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Beilage

Montag, 13. August 1928.

Ein Stück Jugendkultur.

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Das Ferienlager im Klappholttal auf Sylt .

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Fast fünfzehn Jahre sind ins Land gegangen am 12. De-| zember 1913 war es als die Vertreter einer großen Anzahl Jugendvereine unter dem Sammelbegriff Freideutsche Jugend " auf dem Hohen Meißner bei Kassel durch den Mund ihres Führers yneten feierlich gelobten, ihr Leben nach eigener Bestimmung, unter eigener Berantwortung, in innerer Wahrhaftigkeit" zu ge­stalten. Der mit diesem Bekenntnis geschaffene Begriff Jugend fultur" stand lange im Vordergrund öffentlicher Auseinander­fegungen. Steptiter haben wiederholt höhnish gefragt, wo denn die Erfolge dieser Jugendkultur blieben. Erzieherische und kulturelle Errungenschaften lassen sich nicht in Scheffeln messen. Sicher ist, daß viele jener, nach neuen Lebensformen ringenden Jugendlichen, zu denen übrigens nicht nur die Anhänger der freideutschen Jugend, sondern schlechthin alle Mitglieder der verschiedenartigsten Jugend­bewegungen gehörten, später als reife Männer als Sauerteig ihrer Umgebung gewirkt haben. Viele Aenderungen der Lebensgewohn= heiten der älteren Generation find zweifellos dem Streben der aus der Jugendbewegung Hervorgegangenen zu danken. Das allgemeine sonntägliche Wandern in zweckmäßiger Kleidung unter Umgebung non Restaurants ist.- um nur ein Beispiel zu nennen ohne Frage ein Erfolg der Jugend. Und wenn heute ganz im all­gemeinen dem Streben der Jugend mehr Verständnis entgegen­gebracht wird als vor dem Kriege, so ist diese Tatsa he ebenfalls auf das Konto der selbständigen Jugendbewegung zu setzen. We: aber nach handgreiflichen Ergebnissen der Bewegung sucht, möge einmal seine Ferienzeit im Lager der freideuts hen Jugend auf der Insel Sylt verbringen.

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fäßen geleitet wird. Auch für den Fleischesser ist die vegetarische Kost hier bekömmlich. Geradezu erstaunlich ist, welche Vielseitigkeit eine gute vegetarische Küche zu bieten vermag. Auh Alkohol und Tabafgenuß vermißt der daran Gewöhnte in diesem Kreise kaum. fühlt sich in dieser frishen und gefunden Atmosphäre unfazba: wohl, Jeder, auch der, der längst das Jünglingsalter überschritten, ohne die Ursache des Wohlbefindens zu fennen. Sie liegt eben in der aus Natürlichkeit und Gesundheit gegründeten Lebensweise. Infolgedessen ist auch das Verhältnis dieser Menschen zueinander

Frottieren nach dem Bade.

Im Klappholttal( Klappholt Krummholz der Kiefe:), zwei Stationen hinter dem Weltmodebad Westerland , mitten im harmonisch. Sie sind alle Glieder einer großen Familie, Standes­Naturschutzgebiet, in völliger Abgeschlossenheit und Ureinsamkeit, hat unterschiede und Vorrechte kennt man hier nicht. Keiner drängt sich die freideutsche Jugend sich eine Stätte ihrer Bewegung geschaffen. hervor. Jeder bemüht sich, seinem Nächsten zu helfen. Auch Wohl in erster Linie war es der Tatt: aft ihres Führers, Dr. Knut religiöse und politische Auseinandersetzungen gibt es hier nicht, ob Ahlborn, zu danken, daß neben zwei anderen, der Vogeltoje wohl die Bewohner des Lagers aus allen Gegenden Deutschlands und der im südlichen Drittel der Insel gelegenen Barade Bua: stammen und den verschiedensten Religionsgemeinschaften und Bar. Klent, die im Klappholttal während des Krieges zum Küstenschutz teien angehören. Unverkennbar aber ist ein streng demokratischer geschaffenen Militärba: acken noch rechtzeitig vor dem Abbruch von Zug dur h das ganze Lager, ohne den ja ein solches Gemeinschafts­dem Bauunternehmer zurückgekauft werden konnten, um sie Erleben überhaupt nicht möglich ist. So demonstriert Klappholttal leben überhaupt nicht möglich ist. So demonstriert Klappholttal holungszwecken der Jugend dienstbar zu machen. Freilich ist mit politisch betrachtet zugleich die Fruchtbarkeit des demokratischen der Zeit unter den rührigen Händen der Jugend etwas ganz anderes Stadtrat Már Peters. aus diesem ehemaligen Militärlager geworden: ein farbig freund licher Bau mit te hnisch und hygienisch zeitgemäßen Einrichtungen. Aber Schlichtheit, das Charakteristikum der Lebensweise einer ge= funden Jugend, ist dem Lager erhalten geblieben. Zu Dreien und zu Vieren in den einzelnen Zimmern begnügen sich die Jugend­lichen mit einer einfachen Lagerstätte, teils jogar ohne Daunenbettén und Kopfkissen.

Frottier­

Jugend braucht und will Tätigkeit. Der ganze Tag ist mit Arbeit, förperlicher und geistiger Art, ausgefüllt. Früh um 27 Uhr ruft eine Reihe heller Gongtöne die Schläfer zur Morgen­andacht: zu gemeinsamer Gymnastik im Lichtkessel unweit des Strandes, mit anschließendem Bad in der Nordsee . übungen unter der fachkundigen Leitung Charly Straessers. Berlin , beschließen die erquidende Morgenarbeit, die unaussprech liches Wohlbefinden auslöst und zu einem wahren Freudenquell für den ganzen Tag wird. Kein Wunder, daß die Beteiligung, die völlig freimillig, aber auch unentgeltlich ist, täglih zunimmt. Auch ist jedem freigestellt, im Badefoftüm oder unbefleidet sich zu bewegen. Ber aber in Bekleidung begonnen hat, legt sie schon nach den ersten paar Tagen ab. Für diese Jugendlichen ist die Bewegung in der Natur und das Baden ohne irgendeine Hülle, im Lichtkleid, eine Selbstverständlichkeit.

Nach dieser erfrischenden Morgenarbeit gibt es ein einfaches Frühstück, bestehend aus einer schmackhaften Suppe und Kaffee mit Zubrot. Im Laufe des Vormittags we- den noch weitere Gym­

nastikstunden, für Frauen und Männer getrennt, abgehalten. Am

Das Ferienlager. Nachmittag ist wieder Gelegenheit zur Gymnastik oder zum Volks­fanz sowie zu gemeinsamem Spiel am Strand. Der Abend dient der geistigen Anregung. Vorträge mit und ohne Lichtbilder, musi­talische Darbietungen, Boltstänze und andere Unterhaltungen wechseln in bunter Folge. Die Beteiligung an all diesen Veranstal­tungen ist völlig tostenlos. Daneben werden noch besondere Shulungsturje abgehalten, so eine Körperschulwoche, eine Sing­poche, Tao- Lehre, literaris he Arbeitsgemeinschaften u. a

Es entsprich ebenfalls dem noch naturgemäßem Leben Prebenben Augenblidhen, boh bis Sie nah pegetarien Grund

Gedankens.

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Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Vergeßliche Leute.

,, Der grauße Generol aus Paulen." Man schreibt uns:

Es ist etliche Zeit her, da entdeckte das Botan- Surrogat Erich Ludendorff wieder einmal mit Hilfe seiner blauen Brille eine Schandtat der Juden. Irgend eine linke Zeitung füllte dann ihre Wizzecke mit Ludendorffs Aufruf zu de lieben Jidden in Paulen", worob sich dessen Schutz- und Schmutzblättchen entsprechend empörte und die Zitate als Schwindel bezeichnete. Wenn man das tut, muß man's beweisen können, dachte ich und begann, um ein recht flares Bild des großen, na ja Helden zu bekommen, einen höflichen Brief­wechsel, der also lautet:

Sehr geehrter Herr Hauptschriftleiter, in Nr.... Fridericus" steht, daß ,, die Geschichte vom Besuch des Generals Ludendorff am 1. April 1917 beim Oberrabbiner in Warschau ", von der linke Zeitungen berichteten, ein Aprilscherz" sei. Ich gestatte mir die Anfrage, ob es sich bei dem von denselben Zei­tungen mitgeteilten Aufruf im oftjüdischen Jargon des Generals Ludendorff An die Juden in Polen ! Als Freunde kommen wir zu Euch... auch um einen solchen ,, Aprilscherz" handelt?" Die Antwort:

In höflicher Erwiderung Ihres gefl. Schreibens bedauern wir Ihnen die gewünschte Auskunft nicht geben zu können. Wir empfehlen Ihnen dirette Anfrage an Exzellenz General Ludendorff , München . Fridericus."

Mit deutschem Grüß

Gesagt, getan. Nach zwei Wochen war ich im Befiß einer zweiten Antwort:

Im Auftrage von Erzellenz General Ludendorff soll ich Ihnen mitteilen, daß Sie sich wegen Ihrer Frage an das Reichsarchiv in Potsdam wenden können."

Noch einmal: gesagt, getan. In weiteren zwei Wochen wurden meine Anfrage und ich auf dem Brauhausberg in Potsdam registriert, bis Nummer 15 663 zählte man. Und dann bekam ich die dritte Antwort vom Präsidenten des Reichsarchivs:

,, Auf Ihre Anfrage teile ich mit, daß hier Unterlagen zur Beantwortung Ihrer Frage nicht ermittelt worden sind." aber die Nun hätte ich ja noch nach Polen fahren fönnen drei Antworten der drei Hauptbeteiligten", die nicht ,, ja" und nicht ,, nein" sind, die sich so offensichtlich drücken, sind eindeutig genug. Gerda Weyl.

Hinterland.

Die große Zeit" hatte noch nicht lange grassiert, da lockte in der frontfernen Gegend von Krossen- Büllichau Gewehrgeknatter den Gendarm dem holden Klang nachzugehen. Da fand er einen biederen Bandstürmer mit dem wichstuchenen Topf, Modell 1813, be hauptet; der stand da in freier Natur und schoß. Mensch, was machen Sie denn da, was fällt Ihnen denn ein, hier herum­zuschießen?" Schlicht und ergreifend kam die Antwort: Na, et is doch Krieg!" og

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Völker, die uns umwohnen.

Es ist wirklich nicht mehr angebracht, von europäischen Rassen| Bolen in Westoberschlesien und Wenden im Spreewald sich bei aller zu sprechen, die durch deutliche Merkmale voneinander geschieden Bewußtheit ihrer Reichsbürgerschaft doch als Dänen und Polen und feien. Der angeblich germanische" Langschädel ist unter Romanen Wenden fühlen. und Slamen, auch unter Juden mindestens ebenso stark verbreitet wie unter Skandinaviern und Deutschen , und Rundköpfe finden wir bei uns ebenso oft wie Dunkelhaarige und Dunkeläugige, während es unter Slawen, selbst unter Romanen und Juden Blonde und Blauäugige massenhaft gibt. Man kann nur noch von den Völkern als Sprach gemeinschaften reden, nicht einmal als von Gesamtheiten gleicher Kultur, denn die Kultur richtet sich nach der Gesellschaftsschicht und dem Beruf, hängt also sehr von der wirtschaftlichen Lage des einzelnen ab. Die Kultur des Studierten, des Reichen oder Hoch­gestellten unterscheidet sich in allen Völkern gewaltig von der des Bauern und des Broletariers; in den ,, oberen" Gesellschaftsschichten ist sie in allen Kulturnationen ziemlich die gleiche, ist also über­national geworden.

Dabei ist natürlich in jedem Volf eine gewisse Durchschnitts fultur vorhanden, und die ist bei den Reichsdeutschen, ihren nörd lichen, westlichen und südlichen Nachbarvölkern ziemlich die gleiche, mögen auch in einzelnen Sitten und Gewohnheiten Abweichungen bestehen.

Biel empfindlicher und viel schwerer zu überbrücken sind die Sprach unterschiede und das sogar schon gegen die germanischen" Nachbarn. Kann z. B. der Deutsche , wenn er genug intelligent ist, eine holländische Zeitung mit erheblicher Mühe noch halbwegs verstehen, so ist doch auch ihm das gesprochene Holländisch unver­ständlich. Beim Dänischen versteht man schon die Zeitung nicht, und da gibt selbst Beherrschung des Plattdeutschen nicht mehr Ver­ftehensmöglichkeit als gegenüber dem Englischen, wobei noch dazu­kommt, daß das Englische eine Mischung von germanischen und romanischen Wörtern darstellt.

Insofern also find uns die Holländer und Dänen ebenso fremd wie die Franzosen und die Slawen. Aber schon das Ale mannische, das ist das Schwäbische, Schwyzerdütsch und Elsässer ditsch, ist gesprochen dem Norddeutschen, ja selbst dem Bayern und Desterreicher glatt unverständlich; erst Gewöhnung im Aufenthalt unter Alemannen kann da helfen, ebenso wie etwa zwischen ertrem norddeutsch und unverwässert bayerisch - österreichisch Sprechenden. Das Schlesische wirft feineswegs als verbindendes Mitteldeutsch, sondern vielmehr als trennende Eigenheit, weit mehr als das Sächsische, das weniger als das Schlesische die Vokale als die Kon­fonanten verändert, meistens einfach weiche und harte verwechselt. Diese großen Verschiedenheiten in der deutschen Volkssprache werden allerdings aufgewogen und in der Volksgemeinschaft aufgelöst durch jahrhundertelange Gemeinschaft der Schriftsprache und die fast noch längere Schicksalsgemeinschaft im loseren oder engeren Reichs- und Staatsverband. Fühlen sich doch so grundverschiedene Länder und Menschen wie die von Ostpreußen und Rheinland ge­meinsam als Preußen, wie die von Mecklenburg und vom Bodense als Reichsdeutsche, wie die Friesen und die Wiener, ja selbst die Schwaben im Banat und die Sachsen in Siebenbürgen als Deutsche , Darum aber müffen mir aug verftehen, daß Dänen in Schleswig ,

uns, aber

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Nach Dänemark , Holland , Belgien und Frankreich kommen Reichsdeutsche faum schon in größerer Zahl. Die Gelegenheit zu Ferienreisen ins Ausland hat nur ein verschwindend geringer Teil unseres Reichsvolles und wenn, so müssen sich die meisten billigere dazu gehören aber diese Nachbarstaaten nicht, Länder aussuchen; auch die Schweiz nicht, wohl aber die Tschechoslowakei und Deutschösterreich. Vor übertriebenen Borstellungen ist zu warnen; Kleidung, Schuhe, Fertigwaren kosten ebensoviel als bei Verkehrsmittel, was der Tourist vor allem braucht Gastzimmer und Berpflegung sind billiger und selbst bei fast gleichem Preis ist das Effen bedeutend besser. Da wird man nun man nicht nur das deutsche Randgebiet besucht- sehen, wie kultur gleich die Tschechen den umwohnenden Deutschen find; da ist wirklich die Sprache der Hauptunterschied, wenn man davon absieht, daß die Tschechen das Staatsvolk, die Deutschen dort aber eine sich beherrscht, gedrückt und von ihrem Volk losgetrennt fühlende Minderheit sind.

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wenn

" Deutschösterreich wird von so vielen Reichsdeutschen besucht, es herrschen bereits so lebhafte Beziehungen, es wird auch im Rund­funk und in der Presse so viel Desterreichisches geboten, daß man über diese Deutschen nichts weiter zu erzählen braucht. Das rote Wien vor allem ist dem sozialistischen Proletariat der Welt, wie erst des Reiches, als tostbarer Besiz des gesamten Sozialismus wert und teuer.

Bleibt von den Nachbarländern noch- Polen . Das Ber­hältnis zu ihm ist noch weit entfernt von jener Abkühlung des Kriegshaffes und der Nachkriegsspannung, die sich gegenüber den anderen Nachbarn doch schon eingestellt hat; daß Polen wieder­erstanden ist, daß große preußische Gebiete ihm zugefallen sind, schon gar in des Korridors gräulicher Ungestalt", daß diese Landstriche brutal entdeutscht werden, figt tiefer im norddeutschen Boltsbewußt. sein, als die Abtrennung des viel deutscheren Elsaß . Auch herrscht von altersher, aus der grauen Vorzeit noch der Grenzlandhaß; war doch einmal dieses Ostelbien slawisch und ist gewaltsam germanisiert worden, haben doch die Slawen dem vordringenden Ordensritter. Imperialismus auch schwere Niederlagen bereitet, und so weiter bis zur hohenzollern- bismard- bülowschen Ostmarkenpolitik und der pol nischen Revanche nach dem verlorenen Krieg... Bolen ist heute für den Touristen vielleicht das billigste Nachbarland, aber es bietet außer den Karpathen und der dünnbesiedelten Korridorküfte faum besondere Naturschönheiten und zeigt allerdings besonders in Kongreßpolen und Galizien einen empfindlichen Kulturabstand von den reichsdeutschen Städten.

Aber mögen die Nationalisten und ihre unwissenden Nachläufer fich am Haß gegen andere Völker genugtun mir haben uns zu vergegenwärtigen, daß es den Bolts massen überall miserabel geht und daß sie nur gemeinsam und einig sich ein besseres Los schaffen tömen