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VolMfche Mebevstchk» Berlin  , 10. Dezember. Nils dem Reichstage. Herr Richter hat viele Feinde «nd ein angenehmer Gesellschafter soll er selbst für seine nächste Umgebung nicht sein, aber seine Etatsreden werden von Freund und Feind gerne gehört. Auch heute fanden seine Ausstthrnngen aufmerksame Zuhörer im Hause wie auf den Tribünen, obwohl aufrichtig gestanden wir schon bessere Reden vom Führer der freisinnigen Volks Partei gehört haben. Der Grund dafür liegt nahe. Mit dem Verschwinden des Herrn v. Köller hat die Regierung ihre aggressive Spitze verloren und bei den bürgerlichen Parteien ist deshalb die Parole ausgegeben: Abwarten! Unter dieser Parole litt die Rede Richter's, wie sie gestern der Grund für die unerwartete Schweigsamkeit der Kon- iservativen beim Antrag aus das Einstellungsversahren gegen Liebknecht   war. Allgemeine Ueberraschnng verursachte es, als nach Richter der Reichskanzler das Wort ergriff. Man weiß, daß der Kanzler ungern öffentlich spricht und wer den alten Herrn einmal in dieser Situation gesehen hat, begreift diese Abneigung. Man erwartete also wichtige Erklärungen, sah sich aber bald enttäuscht. Fürst Hohenlohe ivollte die gestern vorgetragenen Befürchtungen Kardorff'S zer- streuen, er kam aber nicht über den Versuch hinaus, seinen Hörern auseinander zu setzen, warum Köller nicht gegangen ist. Die Sozialdemokraten sind es nicht, über welche der muntere Junker gestolpert ist, zu Miß Helligkeiten im Ministerium ist es auch nicht ge kommen, aber Meinungsverschiedenheiten gab es auch inl Ministerium, wie überall wo eine Anzahl von Menschen zusammen arbeitet, und infolge dieser verschiedenen Auffassungen sei Köller gegangen. Ueber was es zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, darüber schwieg sich der Kanzler aus. Ist wohl auch sehr gleich- giltig. Sonst versprach der Kanzler, daß die Regierung sich den Schutz desguten Bürgers" nach wie vor als Aufgabe stelle und gegen die Sozialdemokratie das straffe Regiment weiter zur Anwendung kommen werde. Ob die Regierung mit neuen gesetzlichen Maßnahmen gegen unsere Partei vorgehen werde, ließ der Redner dahingestellt. Sonst ist aus der Rede nur erwähnenswerth, daß Fürst Hohenlohe der Meinung ist, der sozialdemokratische Zuknnftsstaat werde ein Raubstaat sein. Andere Leute sind freilich der Meinung, solche Staatsgebilde existiren bereits. Nach der Erklärung des Kanzlers übernahm es der nationalliberale Professor Enneccerus   geschlagene zwei Stunden zu reden, ohne etwas zu sagen. Er- wähnenswerth ist nur, daß sogar dieser Redner in Köller's letzter That eine Handlung erblickt, die nur denen nützt, welchen sie schaden sollte. Da es niittlerweile Uhr geworden war und Staats sekretär von Bötticher noch einiges über die Versicherungs- gesetze und den Nordostsee- Kanal zu sagen hatte, so kam Genosse Bebel nicht mehr zum Wort. Er wird morgen die Debatte eröffnen. Aus Bötticher's Auslassungen sei hervorgehoben, daß die Regierung auch die Arbeiter hören will, wenn sie sich vorher über die Abänderung der Versicherungsgesetze mit den Unternehmern verständigt hat. Unzweifelhaft verfrüht ist die folgende vom Bureau Herold versandte Meldung: In der Strafsache gegen die sozialdemokratischen Bereine setzen die Hand am Spiegeltische, wie eine Königin da sie gefiel sich selbst. Aber mehr noch dem Major, er blickte starr und be glückt auf die huldvoll lächelnde Frau, als wolle er rasend verliebt verhimmeln, bis endlich ihn Brambach aus seiner Verzückung riß und aufschreckte, indem er fragte: Wie aber, Herr Major, kamen Sie nach Nizza  ?" «Ja, ja, entgegnete verwirrt der Gefragte das muß ich Ihnen noch erzählen." Clotilde, stecke den Strauß doch in die Vase, rief Georgine." Aber, Mama, wir haben ja zwei schöne Vasen, ich fülle sie beide. Nun so geh', meinetwegen." Clotilde gab �hrer Mutter einen Kuß, verbeugte sich und mit den Worten:ich muß auch in den Garten!" hüpfte sie zur Thür hinaus. Der Major im eleganten modischen Zivilanzuge räusperte sich und begann, indem er seine Bartkoteletten strich: Denken Sie nur, beinahe wäre es mir nicht vergönnt gewesen, diesen Tag mit Ihnen zu verleben, ich war in Gefangenschaft." In Gefangenschaft?" riefen Georgine und ihr Mann fast zugleich. Ja. Sie staunen es war so." Aber wo? und warum?" fragte Brambach hastig. (Fortsetzung folgt.) Nuttfi und ZVistenfilHsfk. Die Polizei gegen dieWeber". Direktor Meßthaler be- avsichtigle mit seinem Schauspiel-Ensemble vor Eröffnung des Neuen deutschen Theaters" in München   Gerhard Hauptmann's DramaDie Weber  " aufzuführen. Die Auffuhrung wurde in Leipzig   polizeilich verboten; Meßthaler hat durch Rechtsanwalt Grelling(Berlin  ) bereits Berufung gegen dieses Verbot einlegen lassen. Von der Stadtdirektion Stuttgart   erhielt er derSchwöb. Tagwacht" zufolge folgenden Bescheid: Unter Bezugnahme aus Ihr unterm 14. November an das Stadtpolizei- Amt Stuttgart   gerichtetes. und von dort hierher übergebenes Gesuch, betreffend die Aufführung des SchauspielsDie Weber  " von Gerhard Hauptmann  . wird Ihnen hiermit zu erkennen gegeben, daß die unterzeichnete Be- Hörde dem Gesuche um Gestattung der Aufführung dieses Schau- spiels in Stuttgart   nicht zu entsprechen vermag, da dessen tendenziöser Inhalt darauf gerichtet ist, in einer die öffentliche Ordnung gefährdenden Weise die Unzusriedenheil der arbeitenden Klaffen zu steigern nnd die rohe Gewalllhat gegen die Besitzenden sowie die Staatsorgane zu verherrlichen!" Auch du, Brutus! Im Alexander-Theatcr war am Montag große Festvor- stellung. Louis Varney's VaudevilleDie kleinen Lämmer" er- lebten ihre fünfzigste Aufführung und dies Ereigniß war wichtig genug, den Künstlerinnen und Künstlern mit einer an die Tage desgroßen" Barney erinnernden Blumenfülle zu erfreuen. Es sieht in der That danach aus. als ob der Glücksstern für die Direktion des kleinen Theaters an der Alexanderstraße aus- gegangen ist; der Darstellung half ein wohlbesetzts Haus zu lautem Erfolge, und das Publikum schien sich i» dem Hause wohl zu fühlen. wegen Vergehens gegen das Vereins« und Versammlungsgesetz hat, wie wir hören, die Beschlußkammer beim hiesigen Land- gericht I auf Antrag der Staatsanwaltschaft beschlossen, gegen die betheiligten Vorstände Anklagt zu erheben und die vom Polizeipräsidenten angeordnete vorläufige Schließung aufrecht zu erhalten. Die Beschlußkammer de8 Landgerichts hat sich mit der SacheAuer u. Gen." noch nicht besaßt. Herr von Köller wird der konservativen Fraktion von der Köln  . Ztg." freundnachbarlich als Führer an stelle des Frei Herrn v. Hammerstein empfohlen. Hoffentlich nimmt Köller de» so ehrenvollen Autrag au. Niemand würde darüber mehr Freude empfinden als die Sozialdemokratie. Stöcker nnd die Konservativen. Die amtlicheLeipziger Zeitung", welche zu dem Beschlüsse des Elfer-Ausschusses der konservativen Partei bemerkt hatte, daß die preußischen Konser- vativen weder entschieden für noch gegen Stöcker Partei ergriffen, antwortet dieKonservative Korrespondenz": Hierzu bemerken wir, daß der geschäftsführendeElfer- Ausschuß" den Gesammtvorstand des Wahlvereins der deulschen Konservativen repräsentirt, daß dieser Ausschuß den erwähnten Beschluß einstimmig gefaßt und daß der Vertreter der sächsischen Konservativen an der Sitzung theilgenommen hat." Sie können eben den Slöcker nicht entbehren, sei» Brief und so manches andere ist den guten Konservativen zwar unbequem. aber nun wo der Hammerstein nicht mehr die Direktive giebt, kann man doch nicht auch noch auf den Stöcker verzichten. Mit der Verschlechterung des sächsischen Wahl- rechts wird es nun ernst. Eine Privatdepesche aus Dresden  meldet uns: Im Landtag wurde heute der sozialdemokratische Wahlrechts- antrag berathen. Die Redner der Kartellpart�en sprachen sich in der Debatte für ein indirektes Klassenwahlsystem aus. Der Minister des Innern versprach, noch in dieser Session des Land- tages«inen Gesetzentwurf nach dem Wunsche der Kartellredner einzubringen. Das elendeste aller Wahlsysteme soll also in Sachsen  eingeführt werden. Die blasse Furcht vor dem siegreichen Fortschreiten der Sozialdemokratie ist die einzige Ver- anlassung dieses größten Rückschritts der Gesetzgebung seit Einführung des konstitutionellen Systems in Sachsen  . Man meint mit dieserWahlresorm" die Sozialdemo- traten schwer zu schädigen. Man wird aber bald einsehen, wie gründlich manfich getäuscht hat. Einen Sturm der Eut- rüstung wird das Vorgehen der Kartellparteien in Sachsen  heraufbeschwören und der Sozialdemokratie zahlreiche neue Anhänger werben. * * Deutsches Reich  . Wie die Zwei milliarden-Schuld des Reiches entstanden ist, ergiebt sich übersichtlich aus einer dem Reichstage jetzt mitaetheilten Denkschrift. Danach sind seit 1S7S Anleihekredite der Regierung realistrt worden: für das Reichs- Heer im Betrage von rund 1298 Millionen Mark, für die Marine im Betrage von 276 Millionen Mark, für die Reichs-Eisenbahnen im Elsaß von SS Millionen Mark. Dazu komme» noch Anleihe- kredite für den Bau des Nordostsee-Kanals von 96 Millionen Mark, für de» Zollanschluß von Hamburg   und Bremen   von 52 Millionen Mark, für die Reform des Münzwesens von 46 Millionen Mark, für Post und Telegraphie von 75 Millionen Mark und für andere Zivecke der Zivilverwaltung von IS Millionen Mark. Die Kominission für Arbeiterstati st ik trat beute unter dem Vorsitz des Un''rstaatssekretärs Lohmnnn im Reichsamt des Innern zu ejner Sitzung zusammen. Als Kommissäre des Reichskanzlers wohnen der Geheime Ober-Regierungsrath Dr. Wilhelmi, der Regierungsrath Dr. Wntzdorff, sowie der Re- gierungsassessor Koch, als Konimissare des Ministers für Handel und Gewerbe der Geheim« Ober-Regierungsrath Dr. Königs und der Regierungs-Affeffor von Meyeren. als Kommissar der könig- lich bayerischen Slaatsregierung der königliche Mintsterial- Direktor, stellvertretende Bevollmächtigte zum Bundesrath von Herrmann und als Kommissar des Senats der freien Stadt Hamburg   der Fabrtkinspektor Steinert de» Verhandlungen bei. Die Tagesordnung ist foloende: 1. Eingänge und geschäst- liche Mittheilungen; 2. Untersuchung über Arbeitszeit, Kündigungs- fristen und Lehrlingsverhältnisse im Handelsgewerbe; S.Untersuchung über die Arbeitszeit in Getreidemühlen. Die Veryandlnngen werden voraussichtlich drei Tage in Anspruch nehmen. Das Arbelterschutzgesetz für die Bäckerei. Arbeiter hat dem Kaiser vorgelegen und dessen Zustimmung erhalten. Es dürfte demnach dem Reichstage noch in dieser Session vorgelegt werden. Ueber den Inhalt der Vorlage, ob sie bezw. inwieweit sie mit dem von der Reichskommission für Arbeiterstatistik ausgearbeiteten Gesetzentwurfe übereinstimmt, v lautet vorläufig noch nichts.-- Zur Rückbildung der A r b e i t er s ch u tz- .esetzgebung. Der Gcsammtverband deutscher Metall industrieller hat an seine Mitglieder eine neue Umfrage über die Wirkungen der sozialpolitischen Gesetzgebung aus die Industrie veranstaltet. Das dem Fragebogen beigegebene Rundschreiben besagt u. A. unter Hinweis auf eine ähnliche am 1. November veranstaltete Erhebung: Da das eingesanvte Material die ebenso bedauerns- als be- merkenswerthe Thalsache erkennen ließ, daß ein nicht unbeträcht- licher Theil der Mitgliedschaft die Lehrlingshaltnng überhaupt glaubt von der Hand weisen zu sollen, weil die neueren ein- schlägigcn Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung ans diesem Felde ein» Fülle von Unbcquemlichkeilen und Weiterungen nicht nur. sondern sogar von direkten Störungen des Betriebes zur Folge haben, hat der Ausschuß beschlossen, dieser Frage hinfort ganz besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden und sie sorgsäliig zu be- arbeiten. Scheint es doch schon in ganzen Bezirken zum all- gemeinen Brauche geworden, die Einstellung von Lehrlinge» grundsätzlich zu vermeiden: offenbar zum schweren Schaden der industriellen Zukunft, deren ersreuliche Gestaltung mehr oder minder vom Vorhandensein eines gut ge- schulten und handwerksmäßig ausgebildeten Arbeiterstammes abhängig ist. Die Gewerbe-Gesetzgebung soll der Industrie dienen, nicht umgekehrt. Finden sich demnach Bestimmungen, deren schädliche Wirkung (sür die Unternehmer, nicht für die Arbeiter. Red.) außer weisel steht, so ist es Aufgabe der industriellen ereine nicht zuletzt des Gesammtverbandes - auf die Aufhebung derselben hinzuwirken. Es ist deshalb höchst wünschenswerth, die thalsächlichen Zustände des Lehrlings- wesens, wie sie sich innerhalb unserer Mitgliedschaft heraus- gebildet haben, authentisch zusammenzustellen und zu beleuchten, so daß sich klar herausstellt, ob ein entschiedenes Vorgehen auf diesem Gebiete erforderlich ist. Bei dem Eiser der Staatsanwaltschaften und Polizei- behörden die Achtung vor den ZZ 8 nnd 16 des preußischen Bereinsgesetzes zu erzwingen, ist zu befürchten, daß der Gesammt- verband deutscher Metallindustrieller vorläufig geschlossen wird. Oder vielleicht nicht? Revision der Seemanns-Ordnung. Die technische Kommission für das Seeivesen hat kürzlich die Grund- züge einer neuen S e e m a» n s- O r d» u u g in erster Lesung berathen, und es sollen vor Seginn der zweiten Lesung von den an der Seeschifffahrt interesstrlen deutschen   Regierungen über eine Reihe von Fragen weitere Erkundigungen eingeholt werden. Zu den schwierigsten Fragen gehört die. wie den mit der Ein- richtnng der Heuerbase verbundenen Mißbränchen abzuhelfen sei. Ueber diese Frage wurden regierungsseitig bereits gutacht- liche Aeußerungen von den betheiligten Handelskammern«in- gefordert. Um der systematischen Ausbeutung der Seeleute durch gewissenlose Henerbasen in Zukunft vorzubeugen, hat man u. a. den Vorschlag gemacht, die sogenannten Seemanns-Heime so ein- zurichten, daß Rheder und Seeleute nicht mehr auf die Heuer- basen angewiesen sind, und ferner an stelle der Heuer- basen vereidete Seemanns-Makler anzustellen und sür diese einen Gebührentarif sowie genaue Buchführung über die Geschäftslhätigkeit vorzuschreiben. Als Kosten der Berufs- und Gewerbe- statistik, soweit sie im Reichsetat figuriren, werden ent- sprechend den Beschlüssen des Reichstages um 683 009 M. mehr als ursprünglich verlangt. Das Reichsamt des Innern schlagt nun die Ausgaben des Reichs für die Zahlung mit 2 833 000 M. an. Der Druck des tabellarischen Theiles wird das Doppelte des im ersten Voranschlage angenommenen Umfanges betragen, die Kosten der Veröffentlichung der Landwirlhschaflsstatistik werden um ein Fünftel, die der gewerblichen Betriebsstatistik um reichlich ein Drittel erhöht. Ueber den Zeitpunkt der ersten Veröffenl- lichung definitiver Resultate wird keine Angabe gemqcht. Bei Berathung der Elatposten dürste Herr v. BöUicher Herüber Wterpellirt werden. Der Kampf gegen da? allgemeine 2Bi reckt wird auf der ganzen Front des Reaklionsheeres afl� gcnoiHpen. So schreibt jetzt die konservativ geleiteteTentscljl Volkswirthschaftliche Korrespondenz": Auch in weiteren Kreisen des Volkes beginnt sich die An- schaumig schon Bahn zu brechen, daß es das gellende Wahl- recht ist, welche? eine Zusammensetzung des Reichstages schafft, die die Slimmung der Nation geradezu fälscht. Noch kurz vor der Eröffnung des Reichstages hat einer der größten Neichstags-Wahlvereine, der Hamburger, i» einer sehr zahlreich besuchte» Versammlung öffentlich Stellung gegen bas allgemeine, geheime, direkte Wahlrecht genommen. Die Hamburger Bürger. die sich zu dieser That aufgerafft haben, sind keineswegs .Reaktionäre". Mit diesem Stichwort kann ihr Verlange» nicht abgethan werde». Wenn aber in Hamburg   geschah, ivas zu thun man sonst im Deutschen   Reiche bisher Anstand ge- noinmen hatte, so wird dort naturgemäß die Anomalie besonders hart empfunden, daß die größte Handels- und zweitgrößte Stadt des Reiches im Reichstage durch drei sozialdemokralische XnawnotmuKS(NichlSwisser) dank dem geltenden Wahlrecht vertreten wird. Hamburg   hat aber noch einen anderen An- spruch, zuerst diese Forderung erheben zu dürfen. Dort war die sozialdemokratisch« Propaganda auf die äußerste Spitze getrieben. dort sollte bei der ersten Maifeier das Bürgerthum.klein" ge- macht werden, dort schloß sich aber das Bürgerlhum zusammen und wird in einmlithiger Abwehr den sozialrevolutionären Ueber- inuth abwehren. Hat sich Hamburg   im eigenen Hanse der Sozialdemokratie zu erwehren vermocht, so muß es dort besonders bitter empfunden werden, wenn die gesetzlichen Einrichtungen des Reichs ihm eine Vertretung im Reichsparlament aufzwingen. die schlimmer als gar keine ist. Was aber von Hamburg   gilt, gilt es nicht auch von fast allen unser» andern großen Verkehrs- und Bildungszenlren, gilt es weniger von Berlin  . Königsberg  , Stettin  , Breslau  , Hannover  , Elberfeld  . Frankfurt   a. M., München  «. s. w.? Fürst Bismarck   hat seinerzeit sür den Nord- deulschen Bund das allgemeine gleiche, direkte und geheime Wahl- recht nach sranzösisch-napoleonischem Muster adoptirt, weil er die Großdeutschen überbieten mußte und die Liberalen in Süd- deutschland zu sich heranziehen wollte. Als aber Fürst Bis- marck diesen Trumpf ausspielte, waren kaum Anfänge einer sozialrevolutionären Bewegung vorhanden, und niemand, also auch er nicht, konnte voraussehen, welche Entwicklung die Dinge nehme» würden. Der stärkste und der ausschlaggebende Beweis gegen das Reichstagswahlrecht ist, daß unter seiner Herrschaft trotz des Sozialistengesetzes und trotz aller sozialrekormatorischen Be- strebungen die Sozialdemokratie zu einer Gefahr sür den Kulturstand unserer Nation heranwachsen konnte und dieses Wachsthum alle anderen Parteirichtungen degenerirend beeinflußt hat." Es ist gut, diese Ausbrüche blinden Haffes gegen die Sozial» demokratie und das allgemeine Wahlrecht zu registriren. damit das Voll überall zum Bewußtsein kommt, daß es unsere Partei ist, mit der sein wichtigstes politisches Recht, da? allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht steht und fällt. Für Beseitigung des bestehenden Reichs- tagS-Wahlrechts sprach sich, nach einem Referate deS ehemaligen Reichstagsabge ordneten Dr. Böttcher, der national- liberale Provinzialverein sür Schleswig-Holstein   in seiner am Sonntag in Neumünfter abgehaltenen Versammlung auS. Der Redner suchte noch Unterstützung anderer Parteien, da er diesen reaktionäre» Schritt von einer Partei unternommen für z u gefährlich erklärte. Diese, dem§ 8 des preußischen Vereins- gesetzes zuwiderlaufende Versammlung wurde von einem Land- g e r i ch t s r a t h und Landlagsabgeordnelen geleitet. Der konservative sächsische Landtags« abgeordnete Stadtrath Seydler aus Limbach ist 'reilag Abend nach kurzem schweren Kra»ke»lager gestorben. dler vertrat den 14. städtischen Landtagswahlkreis Meerane- enburg- Hohenstein-Ernstthal. Ob eine Nachwahl statt- find?R wird, ist fraglich, da§ 9 des Wahlgesetzes bestimmt: Wird die Stelle eines Abgeordneten während des Land- tags oder kurz vor Beginn desselben erledigt, so ist dann, wenn die Beendigung des Landtags früher als die Vollendung einer Neuwahl zu erwarten, von letzterer abzusehen." Das Mandat Seydler's wäre erst im Jahre 1899 ab- gelaufen. Findet jetzt keine Nachwahl statt, so wählt dieser Kreis im Jahre 1897 mit. Der sozialdemokratische Kandidat er- hielt im Jahre 1893 1773 gegen 1873 Stimmen, die Seydler auf sich vereinigte. Sollte also während dieses Landtags noch eine Nachwahl stattfinden, so könnte leicht der 15. Sozialdemokrat in den Landtag komme». Im Reichslande werden seit einigen Monaten Parteibildungen unter neuen Namen und liberaler Flagge ver- sucht. Am 8. d. M. tagte unter dem Vorsitze von Lanique in Metz   eine Versammlung von 300 persönlich geladenen Elsäffern, welche sich als liberale lothringer Vereinigung konstituirten. Frankreich  . PariS  , 10. Dezember. In der heutigen Vormittagssitzung der Deputirtenkammer erklärte der Minister der Kolonien. Guieysse. bei der Berathung des Budgets in Be- antwortung verschiedener Bemerkungen, die französische K o l oni a l p ol it i k habeden o f fe n s i v e n Charakter aufgegeben und sei eine friedliche geworden. Frank- reich würde sich zwar durch seine Nachbaren nicht belästigen lassen, jedoch seine Besitzungen nicht anszudehuen suchen. Die Regierung wirb einen Gesetzentwurf vorlegen, welcher das Protektorat Anam-Tonkin zu einer Anleihe von achtzig Millionen sür die Regelung der finanziellen Lage und für die AussührunA von Arbeiten im öffentlichen Interne ermächtigt. Italien  . Eine sch w e r e N i e d e r l a g e hat die Kolonial- Armee in Afrika   erlitten. Die amtlicheAgenzia Stefani" meldet auS Massauah: General Baralieri telegraphirie auS Baraschit, daß die ans fünf Konipagnien bestehende Kolonne des MajorZ Toselli. welche sich bei Ambalagi befand, am Sonntag plötzlich