Rr. 403 45. Jahrgang
on 3. Beilage des Vorwärts
Die Lage der Reichsfinanzen.
Die unfelige Erbschaft des Finanzministers Köhler.
Die Lage der Reichsfinanzen ist nicht gerade rosig, und die Unternehmerverbände haben den Beschluß der Reichsregierung, die Unterstützungsdauer in der Krisenfürsorge von 26 auf 39 Wochen zu verlängern, benutzt, um auf den Ernst der Finanzlage hinzuweisen. Der Zweck dieses Hinweises war durchsichtig genug, aber deffen ungeachtet haben die Reichsfinanzen eine Entwicklung genommen, die zu ernsten Betrachtungen nötigt.
Die Lage der Reichsfinanzen war gesund, bis im Kabinett des Bürgerblocks Dr. Köhler das Reichsfinanzministerium übernahm. Er brachte es fertig, im Laufe eines Jahres
die Stabilität der Finanzwirtschaft
des Reiches fast völlig zu untergraben. Der Etat, den er im Winter 1927 dem Reichstag vorlegte, versteckte hinter optimistisch gefärbten Boranschlägen in Wahrheit ein Defizit. Während ihn die bürgerliche Bresse lobte, wies die Sozialdemokratie von Anbeginn der Etatsdebatte auf diese Tatsache hin, und Dr. Röhler war in der Diskussion nicht in der Lage, ihre Argumente zu entkräften. Aber er mußte, daß er bei einer Neubildung der Reichsregierung ausgeschifft werden würde, und was sein Nachfolger tun würde, darum hat er sich sicherlich keine grauen Haare wachsen lassen.
Dementsprechend übertrug er denn seinen Optimismus auch noch auf die Rechnungslegung. Noch jeder Reichsfinanzminister hatte bis dahin als Einnahme aus dem Münzgewinn nur den Betrag verbucht, der tatsächlich im Laufe des Etatsjahrs erzielt werden fonnte. Dr. Köhler wich von dieser Bragis ab und buchte als Einnahme den im Voranschlag vorgesehenen Münzgewinn , der nicht Doll eingegangen war, und erklärte, der Rest werde ja im Etatsjahr 1928 auftommen. Dies wird natürlich nicht der Fall Etatsjahr 1928 aufkommen. Dies wird natürlich nicht der Fall fein; aber Dr. Köhler hat sich auf diese Weise einen
hohen Ueberschuß errechnet
und sich so das Lob eines guten Finanzministers gespendet. Seinem Nachfolger aber hinterließ er auf dem Papier einen lleberschuß von 127 Millionen Mart, von dem zwei Drittel einfach nicht vorhanden waren.
Nimmt man, hinzu, daß er im Ctat für 1928 den Münzgewinn , auch abgesehen von dem Einnahmeportrag, mit 175 Millionen Mark erheblich höher veranschlagt hatte, als voraussichtlich die tat sächliche Einnahme sein wird, daß er unter den Einnahmen des außerordentlichen Haushalts 80 Millionen Mark verbucht hat, die die Reichsbahn zurückzahlen soll, aber sicherlich nicht zurückzahlen wird, daß er schließlich eine Reihe wichtiger
€ 8.91 Steuereinnahmen zu hoch veranschlagt
hat, um den von ihm vorgelegten Etat, in dem so gut wie nichts erspart wurde, im Gleichgewicht zu halten, so fann man es verstehen, daß die Lage der Reichsfinanzen pretär ist.
Die Entwicklung der Reichsfinanzen hat den Kritikern der Finanzpolitit des Bürgerblocks Recht gegeben. Die Einnahmen haben bei einer Reihe wichtiger Steuern den Voranschlag in den ersten vier Monaten des Jahres nicht erreicht. Wie üblich, werden Bermögens und Erbschaftssteuer nicht den veranschlagten Ertrag bringen. Auch die Obligationensteuer wird wahrscheinlich hinter dem Voranschlag zurückbleiben, und Umsatzsteuer und Rapital verfehrssteuern bringen weniger, als Herr Dr. Köhler zu hoffen vorgab. Schließlich erscheint es als fast aussichtslos, daß die Zölle den veranschlagten Ertrag von 1,2 Milliarden Mark erreichen werden; denn dieser Voranschlag stellte nichts anderes dar als eine großzügige
Spefulation auf eine mizernte,
und diese Spekulation ist ganz offensichtlich fehlgeschlagen. Die deutsche Ernte ist anscheinend recht gut, und der Einfuhrüberschuß an Brotgetreide, der für die Entwicklung der Zolleinnahmen von erheblicher Bedeutung ist, wird in diesem Jahre voraussichtlich
flein sein.
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Beigen so die Reichseinnahmen eine enttäuschende Entwicklung, so find auch die Reichsausgaben voraussichtlich von Herrn Dr. Köhler zu niedrig veranschlagt worden. Nachdem er im Vorjahr die Ausgaben für die Erwerbslosenfürsorge nicht hoch genug anjezen fonnte er erhöhte den Ausgabenvoranschlag feines Vorgängers um 200 Millionen Mart, und zwar, wie sich später zeigte, nur darum, weil er diese 200 millionen Mark 3ur Dedung laufender Ausgaben statt zur Dedung außer ordentlicher Ausgaben verwenden wollte, veranschlagte er für 1928 die Ausgeben für die Krisenfürsorge
nur mit 100 millionen Mark und schrieb obendrein noch einen Teil der 1927 geleisteten Ausgaben des Reiches für die Krisen. fürsorge dem Jahr 1928 zur Last, so daß allein der erste Mo. nat des Etatsjahres mehr als ein Fünftel des insgesamt peran schlagten Betrages aufgehrte. Für die Gewährung von Darlehen an die Arbeitslosenversicherung, die das Arbeitslosenversicherungsgesetz vorsicht, wurden Mittel überhaupt
in der Krisenfürsorge zeigt, die Folgen der Köhlerschen Finanzpolitik sich dahin auswirken lassen, daß die Sozialpolitit gedrosselt wird, ohne sich darum zu fümmern, daß das Arbeits losenversicherungsgesetz gerade für eine Lage, wie sie jetzt gegeben ist, nämlich eine zunehmende Verschlechterung des Arbeitsmarktes, die Krisenfürsorge vorgesehen hat. Jeder, der die Dinge aus der Praxis kennt, wird die Tatsache nicht bestreiten fönnen, daß die heutige Regelung der Krisenfürsorge auch bei einer Bezugsdauer von 39 Wochen noch sehr zahlreiche und
sehr empfindliche Härten
mit sich bringt, und daß es wirklich niemand reizen kann, um der mageren Unterstützungsfäße willen, die hier gezahlt werden, Arbeitsgelegenheiten vorbeizulassen.
Die Konsequenz, die aus dem Defizitetat Dr. Köhlers zu ziehen ist, sieht für die Arbeiterschaft ganz anders aus. Zunächst wird man versuchen müssen, bei der Berschwendung von Reichs mitteln, wie sie Röhlers Etat vorgesehen hat, nicht einfach stehen zu bleiben, sondern nach Möglichkeit dort zu sparen, wo mit Rücksicht auf die politische Lage und ohne Beeinträchtigung der Interessen der Massen des deutschen Volkes gespart werden kann. Damit allein wird freilich voraussichtlich das dem
Bürgerblock zu dankende Defizit
nicht ausgeglichen werben
nicht ausgeglichen werden können. Es wird vielmehr notwendig zu
Dauer unerträglich, daß gerade die Steuern des Besizes Minder erträge bringen. Man wird daran denken müssen, durch eine Sodann wird man wahrscheinlich die Bersteuerung altoho Erhöhung der Steuerfäße diesem Mißstande ein Ende zu bereiten.
19 1 metodu no out
Sonntag, 26. August 1928
lischer Getränte auszubauen haben, ohne dabei allzu zart mit den Interessen der Schnapsproduzenten und der Brauereien umzugehen. Wenn irgend möglich, sollte man auch die Weinsteuer wieder einführen und die Schaumweinsteuer fräftig erhöhen. Es wird nichts schaden, wenn die
Sefttrinker doppelt so viel
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wie bisher an die Reichskasse abführen müssen. Schließlich wird man auch einen Teil der Uebergewinne, die der Reichs post dant der Gebührenerhöhung vom vorigen Jahre zufließen der Gesamtertrag dieser Maßnahme stellt sich auf fast 400 Millionen Mark jähr lich, also rund das Doppelte dessen, was der Reichspoft für das Reich minister im vorigen Jahr von ihr erwartete nutzbar machen und die Ablieferung der Reichspost an die Reichs= tasse erhöhen können.
Db weitere Maßnahmen zur Einnahmeerhöhung notwendig sein werden, hängt von der Entwicklung der nächsten Monate ab. Wir zweifeln nicht daran, daß die Unternehmerperbände lebhaft protestieren und die Lohnsteuersenkung, die Krisen. fürsorge und alle möglichen anderen Maßnahmen der Reichsregie rung für die Pleite der Köhlerschen Finanzpolitit verantwortlich machen merden, wenn es sich darum handeln wird, im Herbst die Konsequenzen aus der Verwüftung zu ziehen, die unter der Vorherrschaft der Bürgerblockparteien im vorigen Jahre in den Reichsfinanzen angerichtet wurde, Ihr Vorstoß in der Frage der Krisenfürsorge ist nur ein Anfang. Es erscheint notwendig, ihnen schon heute zu sagen, daß diesmal auf fie und ihre Parteien und Syndizi die Verantwortung dafür fällt, daß der Steuerdruck, der auf dem deutschen Bolte lastet, teine Milderung erfahren fann; praktisch steht nur noch die Frage zur Diskussion, ob das Kapital oder die Arbeiterschaft
die Lasten zum Ausgleich des Defizits tragen sollen. Sie wird im Mittelpunkt des politischen Kampfes stehen, wenn der Reichstag im des Haushaltsplans für 1929 beginnen wird. Serbst wieder zusammentritt und bald darauf mit der Beratung
Die Kreditbanken Ende Juli.
Rekordstand der Kredite und fremden Gelder.
Die Entwicklung, die das Bilanzbild der deutschen Kredit. mirtschaft in einem leichten Absinken der Kreditgewährungen an die Wirtschaft und in einer Berringerung der Bilanzsummen En de Juni zeigte, hat sich im Juli nicht fortgesetzt. So ist bei dem Monatsausweis zum 31. Juli die Bilanz summe der sieben Berliner Großbanten, die im Vormonat von 10,21 auf 10,19 Milfarben gefunt en mar, bereits wieder auf 10,80 milliarden mart geftiegen. Auch die Bilanzsumme sämtlicher 94 berichtenden Kreditbanken meist eine Erhöhung der Bilanzfumme von 14,52 auf 14,69 Milliarden Mark auf.
Die Gesamtziffer der fremden Gelder( Kreditoren) bei den Ber liner Großbanten zeigt gleichfalls eine Aufwärtsbewegung. gingen von 8,72 Milliarden Ende Mai auf 8,69 Milliarden Ende Juni zurück und haben Ende Juli mit 8,78 milliarden einen Rekord stand erreicht. Gleichfalls hat das Kontoforrentgeschäft, wie der Posten Debitoren in laufender Rechnung zeigt, eine Ausdehnung erfahren. Die Debitoren, die von Ende April bis Ende Juni von 4,51 auf 4,45 milliarden Mart zurück. gegangen waren, haben sich bis zum 31. Juli um rund 200 mil. lionen auf 4,65 Milliarden Mart erhöht und damit auch einen neuen Rekord gestellt.
Diese Entwicklung ist um so auffälliger, als sich in den letzten Wochen die Anzeichen einer abbrödelnden Ronjunttur vermehrten, aber es ist deutlich ersichtlich, daß sich in der Anlage ber fremden Gelder die Verschiebung von den Wirtschafts- zu den Börsenkrebiten, bie sich in dem Ausweis Ende Juni zeigte, nicht fortgesetzt hat. Im Gegensatz zu den durch börsengängige Wertpapiere gedeckten Debitoren haben sich die Beleihungen für die Finanzierung des Börsengeschäfts von 491,3 auf 459,5 Millionen Mart gesenkt. Dieser Rückgang der Börsenkrebite, der sich aus dem daniederliegenden Börsengeschäft erklärt, findet sich nicht nur bei fast sämtlichen Berliner Großbanken, sondern auch bei den übrigen berichtenden Kreditbanken, bei denen die Börsentrebite von 852,8 auf 816,5 millionen Mart zurückgingen.
Die von den Banten gewährten Borschüsse auf verfrachtete und eingelagerte Waren erhöhten sich zum 31. Juli weiterhin von 330,5 auf 1009,2 millionen Mart. Die bei fremden Banten gehaltenen flüssigen Mittel sind zum Julischluß bei den sieben Groß banten von rund 9.7 Millionen auf 1,03 milliarden und bei den 94 berichtenden Kreditbanken von 1,25 auf 1,34 Milliarden ge= stiegen.
nicht veranschlagt, obwohl bank der von Köhler fräftig befür: Die Verschlechterung des Arbeitsmarkts
worteten Anleihepolitik Dr. Schachts schon damals die Wirtschaftslage Deutschlands fich offensichtlich zu verschlechtern begann. Diese Etatsmacherei hat nun der neue Finanzminister auszubaden und
Hilferding muß Köhlers Sünden büßen. Die Unternehmerverbände freilich wollen nicht nur Hilferding, sondern die Arbeiterschaft büßen lassen. Sie wollen, wie ihr Einspruch gegen die Verlängerung der Unterstüßungsdauer
Auch in Brandenburg Zunahme der männlichen Arbeitslosen Die Arbeitsmarktlage im Bereiche des Landesarbeitsamtes Brandenburg war auch in der Berichtswoche wieder durch starke Konjunkturschwankungen und als Folge davon durch ein in mehreren Bezirken beobachtetes erhebliches Anwachsen der Arbeitsuchendenzahl gekennzeichnet. Die gedrückte Lage besonders des Spinnstoffgewerbes veranlaßte die Mehrzahl der Betriebe zu weiteren umfangreichen
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Die Persil- Wäsche
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Entlassungen von Arbeitsfräften, es läßt sich daher über die Geftal tung des Arbeitsmarktes in der beginnenden Saison noch nichts Bestimmtes fagen; die bisherigen Anzeichen deuten jedenfalls mehr auf eine weitere Verschlechterung als auf eine Besserung der Lage hin.
Die gleichfalls sich fortsetzenden Entlassungen aus 2018 und Schnigſtoſſgewerbe, von denen vornehmlich Möbeltischler betroffen wurden, die auftretenden Absatzschwierigkeiten in der Industrie der Steine und Erden sowie die wegen Beendigung zahlreicher Arbeiten bereits einsetzende Abstoßung von Tiefbauarbeitern tragen das ihre dazu bei, die unsichere Lage, in der der brandenburgische Arbeitsmarkt schon seit etwa drei Wochen verharrt, zwar langsam, jedoch je länger je mehr zu verschärfen. Was günstig geblieben ist und voraussichtlich auch noch günstig bleiben wird, ist in erster Linie die Bermittlung meiblicher Arbeitsträfte für die Metall industrie, die auch in der Berichtswoche wieder Maschinenarbeiterinnen und jüngere ungelernte Handarbeiterinnen lebhaft verlangte, ferner für die Bekleidungsinduftrie mit ihrem anhaltenden Bedarf an Konfektionsnäherinnen sowie für die Süßwarenindustrie. Alle diese Berufsgruppen boten für weibliche Kräfte gute Vermittlungsmöglichkeiten, ohne daß es infolge fehlenden ausreichenden Angebotes immer gelungen märe, fie voll auszunußen. Start gefragt war auch die Kategorie der männ ich en jugendlichen Arbeitsträfte, und zwar ebenfalls feitens
der Metallindustrie, der Landwirtschaft sowie einzelner Zweige der Holzindustrie; auch hier blieb ein Teil bes Bedarfes am Ende der Berichtswoche noch ungedeckt, Ende der Berichtswoche noch ungedeckt,
Die Gesamtzahl der Unterstützung beziehenden Personen betrug in der Berichtswoche 99098( 99900), davon entfallen 64 626 in der Berichtswoche 99098( 99900), davon entfallen 64 626 ( 64 252) auf männliche und 34 472( 35 648) auf weibliche Hauptunterstüßungsempfänger. Arbeitslosenunterstüßung bezogen 55 756 ( 55 502) männliche und 31 740( 32 823) weibliche, zusammen 87 496 ( 88 325) Personen. Krisenunterstützung erhielten 8870( 8750) männ liche und 2732( 2825) weibliche, zufammen 11 602( 11 575) Personen
Sowjetrussisches Arbeitereiend.
Der Alkoholismus in der Sowjetunion hat in den letzten Jahren eine gefährliche Ausdehnung angenommen. Der Schnapsperbrauch ist von 246 Millionen Liter im Jahre 1925/26 auf 381 Millionen im folgenden Jahre und auf über 500
minionen Liter im Jahre 1927/28 gestiegen. Nach der jüngsten Erhebung des Zentralamtes für Arbeitsstatistit beträgt die Zunahme des Ausgabepostens Alkohol im Arbeiterhaushalt für die Beit vom 1. bis 4. Bierteljahr 1927 rund 30 Broz.(!!) Wie das sowjetrussische Organ, der Trud", hierzu bemerkt, genüge es am Feiertag oder am Zahltag einen Spaziergang selbst durch die ze n= tralen Straßen unserer Hauptstädte zu machen, um eine genügend große Zahl lebendiger anzeiger" der Höhe der Alkoholaus gaben zu fehen. Was bleibt dann noch über Arbeiterviertel und
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Persil
ist im höchsten Grade sparsam und billig.