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Sonnabend

18. August 1928

Unterhaltung und Wissen

Abbruch der Heimat.

Bon Walther G. Dschilewski.

Ja, in der Holzgasse 5 bin ich als siebentes Kind eines allzu ärm= lichen aber ehrbaren Handwebers geboren. Da der liebe Gott bei meinem unerwünschten Eintritt in das Licht des Lebens nicht an­mesend sein konnte, bin ich als Wildling aufgewachsen und es ging ganz gut fo. Was die oft empfohlene Lebensforglosigkeit und die damit zusammenhängende materielle Unterlage anbetrifft, bin ich nicht über die erbärmliche Wohnküchenwirtschaft meiner Erzeuger hinaus­gekommen. Mit einem Fuß stand ich schon immer auf verlorener Erde und der andere fror im Ungewissen. Und ehrbar? Es ist zum Lachen. Die Antwort hülle ich, in Anbetracht der vielen Leute, die mich kennen und im Laufe der Zeit meine moralische Qualifikation jehr in Zweifel zogen, gern in den Mantel der Verschwiegenheit.

Am Grabe Herweghs.

Ein Besuch in Liestal .

Beilage des Vorwärts

die

Die deutschen Republikaner von heute find realpolitischer und einen stimmungsvollen Rahmen gefunden. Allerlei Gegenstände aus darum auch woh! prosaischer, als ihre Wegbereiter in den 40er Jah­ren es waren. Nicht viele wissen noch um den Freiheitsdichter Georg Herwegh , der mit dem hinreißenden Schwung seiner Ge dichte eines Lebendigen" damals alle vorwärtsstrebenden Geister aufrüttelte, so daß es war, als ob die stürmischsten Gedanken, die noch tief auf dem Grunde der Volkssehnsucht ruhten, plötzlich von einem Tauchor wie Perlen hervorgeholt worden wären. 3wei Bücher wahren die Erinnerung an seine tapfere Frau und Ge­Nun ist die Holzgasse immerhin eine anständige Straße in unserer sinmungsgenoffin Emma, indem sie zugleich die Persönlichkeit Her­Stadt, allerdings, was zu bemerken ist, etwas frumm im Rückgrat weghs ins Licht stellen und aufzeigen, wie die Schicksalsverbunden­und hohlwangig auch sonstwo, aber was man liebt, ist und bleibt schönheit zweier gleichgesinnter Seelen ihren gemeinsamen Kampf für die über alle Maßen. Die Häuser sind graue Steinblöcke, faum mehr als Freiheit beflügelte. 5 Meter in der Breite von der Dämmerung beleckt, scheinen sie, Georg Herweghs Briefwechsel mit seiner Braut wurde bereits vor dem Kriege von ihrem Sohne Marcel veröffentlicht. Ein jüngst als schachtele sich das eine in das andere, als wollten sie ineinander­friechen. Sie sind alle etwas midrig um das Unterteil herum, rosterschienenes Büchlein von Anna Blos Frauen der deutschen Revo lution 1848" enthält auch eine Biographie von Emma Herwegh fledig und griesgrau behäutet wie bei einer heraufeilenden Krant­heit liegt es auf den Steinen und nur einige Bäume, drei oder vier, geborene Siegmund. Wir wollen zeigen, was zwei Leute fönnen, die zu derselben Fahne schwören, es ist feines Menschen Kraft zu menn man etwas Strauchmert dazurechnet, die Sommers das Laub wie Meerschaum durch die Straßen werfen, machen diese Landschaft gering, um das gewaltige Rad in Bewegung zu setzen, und die Begeisterung hat Riefenfräfte oder wedt Riesenträfte auch in den um wenige Prozent freundlicher. Frauen."

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An die ersten Jahre meiner Kindheit kann ich mich schwer er­innern. Ich teile wohl dieses Unvermögen mit der größten Anzahl meiner Mitmenschen. Erst fünfjährig entdeckte ich, ein an Alter und Lebenserfahrung struppiger Dreitäsehoch, mit einem mir angeborenen Erlebnisdurst, die Geheimnisse unserer Gasse. Erst baldomerte man die Kellerlöcher aus, dann die Hundehütten, die Rotunden , die Schutt­halden, die Hausflure und fremde Treppenaufgänge( felige Berstecke der Jugend, wenn der Ausklopfer des Vaters hinter uns lief!). Erst später kamen die lebenden Nachbarn an die Reihe, der Kohlenmann, der Schornsteinfeger, die Gemüsehöckersche, man beroch sich erst gegen­seitig, ob man denen, die über 50 Zentimeter in die Höhe ragten, auch trauen könnte, dann schloß man Freundschaft mit Gleichaltrigen, Die oft nicht länger über die mit viel findlichem Temperament be­gleiteten, ohne Endsieg jäh abgebrochenen Murmelspiele hinaus währte, oder sonstwie in die Brüche ging. Erst später pflegten wir mit hochnasiger Zurückhaltung einige Beziehungen zu den Mädchen, diese Heuljöhren und Gummipuppens, die, wenn es einem Spaß machte, bestenfalls als Indianersquaws und Prinzessinnen zu ge­brauchen waren und dabei übel zugerichtet wurden.

Nachdem man sich so einen nicht zu verachtenden Habitus an Lebensweisheit angeschafft hatte, war man mit etwa sechs Jahren ein fertiges, gemachtes und, was beim Zorn aller Mütter zu ent­schuldigen sei, ein ewig dreckiges und zerlumptes Männlein.

Es ist etwas Köstliches, sich an diese kleinen Eroberungen seiner vormaligen Erlebnisumwelt erinnern zu können, haben doch diese Erlebnisse einer wenig oder gar nicht behüteten Kindheit nach dauernde Bedeutung und trugen wir doch schon alle damals den großen Menschen in Wachs und en miniature in uns, den wir heute in mehr oder weniger glücklicher Form abgeben.

Nun sollte eine im wahrsten Sinne des Wortes zu Stein ge= wordene aber darum nicht weniger lebendige Erinnerung an die Tage meiner Kindheit verloren gehen. Ich wohne heute nicht mehr Holz­gaffe 5, sondern am Ende der Straße, die in die Schrebergärten mündet.

Eines frühen Morgens fam eine Kolonne Arbeiter in die Holz­gaffe marschiert, alles fräftige Jungens, vom Schweiß braun ge­braten, mit Wagen tamen sie heran, vollgepackt mit Werkzeugen, Spaten, Haden, Balken, Schubkarren. Sie rissen Glockenschlag 7 Uhr das Pflaster auf und krabbelten sich von Tag zu Tag immer tiefer in die Erde. Nach einer Woche war unsere Straße in einem Granat­trichter verändert. Da wurde herumgepict, geschaufelt, Träger ge= rammt, Balfen gelegt und, ja, ich wollte fast aufschreien, da tam auf einmal am vorigen Donnerstag das Hans Nr. 5 heran. Mir schien das Blut in den Adern gerinnen zu wollen und aus meinem Herzen bemühte sich qualvoll eine Protestaktion hervorzubrechen. Erst dedten Die Jungens das Dach ab und dann kamen die Stockwerte an die Reihe. Die Hacken bissen wie wild darauf los. Schon lag aufge= flaftert, ein Totenkopf, die obere Hälfte des Hauses gegen die Sonne. Und Stunde um Stunde wurde Meter um Meter von oben nach unten, Stein um Stein, tiefer gehobelt.

Mußte das sein? Frage und Antwort find ein Brivatgespräch, über das der Magistrat unserer Stadt, fönnte er es hören, sich vor Lachen den Bauch halten würde. Man ist dumm und klein in der Erschütterung, die das Herz preßt und jede Vernunft, der wir sonst zugetan sind, wird eine lächerliche Maske. Gott , es war nicht der Tod, der mich anfraß, nein doch, es war nur das Haus meiner Kind­heit, der Hort so vieler heimlicher, schamvoller Wünsche und Be­gierden, eine bredige Wohnfaserne, die neuem Leben den Weg frei machen sollte, aber jeder Stein atmete Heimat, die schon am nächsten Drahtzaun ihre Grenze zog und jede Tür war Zeugnis der vielen fnabenhaften Erlebnisse.

In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag in der vorigen Woche schlief ich unruhig und wurde von bösen Träumen an mein Bett genagelt. Hakennasige Gesichter stelzten in meinem Zimmer umher, fnatterten mir in die Ohren und gruben sich in meinem Fleisch ein, und dann sah ich mich unter den gläsernen Trümmern meines Geburtshauses begraben. Da wachte ich auf, und schlich bangen Herzens, verwirrt noch von der Qual der halben Nacht in den vorderen Teil der Holzgasse. Hier lag Nr. 5, ein Skelett, und ein ungeheurer Schmerz durchriß mich und saß dann in der Kehle und ich konnte ihn nicht ausbrüllen.

Der dicke Gustav Pumpe, der in der benachbarten Marstraße einen Baumaterialienhandel mit etwa 1000 Mart wöchentlichem Reinverdienst betreibt, und den ich die Jahre hindurch nicht gut riechen gelernt habe, hatte den Abriß übernommen. Wie mit Messern grub sich das aufgeplusterte Schild seines fettglänzenden Namens in meine

Seele.

Aus den Steinen werden sie vielleicht ein neues Haus bauen. Durch die Tür, durch die ich mich abends oft fortschlich, um das brodelnde Feuer meines aufbrechenden Jünglingtums zu fühlen, wird ein Fremder gehen. So blüht wahrlich neues Leben aus den Ruinen, und die sterblichen Reste meiner engeren Heimat sind wahrlich wieder zufünftigem Schicksal zugewandt.

So stand ich im stummen Gedenten, Freitag nacht, und schüttelte die Erinnerungen ab, die mich auffreffen wollten, Ich bin tein

Dieses Gelöbnis aus der Brautzeit hat die Gattin gehalten, in allen Nöten und Gefahren, selbst bei dem abenteuerlichen Zug der deutschen Legion 1848 blieb sie als Samariterin und Helferin an seiner Seite. Sein Vermächtnis erfüllend ,, Laß mich in freier republikanischer Erde begraben, in unserem Heimatfanton," hat sie 1875 die sterblichen Ueberrefte Herweghs in Liestal , dem Hauptort des Kantons Basel- Land , zur ewigen Ruhe gebettet, in jenem Kane ton, der dem aus Preußen Verbannten 1842 das Schweizer Bürger­recht verlieh. Mit den drei Kindern, zwei Söhnen und einer Toch ter, die sie im Geist des Vaters erzog, setzte sie ihm die Grabschrift: hier ruht, wie er's gewollt, in seiner Heimat freien Erde, Georg 7. April 1875. Von den Mächtigen Herwegh , 31. März 1817 verfolgt, von den Knechten gehaßt, von den meisten verkannt, von den Seinen geliebt." An der Seite ihres Mannes hat auch Emma Herwegh 1904 die letzte Heimat auf dem stillen kleinen Kirchhof von Liestal gefunden. Seltsam ernst hebt jenes Doppelgrab sich von den anderen im Schmuck der sommerlichen Blütenpracht prangenden Gräbern ab. Keine Hügel zwei schwarze Marmorplatten mit bronzenen Symbolen, dem Blütenzweig auf Emmas, dem Lorbeer auf Georgs Ruhestätte, decken die Fläche. Ein mächtiger Lebens­baum beschattet die Stätte. Metallkränze alljährlich von den Nach tommen aus Paris gesandt, hängen zu Häupten.

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Tiefer Friede waltet über der Landschaft. Kein Baut stört das stille Gedenken. Nicht oft mag es sein, daß deutsche Republikaner Gelegenheit suchen oder finden, nach dem kleinen Liestal zu wall­fahrten, wo Schweizer Bürger das Gedächtnis deutscher Freiheits­tämpfer für die Nachwelt pflegen.

3wei weitere Zeichen deuten dort auf das Gedenken an das Paar. Im Sizungssaal des altehrwürdigen Rathauses mit dem Schmuck prachtvoller bunter Glasfenster aus dem 16. Jahrhundert hat die liebevoll zusammengestellte kleine Herweghsammlung

dem persönlichen Besitz der Herweghs füllen die Glasfästen Trauringe als Sinnbild diefer wahrhaft idealen Lebensgemeinschaft, auch die von Georg während des Pariser Barrikadenkampfes ge­tragene Kofarde, und eine Anzahl von feinstem Kulturgeschmac zeugender Zinngefäße, dazu Briefe von großen Geistern jener Zeit an Herwegh , darunter von Humboldt und Heine. Wahrhaft leben­dig werden die beiden Hauptgestalten, denen das Gedenken geweiht ist, mit ihrem Lebensgang bei Betrachtung der Porträts, besonders der größeren Delbilder. Das Jugendbild Georgs aus dem Jahre 1843 zeigt den Dichter als jene schöne romantische Gestalt mit tief­schwarzem, vollem Haar, in der Barttracht eines Felix Mendelssohn , mit träumerischen Augen in unbekannte Weiten blickend. Eine feine Bleistiftzeichnung Georgs, in den furzen Tagen, die zwischen der Bekanntschaft und Verlobung lagen, von Emina selbst ausgeführt, vervollständigt den Eindruck. In ergreifendem Gegensatz hierzu fünf Jahre vor Georg Herwegh , der ermattete Kämpfer, 1870 dem Ende seiner irdischen Pilgerfahrt, mit ergrauten Strähnen inr schwarzen Haar und Bollbart, vom Leid gezeichnet mit schmerzlichem Ausdruck im Antlitz, der Schatten jener Heldengestalt, die Heine einst zu der Versen begeisterte: Herwegh , du eiserne Lerche, mit flirren­dem Jubel steigst du empor zum heiligen Sonnenlicht." Ein Brusts bild in Lebensgröße zeigt Emma Siegmund als 21jährige, pier Jahr ehe sie dem späteren Lebensgefährten begegnete. Ein hell­blaues Seidenkleid mit dem zeitgemäßen Ausschnitt umschließt eine träftige Gestalt. Das aschblonde Haar umrahmt ein sympathisches Geficht mit flugen flaren Augen. Die Copie ihres Brautbildes zeigt die gleichen 3üge. Auch in der Photographic der gereifter Frau findet man die Linie zum Jugendbildnis. Nur der Mund ist durch das Erleben eines großen Schicksals wissender geworden. 29 Jahre war es Emma beschieden, den Batten zu überleben. Sie waren dem Andenken dessen gewidmet, der zum Inhalt ihres Da­seins wurde.

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Im Jahre 1904 sieben Monate nach dem Hinscheiden Emmas fand ein Denkmal für Georg Hermegh wic derum eine würdige Stätte in Liestal . Inmitten von Promes nadenanlagen hebt sich von dem ernsten Hintergrund dunkler Tanner ein efeuunnrantter dreiteiliger Felsblock ab, der mittlere mit dem Marmorreliefbild des Dichters nach dem letzten Porträt modelliert, die seitlichen mit Inschriften auf eifernen Tafeln: Dem Freiheits fänger und Kämpfer in Dankbarkeit gewidmet von Männern der Arbeit und Freunden der Freiheit!" Dann die Verse:

Zum Volke standst Du ohne Banten, Am Throne gingst Du stolz vorbei, Laß Dir es noch im Tode danken. O treues Herz, nun bist Du frei. In den Gestirnen wirst Du schweben, Dein Sängername löscht nicht aus, Und das Lebendige wird leben, Weit über Tod und Grab hinaus!

Fr. Ledermann.

Mann für ewige Trauer; stumm trägt man das, was zur Treue I des raftlosen Fleißes der Verwaltung, die das Museum unserer verpflichtet.

Einen Stein brach ich, das wird mich hinüberretten. Jezt in die

Luft gespien, es geht wieder vorwärts. Nur dem Heute und Morgen

gehören mir.

Da stand der Hausstumpf, angefressen von der Hade der Zeit, ja, und es schien, als tropfte noch einmal eine stillverhaltene, felige Mufit meiner Kindheit aus seinen geborstenen Augen.

Besuch im Museum für Naturkunde .

Fragt man unsere Jugend, wo sie in der Reichshauptstadt schon einmal gewesen ist, welche Museen ihr bekannt sind, so fann man sicher die Antwort voraussagen: das Verkehrsmuseum, das Postmuseum, das Märkische Museum usw., aber das etwas ferner liegende Museum für Naturkunde " in der Invalidenstraße ist ziemlich unbekannt. Und doch birgt es Schäße, die gerade der Großstadtjugend, die keine oder geringe Fühlung mit der Natur hat, überaus wertvoll sind. Wer von einem der liebenswürdigen Be­amten des Museums herumgeführt wird, kann eine Studienreise durch alle Reiche der Natur unternehmen, der an Schönheit und lehrhaftem Wert nichts gleichkommt. In einem der ersten Ober: lichtfäle sieht man das gigantische Knochengerüst eines vorweltlichen Sauriers mit seinen ungetümen Ausmaßen. Der fundige Führer entwickelt die Landschaft jener Zeit, und wir bewundern den Scharfsinn der Forscher, die aus fargen Rudimenten der Urzeit eine Fülle von Schlüssen ziehen können. Das ungeheure Steleit des Neogatherions wird durch einen nur fleinen Kopf gekrönt. Der mächtige Pflanzenfresser war geistig unbedeutend. Die Fülle der entsprechenden Stelettreste zeigt, daß diese Formation einst die Erde beherrschte. Als dann aber die Raubtiere auftamen, waren die Riefentiere in ihrer waffenlosen Schwere dem Daseinskampf nicht mehr gewachsen und schwanden restlos. Nur fleine Gattungen der Eidechsen usw. haben durchgehalten. So plaudert der Führer und liest ein Kolleg über die Vorgeschichte der Erde von entzücken­der Klarheit.

Mächtige Vitrinen zeigen die Bertreter der gesamten Tierwelt in herrlichen ausgestopften Exemplaren. Das Museum, an dessen Ausgestaltung übrigens andauernd gearbeitet wird, stellt jetzt schon ein Runstwert dar. Die Museumsverwaltung hat den Gedanken durchgeführt, das Tier nicht, wie es bisher üblich war, einzeln in der Vitrine oder auf kahlem Podium hinzustellen, wo es fremd in eine nüchterne Umgebung zu blicken scheint. Vielmehr ist von künstlerischer Hand aus Gips und einfachstem Material eine Reihe von Bühnen hergerichtet worden, auf denen man mit Staunen und Entzücken in vollster Naturtreue Landschaften mit Himmel, Vegetation und in diesen Räumen die Tiere erblickt, die in diesen betreffenden Gegenden leben. Eine märkische Waldlandschaft mit rötlichem Abendhimmel hat unvergeßliche Eindrüde. Hier lernt man das Tier in seinem Naturrahmen tennen und freut fich

Zeit entsprechend vor allem in den Dienst der Volksbildung stellt. Auch die ausgestopften Tierbälger selbst sind beachtenswert. Früher wurde die abgezogene Haut des Tieres mit Hanf, Berg 11. dergl. gestopft und das Ganze dann in beliebiger Form zur Auf­stellung gebracht. Hier aber ist ein Künstler am Werk, der in einem besonderen Atelier in Gips die Gestalten der Tiere, Bären, Füchse, Tiger usw. nach vorheriger Beobachtung im Zoologischen Garten modelliert, so daß die Muskulatur, die Anatomie, die feinere Struf­tur des Körpers zu möglichst genauem Ausdrud tommt. So wird der ganze Rumpf ohne Fell modelliert. Dann folgt der schwerste Teil. Das Fell wird geglättet und nun mit aller Vorsicht über das Gipsmodell gelegt, wobei die Schwierigkeit entsteht, daß die Haut leicht u kurz oder zu weit sein kann. Das erfordert eine genaue Berechnung des Bildhauers. In dem Atelier des Herrn Lemm, der mit dem bekannten Tierplastifer A. Gaul zusammen gearbeitet hat, fieht es bunt aus. Allerlei Tiergestalten, teils in Gips, teils in Naturfarben, stehen umher und bilden einen llebergang von Wissenschaft zur Kunst. In den großen Sälen aber ragen die mächtigen Tiergestalten und zeigen eine Lebendigkeit der Form, die eben auf die Art ihrer Bearbeitung zurückzuführen ist.

So bietet das alte alle Reiche der Natur umfassende Museum, dessen Schäze hier auch nicht andeutungsweise beschrieben werden fönnen, zumal in der modernen Art der Darbietung eine Fülle von Anregungen, und es wird ständig daran gearbeitet, das große Wert seiner vorwiegend voltserzieherischen Bestimmung immer Prof. C. Fries. mehr anzupassen.

Eine neue Maya- Stadt im Urwald. Der Leiter der Expedition des Britischen Museums, die im Südwesten von Britisch- Honduras Ausgrabungen veranstaltet hat, der Archäologe Dr. Thomas Gann, berichtet von der Entdeckung einer alten Mana- Stadt, der einzigen, die bisher im Britischen Reich aufgefunden worden ist. Die Stadt, deren Ruinen ziemlich vollständig erhalten find, lag 15 Jahrhunderte hindurch vergessen in den Tiefen des Urwalds, der diesen noch wenig erforschten Leil Mittelamerikas bedeckt. Die Stadt, der die Aus­gräber den Namen Chumucha", d. h. 3wischen den Waffern", gegeben haben, da sie zwischen zwei Strömen liegt, hatte einen religiösen und einen weltlichen Mittelpunkt. In dem Tempelbezirt, der von 6 mit Tempeln bekrönten Pyramiden umgeben war, wurden nicht weniger als 20 große Monolithen gefunden, die viele hunderte Hieroglyphen enthalten. Darunter sind die längsten Inschriften, die bisher in der Mayakultur gefunden wurden. 12 Daten wurden Leider sind die entziffert, die von 314 bis 471 n. Chr. reichen. Hieroglyphen, die geschichtliche Ereignisse erzählen, noch nicht lesbar. Die beiden Terrassen dieser Stadtzentren waren durch eine großartige Brücke verbunden, die einzige derartige Anlage, die bisher in Amerika aus vortolumbischer Zeit gefunden worden ist. Die vora treffliche Erhaltung nach 1500 Jahren spricht für den hohen Stand der Technik bei den Mayas. In einer Höhle wurde eine Unmenge von Tongefäßen und Werkzeugen aller Art gefunden, aus denen sich bei systematischer Untersuchung ein Bild der allmählichen Ent­widlumg der Mayatultur von der frühesten bis zur Spätzeit ge­winnen laffen wird.