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Morgenausgabe

Nr. 409

A 208

45.Jahrgang

Böchentlich 85 Bf., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne ment 6,- m. pro Monat.

Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, bie Abenbausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Boll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wiffen", Frauen ftimme, Technit"," Blid in bie Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"

Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Donnerstag

30. August 1928

Groß- Berlin 10 Pi Auswärts 15 Pf.

Die einfaltige Monpareillegeile 80 Pfennig. Reflamezeile Reichs. mari. Rleine Anzeigen das tettge. brudte Bort 25 Pfennig( zuläffig zwei fettgebrudte Borte), jebes weitere Bort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden  . Straße 3, wochentagl, von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Die Tagung der Minderheitsvölker

Aechtet die Vergewaltigung der Minderheiten!

Genf  , 29. August.

Der 4. europäische Minderheitsfongreß wurde heute vormittag von seinem Präsidenten, dem slowenischen Abgeordneten im ita­lienischen Parlament, Dr. Wilfan, in Anwesenheit von etwa 70 Delegierten eröffnet. Dr. Wilfan begrüßte die neu eingetretenen Gruppen der Bulgaren  - Minderheit in Rumänien   und der Utrainer in Polen   und der Tschechoslowakei  . Er be­dauerte, daß die im vorigen Jahr ausgetretenen drei Minder­heitengruppen aus Deutschland   trop der unlängst in Berlin  erfolgten grundfäßlichen Einigung dem Kongreß fernblieben. Der Hauptgegenstand der Tagung sei die Erörterung des Themas Minderheiten und Völkerbund". Die Schaffung eines Bertrauensverhältnisses zum Bölkerbund sei dringlich. Der Völker bund müsse angesichts der nationalen Unduldsamkeit ernsthaft an die Behandlung des Minderheitenproblems herantreten. Mit Nach­druck trat Dr. Wilfan für die auch unlängst auf der Weltunion der Völkerbundligen im Haag erhobene Forderung nach Errichtung eines ständigen Ausschusses für Minderheitsfragen im Völker

bund ein.

Der Deutsche   Shiemann aus Lettland   hob hervor, daß Besteuropa noch in der Zwangsjade des nationalen Machtgedankens ftecke und die soziale Frage nicht gelöst werden könne, bevor das Rationalitätenproblem verschwunden sei, indem man den Minder heiten die kulturelle Selbstverwaltung gestatte. Der Vertreter Kata­Tonians beflagte, daß

der Völkerbund aus dem Beschwerderecht der Minderheiten ein Hindernisrennen gemacht

habe und daß die Regierungen die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer allgemeinen Lösung des Minderheitenproblems noch nicht er­fannt haben. Er wies den Bölkerbund auf die von tiefem Ver­ständnis zeugende Stellungnahme des Brüsseler Sozia fiftentongresses zum Minderheitenproblem und auf die

Tagesordnung für Genf  .

Die Hauptpunkte der Ratssigung.

megen

Genf  , 29. Auguft.( Eigenbericht.)

Die Tagesordnung der am Donnerstag beginnenden 51. Rats tagung meift als wichtigste Punkte den Bericht über den Stand der Berhandlungen zwischen Polen   und Litauen  und den Antrag Ungarn   auf nochmalige Behandlung der Optanten angelegenheit auf. Der Rat hat weiter eine Anzahl Beschwerden der deutschen   Minderheitin Polnisch­Oberschlesien zu erledigen, von denen die Klage der Königs ihres hütter Kranfenfaffe der Enteignung Hospitals durch die Polen   besonderes Interesse verdient. Die Opiumfonvention von 1925 hat durch neue Ratifikationen die für ihr Infrafttreten vorgesehene Anzahl von 25 Ratifikationen erreicht, so daß der Rat die in der Konvention vorgesehene Zusammenfegung eines Zentralfomitees zur Befämpfung des Opiumhandels vornehmen muß. An den ungarisch  - italienischen Maschinen gewehrschmuggel erinnert der Abgang des Vorsitzenden der für Ungarn   im Friedensvertrag vorgesehenen Investigations­kommission des englischen Generals Cline. Er übernimmt ein Kommando in der englisch  - indischen Armee. Dem Rat wird als Nachfolger der englische General Airman vorgeschlagen, der ge= wählt werden dürfte.

Der Deutsch   Schweizer   Schiedsvertrag.

Bern  , 29. Auguft.( Eigenbericht.)

Stellungnahme der Interparlamentarischen Union   hin. Mohlin ( jüdische Minderheitsbewegung) betonte, es sei unhaltbar, daß eine Minderheit zum Einbringen einer Beschwerde sich erst eine Ratsmacht als Protettor suchen müsse. So tomme es, daß Minderheitsfragen nicht behandelt werden, weil ihr Befürworter im Rat eine fleinere Macht ist, die bei der nächsten Ratswahl ihren Sit nicht wieder erringt, und so fomme es, daß die deutschen  Minderheiten in Wirklichkeit nicht durch den Völkerbund, sondern durch die Ratsmitgliedschaft Deutschland   beschützt würden. Margulies( tschechoslowakische Juden) erinnerte daran, daß Clemenceau   von der Pariser Friedenskonferenz aus dem damaligen polnischen Ministerpräsidenten Paderewski   in einem Brief die Minderheitenrechte als Grundsäge der menschlichen Gesittung Mello bezeichnet hat; die Assimilationstheorie, von Franco und Politis vertreten, der auch die Minderheitsabteilung des Böllerbunds sichtbar anhängt, sei im Jahrhundert der religiösen Freiheiten und der Koalitionsfreiheit eine Unmöglichkeit. Profeffor Schiemann ergänzte, mit denselben Gründen, mit denen man von den Minderheiten verlange, sich zu affimilieren, fönne man schließlich in einem Lande mit protestantischer Staatsfirche verlangen, leber die Forderung daß die Katholiken protestantisch werden. eines allgemeinen Minderheitenrechts hinaus ging nur Er sagte die loyale Mitarbeit der trainer aus Bolen. Ultrainer zu, aber die Ukraine   behalte sich außerdem vor, mit allen Mitteln gegen die gewaltsame Berteilung des 40 Mil­lionen starten ukrainischen Boffes auf Polen  , Rußland  , Ru­ mänien   und die Tschechoslowatel anzutämpfen.

der

Der Kongreß, der drei Tage dauern wird, beschloß, an Staats fetretär Kellogg   ein Telegramin zu senden, in dem der Hoffnung Ausdrud gegeben wird, daß er das Wert der Aechtung des Krieges durch die Aechtung der Bergewaltigung der euro: päischen Minderheiten frönen tönne.

Militär- und Zivilflugzeugen gemacht werden müsse. Bolen for­derte, wie in dem Entwurf der Abrüstungskommission schon vor­gefehen, daß auch für eine Konvention über die Baffenherstellung eine Ausnahme für die Rußland benachbarten Staaten gemacht werde, so lange Rußland   dieser Konvention nicht bei trete. Rumänien   und Finnland   schloffen sich dieser Forderung an.

Aufregung über das Flottenbündnis.

London  , 29. Auguft.( Eigenbericht.)

Aus Washington mird gemeldet, daß dort die Befürchtungen hinsichtlich des mahren Charakters des englisch  - französis fchen Flottenabkommens ernst sind und es im höchsten Maße zweifelhaft geworden ist, ob Amerita an den weiteren Ver­handlungen der Vorbereitenden Abrüstungs fommission teil­nehmen wird. Es, verlautet, die weitere Mitarbeit der Bereinig ten Staaten werde davon abhängen, ob es Großbritannien   ge­lingt, die Befürchtungen der amerikanischen   Marinejachverständi­gen zu zerstreuen, daß hinter dem Flottenabkommen noch wei gen zu zerstreuen, daß hinter dem Flottenabtommen noch wei tergehende Abmachungen stehen.

Die Folgen des Obregonmordes. Untersuchung und Kongreßbeginn.

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Das unruhige Syrien  .

Konflikt zwischen Nationalversammlung und Oberfommiffar Von Dr. A. Abeghian.

Bor zwei Jahren stand Syrien   im Mittelpunkt des all­gemeinen Interesses. Das war die Zeit des Drufenauf­standes; der lange Monate dauerte und der Mandatar­macht Frankreich   viel Kopfschmerzen verursachte. Es gelang ihr dennoch, schließlich den Aufstand niederzuwerfen. Dies bedeutete jedoch für sie nicht viel mehr als einen Byrrhussieg. Dessen war sie sich auch bewußt. Hierdurch ist auch zu er­flären, daß der in den letzten zwei Jahren in Syrien  amtierende französische   Oberfommissar Ponsot eine ver= hältnismäßig friedliche Politik verfolgt hat. Er ist bestrebt gewesen, mit milden Mitteln den Wünschen syrischer Nationalisten einigermaßen entgegenkommend, ein normales Verhältnis zwischen Mandatsvoll und Mandatsmacht zu schaffen. In dieser Hinsicht ist er in die Fußtapfen seines Borgängers de Jouvenel getreten und hat sich von den brutalen Methoden der früheren französischen   Oberkommissare, der Generäle Gouraud, Weygand   und namentlich Sarrail, entschieden abgewendet. Nach endgültiger Be­friedung Syriens   hat Frankreich   den Syrern die Möglichkeit gegeben, durch allgemeine Wahlen zu einer ver= faffunggebenden Nationalversammlung ihre Bünsche zum Ausdrud zu bringen. Diese Wahl hat aber neuen Anlaß dazu gegeben, daß die französisch- syrischen Be­ziehungen verschärft worden sind. Syrien   erlebt heute eine neue innere Gärung, allerdings eine Verfassungskrise.

Nationalversammlung und Oberkommissariat find in einen Konflikt geraten, der die Bertagung des Parlaments auf drei Monate zur Folge gehabt hat. Die syrische   National­versammlung, die im Juni in Damaskus   zusammenfam, zählt 72 Abgeordnete aus allen Teilen syrischer Landesgebiete außer dem Libanon, der von Anfang an eigenes Bar­lament und eigene Regierung hat( mit dem Siz in Beirut  ). Bon den Abgeordneten find 60 Mohammedaner, 11 Christen und 1 Jude. Die überwiegende Mehrzahl der Abgeordneten find radikale Nationalisten, unter ihnen auch Führer des Aufstandes 1926. Sultan Atrasch, der Drusen­führer, muß allerdings nach wie vor außerhalb Syriens  , im Lande Ibn Sauds   verweilen. Die Nationalversammlung hatte einen Ausschuß mit der Ausarbeitung eines Verfassungs­entwurfes beauftragt. Dieser wurde Anfang August vor­gelegt und angenommen. Die Hauptpunkte lauten:

1. Syrien   ist ein souveräner, unabhängiger Staat.

2. Sein Territorium besteht aus den sämtlichen syrischen   Ge­bieten, die vom osmanischen   Reiche getrennt worden sinb.

3. Syrien   ist eine parlamentarische Republit, an deren Spize der Staatspräsident steht.

5. Die Staatsreligion ist der Islam.

6. Die Hauptstadt der syrischen   Republif ist Damastus. Es folgen Artikel, die ebenfalls den Gedanken der; völ= Unabhängigfeit Syriens   unterstreichen: ligen Eigenes Heer, eigene diplomatische Bertretun gen im Ausland, Eintritt in den Bölkerbund usm. Was die Beziehungen Syriens   zu Frankreich   anbelangt, so will die Nationalversammlung fie lediglich auf vertragsmäßigem Boden geregelt fehen. Die beabsichtigte Festlegung der republikanischen Staatsform widerlegt die Gerüchte, daß der Sohn Ibn Sauds  , Emir Feisal, König von Syrien   werden soll. England ermuntert nämlich Ibn Saud   in seinen Ansprüchm auf Syrien  .

Ich erkläre von dieser Tribüne aus, daß weder unsere Kam­

Frankreich verwirft die neue syrische   Verfassung, die das Land als einen absolut unabhängigen und geeinten Staat proflamieren will; daher der Konflitt. In einer der letzten merito( über London  ), 29. Auguft. Sigungen der Nationalversammlung hatte der Berichterstatter Am Sonnabend dieser Woche tritt der merikanische Kongreß zu­der Verfassungskommission Fe wsi Ben Gasi gesagt: fammen. Die der Regierung nahestehende Zeitung El Univerfal Da Deutschland die obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit des Grafico" erwartet, daß Calles' Rede fich auch mit den Folgen der miffion noch diese Konstituante die heutige Trennung Syriens  ( in Haager Gerichtshofs für Rechtsfragen anerkannt hat, machte sich Ermordung des Generals Obregon befassen und einen Appellision noch diese Konstituante die heutige Trennung Syriens  ( in an die militärischen Führer richten werde, sich an einer verschiedene Teile) anerkennen kann. Die Macht vermag zwar uns eine Benderung des deutsch  - schweizerischen Schieds- und Vergleichs­vor, 100 Jahre weiter im heutigen Zustande zu verbleiben, als die vertrags vom 3. Dezember 1921 nötig; nun haben Gesandter unparteilichen Lösung der Präsidentschaftsfrage zu be- törperlich zu bewältigen, nicht aber unser Gewissen. Wir ziehen Adolf Müller und der Vorsteher des Eidgen. Bolitischen De- teiligen. Die gerichtliche Untersuchung ist im wesentlichen abge- Teilung unseres Landes anzuerkennen. partements ein Protokoll unterzeichnet, wodurch die das Schieds- fchloffen. 15 Männer und Frauen und die Webtin des Teilung unseres Landes anzuerkennen. verfahren einschränkenden Vorbehalte aufgehoben und in den Ver- konvents von Espinito Santo sind unter der Beschuldigung der trag eine neue Bestimmung eingefügt werden soll, nach der jede Beteiligung an dem Attentat gegen Obregon verhaftet der beiden Parteien sich für den Fall unmittelbar an den worden. Wie schon gemeldet, werden sechs geflüchtete Teilnehmer Gerichtshof wenden kann, daß binnen zwei Monaten die Parteien in dem großen nördlichen Nachbarstaat, den USA., gesucht. sich über die Anrufung eines Schiedsgerichts nicht haben einig werden fönnen. Das Protokoll wird somit den Grundsatz der obli­gatorischen schiedsgerichtlichen oder gerichtlichen Erledigung aller rechtlichen Streitigkeiten zwischen der Schweiz   und Deutschland   ein führen. Das Protokoll bedarf zur Rechtskraft der Ratifikation. Die Kontrolle der Rüftungsfabriken. Genf  , 29 Auguft.( Eigenbericht.)

Die Kommiffion für die Kontrolle der privaten Waffenfabrika tion hörte am Mittmoch eine amerikanische   Erklärung zur Kontrolle der Flugzeugherstellung, in der sich Amerika   auf den deutschen  Standpunkt stellt, daß ein scharfer Unterschied zwischen

Kriegsfliegertod im Frieden. Zotenbilanz der britischen   Militärfliegerei. London  , 29 August.

Laut Mitteilung des Luftminifteriums wurde bei Abufir in Aegypten   der Führer eines Militärflugzeuges durch Unfall getötet. Damit fteigt die Zahl der Todesunfälle bei den britischen   Cuffffreif­fräffen in diesem Jahre auf 57, das sind bereits zwei mehr als die Gesamtzahl der Todesfälle im Jahre 1927. Jm Jahre 1926 befrug die Zahl der Todesfälle 85!

Diese Ansicht vertritt die überwiegende Mehrzahl der Abgeordneten; die Vertreter der syrischen   Minderheiten und des an Syrien   angeschloffenen legandrette gebietes aber haben den Verfassungsentwurf für unbefriedigend er­flärt. Nach Annahme der Verfassung durch die National­versammlung hat Oberkommissar Ponsot dem Parlament u. a. geschrieben:

Ich halte es für meine Pflicht, Ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten, daß Sie nicht gegenwärtig Fragen erörtern dürfen, deren Lösung nicht der Nationalversammlung zusteht, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie mit der Mandatfrage in Berbindung stehen, wofür die französische   Regierung dem Bölterbund ver antwortlich ift. Die mit dem Mandat verbundenen Rechte fönnen also nicht ohne die vorherige Zustimmung des Bölferbundes geändert

merden.

Der Oberfommiffar schließt mit dent Hinweis darauf, daß die französische   Regierung nicht ihre Zustimmung zu einer