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Morgenausgabe

Nr. 393

A 200

45.Jahrgang

Böchentlich 85 Pf., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Postbezug 4,32 m. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne ment 6, M.   pro Monat.

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Der Borwärts" erscheint wochentag.. lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen"," Frauen ftimme", Technif"," Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"

ad prudisha Aura fub

Vorwürts

Berliner   Bolksblatt

ad all sid

Dienstag

21. August 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einfpaltige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reflame eile 5.- Reichs mart. Kleine Anzeigen' das ettge druckte Bort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedrudte Worte), jedes weitere Wort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben Arbeitsmarkt zählen für zwei Borte. Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden Straße 3, wochentäg!, von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts- Verlag G.m.b.H.

Sozialistenhezze in Paris  .

Wegen des Brüffeler Kongresses.

Paris  , 20. August.( Eigenbericht.)

Ehe der Kongreß der Arbeiterinternationale in Brüssel   über­haupt eröffnet war, wurden die französischen   Sozialisten von der nationalistischen Presse ihres Landes wegen ihrer Teilnahme an dieser Beranstaltung angegriffen! Die Hetze ist nach dem Ab­Schluß des Kongresses noch heftiger geworden. Besonders die Er­flärung der französischen   Delegation über die Räumung des Rheinlandes und die Rückgabe des Saargebietes an Deutschland   wird dafür ausgemukt.

Die Rechtspresse bringt die Erklärungen der deutschen   Dele­gation zur Rheinlandfrage überhaupt nicht oder nur verdreht zur Kenntnis ihrer Leser. Charakteristisch für diese Methoden ist die Art und Weise, wie das Hauptorgan der Hochfinanz, der Temps", die Erklärung des Reichstagspräsidenten 2öbe auf dem Brüsseler Kongreß behandelt. Dieses Blatt hat eine der mich tigsten Säße aus dieser Erklärung einfach herausgestrichen und seinen Lesern dann auf Grund dieses gefälschten Textes einen Leitartikel serviert, in dem es die französischen   Sozialisten als von den Deutschen   irregeführte Narren und die deutschen   Sozial­demokraten als Agenten ihrer Regierung" hinstellt. Es ist nicht ganz klar, warum der Temps" in letzter Zeit wieder in seine alte

Deutschenfresserei aus der Ruhrepoche zurückverfallen ist. Sind es

etwa

die Einflüsse einzelner französischer Mitglieder der Deutsch­französischen Studienkommiffion" in Berlin  ? Solange die Deutschnationalen in der Regierung faßen, haben die fran­zöfifchen Mitglieder dieses Komitees oft die Augen vor Dingen zugedrückt, die unzweifelheit dem deutsch   französischen   Ver. föhnungswert jchaden mußten. Jeht, wo die Sozialdemokraten mitregieren und wo es feinen Zweifel darüber geben kann, daß der ehrlichste Friedenswille die Regierungspolitik beseelt, hält der Temps" es plöhlich wieder für angebracht, Mißtrauen zu fäen.

Bermutlich stehen audy gemiffe Elemente des fran zösischen Ausmärtigen Amtes hinter der neuesten Heze des" Temps". Es gibt dort Beamte, die mit der Briand schen Außenpolitik nicht einverstanden sind und denen es auf eine In­trige mehr oder weniger nicht anfommt. Es ist zum Beispiel sicher, daß zwischen dem Generalsekretär des Quai d'Orsay, Philippe

Ausbau der Sozialpolitik! Widerstände der Volkspartei.- Befürchtungen rechts. Der ,, Hannoversche Kurier", ein Organ der Deutschen Boltspartei, mendet sich heftig gegen den Beschluß des Reichskabinetts, die Bersicherungsgrenze in der Angestell tenversicherung von 6000 m. auf 8400 W. zu erhöhen. Er sieht darin ,, einen zielbewußten Stritt auf dem Wege von dem bürgerlichen Freistaat der Weimarer Verfassung  zu der sozialen Republi".

Aus dieser Kritik spricht die Absicht, dem Ausbau der Sozialversicherung und der Sozialpolitik überhaupt Wider stand entgegenzusehen. Der volfsparteilche Reichs wirtschaftsminister, Herr Dr. Curtius, hat vor der Er­ledigung der Vorlage durch das Kabinett seinen Widerstand geltend gemacht. Es ist troßdem gelungen, die Grenze der Angestelltenversicherung zu erhöhen.

Eine jede sozialpolitische Vorlage, die berechtigte Forde­rungen der Arbeiterschaft vertritt, muß im Kabinett und im Parlament durchgekämpft werden. Die Presse der Rechten hat sehr wohl verstanden, daß aus dem Beschluß der sozialdemo­fratischen Reichstagsfraktion vom Sonnabend der feste Ent­schluß spricht, feine Machtposition der Sozialdemokratie preis­zugeben, um den Kampf um den Ausbau der Sozialpolitik mit Energie fortzuführen. Man lieft in der Deutschen Tageszeitung":

NIC shat bulan

,, Man hat offenbar in der Partei das Vertrauen zu den Mi­nistern und zu der Reichstagsfraktion, daß sie es verstehen werden, mit derselben fräftigen Hand, die jetzt die Schlinge um den eigenen Hais zerschnitten hat, zu geeigneter Zeit eine gepfefferte Rechnung, in erster Linie natürlich auf sozialpolitischem Gebiet, für die dabei entstandenen Geschäftsuntosten der bürgerlichen Teilhaber­schaft an der Regierung zu präsentieren.".

In der Tat: der Wahlausgang vom 20. Mai hat klar den Willen des Volkes zum Ausdrud gebracht, im Ausbau der deutschen Sozialpolitik ein rascheres Tempo anzuschlagen. Um diesen Willen zu verwirklichen, nimmt die Sozialdemofra tische Partei an der Regierung teil, und sie wird ihre parla­mentarische Machtstellung im Kampfe darum fräftig zur Gel­hmg bringen.

Berthelot, und dem wesentlich jüngeren Kabinettsdirektor Briands, Leger, ein ziemlich scharfer Konflikt besteht. Der Außenminister ist seit Wochen abwesend und lehrt nur von Fall zu Fall nach Paris   zurück, wenn er dringende Besuche empfangen muß. Erst zur Unterzeichnung des Kellogg   Pattes wird er sich wieder einmal mehrere Tage in der Hauptstadt aufhalten. Man nimmt an, daß es bei dieser Gelegenheit zu einer eingehenden Aussprache zwischen Briand   und Stresemann   über die deutsch  französischen   Probleme fommen wird. Diese Aussprache fürchten gewisse Leute. Die Heßze gegen die deutschen   und die franzöfifchen Sozialisten verfolgt deshalb unter anderem auch den Zweck, die Atmosphäre für eine offene Auseinandersehung zwischen den beiden Außenministern zu vergiften. Leider ist es so, daß Briands taftijdje Bewegungsfreiheit nach der neuen Heze gegen den An­tattische Bewegungsfreiheit nach der neuen Hezze gegen den An schluß willen Deutsch   österreichs feineswegs ungehemmt ist. Da er außerdem damit rechnet, daß er für den Fall einer Re: gierungsfrise im Herbst oder Winter die Nachfolge Boin. carés antritt, dürfte er kaum etwas tun, was einen Gegensatz zwischen ihm und den bürgerlichen Mittelparteien hervorrufen könnte. Andererseits weiß Briand  , daß er, je nachdem, wie fich die Dinge innerpolitisch entwickeln, mit den Sozialisten rechnen muß, so daß er auch bei ihnen nicht allzu hart anstoßen darf. Alle diese Umstände laffen die Umrisse der fünftigen französischen  Außenpolitik hinter Schleiern verschwinden.

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Bostschedkonto: Berlin   37 536.

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Pilsudskis Pläne.

Frieden mit Litauen  - Krieg dem Parlament!

Th. L. Warschau, Mitte August.

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Man hat jetzt in Warschau   gut reden, daß die Befürch tungen, die im Ausland an die Wilnaer Legionärtagung am 12. August gefnüpft wurden, sich als falsch erwiesen haben. Latsächlich wußte man noch am Bormittag jenes Tages nicht, was der Nachmittag, an dem Pilsudski zu seinen alten Le= gionären sprechen sollte, bringen wird. Im Gegenteil: der Berlauf einer Feier mittags im Wilnaer Stadthaus stärkte die Ansicht, Pulsudski werde in seiner Rede inner- und außen­politisch Entscheidendes sagen. Diese Feier erschien als ein von geschickter Regie gestellter Auftakt zu dem Ereignis des Nachmittags. Der General Rydz- Smigly   forderte hier, Don minutenlangem Beifall umbraust, die Legionäre auf, ihren Marsch, den sie bei Kriegsausbruch zur Befreiung Bolens begonnen hatten, jetzt zu vollenden. Haben die Legionäre diese Worte anders auffassen können, als die An­jage eines Marsches auf Kowno  ? Und wünschten sie nicht felber, als sie in der gleichen Feier den Schwur ablegten, den Marschall bei der Einführung einer neuen Staats­ordnung mit allen Mitteln zu unterstützen, damit die er­warteten innerpolitischen Ankündigungen Bilsudskis einzu­leiten? Die gang unpolitische Rede Pilsudskis hat sie daher- und mit ihnen die Bilsudstianer im ganzen Land ſtart enttäuscht. Sie waren, fast 10000 Mann start, nach Wilna   geeilt, um die Befehle ihres Marschalls entgegenzu­nehmen, bereit, ihnen, fofort blind zu gehorchen und wur den statt dessen über die tiefere Bedeutung des Wortes ,, lieb" belehrt, das im Munde des rauhen Kriegers beson­ders eigenartig flang. Aber das fennzeichnet ja. Pilsudski  , der faum in einem anderen europäischen   Land mit feinem zum Legendären und faft Mythologischen neigenden Denken der Führer fein würde, der noch als Feld­herr und Diktator mitten in der Romantik steckt, aber ein Ge­fühlsmensch ist. Das mag rein menschlich noch so sympathisch fein in politischer Beziehung wird man die Gefahr nicht übersehen dürfen. daß sein Gefühl, das feinerlei Kontrolle unterliegt, eines Tages mit ihm durchgehen fann. Man er­innert sich noch, mie er vor wenigen Wochen drohte, das Dirnenparlament" wie einen ,, dreckigen Wurm" zu zertreten! Damals machten seine Worte den Eindruck eines schwer­franken, geistig überanstrengten Mannes fie vollkommen ruhig, sie waren von einer wehmütig- derben Note durchsetzt, die man in der Aussprache eines alten Sol­daten, der zehn Jahre nach dem Kriege mit seinen Waffen­gefährten Erinnerungen austauscht, mohl begreift. Die legten er ist, Wochen scheinen Pilsudski   gut bekommen zu sein nach den äußeren Anzeichen, wieder auf der Höhe. Wer ge= sehen hat, wie er sich an jenem Sonntag in Wilna   zu beherr­schen verstand, der wird an seiner Nervenstärke nicht zweifeln tönnen. Wien  , 20. Auguft.

Die Agrarpreise flettern.

Paris  , 20. August.( Eigenbericht.)

Die Ernteverschlechterung durch die ungünstigen Bitterungs, verhältnisse dieses Sommers wird wahrscheinlich ein politisches Nach spiel haben und den alten Streit zwischen Landwirtschaft und städti­scher Bevölkerung wieder entfachen. Seit Jahren beklagt sich die Landwirtschaft, daß die Regierung fie der Industrie gegenüber benachteilige. Die Regierung hatte mit Rücksicht auf die tommenden Bahlen noch kurz vor dem Schluß der alten Kammer die Stim mung der Landwirtschaft durch eine beträchtliche Erhöhung der 3ollfäße und durch die Aufhebung fast aller Aus: fuhrbeschränkungen zu gewinnen versucht. Die Preise für fuhrbeschränkungen zu gewinnen versucht. Die Preise für Nahrungsmittel beginnen ra pide zu steigen und laffen für den Nahrungsmittel beginnen rapide zu steigen und lassen für den Winter mit einer starten Teuerung rechnen.

Die Mißachtung Deutschösterreichs. Zur Gelbständigkeit verurteilt, zur Gleichberechtigung zu schwach.

Bölkerbundes in Genf   ernste Beschwerde führen, daß die Bundeskanzler Dr. Seipel wird auf der neunten Tagung des Rüdstellung der Pfandrechte aus den Notstandskrediten fortwährend verzögert worden ist. Dr. Seipel wird den Bertretern der Großmächte mitteilen, daß Desterreich in eine außer ordentlich schwierige inner politische Lage dadurch gebracht worden ist, daß diejenigen Staaten, die in dem Londoner Relief Komitee vertreten sind, die österreichischen Vertreter wiederholt in London   unnötig lange auf ihre Entscheidung haben warten London   unnötig lange auf ihre Entscheidung haben warten laffen.

Albanische Königsmache.

Höchste Sehnsucht hungernder Volksmaffen.

Tirana  , 20. Auguft.

Wie halbamtlich mitgeteilt wird, hat heute vormittag eine große Versammlung der Einwohnerschaft von Tirana   und Um gebung mit großer Begeisterung für Albanien   die Mon­gebung mit großer Begeisterung für Albanien   die Mon­archie und für den Präsidenten Achmed Zogu wegen seiner un schäzbaren Verdienste die Krone gefordert. Dem Beispiel der hägbaren Verdienste die Krone gefordert. Dem Beispiel der Städten verliefen gleiche Kundgebungen in voller Ruhe. Hauptstadt ist gan Albanien   gefolgt. Auch in den anderen

Das republikanische Griechenland  .

Nur 30 Monarchisten unter 250 Abgeordneten. London  , 20. Auguft. Nach dem griechischen Wahlergebnis werden die Royalisten in der neuen Kammer nur 30 Sige haben gegenüber 220 Sigen der Denizelistischen Partei. Venizelos   sagte den Vertretern der aus: ländischen Bresse, daß die Opposition nicht mehr länger den Sieg des republitanischen Gedantens abstreiten fönne. Er lege Wert auf die Feststellung, daß die Wahlen in volltom mener Freiheit durchgeführt worden seien; mit Ausnahme eines fleinen Zwischenfalles seien, die Wahlen im ganzen Lande in voller Ordnung verlaufen.

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- diesmal mirkten

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Pilsudski hat seinen Legionären nichts von seinen Plänen verraten desto intensiver wird er sie im stillen vorbereiten. Das gilt wohl weniger in außen- als in inner volitischer Beziehung. Denn in welches Stadium der Konflikt mit Zeit den Marsch auf Komno befehlen wird, ist kaum anzu­Litauen auch fommen mag daß Pilsudski   in absehbarer nehmen. Er hat allmählich gelernt, auf internatio­nale Bindungen Rüdlicht zu nehmen, so daß er sich nun faum entschließen dürfte, seine Legionäre zu bitten. ihm Romno als Ostergeschenk darzubringen, wie er es einst in bezug auf Wilna   getan hat. Dabei muß man, ohne auf die praktische Frage einzugehen, feststellen, daß Pilsudski   mit dem Ausruf ,, Milna   ist polnisch", den er unter nicht enden wollen­dem begeisterten Beifall der Legionäre vorbrachte, wohl recht hat. Man sehe von der Tradition Wilnas in der polnischen Geschichte ab, obwohl man Beweisen dafür auf Schritt und Tritt in den Straßen Wilnas   begegnet. Aber entscheidend ist die Tatsache der überwiegenden polnischen Bevölte= rungsmehrheit dieser Stadt. die Woldemaras erst fürz­lich zur litauischen Hauptstadt erhoben hat. Soll die Natio= nalitätenfrage in Betracht gezogen werden, dann müßten eher als die Litauer, die faum 2 Pro 3. der Bevölkerung ausmachen und in der Stadt gar nicht zum Vorschein kommen, die Juden befragt werden, zu wem sie gehören wollen. Wir taten es und erfuhren, daß fie Bolen mit seiner westlichen Orientierung immer noch der diftatorischen Herrschaft Mol­demaras' vorziehen. Man hat in der polnischen Linken den Gedanken einer Autonomie für Wilna   erwogen wird ihn als einen Versuch billigen, den polnisch- litauischen Konflikt zu überbrücken und damit die Gefahr einer friege­rischen Lösung zu bannen. Rein sachlich genommen besteht aber für eine Autonomie faum eine stärkere Voraussetzung als für die anderen Teile Bolens.

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man

Pilsudski   wird mit der Ausarbeitung eines Feldzugplanes gegen Litauen   wohl nicht beschäftigt sein schon deshalb nicht, weil es zur Besetzung Litauens   solcher strategischer Vor­bereitungen gar nicht bedurfte. Man wird diesmal die ver­nünftige Haltung des Warschauer   Außenministeriums, das unter gänzlicher Beiseitelegung irgendwelcher Prestigerüc sichten auf die verschiedenen litauischen Noten und Vorschläge