„Glaubst wirklich� baß man das nicht tut?" „Das sieht man ja bei mir. Ich habe Freunde, gute Freunde, aber man muß doch nicht gleich an Liebeleien denken." „Schöner war's schon, wie man daran gedacht hat," sagte die Tante Hedwig wieder mit Usberzcugung. „Tut man ja heute auch, wenn's sich ergibt. Aber man lauft dem nicht entgegen wie ein Schulkind, das von der Stunde los- kommt. Man hat, weißt, in seinen Gefühlen immer frei und ist deshalb nicht so aufs Schulstürzen in seinem Privatleben erpicht." „Aber einmal muß man doch schulg'stürzt haben... in der Schul'... und im Privatleben." „Nein, muß man nicht. Wenn man zur Schul' gern geht und vkenn man im Privatleben tun kann, was man will, braucht man nicht schulstürzen!" „Das versteh' ich nicht, Hildekind, und was geschieht dann? Daß so ein achtzehnjähriges Mädel sich immer sagt, i kann gern haben, wen ich will, und schließlich niemanden gern gehabt hat." „Weil eben der Richtige noch nicht da war." „Du, das Hab' ich auch gesagt, wie ich bei den Restanten ge- blieben bin!" „Ihr von der früheren Zeit habt das Gernhaben als solches gern gehabt, wir haben den Mann gern, der uns gefällt, aber die ganze Inszenierung der Liebelei brauchen wir nicht." „Sehr gescheit g'red't, aber das Wichtigst« ist unerledigt: Warum ist einem Mädel wie dir noch keiner begegnet, den du so aufrichtig, so vom Herzen hast gern haben können? Ja, warum?" Hilde dachte nach. „Jetzt sangst erst an, darüber nachzudenken?" tadelte die Tante Hedwig.„Er muß halt so a Gemisch von amerikanischein Milliar« där, weltberühmtem Schriftsteller oder Komponisten und preisgekröntem Herrenreiter sein, was, bis er dem dritten Gruber- Mädel g'fällt?" „Gar nicht, Tante Hedwig. Auf den Herrenreiter verzieht' ich gleich, diese Sorte habe ich kennengelernt. Und den amerikanischen Milliardär oder so was Aehnliches in Dollarwährung, den hält' ich haben können. Nein, danke gleichfalls!" „Bleibt also die Berühmtheit." „Du gibst halt immer auf die Aeußerlichkeiten." „Aeußerlichkeiten? Wenn einer der Angebeteten seines Herzens ein Psrlenkollier umhängen kann, so ist das eine sehr innerliche Charaktereigenschaft." „Nein, für mich nicht. Perlenkolliers interessieren mich nicht, und hübsche Kleider, die freuen mich schon, die werd' ich tragen, wenn ich mir das Geld dafür verdienen werde." „Und der Mann soll zu Hause für die Kinder sorgen, wenn er sie nicht schon kriegen kann?" „Beides werd' ich zurzeit besorgen, so tüchtig sind wir heute schon, Tante Hedwig." „Na, das Versprechen freut mich am meisten, Hildekind. Ich bemüh' mich, weiß Gott , mit den jungen Menschen von heute umzu- gehen, ich les', ich pass' auf, ich such' mich, so gut ich kann, in eure Lage zu versetzen, denn ihr von heute seid ja die ärmsten Hascherl von der Welt, ihr, die den Krieg zu Hause mitgemacht habt. Aber, weißt, Hildekind, bei euch Mädeln bring' ich es nicht z'samm. Da bin ich alt und blöd. Weiht, wenn einer ihre eigene Mutter fürs Leben zugerufen hat: Hedwig, halt' dich g'rad! Und wenn man es als sehr frivol empfunden hat, daß ein Spitzel von der Unterhosen herausschaut— weißt, da kann man heute nicht mit." Das Gespräch wurde durch das Mädchen unterbrochen. „Es ist ein Diener vom Gericht da. Der Herr Oberlandes- gerichtsrat laßt sagen, daß er heut' sehr spät nach Hause kommen wird. Die Verhandlung mit dem Brandstifter soll heut' unbedingt noch zu End' geführt werden." „Hob' ich dir g'sagt, daß ihm die Fernleitnerfche Nasen wieder amal zur Flucht geraten hat? Du hast mit deinen Debüts schon Pech! Hoffentlich ist das nicht überall und immer so! Oder hast auch in der Liebe falsch debütiert und dein erstes Austreten ist ab- gesagt worden? Daß d' mir keine unglückliche Liebe durchs Leben trägst! Du, ich sag' dir's aus Erfahrung: Die Männer san's nit wert, daß man ihretwegen unglücklich ist!" „Keine Sorge, Tante. Wenn ich mich einmal verlieb', wird's schon glücklich sein. Für den Augenblick Hab' ich aber nur den einen Kummer um das verlorene Fahrgeld Wien — Bregenz , Vre- genz— Wien , und für die Meisterin muß ich es doch auch hergeben. Und dann, was ich mit dem angebrochenen Sommer weiter mach'!" „Bleibst einfach hier, der Fernlsitner muß einmal deine Bekanntschaft machen, da hilft ihm nix!" „Ja, ich freu' mich auch schon drauf, so wie er. Aber da ist ein ganzes Schippe! von Leut', für die ich sorgen muß: die Mutti, die Meisterin und ich selbst. Die alle kann ich dir nicht aufladen. Ich bleib' hier bis zum Abbrändlerabend, weißt, das ist der Abend für uns abgebrannte und hilfsbedürftige Schauspieler des Stadt- theaters. Vielleicht schaut da was für mich heraus. Vielleicht bietet sich bis dahin auch eine Möglichkeit, dem Großvater um den Hals zu fallen...„Großpapa!"—„Mein geliebtes Enkelkind!" Und dann dampf' ich eben gold- und lorbeerbeladen nach Wien . eventuell mit dem großväterlichen Segen auf dem Zopf. Ist's so recht?" „Na, bleib' nur, bleib' nur, Hildekind, so lange dir's recht ist. Bist hier ja in deinem Hause." Das Datum der Abreise war also festgesetzt: der Tag nach dem Benefizabend der Schauspieler, für den diese so große Vorbereitun- gen trafen, daß er immer weiter hinausgeschoben wurde. Inzwischen konnte Hilde mdern und schwimmen und streifte im Bregenzsr Wald herum. Die Tante Hedwig ging nur selten mit. Sie hatte immer viel für ihr Hauswesen zu tun, ober das war oft nur eins Ausred«: sie war in diesem letzten Jahre wirklich alt geworden und das Gehen schien ihr schwer zu fallen. So war Hilde auf ihren Spaziergängen allein, die Annäherungen mehrerer Kollegen hatte sie abgelehnt, und manchmal glaubte sie wohl, den langen Drobauer zu vermissen, der ihr, vehement und leidenschaftlich, aber systematisch den Einblick in fremde Welten bot. Und auf einem dieser Ausslüge traf sie Paul Bastion, der sich ihr einfach, ohne viel Formalitäten, auf dem Wege anschloß. Trotz der sommerlichen Hitze in einen langen Mantel gehüllt, ziemlich
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stark hinkend, schritt er mächtig aus und war bald an der Seit« Hildens, um ihr die botanische Absonderlichkeit eines Farnkrautes zu erklären. Hilde blieb mit ihm stehen und hörte ihm zu: Das mußte sie dem Doktor Wolfs wieder erzählen. Paul Bastian sprach vom Vorarlbcrger Lande, das er liebte, von den Leuten im Montafoncr Tal, die in Abstammung und Wesensart so anders seien als die Bewohner des übrigen Landes und als die Tirols, schwarzäugig und schwarzhaarig, oft romanischen Temperaments und vielfach von einem geheimnisvollen Drang nach Frankreich getrieben, das vielen Familien von ihnen die Heimat sein mochte, aus der sie in den Wirren der großen Revolution in das abgeschiedene, von allen politischen und militärischen Stürmen verschonte Tal geflohen waren. „Wollen Sie mit mir einen Tee nehmen?" Sie ließen sich vor einem Wirtshaus an einer Straß« nieder und Paul Bastian zeigte aus den Tisch:„Sehen Sie, auch der ist
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Montafoircr Arbeit, schöne kunstvolle,«ingelegt« Arbeit, wie Sie sonst nirgends finden. Das ist eine Vorarlberger Kunst, die sich in dieser Art hier erhalten hat." „Sind Sie ein Einheimischer, daß Sie sich in allen Vorarlbcrger Dingen so gut auskeimen?" „Ich? O nein, ganz im Gegenteil. G'rad, weil ich kein Hiesiger bin, studier' ich Land und Leute so gut. Vielleicht kommt einmal ein Buch über Vorarlberg heraus, eines, das von hydrographischen
Verhältnissen bis zur Geschichte der hier ansässigen Familien alles behandelt. Es gibt hier-n den Pfarrhöfen und bei manchen Familien alte Chroniken. Material Hab' ich also genug." „Sie sprechen auch gar nicht die Mundart der Leute hier!" „Natürlich, ich bin doch ein Wiener, vom Kriege hierher- geworfen, und mag nicht mehr fort, kann auch nicht mehr fort." Sein« Geschichte war einfach. Nach langen Reisen im Aus- land war er im Kriege wieder nach Oesterreich zurückgekehrt, war auf allen Plätzen des Schlachtens gewesen, in Rußland , in Italien , Serbien , sogar in den Dardanellen, und zum Schluß war �er in Landeck in einem Spital gelegen, und als der Umsturz die Seelen und die Menschen aufgewühlt hatte, daß sie das Osftziersspital stürmten, war er, wie jene alten französischen Familien, über d:s Berge, noch an einer noch nicht geheilten Fußverletzung leidend, nach dem Montafoner Tale geflohen und hier geblieben, bis sich die Geister beruhigt hatten, und weiter hier geblieben, weil er doch nirgends eine Heimat habe und sich in der milden Landschaft und bei seinen Studien wohlfühlte. „Wollen Sie einmal zu mir kommen, Fräulein? Ich Hab« mich auf einem Berge angesiedelt, der Silberberg heißt, wc.l er, wenn man ihn von unten sieht, wirklich ganz feine silberne Kon- turen in den Himmel zieht. Keine Gefahr für Ihren guten Rus! Ich hause dort mit einer uralten Wirtschafterin, und bei mir wundert sich niemand über etwas." Hilde erwiderte, daß sie so lange, um ihren guten Ruf zu ge- fährden, gar nickst hier bleibe. „Ich bleib' auch nur zwei oder drei Tage in Bregenz , um mit einem alten Herrn, der ein Ansässiger ist, mehrere Probleme meiner Arbeit zu besprechen. Bregenz ist zu sehr Großstadt für mich. Ich will auf den Silberberg zurück." Hilde lachte und sagte, daß sie vom Grohstadtleben der schönen Stadt Bregenz eigentlich nicht so betäubt sei. „Ich bitte. Fräulein, ein Theater gibt's hier sogar." „Es ist, weil die Leute hier Ihrer Ansicht über das Thema waren, soeben eingegangen." „Reckst so." „Sagen Sie das nicht, denn ich gehör' dazu." „Schauspielerin?" Zu dienen." „Fatal. Für Sie und für mich, weil ich das soeben gesagt habe. Sehen Sie, in der Wildnis wird man taktlos." „Trösten Sie sich, im übrigen ist auch mir eine wirklich schöne Wald- oder Berglandschaft lieber als der prachtvollste gemalte Prospekt." „Das sagen Sie nur so." „Ich suche Ihnen gar nichts vorzumachen. Wir sehen uns heute und wohl niemals wieder." „Vielleicht doch, in den Straßen von Bregenz begegnet mai, sich oft." Sie nahmen ihren Spaziergang wieder auf. (Fortsetzung folgt.)
WAS DER T MlNMMMMMMMMMMWMMNMMIMlWlttllUMlMNMiWMWMUMIMM Ein amerikanischer Scherz über Berlin . Uns wird geschrieben: Ich hörte dieser Tage eine amerikanische Scherzfrage über Berlin : is Berlin the fastest city in Barops?" „Because it is always on the, spree '!" Wörtlich übersetzt: „Warum ist Berlin die schnellste Stadt Europas ? „Weil es immer an der Spree liegt!" Der Witz liegt in der doppelten Bedeutung einiger Wörter. „Bastest" heißt nämlich nicht nur schnellste, sondern auch forscheste oder fescheste, und unter„spree " versteht der Amerikaner auch Ge- läge, Lustbarkeiten, Saus und Braus,„Jux"! Warum also ist Ber- lin die forscheste Stadt in Europa ? Weil da immer was los ist! Wie wär's, liebes Fremdenverkehrsamt,, kannst Du diesen„Slogan" nicht in den Dienst Deiner Werbung für Berlin stellen? H. L. Unier Artisten. Die Artisten, deren Darbietung, endlos ausgetüftelt, fix und fertig ist, sagen: Die Nummer steht. Und wenn sie dann in ein Engagement kommen, wird nach der ermüdenden Reise nicht ge- probt, sondern nur zur Musik„markiert". Haben sie keine eigene Musik, geben sie der Kapelle Instruktionen. In den Berliner Win- tergarten kamen einmal zwei Exzentriks, und der Chef gab fol- gende Weisung:„Marsch, wenn wa rauskommen, janz schnell, wenn ick meinen Kollejen eine runterhaue bis zu die Stelle, wo er die Reese leuchten läßt, denn jehn Se in Schimmytempo über, bis ick über ihm stolpere, und dct bleibt dann auch, wenn je- schössen wird und er mit den Stock uff'n Kopp haut, und erst, wenn ick ihm in'n Hintern trete, spielst'nen Walzer, hab'n wir'n dann zu Ende jetanzt, dann jieß ick ihm den Eimer Wasser übern Kopp. Nun spiel'n S'en Tusch und dann Vorhang." Die Trusts der geheimen Spritbrenner. Trotz des staatlichen Wodka-Monopols hat das geheime Sprit- brauen in Rußland in ungeheuerer Weise zugenommen. Die Technik der Apparate hat sich in einer Weise vervollkommnet, daß manche Mechaniker in Kiew zum Beispiel dabei 200 bis 300 Rubel monatlich verdienen. Der selbstgebraute Spiritus erreicht eine Stärke von 60 bis 85 Proz. Er ist billiger zu taufen als der staatliche Schnaps. Amüsant ist aber festzustellen— wie das die sowjetrusstsche.Lei- tungen für Handel und Industrie tut—, daß sogar Selbst- brennertrusts existieren, mit selbstgewählten Leitungen, technischen Abteilungen, Buchführung usw. Die„Selbstbrennereien" befinden sich aber nicht mehr' in Scheunen oder in Wohnhäusern, sondern in Gärten, in Gräben und Wäldern. So wurde in einem
AG BRINGT. iiiiimmimiiiniiimmiimiMiiiiiiiii:iiiiiiiiimmmmiimiiiiiiimmimiiiiii:imiiiiiiiiiiinini Walddickicht bei Kiew vor einiger Zeit eine Gcheimbrcnnerei aus� gehoben. Auf einer Jahrhunderte alten Eiche, die sich am Eingang befand, las man:„Die Fabrik existiert vom Jahre 1920." Zahlen ohne Ende. Nach den letzten zuverlässigen Schätzungen vom Ende Mai 1928 beträgt das Nationalvermögen der Vereinigten Staaten 320 Mil- liarden Dollar. Die Schienenstrecke der Eisenbahn hat eine Länge von 250 000 Meilen. Die Zahl der Telephon- und Radioapparate beläuft sich aus 18,5 Millionen Stück. Der Wert der amerikanischen Erzeugnisse beträgt 62 Milliarden Dollar, der der landwirtschaftlichen Erzeugnisse nahezu 20 Milliarden Dollar im Jahr. Die Ausiuhr hat einen Wert von 4,75 Milliarden Dollar. Automobile gibt es 23 Millionen bei einer Bevölkerungszahl von 117 Millionen. Mann und Frau dürfen sich nicht küssen. Die Prüderie der Amerikaner ist ja bekannt. Vor kurzem wurde in New Park ein Mann zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er öffentlich am Badestrande seine Frau geküßt hatte. Als er in der Gerichtssitzung sich damit zu verteidigen suchte, daß es ja„nur" seine Frau gewesen sei, da meinte der Richter:„Um so schlimmer, verheiratete Leute sollten kein schlechtes Beispiel geben. Küssen Sie sich doch zu Hause". Todesstrafe oder Krebs. Das Nationalkomitee für Hygiene in Havanna hat beschlossen. dem Kongreß einen Vorschlag zu unterbreiten, laut dem den zum Tode Verurteilten der Krebs eingeimpft werden soll. Auch einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Komitee ausgearbeitet: die zum Tode Verurteilten sollen vor die Wahl gestellt werden, entweder sich hinrichten zu lassen oder sich einer Krebsimpsung zu unterziehs». Die sich für das letztere entscheiden, sind für die nächsten zwölf Jahre der medizinischen Fakultät zur Verfügung zu stellen. Falls sie nach dieser Zeit noch am Leben sind, werden sie aus dem Gefängnis ent- lassen. Jedenfalls eine Neuerung: zum Tode Verurteilte als medi- zinische Versuchsobjekte. Graphologie im Regierungsdienst. Die kanadische Regierung hat einen bekannten Graphologen und erfahrenen Psychiater in ihren Dienst genommen, dessen Auf- gäbe darin besteht, die Handschrift aller Bewerber für irgendwelche Aemter im Dienste der kanadischen Regierung einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Mr. Jacob, dem dieses Amt übertragen wurde, oerfügt über reiche Erfahrung auf dem Gebiete der Grapho- logie und er stellt angeblich aus der Handschrift nicht nur die Fähig- leiten des Bewerbers, sondern auch seinen Gesundheitszustand fest,