondern sie auszubauen mit dem einen Ziel, das ja das ureigenste Ziel der Ver- fassung selbst ist, allem, was Menschenantlitz trägt, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern!
Volk und Verfassung.
Opfer für die Verfassung! Vcm Ministerpräsident Otto Braun  . Bit Verfassung ist nicht in sich selbst Ewigkeitswert. Wenn sie sortbesteht, so geschieht das, weil ste sich auf das allgemeine Interesse stützt. Dies- Unterstützung ist nicht bloßes Dulden, sondern tätiges Handeln. Es bedeutet ein entsprechen- des Opfer für di« Aufrechterhaltung eines gemeinnützigen Gutes. Diese Worte, die Calvin C o o l i d g e, der Präsident der Vereinigten Staaten  , der deutschen   Ausgabe von James M. Becks Buch über die Berfassung der Vereinigten Staaten  vorausgesetzt hat, schließen sehr vieles von dem in sich ein, was wir uns bei der Wiederkehr des Tages in die Erinne- rung zu rufen haben, an dem das deutsche Volteinig in seinen Stämmen und von dem Willen beseelt, sein Reich in Freiheit und Gerechtigkeit zu erneuen und zu festigen.. sich die republikanische und demokratische Verfassung von Weimar gegeben hat. Diese Verfassung ist nicht, um mit Eoolidg« zu reden.Ewigkeitswerk in sich". So gewiß sie einen ungeheuren Fortschritt gegenüber der Reichsverfassung vom April 1871 bedeutet, in der nicht vom Volke die Rede war, sondern in der noch die später bei der Staatsumwälzung in wenigen Stunden verschwundenen Bundesfürsten einen ewigen Bund" schließen und garantieren zu können glaub- ten, so gewiß haften auch ihr wie allem Menschenwerk Mängel und Schwächen an. Menschen vermögen keine
Ewigkeitswerte zu schaffen. Sie können im besten Falle für ihre Generation und auf kurz« Zeit darüber hinaus wirken. Die nicht vorauszusehenden und auch zu ahnenden Neu- erscheinungen und Forderungen der Zukunft werden immer wieder das Alte nur zu gewissen Teilen übernehmen und das hinzufügen müssen, was die zwingende Notwendigkeit des neuen Tages erheischt. Erkennen wir so klar, daß wir auch in der Weimarer Verfassung   nur ein Wert von zeitlichem Wert geschaffen haben, von dem kleine Teilbestimmungcn vielleicht schon in unserer Generation der Aenderung be- dürfen, so wissen wir doch auf der anderen Seite genau, daß sie in ihrem Grundgedanken und in allen wesent- lichen Bestimmungen schon deshalb fortbestehen und weit hinaus über die Generation, die sie schaffen und durchsetzen half, fortwirken wird, weil siesich auf das allgemeine Interesse stützt". In der Tat: Die Weimarer Verfassung   entsprang nicht nur der Erkenntnis der Tatsache, daß die Interessen des Volkes diese staatliche Neuregelung in republikanisch-demo- kratischer Form verlangten. Mehr noch. Diese Berfassung und die auf ihr beruhende Neuaufrichtung des deutschen  Volkes und Reiches stellte sich, nachdem die alten Grund- lagen geborsten waren, als die einzige Möglichkeit dar, das kostbare und unersetzliche Gut der Einheit des R e i ch e s zu erhalten und dem innerhalb der Reichsgrenzen geeint zusammengehaltenen deutschen   Volke die Möglichkeit zu geben, in zäher Friedensarbeit sich von dem furchtbaren