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Sonntag 26. August 1925
Unterhaltung unö AAissen
Seilage des Vorwärts
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Bei den Großmoguten. Oer Roman einer Dynastie.
Die Cäsur im Schicksale der Großmogulen fällt nicht in die Todesstunde ihres glanzvollen Oberhauptes, des Großen Akbar, der Scheitelpunkt liegt in der Mitte von Akbars   eigenem Leben und Herrschen. Als er das Schwert aus der Hand legt, das sein Ge- schlecht emporgeführt hat, um als asiatischer Renaissancesllrst mit unerreichten Prachtbauten seinen Feldherrnruhm zu übertreffen, zieht er unbewußt selbst den Grenzstrich und löst die Lawine, der seine Nachkommen oerfallen. Kein zweites Beispiel, das mit gleicher Un- erbittlichkeit und Klarheit die Tragik der kulturellen Verfeinerung, des Hinauswachsens über die eigene, ungezähmte Kraft enthüllen würde. Mit dreizehn Iahren schon siegreicher Feldherr, war Akbar   mit fünfundzwanzig des Kriegsruhms fall, ließ von ferneher Künstler und Gelehrte kommen, baute erst Fotpur Sikri, dann Agra zu seiner Residenzstadt aus, erneuerte mitten im Fratzenwalde der hinduisti- schen Götzen, von dem finsteren, grausamen Fanatismus einer Drei- Hundertmillionensekte umlauert, die zartgeschwungenen Kuppelbauten seiner persischen Heimat. Ein Tropfen nur war sein ganzes Volk in dem Menschenozean Nordindiens, eine schmale Klinge, eingedrungen in den Riesenleib des Hinduismus, aber diese Klinge hatte dreimal schon den Riesen gestürzt, und so vertraute Akbar ihrer Schneide, sie werde auch in der Faust seiner Nachkommen die Märcheninsel be- schützen, die er in die feindliche, blutrote Sandwüste pflanzte. Aber der begonnene Wunderteppich fraß um sich, unter den schwebenden Arkaden, den glitzernden Kuppeln und mit Edelsteinen eingelegten Mauern webten die Erben den Schönheitstraum Akbars  weiter, der kriegerische Sinn versickerte zwischen den Quadern der weiten, brunnendurchrauschten Marmorhöfe, und auch das Volk vergaß über den Freuden des Rastens und Besitzens die blutigen Siegesfeste im Zeltlager des ewigen Kriegszuges. Es ist nicht leicht, dem Hochmut des Abendländers, der gewöhnt ist, alle Kunst als ein Geschenk seines Erdteiles an die übrige, un- zivilisierte Welt zu betrachten, einen Begriff von dem schönheits- trächtigen, niemals aufdringlichen Glänze zu geben, der schon an Akbars Bahre das eben erst festgegründet« Reich durchstrahlte, die unmittelbaren Nachkommen unsteter Räubersürsten in einer Atmo- sphäre veredelten Kunstsinnes die Herrschaft antreten ließ! Seine Residenzstadt Agra   hat Akbar   nicht selbst gegründet, nur ausgebaut, feine Erben haben noch an der Beroollkommnung der Bauten fort- gewirkt, und so läßt sich sein unerklärlich hochentwickeltes Kultur- gefühl, fein souveräner Sinn für Dimensionen am besten mit der Beschreibung seines Grabdenkmals illustrieren, das er sich noch hatte zu Lebzeiten errichten lassen. Grabmäler. Wie das andere berühmte Grabmal, das Akbar   seinem Dater Humayun   in der Nähe Delhis erbauen ließ, ist auch sein eigenes mitten in einen hochummauerten Park gestellt, und das übliche rote Sandsteintor, ein« Triumphpforte mit drei Bogen, reich mit in- krustierten Ornamenten geschmückt, bildet die Einfahrt. In der Mitte des Parkes steht das Grab, eher wie ein Wohnbau, wie ein vier Stock hoher Königspalast anzusehen. Die Stockwerke verjüngen sich nach oben, so daß jedes hinter dem vorherigen zurückstehend, von einem mehrere Meter breiten Erker umlaufen ist. Bon der Monu- Mentalität des Ganzen vermag vielleicht eine Vorstellung zu oer- leihen, daß in das sonderbar verschlungene Gitterwerk, das den letzten, engsten Perron umrahmt, immer noch vierundvierzig breite Fensterbogen eingeflochten sind. Zu ebener Erde gähnt ein schwarzes Tor, und eine steil abfallende Rampe führt bis unter die Mitte des ganzen Gebäudes in die Erde hinunter, rvo Akbars   Leiche liegt, in einem mächtigen Sarkophag, dessen Konturen in der Finsternis ver- schwimmen, denn es fällt nur durch einen ganz schmalen, endlos hohen Schacht, der durch alle vier Stockwerke hindurch zum Dach führt, ein leiser Widerschein des lodernden indischen Sonnenhimmels in die tiefe Grabesnacht. Steigt man aber wieder zu Tag»ud über �die breiten Stufen auf den höchsten Perron hinauf, dann steht man geblendet in einer Art steinernen Campo Santo, dem ganz aus rotem indischen Sandstein gebauten Gebäude aus schneeweißem, gleißendem Marmor aufgesetzt. Aus großen weißen Marmorquadern ist auch der Boden gefügt, durch die vierundvierzig weißen Fenster- rahmen strahlt die Bläue des Tropenhimmels, der sich frei über der Terrasse wölbt, und in der Mitte der Plattform, genau senkrecht über dem fünf Stockwerk« tiefer ruhenden Sarg«, steht, aus.einem einzigen Marmorblock gehauen, ein Zwillingsbruder des mächtigen Sarkophages schmerzend weih in der flammenden Halle.-- Der Srondiamanl auf der Zinne. Erstaunt bemerkt man zu Füßen des ungeheuren, sanft ab- fallenden Blockes einen oerkümmerten Säulenstumpf, ein achteckiges Zwerggebilde, gleichsam aus weißem Marmor, nicht höher als ein dreijähriges Kind greifen kann. Oben in der Mitte ist dieser Säulen- stumpf leicht ausgehöhlt, genau wie die Weihwafferbehälter zu Füßen der Christengräber. In diese leichte Aushöhlung unter freiem Himmel war auf Befehl Akbars  , als feine Leiche unten die Grab- kammer bezog, der damals größte Diamant, der Kohinor gelegt worden, der heute die Krone Englands schmückt. Hoch oben, auf dem versteinerten weißen Wogenkamm, den das blutrot« Gebäude gegen den Himmel wirft, sollte zu Füßen des Kcnotaphes der König der Edelsteine funkelnd der Sonne zurufen, daß dort, wo er blitzte, Shab Akbar, der größte der Großmogulen, begraben lag! Konnte diese überwältigende Mischung von Schlichtheit und Prunk, diese vierstockhohe Fackel mit dem lodernden Krön- diamanten auf der höchsten Zinne, den Sohn des Toten entlassen, ohne seinen erweckten Schönheitssinn zu neuen Toten zu spornen? Konnte Jugend, von beschäftigungslosen Künstlern umdrängt, sich damit be- gnügen, tatenlos die überlieferte Pracht zu genießen, unbehelligt von dem Verlangen fortzuwirken, auch den eigenen Namen in wür- digen Bauten zu verewigen?-- Schon Iehangir, der Sohn Ak- bars, verlegte seine Residenz aus dem vollendeten Agra  , das zu laut des Daters erdrückende Größe pries, noch Lahor«, aber erst fein Nachfolger konnte wieder aus dem Vollen schöpfen, weit die Türen der Schatzkammer aufreißen, von dem Ehrgeiz verzehrt, die Schöpfungen de- Dielgepriesenen, den sie alle denGroßen' nannten, an Pracht noch zu übertreffen. Shah Jehan  , der Enkel. war ja schon im Frieden gezeugt, hinter den gesicherten Grenzen des Reichs, in Glanz und Ueppigkeit eines prunkvollen Hofhaltes aufgewachsen, hatte auch den Großvater nur als weisen, von Ge­lehrten und Künstlern umringten Fürsten  , nicht als blutbedeckten Sieger, an der Spitze feiner Feldherren gekannt! Krieg war ihm
nur mehr ein Wort, eine überholte, roh« Gewohnheit der Ver- gangenheit. Er sah das ungeheure Ruinenfeld von Alt-Delhi, die zerbröckelten Mauern, eingestürzten Kuppeln, geborstenen Säulen. die Tagereisen weit die entseelte Ebene bedeckten, und er schämte sich seines Ahnen, des schrecklichen Timur-ling, der verständnislos, blind- wütend wie ein rasendes Tier hinweggefegt war über die reiche Königsstadt, wohl auch noch stolz darauf, ein Trümmerfeld zu hinterlassen: wo der höhere Sinn seiner hingeschlachteten Gegner Schönheit jahrhundertelang gehäuft hatte! hier ist das Paradies! So entstand, gleichsam wie eine Art Sühneopfer, unmittelbar neben dem Ruinenfeld Neu-Delhi, die dritte Mogulenresidenz. Wieder stöhnten endlose Karawanen unter der Last makellos weißer Marmorblöcke: Plätze, Säulengänge, Paläste, Bäder und Empfangs- räume sprengten fast mit ihrem Reichtum die umlagerten Festungs- wälle, die Kapitäle wurden in Gold gehüllt, die schneeigen Wände mit eingefügten Edelsteinen übersät, Tribut und Schweiß ganzer Bolksstämme auf den Schmuck jeder einzelnen Halle verwendet. Der gnädige Zufall warf einen französischen   Künstler, einen Abenteurer aus Bordeaux  , an den Hof des schönheitsdurstigen Fürsten  , und zum ersten Male verbündete sich westliches Können dem Raumsinn und der Phantasie des Morgenlandes, um mit den unbegrenzten Mitteln des Großmogulenschatzes eine Traumstadt zu schaffen.-- In die Stirne des Diwan-i-Khas, der Privataudienzhall«, zwischen die goldenen Säulenköpfe und das Gewölbe aus azurblauem Pietra- dura-Mosaik, ließ der König mit schwarzen Marmorbuchstaben die persische Inschrift einsetzen:Wenn es ein Paradies auf Erden gibt, so ist es hier, so ist es hier, so ist es hier!' Und niemand kann den Satz als prahlerisch belächeln, wenn er aus dem Schatten der Arkaden die Märchenpracht der weißen Residenz überblickt. Timurs   Rache. Dem Erbauer selbst ober erging es ähnlich wie Belfazar, er mußte allzu bald erfahren, daß es kein Paradies auf Erden gebe, die Schönheit seines neuen Palastes wurde zur leeren Hülle, die sein Kummer floh, da der kostbarste Inhalt für immer verloren ge- gangen, die vergötterte Lieblingsfrau, die junge, zierliche Muntaz Mahal, selbst noch ein halbes Kind, im ersten Kindsbett ihren Qualen erlegen war. Als holte die Faust des hinkenden Timur  aus dem Grabe zu rächendem Schlage aus, geriet der Thron, einst über Leichenbergen errichtet, über diesen einzelnen Todesfall, über den Verlust eines Kind-Weibes ins Wanken! Shah Jehan  , der Empfindsame, kehrte Thron und Hof und Leben den Rücken, wollte den Rest seiner Tage dem Bau einer würdigen Grabstätte widmen, und seine tränenblinden Augen merkten die Gefahr zu spät, die seiner Herrschast drohte. So wurde er gestürzt, ehe er fein Werk vollendet hatte, als die sterbliche Hülle der Vielbeweinten eben erst endgültig beigesetzt worden war in dem weißen Marmormausoleum, dem Taj Mahal, dessen schwebend«, hauchzarte Schönheit und fast schmerzend vollkommene Harmonie kein Bauwerk der Erde über- flügelt. Jenseits des Flusses, der dieses weiße Wunder spiegelt, sieht man noch heute die Erde ausgehoben, Teile der Grundmauern zu einer genauen Wiederholung des Grabmales aus schwarzem Mar- mor, für den König: als Verbindung sollte ein Brückenbogen aus massivem, ziseliertem Silber über den Fluß hinweg die beiden Grab- stätten verbinden. Silber!'... der Klang wirkte als Stichwort. Das Volk, das jede Hofsart geduldig getragen, unter jeder Belastung demütig den Rücken gewölbt hatte, knurrte auf, da der Herrscher, tränenreich wie ein Weib, seine klägliche Weichherzigkeit auch noch in kost- spieligen Denkmälern verewigen wollte. Zu lange hatte das Schwert gerostet, Fürsten   und Völker ringsum hatten in der langen Friedens- zeit neue Reichtümer gesammelt, neue Sieg« versprachen reiche Beute, und so riefen die Vezire den Sohn des Schwächlings, den rauhen Aurangzeb, zum König aus, und dieser ließ den gramgebeugten Vater in das Fort von Agra werfen, mochte er dort nach Belieben weiter trauern. Sieben Jahre lang saß Shah Jehan  , von den Häschern seines eigenen Sohnes bewacht, imJasminturm', dem weißen Marmor- kiosk auf dem höchsten Kamm des roten Festungswellss: der Führer zeigt noch die Säule, an die er den Rücken lehnte, den fehnsuchts- kranken Blick unverwandt auf denTaj', auf die schimmernde Kuppel geheftet, die gewichtlos, wie �in Spiegelbild, unten im Tale schwebt und seit dem Tode des Königs die Liebenden unter ihrer edlen PZölbung vereint. Aurangzeb aber raste wie sein Ahne Timur-ling durch das Gangestal, ließ auf dem höchsten Hügel der zehnfach heiligen Stadt Benares   die Moschee erbauen, die seinen Namen trägt und über den tausend Hindutempeln wie eine ewige Herausforderung ihre spitzen Nadeltürme reckt. Dieser Faustschlag.war der- letzte Triumph des Geschlechtes, das Beispiel der Zwietracht wirkte fort, die Söhne des Aurangzeb, der seinen Vater entthront' hatte, kämpften unter- einander um die Macht und spalteten das Volk, das langer Friede, Pracht und Wohlleben ohnehin gezähmt hatten. So hatte der kriege- rische Hindustamm der Mahratten leichtes Spiel,- als er nackt und hungrig, wie einst die wilden Horden Timurs  , aus dem Gebirge vorstieß. Der ungleiche, ewige Kampf wiederholte sich, zwischen dem schrankenlosen Mute der Obdachlosen/ die nichts zu' verlieren haben, und dem Widerstand der Derfeinerteu, die Besitz und Genuß-schon gelehrt haben, das Leben zu lieben und somit den Tod zu fürchten, der es zerstört._ Airdreas L a tz k o. Fische fressende Kühe. Nicht selten hört man davon, daß be- sonders in den Gebieten an der Meeresküste, dsn Schweinen Fische als Futter gegeben werden. Meist hat das Fleisch dieser Schweine dann einen etwas tranigen Geschmack. Dagegen dürste es weniger bekannt sein, daß auch Kühe gelegentlich Fische fressen. Auf einer Reise durch die nördlichsten Gebiete des europäischen   Rußlands  hat der Hannoveraner Geograph Erich Obst   beobachtet, daß die Bewohner der Küstenorte des Weißen Meeres, die ihren Haupt- erwerb im Kabeljaufang haben, ihren Kühen Fische zu fressen geben. Da die Weiden der Tundra selbst in der günstigsten Jahres- zeit, im Sommer, nur ei.n spärliches, ungenügendes Futter geben, werden die Fischköpfe, die beim Einsalzen des Kabeljaus abfallen, den Kühen zum Fressen gegeben. Ist der Kabeljaufang größer als der Absatz, so werden auch ganze Fische an die Kühe oer- füttert. Anscheinend hat sich das Äieh ganz gut an diese seltsame Nahrung gewähnt: denn es ist durchaus kräftig gebaut und macht einen gesunden Eindruck._
Oer wandernde Älumenfirauß. Von Eugen Heltai. (Autorisiert« Uebersetzung aus dem Ungarischen von Maurus Mezei, Wien  .) Als meine Frau zu Beginn des Sommers abreiste, beschloß ich, ein überaus ausgelassenes Leben zu führen. Das verworfenste Geschöpf auf Erden ist der bürgerliche Ehemann im Sommer. Es erfaßt daselbst den anständigsten Familienvater ein unerklärlicher Wahn, und er hat ein Gefühl, als würde er seinen Kindern gegen- über sündigen, falls er sich einmal vor Mitternacht niederlegte. Um solche Zeit lebt der Ehemann nicht für sich, sondern für die Kellner, für die Dienstmänner, Chauffeure, Zigeuner   und Blumenmädchen, für die Bardamen und angeblichen Elevinnen der Theaterschulen. Tagsüber schlendert er ziel- und sinnlos durch die Stadt, abends aber strebt er mit ungesunder Hast zu jenen Saisongasthäusern, wo es zwischen grüner Petersilie rotgesottenen Krebs gibt, und die Zuckermelone ihren Schatten voraussendet. In Gesellschaft gleich- gesinnter Kavaliere, wo man sich gegenseitig per General DJ�ß  , General Krug und General Eimer tituliert, führt er ein wildes Gelage auf, wobei er je nach seinem Talent die Witwen der im Herrn entschlafenen seligen Cliquot und Pomery unterstützt. Auch ich selbst war in eine solche Räuberband« hineingeraten, die jeden Abend im OfnerMarmorweibchen' ihren Schmaus abhielt. Und ich muß errötend gestehen, daß ich mich in dieser ver- fluchten Gesellschaft verflucht wohlgefühlt habe und daß ich innerhalb eines bestimuton Zeitraumes eine der volkstümlichen Gestalten des großstädtischen Nachtlebens geworden bin. Mein Hausbesorger, mit welchem ich im Winter kaum in Berührung gekommen war, ver- sichert« mir eines Morgens unter Tränen, erst jetzt entdeckt zu haben, welch einen unerschöpflichen Schatz er an mir besitze. Kam hingegen jemand um 11 Uhr vormittags in meine Advokaturskanzlei, traf er dort ein struppiges Ungeheuer an. Dieses struppige Ungeheuer schnarchte über den Tisch gebeugt. Dieses struppige Ungeheuer war ich. Und ich war trotzdem nicht ganz glücklich. Und es quälte mich dennoch etwas. Nicht das Gewissen. Diesen Begriff kannte ich aus zweierlei Gründen nicht. Erstens als hervorragender Advokat, zweitens als neugebackener Strohwitwer. Es quält« mich aber das Fehlen eines zärtlichen Wesens, um mit seinen süßen Küssen von meiner sorgen- vollen Stirn die trüben Wolken zu vertreiben. Der Junggeselle heiratet ganz einfach. Was soll aber der ver- heiratete Mann beginnen, der nicht mehr heiraten kann, weil er bereits ein« Frau hat? Der sich im Gegenteil gerade darüber freut, die Frau für einig« Wochen los zu fein. Da ich auf diese Frage keine Antwort fand, bracht« ich im Kreise der oben erwähnten Räuberbande bei einem Nachtmahl dieses schwere Problem zur Sprache. Wie würdest du diesen gordischen Knoten lösen, verehrter General Krug?' fragte ich, mich vor dem erprobtesten Strohwitwer voll Achtung verneigend. Das Ganze ist«ine Kinderei,' entgegnete General Krug, der tagsüber auf den viel einfacheren, aber weit ernsteren NamenBirn- bäum' hörte.Man kaust einen Blumenstrauß und eine Loge. Im Sommer sind beide billig. Man setzt sich mit dem Blumenstrauß in die Loge, und sitzt so lange geduldig dort, bis einem eine der auftretenden Künstlerinnen gefällt. Es ist durchaus kein Fehler, wenn diese Künstlerin jung, hübsch und untalentiert ist. Man schickt ihr den Strauß, fügt einig« freundliche Worte hinzu und die Sache geht in Ordnung. Mit Ausnahme jener Fäll«, wo sie nicht in Ordnung geht. Berstehst du?...' Ja." Und schon am nächsten Tag befolgte ich den Rat des edlen Generals Krug. Ich kaufte einen Blumenstrauß und ging ins Orpheum. Dort setzte ich mich in ein« Loge und beschnupperte demonstrativ das erstandene Blumenarrangement. Daraufhin ging der Borhang in die Höhe und ich begann mit der Bühne zu kokettieren. Eine Schön« mit rabenschwarzen Locken kokettierte zurück. Es ist selbstverständlich, daß ich ihr daraufhin den Strauß in ihre Garderobe schickte und einige freundlich« Zeilen hinzufügte. Was hernach geschah, war zumindest überraschend. Die Schöne mit den rabenschwarzen Locken schickte den Strauß mtt folgenden erläuternden Zeilen zurück: Verehrter Unbekannter! Es tut mir wirklich leid, Ihren Blumenstrauß nicht annehmen zu können. Ich bin leider Braut, und mein Verlobter ist eifer- süchtig, wie der Mohr von Venedig. Leben Sie wohl auf ewig! Jeanette.' Ich hob den Brief des lieben Kindes auf, und ich hob selbst­verständlich auch den Strauß auf. Drei Tage hindurch habe ich ihn mit wahrer Selbstaufopferung begossen, damit er von seh er Frische nichts einbüße. Nach drei Tagen ging ich mit demselben Blumenstrauß ins Moulin Rouge. Dort setzte ich mich in eine Loge und beschnupperte demonstratto mein« nicht mehr ganz frischen, aber immer noch ziemlich wertvollen Blumen. Als der Vorhang in die Höhe ging, wiederholt« ich den bereits ausführlich geschilderten Vor- gang mit einer blonden Schönheit. Zu meiner größten, um nicht zu sagen, zu meiner unangenehmsten Ueberraschung, bekam ich den Strauß diesmal in Begleitung folgenden Briefes: Verehrter Unbekannter! Es tut mir wirklich leid, Ihren Blumenstrauß nicht annehmen zu können. Ich bin leider ein« verheiratete Frau und mein Mann ist eifersüchtig, wie der Mohr von Venedig. Leben Sie wohl auf ewig. Jeanette.' Ich hob auch diesen Brief auf, ja, ich verglich ihn sogar, da mir die Schreibart sehr bekannt vorkam, mit dem ersten Brief. Es war dieselbe Schrift. Während dreier Tag« hatte Jeanette ihr Haar blond gefärbt, geheiratet und ein Engagement im Moulin Rouge angenommen. Den Blumenstrauß, der mir nunmehr schon zum zweitenmal am Hals geblieben war, pflegte ich nach den neuesten Errungen- schasten der modernen medizinischen Wissenschaft weiter. Am dritten Tag ging ich mit ihm wieder in die Stadt. Diesmal ins Tabarin. Der Strauß lebt« wohl noch, aber feine Seele war schon im Absterben begriffen. Trotzdem verzagte ich nicht. Ich setzte mich in «ine Loge und wiederholte aus Borsicht den ganzen Vorgang mit einer rothaarigen Tänzerin, ober noch immer mit ein und demselben Blumenstrauß. _ Der Erfolg wqr niederschmetternd.