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Abschied vom Weltparlament.

Schluß der Berliner Konferenz.

Die 25. Konferenz der Interparlamentarischen Union hat gestern ihre Beratungen geschlossen. Wer sie verfolgt hat, wird die Ueberzeugung gewonnen haben, daß die linion durchaus feine überflüssige Einrichtung ist. Sie ist die breiteste Tribüne des internationalen Meinungs­austausches gerade deshalb, meil sie nicht nur die ver schiedensten Nationen der Welt, sondern auch innerhalb der Nationen die verschiedensten Parteien umfaßt. Aus dieser Bielgestaltigkeit ergibt sich eine Fülle der persönlichen Ein­drücke, der Anregungen und Probleme, ein Ausblid auf internationale Beziehungen-und auch Berwicklungen- wie ihn, von der offiziellen Völkerbundversammlung viel­leicht abgesehen, feine andere Bersammlung der Welt zu bieten vermag.

Von einem einheitlichen Geist mird man freilich in einer solchen Versammlung taum sprechen können, die außer deutschen Sozialdemokraten auch Deutschnationale umfaßt, in der neben englischen Konservativen auch Arbeiter­parteiler figen, in die sich sogar auch ein englischer Kom­munist verirrt hat, dem gegenüber italienische Faschisten ihren Gig aufgeschlagen haben. An Spannungen welf­anschaulicher und nationaler Gegensäge fann es da nicht fehlen; die Atmosphäre der internationalen Höflichkeit, in die alles getaucht ist, kann die Ausdrucksform dieser Gegen­säze mildern, sie selber aber nicht verdecken. Und sie soll es fa auch gar nicht! Denn erst diese Gegensätze verleihen den Verhandlungen ihren Reiz.

Im allgemeinen fann man fagen, daß in dieser inter­nationalen Gesellschaft der Geist der Demokratie und eines realpolitischen Pazifismus zwar nicht alleinherrschend ist, aber doch vorwiegt. Selbstverständlich kann sich eine solche Konferenz, an der Arbeitervertreter der verschiedensten Länder zahlreich beteiligt sind, auch sozialistischen Gedanken­gängen nicht ganz verschließen.

Entschließungen, die in einem solchen Milieu gefaßt werden, fönnen naturgemäß nur recht allgemeiner Art fein. Nicht in ihnen liegt der eigentliche Wert der Kon ferenz, sondern in ihren Diskussionen, die für die ver­fassungsrechtliche Entwicklung der Welt und für den Aus­bau ihrer internationalen Einrichtungen wertvolle An­regungen enthalten. So fann man nur wünschen, daß die Bertreter der verschiedensten Bölter nur noch öfter als bis­her den Weg zueinander finden mögen, um persönliche Bes ziehungen zueinander anzuknüpfen und ihre Meinungen in parlamentarischer Form auszutauschen. Wäre es auch nur, um den Beweis dafür zu erbringen, daß erst der internationale Geist der Geist der Arbeiterklasse und des Sozialismus aus dieser bunten Biel­fältigkeit eine willens- und tatkräftige Einheit zu schmieden Dermag!

Im weiteren Berlauf der Schlußsigung der Interparla mentarischen Union erklärte de Balera- Irland, die Resolution müsse die Eroberung nicht nur für Gegenwart und Zukunft, sondern auch für die Bergangenheit verurteilen. Deshalb dürfe der internationale Gerichtshof nicht aus Bertretern der Staaten zusamemngesezt sein. Gefährlich sei die Anerkennung des Status quo in der Resolution. International müsse ebenso die Möglichkeit bestehen, sich gegen ungerechte Friedensverträge zu wehren.( Lebhafter Beifall.)

Dr. Wottawa- Desterreich verlangt, daß der Begriff Böller" in die Resolution eingefügt werde. Man dürfe nicht nur von ,, Staaten und, Nationen" sprechen. Das österreichische Bolt fei ein Teil des deutschen Boltes, es müsse das Recht haben, frei über sich selbst zu verfügen. Die österreichische Delegation behalte sich ihre Stellung wegen dieser Bedenken vor. Auch die Frage der Minderheiten komme in der Entschließung nicht genügend zur Geltung. Man müsse dem Zustand wie in Italien ein Ende machen, daß große Minderheiten in ihrer Muttersprache nur schweigen dürfen.( Lebhafter Beifall.)

Der holländische Radikale van Embden widerspricht der Stelle der Entschließung, die den Staaten das Recht militärischer Notwehr gibt. Dann sei es nur noch ein fleiner Schritt bis zur Präventip­offensive.

In der Nachmittagssigung begründet Cindhagen- Schweden einen Antrag auf Hinzufügung folgenden neuen Absatzes zu der vorge­schlagenen Resolution: Was oben über die Rechte der Staaten ge= fagt ist, gilt nicht gegenüber beherrschten Bölkern, die vom Mutter­lande des herrschenden Staates getrennt leben. Das Selbstbestim mungsrecht solcher Bölfer muß neben den Gesetzgebungen der Staaten durch internationales Gesetz geschützt werden."

Abg. v. Ludi, Vertreter der Ultrainer in Bolen, stellt sich auf die Basis der La Fontaineschen Grundsäße und verlangt für alle Ukrainer das Recht zu einem eigenstaatlichen Zusammenschluß.

Abg. Renaudel- Frankreich beantragt für§ 6 der vorgeschlagenen Resolution eine Ergänzung, wonach die Mobilisierung im Falle der berechtigten Selbstverteidigung nur zufäffig sein soll nach porheriger Befragung des Bölferbundes und auch dann nicht einfach durch Regierungsbeschluß, sondern durch Beschluß

der Bolksvertretung.

Abg. Holger Andersen Dänemark erkennt die idealen Bestre­bungen an, die die Kommission mit ihrer Entschließung verfolge, sieht aber in der vorgeschlagenen Fassung feinen praktischen Weg zur Lösung der vorhandenen Schwierigkeiten. Er verlangt deshalb 3urückverweisung an die juristische Kommission.

Figgerald( Bereinigte Staaten) protestiert im Namen der Amerikaner gegen den Artikel der Entschließung, der besagt, daß die Gesamtheit der Staaten verpflichtet ist, einem mit bewaffneter Ge­walt angegriffenen Staate beizustehen. Einem solchen 3wange fönne fidh Amerifa nicht unterwerfen.

Ehemaliger Minister Heemskerk ( Niederlande ) schließt sich dem Borschlage Andersens an,

Winiarsti- Polen begrüßt den pazifistischen Geist der Resolution. René Brunet Frankreich bezeichnet es als notwendig, eine Inter­pretation der in der Resolution aufgestellten allgemeinen Ariome festzulegen.

Eine internationale Berfaffung müffe das Ziel sein. Diese Resolution bilde die Vorrede. Das Wert müßten unsere Nach

tommen schaffen.

Heile- Deutschland befürwortet namens der deutschen Gruppe folgenden Antrag: Die Konferenz beauftragt den Rechtsausschuß. Richtlinien auszuarbeiten, die für die völkerrechtliche Behandlung der Bestimmungen der Resolution maßgebend sein follen."

Abg. Frau Teusch- Deutschland begrüßt im Namen der weiblichen Delegierten die grundsägliche Einstellung der Konferenz für volle

Kriegsächtung istra

Keling! Pakt

Th

Euer Geschreibsel tut mir nichts, haltet mir nur den Kerl da hinten vom Hals!"

Gleichberechtigung aller Staatsbürger, gleich viel welchen Ge­schlechts.

Der französische Abg. Nogaro hält es für richtig, wenn diese Bersammlung einmal die nüchterne Stepfis zurückstelle und sich mit den Verfassern der Entschließung zusammenfinde in der Aufstellung eines hohen Jdeals der. pazifistischen Aftion. Als ein Gegenstüd zu der gestrigen feierlichen Unterzeichnung des Kellogg - Paftes müsse heute die Interparlamentarische Konferenz erklären, daß alle Staaten Bölfergemeinschaft mit allen Mitteln zurückzuweisen. die Verpflichtung auf sich nehmen, den Angriff eines Staates auf die

Abg. Dr. Tinzl( Südtirol ) wünscht die Entschließung dahin inter­pretiert, daß der Begriff der freien Entwicklung auch die freie Bestimmung der Nationalität enthalte, an deren Kultur sich die Bürger und ihre Gemeinschaften gebunden fühlen, und deren Pflege dieser Bunft gewährleisten jou.

Zurücverweisung der Entschließung Lafontaine.

Holland und Andersen- Dänemark auf zurückweisung der Ent­Die nun folgende Abstimmung über den Antrag Heemsterf. schließung an die Juristische Kommission bleibt in ihrem Ergebnis zunächst zweifelhaft, so daß zum erstenmal in der Geschichte der Union eine namentliche Abstimmung erfolgen muß. Dabei stimmen die deutschen Delegierten geteilt. Für die Zurückweisung stimmen die Mitglieder der Deutschnationalen, der Deutschen Volks. partei, der Bayerischen Volkspartei und die Demokratin Frau Dr. Lüders. Die aus Zentrum und Demokraten bestehende Mehrheit der deutschen Delegation stimmt gegen die Zurückverweisung. Geteilt stimmen auch die Desterreicher. Die französische Delegation stimmt geschlossen gegen die Zurückverweijung.

Als Ergebnis der Abstimmung wird eine erhebliche Mehrheit gegen die zurüdverweisung an die Kommiffion festgestellt. Hierauf werden die ersten drei Artikel der Entschließung mit großer Mehrheit angenommen.

Artikel 4 sagte in der ursprünglichen Fassung, daß die aus freiem Willen zwischen Staaten abgeschlossenen Verträge nur mit 3ustimmung der interessierten Staaten aufgehoben oder abgeändert werden können. Der Berichterstatter Lafontaine empfiehlt jetzt im Einklang mit einem Aenderungsantrag die Ergänzung: Mit Zustimmung der beteiligten Staaten oder in Gemäßheit internatio­nalen Rechts." Artikel 4 wird in dieser Fassung angenommen.

Zum Artikel 9, der von den territorialen Verschiebungen spricht, wird die vom Berichterstatter afzeptierte Ergänzung angenommen: Die Bölfer haben das unveräußerliche und unverjährbare Recht, über sich selbst zu verfügen." Der von Lindhagen( Schweden ) dazu beantragte 3ujah: und die Staaten haben die Pflicht, auf dieses Recht Rücksicht zu nehmen" findet nicht die nötige Mehrheit. Auf Antrag Heile Deutschland wird die Kommission beauftragt, Richtlinien auszuarbeiten, die für die völkerrechtliche Behandlung territorialer Verschiebungen maßgebend sein sollen.

Im übrigen wird die Entschließung mit den vom Berichterstatter akzeptierten Ergänzungen angenommen.

Das Amendement Renaudel wird der Kommission überwiesen. In der Schlußabstimmung wird die Entschließung im ganzen unter Beifallskundgebungen angenommen.

Schutz des parlamentarischen Regimes. Hierauf folgt die Entscheidung über die am Sonnabend von der ägyptifchen Delegation eingebrachte Entschließung zum Schuhe des parlamentarischen Regimes.

Dazu legt der Rat die bereits mitgeteilte veränderte Fassung vor. Der driffe Absatz, der betont, daß die Union ein Urteil über die politischen Verhältniffe, namentlich die innerpolitischen Berhälf­niffe einzelner Staaten vermeiden wolle, wird mit 59 gegen 45 Stimmen angenommen. Dagegen haben mit den Aegypfern auch die Deutschen gestimmt.

Die gesamte Resolution wird unter Beifallsfundgebungen mit großer Mehrheit angenommen.

Es wird dann durch Zuruf die Neuwahl des Interparia. Professor Dr. Schüding und Reichstagspräsident Löbe ver­mentarischen Rats vorgenommen, in dem Deutschland durch treten ist.

Die Schlußansprach.e

Darauf ergreift der Vorsitzende der Konferenz, Professor Schüding, das Wort zur Schlußansprache, in der er zunächst eine Uebersicht über die Arbeiten der Konferenz gibt, und dann fortfährt:

Es ist nicht nur die Pflicht des Borsitzenden, den wesentlichen Inhalt der gefaßten Entschließungen wiederzugeben, sondern auch die nationalen Gruppen auf ihre Verpflichtung aufmerksam zu machen, das Ihrige dafür zu tun, damit der Inhalt der Resolu­tionen daheim Kraft gewinne. Indem ich auch dieser Pflicht genüge, möchte ich abschließend noch eine allgemeine Betrachtung anstellen. Ich habe mir erlaubt, in meiner Eröffnungsrede das gegenwärtige Beitalter als ein 3eitalter des lleberganges zu fenn zeichnen. Wie lange soll dieser llebergang dauern? In den histori­schen Vorlesungen, die ich als Student hörte, habe ich gelernt, daß der Uebergang vom Mittelalter zur Reuzeit etwa zweihundert Jahre gedauert habe. Sollen wir auch diesmal zweihundert Jahre warten bis das Zeitalter der Desorganisation der Völker, aus dem

wir fommen, einem neuen Zeitalter des internationalen Rechts­friedens Blaz gemacht hat? Ich fürchte, dann wird von unserer Kultur nichts mehr übrig sein, was in das neue Zeitalter eingebracht werden könnte. Wenn der Ausbau der internationalen Rechtsord Katastrophen auftauchen, die alles in den Abgrund nung sich so langsam vollziehen sollte, dann werden inzwischen noch reißen. Und selbst wenn in dieser Zwischenzeit internationale Ratastrophen vermieden werden fönnten, so werden meines Er­achtens innere Katastrophen über unsere staatliche und wirt­schaftliche Ordnung hereinbrechen. Die kommunistische Revolution Rußlands follte zu denken geben.

Die Zeit ist vorbei, wo die Massen den Reichtum des einen und die Not des anderen als Goff gewollte Ordnung hinnahmen. und wenn Sie den Massen sagen, eine andersartige Berteilung der Güter fann euch nicht helfen, weil gar nicht genug Güter in der Welt vorhanden sind, um jedem eine menschenwürdige Existenz zu ermöglichen, so werden sie antworten: je weniger Güter in der Welt vorhanden sind, desto weniger Verschwendung darf mit diesen Gütern getrieben werden; wenn ihr es aber nicht fertig bringt, ein neues System der Staatenbeziehungen aufzurichten, wenn ihr nach wie vor Millionen und Milliarden für Mordinstru mente ausgebt, statt den Armen und Elenden dieser Welt zu helfen, dann ist eure Stunde abgelaufen, dann werden wir mit Gewalt euren Staat und eure Wirtschaft zertrümmern, um einmal ganz von neuem anzufangen auf besseren Fundamenten.

Ich glaube, unter so bedrohlichen Zeichen haben alle Nationen Beranlassung, immer wieder bei sich Einkehr zu halten, sich einen ganz anderen Begriff von nationaler Ehre zu schaffen als sie ihn fich früher vielfach zurechtgelegt haben, und zu der Erkenntnis por zubringen,

daß die nationale Ehre nicht in dem Borhandensein von Panzern und Bataillonen besteht, sondern darin, daß fich zunächst ein.

mal jeder im Vaterlande satt essen tann.

Um das zu ermöglichen und um dadurch furchtbare soziale Rata­internationalen Rechtsordnung ein ganz anderes strophen abzuwenden, wird es notwendig sein, im Ausbau der einer Art Weltparlament möchte ich die ganze Welt aufrufen, diese Tempo einzuschlagen als es bisher obgemaltet hat. Als Bräsident Warnung zu hören und demgemäß zu haedeln, damit endlich die Zeit fommt, von der einst seherisch Victor Hugo gesprochen, wo man die Mordmaschinen in den Museen zeigt wie die Folterwerf­zeuge des Mittelalters und wo man staunt, daß so etwas einmal möglich gewefen ist.( Lebhafter Beifall.)

Damit waren die Arbeiten der Konferenz abgeschlossen. Am Abend fand ein Schlußbantett statt, zu dem neben den Dele­gierten und prominenten Politikern die Botschafter und Gesandten der fremden Mächte erschienen waren.

Der finnische Militärattaché in Moskau war im Juni von der Polizei in Leningrad festgenommen worden, als er Flugzeug. übungen photographier: e Bald darauf wurde er zmar freigelassen, aber Sowjetrußland fordert jeßt seine Abberufung, da Finnland das nicht von sich aus getan hat.

Der Weltfriedenstongreß der Jugend in Eerde beschloß die Er­richtung eines internationalen Sekretariats in Haag . Bon der Er­richtung einer Weltföderation wurde vorläufig Abstand genommen.

Weil er ein Chauvinistenlied einstudiert hatte, ist der Dirigent des Trierer Musikvereins Maring" vom französischen Militärgericht zu Der Verein hatte bei einem Musikfest dieses Lieb vorgetragen. Der Dier Tagen haft und 50 Mart Geldstrafe verurteilt worden. Dirigent war nicht dabei, aber das Einstudieren durch ihn genügte zur Berurteilung.