»Ott enier Verarmung kann keine Rede sein. Herr v. Kardorffspricht von einer Verarmung auf dein Lande. Aber die Statisti'des Brehbestandes ergiebt eine Zunahme des Werihes von800 Millionen Mark in zehn Jahre». Allerdings sind dieRenten allgemein gefallen, da muß sich der Grundrentner denVorgang ebenso gefallen lassen, wie der Kapitalist. EineAb,«ahme der Bevölkerung auf dem Lande hat sich von1885 bis 1890 nicht ergebe» oder sie beruht nur aufrechnerische» Verschiebungen, weil einzelne kleine Gemeinden, diefrüher unter 2000 Einwohner hatten, jetzt mehr als 2000 Einwohner haben. Eine Abnahme der Bevölkerung zeigt sich nurin den preußische» Gutsbezirken. Daß die Jndustriebevolkerungzunimmt, ist selbstverständlich; wo soll denn die Bevolkeriingüberhaupt unterkommen, da die Arbeit auf dem Lande beschränktsit? Sollen mehr Leute auf dem Lande bleiben, dann sorgenSie für Aufhebung der Beschrälikungen, sorgen Sie dafür.daß die kleinen Leute Besitzthümer erwerben können.Statt dessen sollen sie die Fideikommisse fördern und de» Erwerbvon Grund und Boden verhindern. Hüten Sie sich die Zuckersteuer zu machen und setzen Sie keine Prämie darauf, daß dieLeute aus dem Osten nach Sachsen gehen. Herr v. Kardorff hatden Altreichskanzler besucht; ich war begierig, was er für einob er wohl die Ziegierung scharfEr brachte aber kein Programm.alle Attinghausen: Seid einig!nicht nöthig, da die Ministergeworden waren, Herrn von Köllerauszuschließen.(Heiterkeit.) Herr vonProgramm mitgebracht hat,'machen würde.(Heiterkeit.)sondern schloß wie dereinig! einig Z Das wareben darüber einigaus ihren ReihenKardorff beschwerte sich darüber, daß die Minister sich unterelnander verhetzen. Ich weiß nicht, ob das geschehen ist; ich willdie Minister nicht vertheidigen. Zlber die Verhetzung ivar unterdem Fürsten Bismarck noch viel schlimmer. Gegen Herrn vonKöller will ich nichts sagen. Abgegangenen Miniftern sage ichnur gutes. Die Schaffung der„Berliner Correspondenz" waretwas gutes. � Ich bedauere aber, daß dieser gute Gedanke desHerrn von Köller nicht alle» Ressorts gegenüber zum Ausdruckgekommen ist. Es iverden Regierungsvorlagen verhökert bald andiese, bald an jene Zeitung. Die Minister würden gut thun inihrem eigenen Interesse, dem entgegenzutreten und zwar dadurch,daß die Vorlagen möglichst bald im„Reichs-Anzeiger" veröffent-licht werden. Wenn man sagt, das 2Sjährige Bestehe» desReiches sollte am besten dadurch gefeiert werden, daß dasEinigende beirnc wird, so ist das ein gutes Wort; unter demFürsten Bisu arck wurde gerade das Trennende, der Widerstreitder Jntcrsff n betont. Die Begehrlichkeit ist gewachsen, dieSonderinter ssen sind aufgestachelt. Das Reich kannater nicht alle Anforderungen befriedigen, ohne denHandel und Verkehr stärker zu belasten. Das ist eineböse.Erbschaft, die die Regierung überkommen hat. DieRegierung trifft aber der Vorwurf, daß sie nicht energisch genugdie Sonderinteressen abschüttelt.Gegenüber dem Antrag 5tanitz hat die Regierung eine rundeAbsage ertheilt. Aber die Zuckersleuer ist auf demselben Holzegewachsen wie der Antrag Kanitz, sie ist in ihren Grundsätzenvielleicht noch verderblicher. Es ist deshalb leicht, den Glaubenzu erwecken, daß die Regierung noch zum Antrag Kanitz sich be-kehrt. Der Antrag Kamtz ist etivas neu mit Schnüren undQuasten ausstasfirt wieder eingebracht worden. Wir werden indie Verhandlung eintreten, aber der Hanptrufer im Streit, Herrv.Hammerstein, fehlt, derRitter ohneFurcht. aber mitum so mehrTadel.Es ist gelungen, vier armselige Nationalliberale für den AntragKanitz zu gewinnen. Herr v. Bennigsen hat den Antrag alsgefährlich und verderblich bezeichnet, aber seine Freunde habenden Antrag unterzeichnet. Das scheint unter nationalliberalenKameraden ganz egal zu sein!(Heiterkeit.) Wegen des AntragsKanitz ist hauptsächlich die Hochburg der Konservativen, Halle-Herford, verloren gegangen. Trotzbein man sich bemüht hat. vondem Antrag bei der Wahl so wenig wie möglich zu reden, wurdendoch die bäuerlichen Wähler bedenklich und ließen die Kon-servativen im Stich. Das sind also ganz intelligente Leute, aberanderweitig werden die Wähler auch noch klug werden.(Heiterkeit.) Die andern Parteien sind überhaupt dieser Agitationgegenüber viel zu nachsichtig gewesen; wir müssen die Gegen-agitation gegen die Brotverlheuerer und Gelrverschlechterer— das_ ist ja ein und dieselbe Gesellschaft—etwas kräftiger anfassen. Ich habe gestern vermißt, daß Herrv. Kardorff am Schluß seiner Rede den eigentlichen Trumpf auS-spielte und den Bimetallismus als Heilmittel empfahl. Manhat mir aber gesagt, daß Herr v. Kardorff jetzt zu den andernSilbermännern fährt und daß die Silbermänner sich gegenivärtigin Paris versainmeln, weil sie das Bedürsniß empfinden. sichgegenseitig zu trösten(Heiterkeit), da es mit Balfour, aus den sieso große Hoffnungen gesetzt hatten, absolut nichts ist. Er istins Amt gekommen, aber er macht ihnen den Bimetallismusnicht. Indessen warten wir ab. Vielleicht war Herr v. Kardorffgestern hierin so schweigsam, damit der Eindruck um so größerist, wenn er nun gestärkt und gekräftigt durch die übrigenSilbermänner aus Paris zurückgekehrt ist und dann dieSlurmfahne gegen das Ministerium voranträgt. Der Land-tags- Abgeordnete Arendt hat ja in seinem Wochenblattlaut verkündet, was nun werden soll. Jetzt wird Graf Mirbachdemnächst zurückkehren und fürchterliche Musterung halten unterden Ministern.(Heiterkeit.) Dann wird es heißen: Hohenlohe,hk ßliodus, hie salta! Und wehe, wenn dann nicht das Pro-gramm des Grafen Mirbach erfüllt wird! Dann wird Hohenlohein derselben Versenkung verschwinden, in welche Gras Capriviversunken ist und zuletzt Herr v. Köller.(Heiterkeil.) Also derReichskanzler ist gewarnt!(Heiterkeit.) Er möge sich vorsehen,wenn die Herren ans Paris kommen.(Heiterkeit.) Sie sehen dieSache mit einer gewissen heiteren Ruhe an. aber darin gebe ichden Herren Bimetallisten recht: die Zeit der Halbheiten ist vorbei— entweder— oder! Die Methode, daß man sagt: ohne Prä-judiz für die Goldwährung oder den Bimetallismus. sgeht nichtlänger so; dabei verliert man das Vertrauen auf jeder Seite.Es muß ein entschiedener Standpunkt eingenommen werden, allesandere ist verschwindend gegenüber dem großen Segen der Gold-Währung und dem Festhalten an der Goldwährung.(Sehrwahr! links.) Hoffentlich wird die Regierung aus den jetzigenErinnerungs- und Festfeiern in Deutschland die Stärke undKraft finden, mehr und sicherer als bisher das nationaleBanner der gemeinsamen Interessen desganzen Volkes hochzuhalten gegenüber denSonderbündeleien von verschiedenen Seiten.Nur soweit dies der Fall ist, darf sie aus unsere Unterstützungrechnen.(Lebhafter Beifall links.)Nach dieser fast zweistündigen Rede erhält daS WortReichskanzler Fürst zu Hohenlohe: Ich bin genölhigt, auflinige Aeußerungen des Herrn v. Kardorff einzugehen. Herrv. Kardorff hat der Regierung den Vorwurf des Mangels anEinigkeit gemacht. Ich wundere mich, daß ein Politiker von sogroßer Erfahrung auf das Gerede der Zeitungen eingeht, daß dieMinister in Zeitungen sich gegenseitig befehden. Bei der Beur-theilung der Einigkeit der Regierung kommt es hauptsächlich ausZiel und Richtung der Politik an. Diese sind in meinemProgramm im vorigen Jahre beim Eintritt in dieSession festgelegt worden, und daran hat sich nichtsgeändert; die Minister sind nach wie vor damiteinverstanden, in keinem Punkte sind Abweichungenerfolgt. Der Vorwurf des Mangels an Einig-keit ist also in das Gebiet der Legende zuverweisen.(Vereinzeltes Bravo rechts.) Meinungsverschieden-heit findet überall da statt, wo Menschen sich zu gemeinsamerArbeit vereinige». Wir. die Minister, suchen die Meinungs-Verschiedenheiten in friedlicher Weise zu lösen. Der Rücktrittdes Mini st ersv. Köller ist nicht ausschließlichaus Meinungsverschiedenheiten zurückzu«führen; er ist veranlaßt worden durch Miß-Helligkeiten, die sich a» die Meinungs-Verschiedenheiten geknüpft haben.(Hört!) Ichwar zu meinem Bedauern nicht in der Lage.diese Mißhelligkeiten zu beseitigen. DieFrage der Maßregeln gegen die sozialdemokratische» Vereine in Berlin hat ebenso-wenig wie die anderen in den Zeitungen auf-geführten Gründe dazu den Anlaß gegebenWenn der Regierung Mangel an Initiative vorgeworfen wird,so möchte ich doch dabei benierken, daß das nur geschehen kannmit einem Reichstag, der eine geschlossene Majorität hat. Dasist bei uns nicht der Fall. Zahlreiche Interessen machen sichim Reichstage geltend, die den Gang der Regierung erschweren.Herr von Kardorff wünscht die Wiederherstellung der Ruhe,Ordnung und Wohlhabenheit, die Zurückdrängung der drohendenGefahren, vor denen er gewarnt hat. Wir werden fori-fahren, die gegen die Staats- und Gesellschafts-Ordnung, gegen Religion und gegen Monarchiegerichteten Bestrebungen zu bekämpfen. ImWege des gemeinen Rechts ist daS uns bekannt-lich mißlungen. Ich komme darauf nicht zurück undhabe ich nicht die Absicht, dem Reichstage ei»neues Gesetz vorzulegen. Allein der ruhigeBürger bedarf des Schutzes, und es ist nöthig,daß die Gesetze, welche bestehen und welche geeignet sind, diese Gefahren abz wenden, zurAusführung kommen.(Abg. Singer: Gegen alleParteien!) Wenn die Sozialdenwkratie sich beklagt, daß siejetzt anders behandelt wird, so ist sie selbst daran schuld. IhrePresse hat, als in diesem Sommer die deutsche Nation sich an-schickte, die großen Thaten zu feiern, welche vor 2S Jahren voll-bracht wurden, und als das gesammte Deutschland dabei seinesehrwürdige» Kaisers gedachte, dessen Muth und Weisheit zurGründung des Deutschen Reiches geführt hat(Beifall rechts),diese nationale Bewegung mit Hohn überhäuft und das„Vaterland"als einen kulturfeindlichen reaktionären Begriff bezeichnet. Ich be-schränke mich auf dieses Zitat, um den Geist anzudeuten, der indiesen Auslassungen waltet. Oft ist an mich die Frage gerichtetworden, wie lange soll das noch danern? Die Herren vonder Sozialde nl okratie dürften nicht vergessen, daß ihreGrundsätze des Kommunismus und Sozialis-mus, wie sievertrete» werden, nicht den Ein-druck der wissenschaftlichen Erörterung machen,sondern eines Begriffs, hervorgehend auseiner kulturfeindlichen, vaterlandslosen Ge-s i n n u n g. Wenn wir dagegen die Zügel etivasstraffer angezogen, haben wir dabei weite Kreise desVolkes hinter uns.(Beifall rechts.)Abg. Enneccerus(natl.): In der großen Unruhe desHauses gehen die ersten Worte des Redners verloren. Er scheintsich gegen die Ausführungen des Fürsten Hohenlohe zu wendenund zu bemerken, daß die Maßregeln gegen die sozial-demokratischen Vereine vielleicht derartige seien, daßsie Sympathie» für die Sozialdemokraten erwecken. Gegen Richter bemerkt Redner, daß dieser das Urlheilüber die 3 Herren und Hospitanten, welche den AntragKanitz unterzeichnet haben, der Fraktion überlassenmöge.(Zustimmung.) Die Mehrheit der Fraktionist gegen den Antrag und hält denselben für sehrbedenklich und für ein sehr gefährliches Agitations-mittel. Das sollten auch die Herren bedenken, welche fürihn eintreten. Der Antrag verstoße gegen die Handelsverträge.Wie denkt man sich das'i Solche Dinge müssen auch denen,welche noch Anhänger des Antrages Kanitz sind, die Augenöffnen über seine Unansführbarkeit. Herrn v. Marschall sindwir für seine Erklärung dankbar. Wir erkenne» daraus, daßdie Regierung mit aller Besonnenheit und nachdrücklich der Fragenäher treten wird, daß sie bei aller Festigkeit den berechtigtenüleressen des Auslandes nicht zu nahe treten wird.n Amerika wird der deutsche Handel vielfach belästigt. Wirwünschen die Freundschaft mit Amerika aufrecht zu erhalten.iia»ientlich aus volkswirthschaftlichen Gründen. Den Etat seheich günstiger an als Herr Richter. Ich stimme nicht ein in seinenTadel, daß mit Rücksicht ans die Steucrvorlagen die Einnahmenzu gering eingeschätzt waren. Gegenüber der stetigen Steigerungder Schulden müssen wir organische Einrichtungen treffen. Dafürist meiner Meinung nach gerade jetzt der richtige Moment.Verschiedene Parteien wollten von der Finanzreform nichts wissenwegen ihrer Verbindung mit der Tabaksteuer. Wird die Reformallein vorgelegt, so wird sie eine bessere Beurtheilung finden.Ich trete für die Reform ein, nicht blos wegen der Einzelstaaten,sondern auch im Interesse der Steuerzahler. Unnütze Ausgabenvermeiden kann nur ei» durch seine Stellung mächtiger Schatz-sekretär. Das beweist die Stellung des preußischen Finanz-nnnisters. Dem Reichs-Schatzsekretär fehlt das Haupt-argument: Ich habe kein Geld. Denn das Reichhat infolge der Matrikularbeiträge kein Defizit. JedeGemeinde und jeder Staat muß seine Ausgaben selbst be-streiten: man muß auch das Reich selbständig mache». Aber dakommt der Automat als Schreckbild für die iveniger gebildetenLeute; das ist das bewährte Agitationsmittel des Herrn Richter.(Heiterkeit.) Der Automat ist nur ein Gespenst; es ist nichtsweiter dahinter, als daß das Reich auf sich selber angewiesenwerden soll. Herr Fritzen will einen Theil der bei der Kon-verlirung ersparten Zinsen zur Schuldentilgung ver-wenden; er findet darin keinen Widerspruch gegen die�ranckenstein'sche Klausel. Das ist richtig. Diese Fragemuß in der Budgetkommisflon gründlich erwogen werden.Im Etat ist I Million Mark Ueberschuß aus dem Münz-wesen eingestellt. Ich möchte dabei die Regierung fragen wegender Bestrebungen auf Aenderung unserer Währung. Der Reichs-tag hat die Regierung aufgefordert, eine Münzkonferenz ein-zuberufen. Die Gründe für die Annahme dieses Antrages warenverschiedene. Einige wollten dadurch die Doppelwährung förder»,andere wollten aber nur eine Klärung schaffen. Ich möchteragen, welche Antworten auf die Anfrage derdeutschen Regierung von den verbündetenund von den auswärtigen Regierungen ein-g e g a n g e n s i n d. Ich stelle die Frage nur zur Aufklärung;sie Mehrzahl meiner Freunde»vill an unserer Währungnichts ändern.Die Einnahmen des Kaiser Wilhelm- Kanals decken nichtvollständig die Ausgaden. Das mutz untersucht werden in derKommission, weil leitende Handelskreise die Meinung haben, daßdie niedrigen Einnahmen veranlaßt sind durch die hohen Tarifeund die falsche Anordnung derselben. Ich hoffe, daß die Re-gierung bereit sein wird, die Materialien dazu zur Verfügungzu stellen.(Zustimmung des Staatssekretärs v. Böllicher.)Die Ausgaben des Reiches für die Invaliden-Versicherung steigen; es steigen aber auch die Kapitalansamm«lungen bei den JnvalidenversicherungS-Anstalten, und da die In-validenrenten schneller erlöschen, als man angenommen hat. so werdenMittel frei, die man anderweitig verwenden könntezurVerminderungder Beiträge oder zur Gewährung von Theilrenten oder vorüber-gehenden Renten an bedürftige bezw. vorübergehend erwerbs-unfähige Personen. Ich würde auch die Wittwen- undaifenverficherung empfehlen, die freilich nurdurch Aeuderung des Gesetzes eingeführt werden kann. Wirwollen die gesunde Fortentwicklung der Arbeiterversicherung.aber deswegen verlangen wir eine Vereinfachung derOrganisation, denn die Klagen sind hauptsächlich auf dieBelästigungen zurückzuführen, nicht auf die Versicherung selbst.Es sind schon Erwägungen darüber im Gange; ich bitte den HerrnStaatssekretär, das Material darüber baldigst zu veröffentliche».Die öffentliche Kritik würde, wie es sich beim bürgerlichen Gesetzbuchgezeigt hat. sehr zur Förderung des Werkes beitragen. In,Militärelat ist eine technische Inspektion neu vorgesehen für dieartilleristischen Institute u»d für die Fürsorge für dieArbeiter dieser Institute. Diese«» Versuche gehörtunsere volle Sympathie; ich möchte den Kriegsminister bitten.sich nicht irre machen zu lassen rn diesem Versuche durch dasüberall verilrtheilte Gebahren der Sozial-d e m o k r a t i e bei der Feier der vor 23 Jahren er-fochtenen Siege. Ueber den Stand der Militärstrafprozeßordnungkönnen die Erklärungen wohl nur in der Budgetkouimisston ge-geben werden. Der Jndiensthaltungsplan der Marine wird einergenauen Prüfung unterzogen werden müssen. In Südamerika.wo große Interessen sind, ebenso in Ostasien ist das DeutscheReich nicht genügend vertreten, weil es keine geeigneten Kreuzerhat. Nächst England kann das Deutsche Reich an,allerwenigsten einer p r ä s e n t a t i o n s f ä h i g e nFlotte entbehren. An unserer Küste liegen die großenHandelsstädte, unser Handel ist nach dem englischen derausgebreitetste. Herr Richter meint, wir sollten gute Waarenliefern; aber damit ist es allein nicht gelhan, dasbestätigen alle Sachverständigen. Vorbehaltlich der Einzel-Prüfungen, können wir die Forderungen für die Marine nichtfür zu hoch halten. Die Neberschüsse des P o st- E t a t s sind inerfreulicher Weise gestiegen. Das legt uns die Frage nahe, obnicht für die U n l erb e a mt e„ dieser Verwaltung etwas ge-schehen kann. Erfreulich ist es. daß eine geringe Aufbesserungder Minimalgehäller stattgefunden hat. Der Reichs- Justizetatenthält einige Posten, die sich auf das bürgerliche Gesetzbuchbeziehen. In der„Freisinnigen Zeitung" ist«in Angriffgegen das Gesetzbuch daraus hergeleitet worden, daß dasVereinsrecht darin nicht geregelt ist. Wir wollen nicht, daßdiese Materie mit diesem Gesetzbuch verquickt wird. Die meistenJuristen haben sich für die Annahme des bürgerlichen Gesetz-buchcs erklärt. Die große Bedeutung dieses Gesetzbuches ist fürden einzelne» kaum zu übersehen. Jeder, der einen einzelnenPunkt des Gesetzbuches bekämpfen will, sollte daran denken, daßdadurch das große nationale Werk geschädigt werden kann.Die Zuständigkeit des Reiches ist ohnehin nicht sehr ausgedehnt.Die Frage der Kunst und Wissenschast gehört den Einzel-staate»; um so nothwendiger ist es, daß das Reich wenigstensdie äußere Rechtseinheit herbeiführt. Der Bundesrath hat dasbürgerliche Gesetzbuch wohlwollend aufgenommen. Der Reichst» zsollte sich vom Buudesralhe nicht an Patriotismus übertresienlassen. Deshalb richte ich die Bitte an alle Juristen, das bürg,r-liche Gesetzbuch nicht, wie wir wünschen würden, en Hoc an-zunehmen(Widerspruch links und im Zentrum), sondern nurbezüglich der Abänderungsvorschläge sich äußerster Enthalt-samkeit zu befleißigen. Deshalb will ich mit der Hoffnunzschließen, daß der Reichstag sein möge das, was er sein sollund als was er vor 23 Jahren begründet wurde: Die Grund-läge der Einheit des Reiches. Das würde die beste Feier des23jährigen Bestehens des Reiches sein.(Beifall bei den National-liberalen.)Staatssekretär t>. Bötticher: Die Korrektur unserer Arbeiier-Versicherungsgesetze wollten wir in der Reihenfolge vornehme»,in der die Gesetze selbst entstanden sind. Das Krankenkassengesetzhaben wir 1892 revidirt und diese Novelle bewährt sich ausgezeichnet.Ueber die Revision und Ausdehnung der Unfallversicherung sindbereits im vergangenen Jahre dem Bundesrath Entwürfe vor-gelegt worden; sie sind veröffentlicht und die Kritik hat sichihrer bemächtigt, und da manches daran ausgesetzt zu werdenscheint, so wird sich der Bundesrath demnächst mit einerRevision beschäftigen. Aber wegen der erheblichen Klagenüber unsere Jnvaliditäts- und Altersversicherung wollen wirauch diese schon jetzt unter die Lupe nehmen. Es liegt ein voll-ständig ausgearbeiteter Entwurf vor, durch den die Klagen überdas Markensystem, über die Organisation unseres schiedsrichter-lichen Verfahrens abgestellt werden sollen. Dieser Entwurfsollte zunächst einer Vorberalhung von Beamten.die mit der Versicherung zu thun haben, und von fach»verständigen Arbeitgebern unterzogen werden.(Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Die Arbeitnehmerkommen auch an die Reihe. Allseitig wurdenamentlich in der einschlägigen Literatur gewünscht,durch eine generelle Revision, eine Vereinfachung der ganzenArbeiterversicherungs-Gesetzgebung, um die Sache für die Jnter-essenten bequemer und leichter durchführbar zu machen. Vonden in der Konferenz auf Vereinfachung und Zusammenwersuugder Arbeiterverstcherungs-Gesetzgebung gemachten Vorschlägen hatnicht einer den ungetheilten, oder auch nur überwiegenden Beifallder Mitglieder gefunden. Und das ist auch ganz natürlich. Jetiefer man in die Materie hineinsteigt, um so mehr erkennt man,daß die Vorschläge nicht die erwartete Wirkung haben können.Ich will aber diese Vorschläge nicht aä aeca legen, sonderndiese Frage prüfen und weiter nach Mitteln und Wegen suchen.wie dem an sich durchaus gerechten Gedanken einer Vereinfachungunserer Versicherungs-Gesetzgebung Liechnung getragen werdenkann. Zu dem Zweck habe ich gegenwärtig dem preußischenMinisterium ein Votum vorgelegt. Findet sich zur Zeit keinWeg zur Vereinfachung, so werden wir aus dem einmal ein-geschlagenen Wege fortfahren und in einer Novelle zum Allers«und Jnvalidiläls-Versicherungsgesetz«ine ganze Reihe von Vor-schrifteN' dahin korrigiren. daß das Gesetz sich leichter ausführenläßt und auch der Bevölkerung erheblich schmackhafter sein wird.Die Einnahmen des Nord-Ostsee-Kanals sind aller-dings hinter unseren Erwarlungen zurückgeblieben; bis zumNovember freilich hatten wir«ine steigende Einnahme, im No-vember ist aber eine kleine Abmindernng gegenüber dem Oktoberzu verzeichnen. Das überrascht keineswegs, es ist außerordentlichschwer, auf diesem vollständig neuen Gebiet; der Reichstag hatdas auch dadurch anerkannt, daß er die Festsetzung des Tarifsfür das erste Jahr dem Bundesrath überlassen hat. und dieserhat vor der Festsetzung des Tarifs die sachverständigsten Personendarüber gehört. Daß der Kanal noch nicht in erwünschtemMaße benutzt wird, hängt damit zusammen, daß jedes solchesneue Unternehmen sich erst in die Gunst des Publikums ein-leben muß. Daß die Verwaltung noch nicht so funktionirt,wie es zu wünschen ist, ist erklärlich; von dem vollständigneuen und ungewohnten Personal kann man keine untadelhaslenund unzweifelhaften Leistungen verlangen. Schließlich benutzendie Rheder den Kanal nicht genügend, weil sie sich sagen: wem»jetzt der Verkehr auf dem Kanal lebhaft ist, dürfen wirunter keinen Umständen auf eine Herabsetzung des Tarif»rechnen. Deshalb enthalten sie sich lieber im ersten Jahreder Benutzung des Kanals.(Sehr wahr!) Es ist fraglich,ob die dem Reichstag vorbehaltene spätere Festsetzung des Tarifsdurch Gesetz praktisch ist, denn ein solcher Tarif muß sich je na hder Frequenz moduliren können. Diese Frage wird uns jademnächst beschäftigen. Vielleicht ist es richtiger, meinetwegenunter Theiluahnie einer Kommission des Reichstages, der Ver-waltung freieren Spielrauni für den Tarif zu lassen. Der Abg.Richter sagt, daß eine Verhökerung amtlicher Schriftstücke zuZwecken des Nebenverdienstes von Beamten betrieben wird. DieRegierung ist ebenso entrüstet wie irgend jemand hier darüber.daß amtliche Schriststücke ohne Genehmigung der betreffendenRessortstelle der Presse übergeben werden; ein solches Verfahre»ist nur unter Verletzung einer Amtspflicht des Beamten oderunter Verletzung der Diskretion möglich. Seitens der Regierungist alles geschehen und wird auch ferner geschehen, um diesemUnfug, der ein sehr grober ist, zu steuern. Dazu wird eS wesentlichbeitragen, wenn der Abg. Richter mir die Spuren zeigen wollte,auf die seine Forschungen hinlenken. Bis dahin muß ich dieBezichtigung, daß ein kaiserlicher oder königlicher Beamter imNebenamt aus der Verhökernng von amtlichen Schriftstücken sicheinen Nebenverdienst verschafft, als unberechtigt zurückweisen.(Beifall rechts.)Darauf wird um 3 Uhr die wettere Berathung aufMittwoch 12 Uhr vertagt.