Das werdende Weltparlament (Fortsetzung von der 1. Se!te>) Diese beiden erreichten, daß bei der Weltausstellung in Paris im Jahre 1883 der erst« interparlamentarisch« Kongreß zusammentrat, wenn man ihn schon so bezeichnen darf. Es waren zwar 96 Abgeordnete beieinander. Aber 85 kamen allein aus England und Frankreich , 4 aus Italien und je einer auf fünf weiteren Staaten. Ein Leben für die große Sache. Dem Gedanken, durch solche Konferenzen der Annäherung der Staaten zu dienen, hat Cremer bis zu seinem Lebensende mit Leidenschaft gedient und für seine Bemühungen im Jahre 1993 den Nobelpreis erhalten. Als er 1993 die Augen schloß, sagte der ungarische Graf A p p o n y i, der für das gleiche Ideal gewonnen rSar, in seinem Nachruf über Cremer u. a.: „Dies bedeutete für den jeden Bermögens baren Greis den Wohlstand, fast den Reichtum, auf jeden Fall den Komfort für seine alten Tage, die rühmliche und gerechte Belohnung sür ein Leben voller Entbehrungen und Arbeit. Aber Randal Cremer dachte nicht so: er stellt den Gesamtbetrag des Bermö- g e n s, das ihm so zufließt, der großen Sache der inter - � nationalen Schiegsgerichte zur Verfügung; von dem hohen Glück beseeelt, geben zu können, behält er für st-h nur feine materielle Armut und den Reichtum seines Enthn siasmus. Cr stirbt, jung an Herz, im Alter von 71 Jahren." Da« Ziel der ersten Konferenzen der interparlamentarischen IW.on war eng begrenzt. Sie wollte den oben erwähnten Gedanken der Schiedsverträge an Stelle der Kriege auf möglichst viele Staaten ausdehnen und erstrebte in der zweiten Etappe einer Entwicklung die Einsetzung eines ständigen internationalen Gerichtshofs, der die eintretenden Differenzen zwischen den Staaten durch«in Kollegium hoher Rechtsgelehrter zur Entscheidung bringen sollte und dessen Urteil sich zu unterwerfen joder sourxräne Staat im voraus erklären sollte. Wir wissen, welch« Widerstände der Verwirklichung dieses G«. dankens in den Jahrzehnten der Arbeit der Interparlamentarischen Union entstanden und wie langsam die richtige Anschauung stch Bahn brach. Oer erste Friedenskongreß. Immechin ist es interessant, daß der erste sogenannte Friedens- kongreß im Haag auf die Arbeiten dieser Konferenzen zurückzu» führen Ist. Zwar entsprang die Einladung zur ersten Konserenz durch den Zaren von Rußland durchaus nicht den Tendenzen der Nächstenliebe oder der Völkerverständigung. Der russische Finanz- minister Witte hatte dem Zaren nur klar gemacht, daß für eine Vermehrung und Erneuerung der russischen Artillerie augenblicklich kein Geld in den Staatskassen vorhanden war. Und um die Ein- führung ähnlicher Neuerungen, die in anderen Ländern bevor- standen, hintanzuhalten, kam der Aufruf zur A b r ü st u n g und zur Einfuhrung der Schiedsgerichte bei Streitigkeiten zwischen den Völkern an so unerwarteter Stelle zum Vorschein. Aber daß man gerade auf diesen Zlusweg verfiel, der nun zwangsläufig weiter wirkte, war dem Umstand geschuldet, daß seine Grundzüge durch einen russischen Teilnehmer der Berhandlungen der Jnterparlamen- tarischen Union , den Attache Priklonsky, in die Akten des russischen Auswärtigen Amtes gelangt waren und dort die unvor- hergesehcne Verwendung fanden.— Die Idee der Schiedsgerichtsver- träge, die sa in Cinzeloerträgen verschiedener Staaten schon vorher vorhanden war, nun in so augenfälliger Weise in die Oeffentlichkeit getragen, war nicht mehr auszurotten und ihre weitere Propaganda sowie die Einsetzung eines ständigen Gerichtshofes war das Ziel der nächsten Konferenzen der Union . Ein Gegenstück zum Völkerbund. Der Weltkrieg hat diese Bemühungen und diese Verträge für ein halbes Jahrzehnt unterbrochen. Doch bald nach seinem Abschluß trat die Union , die im Jahre 1998 schon einmal in Berlin getagt und vom Reichskanzler Fürst von Bülow begrüßt worden war, zu neuer Arbeit zusammen. Sie wurde eine Art Gegenstück zum Völkerbund, wie der Reichstag das Gegenspiel der Regierung. Kommen im Völkerbund die Regierungen zu Wort durch ihre mit gebundenem Mandat instruierten Vertreter, so in der Union die Abgeordneten, die frei von solchen Bindungen sind. Hatte man sich früher auf die Schiedsgerichtsfrage beschränkt, und aktuelle politische Themata vermieden, damit die nationalen Gegensätze nicht aufeinanderplatzten, so wagt man sich jetzt auch an alle politischen Tagesprobleme, an die Abrüstung, an die Reparationsfragen, an die Ein- und Auswanderung, heran. Heute sind verschiedene politische Richtungen in der Interparla- mentarischen Union vereint unter Ausschluß der extremen Nationa- listen und der Kommunisten, von denen nur der britisch-indische Abgeordnete Saklatoala zu den Berliner Verhandlungen erscheint. Die Sozialdemokraten der meisten Länder sind an den Ver- Handlungen beteiligt und wir werden darum unseren alten belgischen Parteifreund La Fontaine, die dänischen Parteiführer Staun ing und Borgbjerg, Engberz und Lindhagen aus Schweden , S tu der aus der Schweiz , Heller aus der Tschechoslowakei , P a n t r a tz und P o s e n e r aus Polen . W i b a u t aus Holland , Pethick-Lawrence, Riley und Smith aus England, Marina aus Estland und viele andere in Berlin sehen. Fern von der Beteiligung hält sich aus innerpolitischen Gründen noch die ungarisch « und die österreichische Sozialdemokratie. Die Arbeiten des Kongresses. Auf der Tagung der Berliner Konferenz steht zunächst«ine Aussprache über die gegenwärtige politische Lage, in der der ehe- malige niederländische Minister Treub und der frühere dänisch« Wehrminister Münch die einleitenden Ansprachen halten, so daß eine Debatte über Ein- und Auswanderung, ferner eine„Erklä- rung über die Rechte und Pflichten der Staaten", die der belgische Sozialdemokrat Lo Fontaine begründen wird, und schließlich eine größere Aussprache über die gegenwärtige Entwicklung des parlmnentarischen Systems, zu der der frühere deutsche Reichs- kanzlsr Dr. W i r t h das Referat übernommen hat und die ange- sichts der faschistischen und diktatorischen Strömungen in Europa eine große Bedeutung hat. Es ist gewiß nur ein Teilgebiet, das zu beackern die Inter - parlamentarische Union sich vorgenommen hat und wir sind erst in den Ansängen einer internationalen Gesetzgebung. Aber wenn wir uns die Verheerungen des Krieges vor Augen halten und wenn wir bedenken, daß die Arbeiterklasse allein eben noch nicht imstande war, diese Geißel von den Völkern fernzuhalten, muß jeder ehrlich gemeinte Versuch van Friedensfreunden, die gleiche Sache zu fördern, mit Freuden begrüßt werden Das ist auch die Ursache, weshalb die Sozialdemokraten der meisten Län- der'an diesen Arbeiten einen Anteil nehmen.
Der neue Bahnhof Bichkamp.
Die Umstellung der Berliner Stadtbahn auf den elektrischen Betrieb erzwang große Umbauten, die mit erheblichem Kostenaufwand durchgeführt wurden. Unser heutiges Bild läßt die Neugestaltung des Bahnhofs Eichkamp erkennen.
Die Zugend feiert die Verfassung. Kundgebung des Werner-Giemens-Gymnasiums.
was einer versassungsireuen. nach Freiheil ringenden Jugend an dem iverner-Siemens-Gymnasium der 11. August schuldig blieb, weil rückständige Schulmeister nicht Weimars, sondern nur Jahns dachten, das Holle sie gestern Hunderlsach. tausendfach nach. Im Plenarsaal des Reichswirtschaftsrates, der Platz für etwa 499 Personen bietet, saßen, hockten, standen weit über Tausend. Und noch einmal soviel kamen und es muhte ein zweiter Saal für die Feier in Anspruch genommen werden, wo die Redner des Abends dann nochmals sprachen. Groß« schwarz- rotgoldene Fahnen schmückten die Balustrade und das Rednerpult, sowie den Platz, wo die anwesenden Professoren und Vertreter der Reichs- und Staatsbehörden Platz ge< nommen hatten. Unter den Anwesenden war auch eine große Zahl Erwachsener, Eltern, Gleichgesinnte, die der Jugend Recht gaben. Vor allem aber Jugend, blühende, beherzte, tatkräftige Jungen und Mädel, deren Begeisterung Flammen schlug in ihrem gerechten Kampf um ihr künftiges Menschentum. Nach einer herzlichen Begrüßungsansprache durch einen der Professoren und«in von einem Schüler vorgetragenes Violin- o l o von Bach, das der Feier einen schönen Auftakt verlieh, erhielt der erste Schülervertreter das Wort. Voll Begeisterung sprach er von der Gemeinschaft der Kameraden, von einer Jugend, die sich selbst ihr Leben geslallen muh, die sich selbst ihre Verfassung gibt. Verfassung sei mehr als Formsache, sie ist der Ausdruck inneren Erlebens. Nicht bloß dem Berufs- Politiker sei ihre Erfüllung vorbehalten, alle, alle müssen daran Anteil haben. Freie Menschen woll«n wir sein, freien Geistes, freien Denkens! Den Schluß seiner Rede, die mit jubelndem Beifall aufgenommen wurde, bildete die Rezitation eines Gedichtes von Walt Whitman mit dem Endsatz:„für dich o Demo- kratie, dir zu dienen, schmettere ich diese Lieder!" Der zweite Redner war der Vorsitzende des Schüler- Ausschusses:„Wir wollen demonstrieren f ü r eine Schule, in der es keine Schande ist, sich zur Republik zu bekennen, in der es nichts mehr als Menschenpflicht heißt, all die Abseits- stehenden. Bedrängten aufzunehmen in den Kreis der großen Ge- meinschast. Wir bekennen uns schuldig der Begeisterung für die Republik , und darauf sind wir st o l z! Der Lehrer hat die Pflicht, den Schüler zum verfassungstreuen Staatsbürger zu«r- ziehen, und der Schüler hat das Recht, dies zu fordern. In der Schule wurzeln all unsere Tttcuschheitsideale, in der Schule reift die Zukunft des Staates. Man darf der Jugend den Staat und feine Verdienste nicht vorenthalten. Wir demonstrieren gegen jene Auf- assung, durch deren Hintertüren die Reaktion in die Schulen hineingeführt wird! Geschichte, die keine Beziehung zur Gegenwart hat, hat ihren Wert verloren. Wir wollen zu r e p u b l i t a- nischen Staatsbürgern erzogen werden! Di«s ist das erste- mal, daß eine Schule auszog, dem Staat ihre Huldigung zu erweisen! Wir stellen die Forderung: Lehrt uns, unsere Republik lieben! Ganz ruhig, mit tiefer, innerer Begeisterung sprach der junge Mensch diese Worte, d«ren Eindruckskraft in d«n Herzen aller widerhallte. Langanhaltendcr Beifall sprach ihm den Dank aller Gleichgesinnten aus. Hierauf meldete sich ein Schüler des M o m m s e n- G y m n a si ii m s, der von einer ebenso ver- unglückten Verfassungsseier in seiner Schule berichtete und sich im Namen seiner gesamten Kameraden dem Protest gegen die un- würdige Handhabung der Verfassungsfeiern anschloß. Nun ließ man den Dichter der Freiheit, Ferdinand Freiligrath , sprechen: Pulver ist schwarz, Blut ist rot, golden flackert die Flamme!" Ein Vertreter der Mittelklassen sprach dann von der Fordsrung der Jugend auf Freiheit und Recht. Jugend schließt keine Kompromisse, sie lehnt ab oder stimmt zu. Die Treue der Jugend zur Verfassung hat ihre Grundfeste in der Arbeiter- fugend, die. zum erstenmal befreit aus ihrer Enge, mitschafst am Wohl der Jugend, am Wohl des ganzen Staates. Eine Ver- assung, die das Volk sich gab, muß dauerhafter fein, als ein Fürstenbund,«ine Verfassung, die jedem Aufstiegsmöglichkeit bietet, eine Verfassung, die Staatsbürger will und keine Untertanen. Der Schrei nach d«m Dölkerfrieden durch Völkerverständigung darf nicht mehr ungehört verhallen, und die Zeit muß dabin sein, wo Millionen Menschen Gesundheit und Leben verloren. Krieg ist ein Schandsleck für die Völker! Wer sagt, daß dauernder Friede un- möglich sei, dem sei gesagt, daß im Augenblick, wo a l l e den Frieden
wollen, ein Krieg unmöglich ist. Der Dünkel der Gebildeten muß schwinden, dem Proletarier muß durch Gleichstellung eine neue Lebensmöglichkeit, ein neues Ideal geschaffen werden. So hoffen wir im nächsten Jahr« eine wahrhafte, würdige Verfassungsseier begehen zu können, dies soll der Erfolg der heutigen Kundgebung sein!" Im Namen der Lehrerschaft sprach Oberstudienrat B o h n e r, M. d. L. Er ist ganz eines Sinnes mit all der Jugend und hat Ver- trauen zu ihrem Handeln.„Wir find jung und�das ist schön" spricht er mit Jürgen Brand, der diese Worte zum Werbe- und Weckruf der erwachsenden Jugend machte.„Laßt die Jugend marschieren und zwingt sie nicht, stumm vor Gräbern zu stehen," so lautet sein Bekenntnis. Es sprachen dann noch Oberstudiendirechior Dr. Müller- Potsdam, der den Artikel 148 der Reichsverfossung, der von Völkerversöhnung spricht, aus tiefer Vergessenheit hob, Prof. Paul Hildebrandt und Senatspräsident F r c y m u t h. Unter Absingung des Deutschlandliedes schloß die denk- würdige Feier._ Autounglück in Charlottenburg . Ein Toter, ein Schwerverlehter. Zn Charloltcnburg ereignete sich gestern abend an der Ecke Rcueßantstraße und Dihlebenstraheein schweres Autounglück, das eln Todesopfer sordeitc. Ein mit zw«i Damen besetztes P r i o a t a u t o wurde mitten auf der Straßenkreuzung von einem anderen Privatauto seitlich gerammt und völlig zertrümmert. Di« beiden Insassen, die K7jährige Frau Sophie B a s n e r aus der E i s e n a ch c r Straße und ihre Z9jährige Tochter Irmgard wurden schwer verletzt und wurden durch dos Städtische Rettungsamt in das Westend-Krankenhaus übergeführt. Frau Sophie B. ist dort im Laufe der Nacht an den Folgen innerer Ver- letzungen gestprben. Die Schuldfrage konnte noch nicht einwandfrei geklärt werden. * Vor dem Hause Föhrer Str. 2 stießen gestern gegen 23 Uhr zwei Motorräder zusammen. Der in einem Beiwagen sitzende 37jährige Schlosser Bonoslaus D. aus der S p a r r st r a ß e wurde erheblich verletzt und mußte ins B i r ch o w- Krankenhaus übergeführt werden.
Das verschwundene Grönlandflugzeug. Letzte Rettungsversuche im Gange. O k t a w a. 22. August. Alle drahtlosen Regierungsstationen im hudfoubay- Bezirk und an der allanlischen Küste warlen aufmerksam aus irgend- welche R a ch r i ch t e n von dem vermißten Flugzeug„G r e a« e r R o ck f o r d". Aber von keiner Seile sieg» bisher ein Bericht vor. von der Meerenge von Belle Jsle. von Port Rur- well und von Ivokchambay. der nördlichsten drahllos.'n Station, werden Botschaften mit longer und kurzer Wellen- länge ausgefand», in der Hoffnung, daß die Flieger, wenn sie etwa in der unfruchlbareu Wildnis gelandet siud. antworten können. Die Berwaltung der dänischen Koloni« Grönland teilte mit. daß sie auf«ine von der amerikanischen Regierung durch das dänische Ministerium des Aeußern erhaltene Aufforderung hin den. Landvogt von Südzronland in Godthoob beauftragt Hab«, mit allen ver- fiizbaren Kräft«n Nachforschungen nach den vermißten Fliegern an allen in Frag« kommenden Orten anzustellen. Der Führer des Dampfers„Gertrud Rast" wurde aufge- fordert, nach der Abreise von Grönland nach Dänemark Aus- schau nach möglichen Spuren des Flugzeuges zu holten. Die griechische Kammer wird am 17. September zusammentreten. General Metaxas hat infolge der Niederlage, die feine Partei bei den Wahlen erlitt, erklärt, daß er sich endgültig vom politischen Leben zurückziehen werde.