Der Abend
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Nr. 396
B196 45. Jahrgang.
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In der Wandelhalle des Deutschen Reichstags wehen die Fahnen von 37 Staaten aus allen fünf Erdteilen, von Freunden und Feinden des großen Weltkrieges friedlich nebeneinander. Sie verkünden, daß am Mittwoch ein Weltparlament, der Abgeordneten dort seinen Einzug halten will. 517 Abgeordnete aus 37 Staaten werden im Sihungsfaal der deutschen Abgeordneten in französischer, englischer und deutscher Sprache Beratungen abhalten, es fagt die 25. Konferenz der 3nterparlamentarischen Union.
Heute abend wird der Kongreß von der deutschen Gruppe feftlich empfangen, Donnerstag vormittag 10 Uhr beginnen die Verhandlungen, die mit Begrüßungsworten der Reichsregierung eingeleitet werden. Das Generalsekretariat der Parlamentarischen Union ist in den Arbeitsräumen der Minister im Reichstag untergebracht, außerdem steht eine Anzahl von Beratungsfälen für die Arbeiten der Ausschüsse zur Verfügung. Den Delegierten wird ein umfangreiches Material in mehreren Sprachen vorgelegt.
Was ist diese Interparlamentarische Union ? Bielleicht läßt sich das am besten an der Hand ihrer Geschichte erzählen; denn die Union ist erst in der Zeit von fast 40 Jahren langsam zu ihrer heutigen Größe und Bedeutung angewachsen und fie verdankt ihre Entstehung einem Manne, der uns politisch nahestand, dem englischen Arbeiterabgeordneten William Randale Cremer. Cremer, ein Zimmermann, der sich stets für seine Cremer. Cremer, ein Zimmermann, der sich stets für seine Klaffengenossen, aber auch für die Friedensidee einsetzte, wurde Sekretär feiner Gewerkschaft und trat im Alter von 57 Jahren in das englische Unterhaus ein, Seine erste Tat war, daß er den Gedanken der Schiedsverträge zwischen den Staaten zu verwirklichen suchte. Er reiste mit einer Adresse, die von 234 Abgeordneten des Unterhauses und von den Führern der britischen Gewerkschaften unterzeichnet war, im Jahre 1887 nach den Ber einigten Staaten, um sie dem Präsidenten und dem Kongreß zu über geben. Diese Adresse zielte zunächst auf einen Schiedsgerichtsvertrag Der Präsident der Interparlamentarischen Union
zwischen den beiden Staaten angelsächsischer Raffe diesseits und jen feits des Ozeans. Als er feinen sofortigen Erfolg sah, verband er fich mit dem französischen Abgeordneten Frédéric Bassy, der auf ber Tribüne der Deputiertenkammer für den Schiedsgerichtsgedanken eingetreten war. Gorthegung auf der 2. Seite.)
1994
Christian Lange ( Norwegen ) Generalsekretär der Interparla mentarischen Union und Chef des ständigen Bureaus in Genf
Senator Robinson ein bekanntes Mitglied der amerikanischen Delegation
Freie Wasser mit freien uffern!"
Der Schutzverband der Wassergrundstücksbesizer, der jüngst gegen eine Uferstraße im Ortsteil Wannsee ejerte, will eine Rommiffion zum Oberbürgermeister Böß entsenden. Wahrscheinlich, damit der gegen die Anlegung der Uferstraßen arbeite. Wie wär's, wenn wir einen Schutzverband der Nicht- Wassergrundstücksbefizer" gründeten und auch eine Kommission zum Herrn Oberbürgermeister Böß schickten? Und zum preußischen Minister für Volkswohlfahrt. Und die beiden Herren zu einer Autofahrt an den Zernsee bei Werder einladen?
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Bis Werder zunächst. Dann den Uferweg am Großen Bernfee entlang. So ist das Bild:
schönen See herantommen tann. Sich sonnen und baden, auf's Noch gibt es Streden, wo man unmittelbar an den wunder schönen See herankommen kann. Sich sonnen und baden, auf's Wasser schauen mit den Seegelbooten, die schief vorbeifliegen, auf die Berge drüben. Aber schon gibt es Wassergrundstücke mit Garten und Häuschen. Man" tann da nicht mehr an's Wasser Man" fieht nur die glücklichen Besizer, die im Garten auf ihrem Liegestuhl das Monopol auf Wasser, Aussicht, Baden befizen. Man" kann gerade noch auf's Waffer sehen, wer weiß, wie lange... bis die Gartenheden hoch geworden sind. Und das geht schnell.
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Dieses Bild würde ich den Herren zeigen. Und dann wäre zu fragen:
,, 1. Glauben Sie, daß die Wassergrundstücksbefizer gutwillig von ihrem Besitz abgeben werden?"- ,, Natürlich nicht, ich tät's auch nicht."
,, 2. Glauben Sie, daß der Zernsee der einzige so gefährdete See ist um Beríin herum?" ,, Nein..."
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,, 3. Halten Sie es für möglich, daß man für Grundstüde, die nahe am Waffer liegen, gemeinsame Bootsstege oder Stichtanäle schafft, wie es 3. B. bei der neuen Wochenendsiedlung am Steinhuder Meer in der Provinz Hannover verwirklicht ist( obwohl das Steinhuber Meer sehr viel weiter von Hannover entfernt ist als z. B. der Zernsee von Berlin )?"... Ja..."
,, 4. Warum ergreifen Sie dann nicht die Initiative zu einem Gefeßzentwurf, der den Gemeinden Recht und Pflicht gibt, Seeufer in bestimmter Breite von Privatbesig freizuhalten?"
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es
Die Antwort auf diese Fragen fönnen wir nicht geben muß doch alles seinen Instanzengang gehen. Aber wir warten, marten....
Auch das Ufer des Mellenfees abgeschnitten.
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Wer in Amerika Zeuge von jener Wettfahrt der Siedler in ein für die Besiedlung freigegebenes Territorium" gewesen ist, müßte fich am letzten Sonntag in solch stürmisches Ringen um Landbefiz zurückverfekt fühlen, falls er Zeuge der Feilbietung der Barzellen in dem eleganten Seebad" Mellensee war, das nach dem Prospekt zu urteilen auf dem Gebiete von Klausdorf im Entstehen begriffen ist. 600 Barzellen, im Durchschnitt Morgen groß, mit Waldbestand die bevorzugten am Seeufer an grenzend, für die übrigen wird von der Gemeinde Klausdorf ein
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Seebad errichtet, und jeder Käufer ,, erhält für sich und seine Familie eine Dauerfreifarte auf 10 Jahre gegen eine nur geringfügige Gebühr ausgestellt", was jedenfalls ein Novum bedeutet: nämlich die Berkoppelung einer ,, Frei" farte mit einer Gebühr( die noch nicht genannt werden kann: geringfügig ist für das ,, vornehme Bürgertum", auf das spekuliert wird, etwas anderes als für den einfachen Bürger). Ferner hat sich die Gemeinde verpflichtet ,,, moderne Bootsanlegestege zu schaffen, die ausschließlich für die Käufer bestimmt find". Hoffentlich wird sie auch einen allgemeinen Anlegefteg her. stellen, damit doch Besucher auch zu Wasser und nicht nur zu Fuß auf der staubigen Chaussee eintreffen können. Wenn wir nun noch der großzügigen Park- und Promenadenanlage", die geschaffen werden soll, Erwähnung tun, so haben wir die im Werbeblatt aufgeführten besonderen Schönheiten des eleganten Seebades, des idullischen Wohnsizes des vornehmen Bürgertums im sonnigen Süden Groß- Berlins" gewürdigt und können es dem Urteil unserer Leser überlassen, ob hier eine Siedlung im Entstehen begriffen ist, die den Anspruch der Allgemeinheit an den Zugang 3um Wasserrand verwirklicht oder nicht.
Die Krisenfürsorge verlängert.
Kabinettsbesprechung über die Außenpolitif.
In der heufigen, unter Borfik des Reichskanzlers abgehaltenen Kabinettsfihung gaben Reichsaußenminister Dr. Stresemann und Staatssekretär von Schubert einen Ueberblick über die außenpolitische Lage und über die Probleme, die in der bevorftehenden Bölkerbundstagung zur Erörterung stehen. An die erwähntn Darlegungen schloß sich eine eingehende Aussprache, die die völlige Einmütigkeit des Kabinetts über die Behandlung der aktuellen außenpolitischen Fragen ergab.
Die weiteren Verhandlungen des Kabinetts galten der risenfürforge. Das Kabinett beschloß, von einer Zwischenlösung abzusehen und die Verlängerung der Unterstützungsdauer auf 39 Wochen, wie der Reichstag vor seinem Auseinandergehen gewünscht hatte, mit Wirkung vom 17. September d. 3. in Kraft zu fetzen.
Auf das Haus des faschistischen Konfuls.
Brüssel, 22. August.
In der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch wurde gegen die Wohnung des italienischen konsuls in Lüttich ein Bombenanschlag verübt. Die Bombe beschädigte die Faffade des Hauses erheblich. Der Konful selbst war abwesend; der Hauswart wurde verleht. Die Untersuchung dauert noch an. Der Täter ist bisher noch unbekannt.