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(30. Fortsetzung.) -u, ich versteh« Sie wohl, Schubert. Wie Sie zu mir reden!" Äls Ihr Freund. Nur als Ihr Freund, glauben Sie mir." Würden Sie auch so sprechen, wenn ich nicht die Hilde Fern- leinter war', sondern... etwa di« Tochter ein«z Geschäftsfreundes von Adolf Grubers Söhne?" Oje, der Respekt vor Familie, Stellung und dergleichen hat schon lange aufgehört. In welcher Zeit stecken Sie noch? Wenn Sie wüßten... was ich weiß, wenn Sie wüßten, wie viele Frauen und Mädchen Sie darum beneiden winden, daß ich es bin, der so zu Ihnen spricht." Schubert, pfui Teufel!" Ja, ja, Ihr Fernleitnersches Gemüt empört sich. Aber es ist nicht zeitgemäß, sag� ich Ihnen. Immer wieder möchte ich Ihnen zum Bewußtsein bringen, daß ich Ihr aufrichtiger Freund bin. Was wollen Sie denn? In Wien geht es drunter und drüber. Davon ist Ihnen natürlich nichts bekannt. Drei Stunden von hier balgen sich die Menschen um ein paar Papierscheine, die in dem Augenblick, in dem sie sie in die Hand bekommen, wertlose Fetzen sind. Es ist-ja zu komisch, das Geld ist alles und wie man es er» rungen hat, ist es nichts... Die Leute schaufeln es zusammen, tragen die Beute in Rucksäcken fort und schütteln es dann uns, dem Herrn Baron Rosenberg und denjenigen, die mlt ihm sind, zu Füßen. Für sie hat es keinen Zweck, in unseren Händen ver- wandelt es sich wieder zu Münze, zu Geld, zu einem Wert. Wollen Sie bei jenen sein, di? so unsäglich dumm und lächerlich sind? Kommen Sie doch zu uns, zu den Klügeren, zu den Gewandteren und besonders zu den Erfolgreichen! Soll Sie, die feine, zarte, sclxin« Hilde, für die der auserlesenst« Luxus gerade genug wäre, um Sie darin einzuhüllen, soll Sie all dieser Schmutz beflecken, der jetzt in Wien aus dem schmierigen Papiergeld aufwirbelt? Das hieße doch ein Kunstwerk Gottes beleidigen!" Bitte, werden Sie nicht poetisch, Schubert, das steht Ihnen gor nicht und paßt auch nicht zu unserem Gespräch. Oder glauben Sie vielleicht, daß der Schmutz, der in Ihren Worten liegt, schöner ist als der der Geldscheine in Wien ?" Das glaub' ich wohl." Nein! Es ist abscheulich, wie Sie zu mir reden. Sie sind ja zu abgebrüht, um zu ahnen, welche Rolle Sie selbst spielen, und welche Sie mich spielen lassen wollen." O Gott, was mich betrifft, so machen Sie sich keine Sorgen. Und Sie, ja Sie müssen sich der neuen Zeit klug anpassen... wie ich. Wer nicht selbst bestehen kann... weil er'» nun einmal nicht kann, der muß irgendwo unterkriechen. Und beim Baron Roseickerg ist mir ein Asyl lieber als... unterkriechen in einem wirklichen Asyl. So wird der eine sein erster Privatsekretär..." Und die andere seine Geliebte," ergänzt« Hilde. Der Schubert zuckt« die Achseln. Also hören Sie, Schubert. Wenn es so ist, baß sich jeder ver- kaufen muß..." Stimmt, fast jeder." Dann geh' ich lieber in di« Maschinenvertriebsgesellschast, wo ein altes Fräulein aus meiner Bekanntschaft eintrocknet, selbst aus «inem Menschen ein Maschinenteil geworden ist.." Anderthalb Millionen Monatsgehalt, dazu gegenwärtig zehn- ständige Arbeit, Anwartschaft auf ein Leben in einem luft- und lichtlosen Hinterzimmer und die Tuberkulose und eventuell, wenn die Befreiung kommt, die Freundschaft des Generaldirektors." Oder ich geh' zum Stodttheater von Bregenz ." Aha! Achthunderttausend Kronen Monatsgehalt, dafür die Freundschaft des Direktors oder des Oberregisseurs!" Sie meinen..." .Kein Entrinnen. Sie können sichs bloß auswählen." .Nein, Schubert, ich werd' Ihnen zeigen, daß ich ftei bin..."

von JPcauZ

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Aber! Wir alle sind nicht frei, ich war's nicht, Sie sinds nicht, keiner ist's. Klug ist. wer sich darüber keiner Täuschung hin- gibt und die Knechtschaft, in die er hinaus muß. sich aussucht. Ich war klug, und weil ich Sie weil Sie mir so unendlich sympathisch sind, Fräulein Hilde, möcht' ich Sie auf den rechten Weg bringen." Den rechten Weg. Sie sind sogar humoristisch." Dazu ist dieses Gespräch zu ernst. Ich meint«: den ver- nünstigsten, den erfolgreichsten Weg. Also? Wenn Sic noch der Vorstellung, in der Sie alle Herzen entslammt haben werden, mit dem Baron und mir soupieren wollen, man wird ja an kleinen Tischen speisen, sich selbst die Gesellschaft auswählen können... wir drei werden uns die Plätze beisammen reservieren.,

Ganz bestimmt nicht! Sie üben ja ein ganz abscheuliches Ge- werbe aus, Schubert." .Kein abscheulicheres, als wenn ich die anderen Agenden des Baron Rosenberg besorge." Dia mögen Sie recht haben! Es bleibt dabei, daß ich mir meine Tischgesährten nach meinem Wunsche bestimmen werde, und daß Sie nichts davon erfahren. Adieu, Schubert." Hilde lief ihm einfach davon. Seine Gegenwart hafte etwas Beklemmendes, wie eine unappetitliche Berührung. Und wenn sie sah, daß dieser feiste Zkerl im Kreis« junger Mädchen war, von ihnen umschmeichelt wurde, daß sie bei seinen Scherzen lachten, sein allerdings vortreffliches Klaoierspiel rühmten, feine Einladungen annahmen, so wendet« sie ihr Gesicht ab, um keines dieser Mädchen zu erkennen.

Immer bestimmter wurde dieses Gefühl, immer drängender der Wunsch, ein« Abwehr gegen die Wellen der Unreinlichkeit zu finden, di« immer höher stiegen und sie zu berühren näher kamen. Der lauernde Blick des Barons, der in ihrer Gegenwart kleinlaut wurde oder nicht sprach, wurde ihr unheimlich die Vertraulichkeiten Schuberts, der schließlich ein alter Bekannter war, empfand sie jetzt als gefährlich. Als ob sie durch einen Sumpf schreit«, so nahm sie sich in acht, die frühere Arglosigkeit, Harmlosigkeit, di« war in diesem Kreise nun dahin. Und dabei fühlte sie, daß ihr Abenteuer war's überhaupt eines etwas fei, was von der Stimmung hier gar nicht abstach. Der Baron und einige aus seinem Gefolge waren jetzt oft in Wien . sie kamen aber wieder und wurden dann jubelnd von den Leuten des Schlosses begrüßt. Wenn er grobe Berftöße gegen den richtigen

Sprachgebrauch machte, Bildungsfehler aufwies, di« einem Witz- blast entnonuneu schienen, so lachte niemand, selbst die lachten nicht, di« das alles wlchl zu beurteilen oerstanden. Aber dafür besprach man seine großartigen geschäftlichen Streiche ganz offen und rühmte. wie er mit seinen Spießgesellen wieder Gesetz und Ordnung über- schrillen hätte. Da gab es Geschichten von Koffern mit doppelten Böden, mit denen er am Anfang seiner Karriere unaufhörlich von Oesterreich nach Schweden und von Schweden nach Oesterreich gereist war, und das erzählte man, wie man nachsichtig von Jugend- streichen spricht, die nichts anderes als den ftüh entwickelten Sinn des Jungen beweisen. Aber später! Wie er ganze Staaten narrte und aus nichtigen Ideen Milliardengewinne zog und ein Erlebnis mit einem verbrannten, doch vorher photographierten Dokument... das waren die Taten, di« allen anderen Ruhm überstrahven, weil sie Geld, viel Geld, unermeßlich viel Geld eingebracht hatten. Wer ausgeplündert wurde, der wurde verachtet, wer behend Minister in den Sack steckte, die Armut noch ärmer machte, wie ein Totenoogel sich niederlieh, wo noch aus dem Aas Nahrung zu holen war und reiche, erträgliche Nahrung!, der wurde respektiert. Advo- taten berichteten ganz offen, vor den Damen, die man damit amü- fieren wollte, wie sie arme Teufel von ausgehungerten Beamten zu sich hinübergerissen hatten, sie in einer Viertelstunde ein Leben voller Ehrbarkeit hatten vergessen lassen, um ihren Zwecken dienst- bar zu sein und die Gefellschaft nahm dies, die Rot der Schuldig- gewordenen und besonders die Listigkeit der Verführer, mit Lachen auf. Die Krone siel, und nebenbei erwähnte man, wie dieses Ereignis dos Volt noch weiter ausblute, Hunger und Entbehrung oller Art noch weiter verbreite, aber dann kam man auf den«igent- lichen Kern des Gesprächs zurück, auf Einfälle, die den Sturz des heimischen Geldes beschleunigen und allgemeine Not zu noch höheren Profiten münzen sollten. Frauen, die sonst jedes ernste Thema gleichgültig zurückwiesen, beteiligten sich eifrig an den Schiebereien, und wie früher ein Mann mit der Dame seines Herzens eine Land- Partie zu machen suchte, so versicherte er ihr jetzt, daß er siemit­nehme". das hieß nämlich, daß er sie als Kompagnon in irgend- einer Transattion gelten zu lassen bereit sei. Man hört«, wie jung- Fräulein auf abendlichen Spaziergängen mit ihren Verehrern von den Aussichten eines ausländischen Börsenpapier» sprachen und versicherten, daß sie mst dem Ferry nur deshalb gut« Freundschaft halten müßten, weil er so guteTips" habe. In diesem paradiesischen Schloß Wunder oller Welt schienen sich Höllen vereinigt zu haben. Da waren sie, di« eine verrückt gewordene Zeit zusammengetrieben hafte, da waren die Laster, die sich jetzt offenbarten, da war die aufgebläht« Dummheit, die para- dierte, die schamlos« Gier nach dem Geld« um des Geldes willen, um des Genusses, um der Furcht willen, daß man ohne das Geld ein Nichts fei. Und Hilde sah die Gestalten um sich agieren, sah ihr aufgeregtes Wesen, sah. wie sie sich keine Mühe mehr gaben, ein Nichts fei.(Fortsetzung folgt.)

WAS DER TAG BRINGT. ............................................................................................................................................

Am Rande des Meeres verdurstet. Drei Mellen von L ü d e r r tz b u ch t rst vor einigen Wochen das Skelett eines Mannes gefunden worden, bei dem sich eine messingne Erkennungsmarke mit dem alt«« deutschen Reichsadler und der Zahl 1213 befand. Man vermutet, daß es sich um di« Ueberrest« des Reiters Fe rb icke von der Schutztruppe handelt, der feit dem 12. Januar 1305 verschollen ist. Er war mit dem Stabsveterinär Rogge auf einem Dienstritt von Bethanien nach Lüderitzbucht und zurück begriffen: am 10. Januar 1905 ist er mit Rogge von Kubub nach Ukama abgeritten, seitdem waren beide oerschollen. Genau sieben Jahre später fand eine Patrouille zwischen Bahnhof Kolmans- kuppe und Grasplatz di« im Dünensand mumifiziert« Leiche Rogges. Aus den bei der Leiche gefundenen Aufzeichnungen und Postkarten ging hervor, daß Rogge sich verritten. Ilkama nicht erreicht und. um dem Dursttod« zu entgehen, sich erschossen hatte. Am 12. Januar 1905 war er gestorben, am 12. Januar 1912 wurde sein« Leich« ge- funden. Da die Aufzeichnungen Rogges nichts von Feibicke er- wähnten, muß angenommen werden, daß er sich auf der Suche nach Wasser von Feibicke getrennt hatte, und daß dieser an einer anderen Stelle den Tod gefunden hat. Die olympischen Spiele und der Alkohol. Der Ehef des amerikanischen Antialkoholbundes, Eherrinton, hat ein« Erklärung verösfentlicht, in der er unter Bezugnahm« auf die amerikanischen Erfolge bei den olympischen Spielen ausführt, daß dadurch der Beweis für die Ueberlegenheit der Alkoholgegner geliefert sei. Wenn man diesen Beweis in bezug auf die Beremtgien Staaten anfechten wolle, so besitze man«in weiteres Beispiel im Falle Finnlands , das ebenfalls den Alkoholgenuh verbalen habe und trotz seiner geringen Bevölkerungszahl bei den olympischen Spielen regelmäßig in erster Reih« stehe. Durch diese beiden Bei- spiele sei erwiesen, daß Länder, deren Bewohner durch den Alkohol- genuß sich vergifteten, nicht imstande seien. fOVnfsige Athleten zu stellen. Die Insel ohne Briefmarken. Einsamkeit, selbst wenn sie freiwillig erwählt wurde, ist schwer zu ertragen. Davon wissen die sogenannten Einsamsten Menschen der Welt", die Einwohner der kleinen Inselgruppe Tristan da Cunha , ein Lied zu singen. Mehr als 3000 Kilometer westlich vom Kap der guten Hoffnung entfernt, leben die etwa 150 Ein- wohner oft länger als anderthalb Jahre völlig abgeschlossen und einsam. Bon ollen Berbindungen mit der Welt abgeschnitten, er- warten sie ängstlich irgendein Schiff, das die Verbindung mit der großen Welt wieder herstellt. Seltsam berührt«inen dann die Kunde von einem Brief, den die Einwohner der Insel mit der Ueberschrift..SOS", dem Hilferuf der Seeleute, versehen undan irgendein« führende Zeitung in Sydney " gerichtet haben. Elf Monate, nachdem die Leute auf Tristan da Eunha ihu aufgegeben hatten, langte der Brief in Sydney an und wurde beimSydney

Morning Herald" abgegeben. An Stelle der Briefmarke stand geschrieben:Hier gibt es keine Driefnnrrten. Und der Brief lautpte:Bitte, haben Sie die Güte und helfen Sie uns in 21b- geschiedenheit. Können Sie nicht die Schifter bitten, auf dem Wege nach Amerika bei uns vorbeizukommen? Im Winter 1S?6 ist die Kartoftelernte mißraten und wir waren fast alle verhuncert. Ist es denn recht, daß man sich anderthalb Jahre lang in der Welt draußen um unsere Insel nicht kümmert?" Der Schrecker schloß seinen Brief mit einem Satz, der einen Begriff von der Ab- geschiedenheit der einsamen Menschen gibt:Wir haben im Jahre 1923 einige Briefe ausgegeben, die erst im März 1927 an, gekommen sind" Die Gefangenschaft moderner Ehen. Kürzlich hielt Dr. A. E. Crew vor der Medizinischen Verein,- gung in Cardisf einen Bortrag über die sinkende Geburtenziffer. Dr. Crem erklärte, daß«in« steigende Geburtenzijser immer ein Anzeichen dasür sei, daß der Mensch über seine Umgebung hinaus» wachse, während«ine sinkende Gebvrtenzisser daraus Hindeut«, daß er mehr und mehr sein eigener Gefangener sei. Denn ebenso wie die nieisten anderen Tiere höherer Art bringe da» Säugetier Mensch ungern Junge in Gefangenschast zur Well, selbst wenn diese Ge- fangenschast manch« Bequemlichkeit mit sich bring«. Man müsse den Eltern, die sich' gern Kinder wünschen, auch genügend Raum, Frei- hell. Freud « und Eifer lassen, damit sie gesunde Kinder zeugen könnten. Wenn die Vögel sich paaren, bauen sie sich ein Nest, das ihren Bedürfnissen am besten entspricht. DasNest" des Menschen wird aber von Menschen erbaut, die keine Ahnung von den Zu- samwenhängen zwischen Bevölkerungsdichte und Geburtenziffer haben. Ein sonderbarer Barbier. Der vor kurzer Zeit gestorbene italienische Ministerpräsident G i o l i i t i befand sich einst auf einer Wahlrckse, weit entfernt von jeder größeren Niederlassung, und er hatte das Rasieren sehr nötig. Auf der Suche nach dem Dorfbarbter wurde er zu dem einzigen Mann« gewiesen, der stch auf die Kunst des Bartkratzens verstand. Die Einrichtung des Rosier-Salons" war sehr dürftig: nirgends ein Spiegel. Das ganze Mobiliar bestand aus einer Kanne Wosier, einem Kamm und einem Kanapee, auf dem Giolitti in liegender Stellung Platz nehmen mußte. Es war eine langdauernde, mühsame und peinliche Operation. Dos Rasiermesser fühlte sich wie Sand- papier an, und es gah nicht wenige kleinere und größere Schntttver- letzungen. Als die schmerzhafte Prozedur endlich beendet war, fragt« der Ministerpräsident, wie es denn eigentlich käme, daß er gegen den üblichen Brauch in liegender und nicht In sitzender Haltung rasiert worden sei.Das will ich Ihnen sagen, Signor, hier im Dorfe rasieren sich die Leute alle selbst," antwortete der biedereMaestro". lind ich bekomm« niemand ander» zu rasieren als die Leichen. Und dabei habe ich mir das so angewöhnt..