Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Rr. 413

A 210

45.Jahrgang

Böchentlich 85 Pf. monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Postbezug 4,32 m. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne. ment 6,- m. pro Monat.

*

Der Borwärts" erscheint wochentag fich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Jlluftrierte Beilagen Bolt und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen"," Frauen ftimme". Technit"," Blid in bie Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Sonnabend 1. September 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipaltige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reflame eile- Reichs mart. Kleine Anzeigen das fettge druckte Wort 25 Pfennig( zuläffig zwet fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden ftraße 3, wochentagl, von 8 bis 17 Uhr,

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts: Berlag

Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts Berlag G.m. b.H.

Der Faschistenstreich von Lugano  .

Roffis Entführung mit Lift und Gewalt.

Lugano  , 31. Auguft.( Eigenbericht.)

Die Verschleppung des abfrünnigen Faschisten Rossi erinnert an die übelsten prattiken der Geheimpolizei in den neutralen Ländern während des Krieges. Es hat fich herausgestellt, daß die angebliche Tochter Rossis in Wirklichkeit eine im Dienff der Faschistenpolizei stehende& otoffe ist, die Roffi in Paris   tennengelernt hatte und auf deren Wunsch er unter einem angenommenen Namen nach Lugano   tam. Hier machte er durch Vermittlung dieser Frau die Bekanntschaft der Spitzel, die fich mit falschen Pässen dort aufhielten und unter

der falschen Angabe, Teffiner zu sein, vor kurzer Zeit ein Auto fauffen. Um 27. August abends lud man Rossi zu einer Mond. fcheinfahrt nach Morcote  , dem letzten Ort auf Schweizer  Boden, ein. An der letzten Wegkreuzung vor Morcote   bog das Auto nach Campione   ab, das auf italienischem Boden liegt. Die Schweiz   hat auf diesem wenig befahrenen Wege teine Grenz­stelle, während die Italiener ihr Grenzschilderhäuschen vorher forgfältig entfernt hatten, so daß

nichts verriet, daß man über die Grenze fuhr.

Am nächsten Morgen rief die Dame" telephonisch von Campione  aus bei dem Hotel Adler" in Lugano  , wo sie mit Roffi gewohnt hatte, an, erklärte, daß sie durch einen Autounfall in Campione  aufgehalten feien und fie einen Boten mit dem Geld zur Be­gielhung der Hotelrechnung schicke. Der Bote tam auch und das

Am 11. September Parteiausschuß!

Der Borstand der Sozialdemokratischen Partei hat den Parteiausschuß zum 11. September nach Berlin  berufen. Auf der Tagesordnung steht die Erörterung schwebender politischer Fragen.

Rußlands   Beitritt zum Kelloggpaft.

Nach vielen Vorwürfen angekündigt.

Moskau  , 31. Auguft. Die Antwort Litwinows auf die Einladung, dem Kellogg- Batt beizutreten, ist dem französischen   Botschafter Herbette übergeben worden. Sie lautet in der Sache:

Die Sowjetregierung ist stets und überall als fonfequenter An­hänger des Friedens aufgetreten und hat jeden Schritt, der von anderen in dieser Richtung unternommen wurde, unterstüßt. Dabei hielt und hält die Sowjetregierung die Verwirklichung des Planes einer allgemeinen und völligen Abrüftung für das einzige wirksame Mittel zur Abwehr friegerischer Berwicklungen; ihr Totalabrüstungs­porschlag in Genf   ist nicht unterstützt worden, leider auch ihr Teil­abrüftungsvorschlag. Auf diese Weise bewies der Ausschuß nochmals die völlige Ohnmacht des Völkerbundes in der Sache der Abrüstung, die die sicherste Friedensgarantie und das beste Mittel zur Aechtung der Kriege bilden würde. Alle Staaten, die als erste den Pariser Batt unterzeichneten, haben sich damals dem Ent­wurf der Sowjetregierung offen widersetzt.

Die Note sagt, daß die Sowjetregierung schon lange vor dem Kellogg   Patt den anderen Mächten den Antrag unterbreitet habe, in zweiseitigen Verträgen nicht nur auf Angriffstriege, sondern auf alle Kriege zu verzichten. Einige Staaten, wie Deutsch  land, die Türkei  , Afghanistan  , Persien   und Litauen  , hätten diesen Borschlag angenommen und mit der Sowjetregierung ent­sprechende Verträge abgeschlossen. Andere Staaten hätten den An­trag stillschweigend übergangen und eine dritte Gruppe von Staaten hätte ihn mit der sonderbaren Begründung abgelehnt, daß ein unbedingter Verzicht auf Angriffe mit ihren Verpflichtungen gegenüber dem Bölferbund unvereinbar sei. Dieser Einwand habe dieselben Mächte jedoch nicht daran gehindert, den Bariser Baft zu unterzeichnen. Deffenungeachtet hätten es die Urheber des Pariser   Battes nicht für notwendig gehalten, die Sowjet. regierung zur Teilnahme an den Vorverhandlungen einzuladen. Gleicherweise seien auch die Mächte, die am ehesten an der Sicherung des Friedens interessiert sind, Türkei  , Afghanistan   und China  , nicht dazu aufgefordert worden. Die Aufforderung an Rußland  , dem Baft beizutreten, enthalte auch keine Feststellungen, welche es der Sowjetregierung gestatten tönnten, auf bie Gestaltung des Legtes des Pariser   Dokumentes einzuwirken. Die Sowjet­regierung geht jedoch von der ariomatischen Boraussetzung aus, daß sie unter teinen Umständen des Rechtes beraubt werden kann, welches die Regierungen, die den Patt bereits unterzeichnet haben, für sich in Anspruch nehmen fonnten. Indem sie sich auf dieses Recht ftüßt, muß fie zunächst einige Bemerkungen über ihren Stand­punkt gegenüber dem Patt machen.

Die Note Bitwinows tommt dann zu dem Befund, daß im Kriegsächtungspaft Me Berpflichtung zur Abriftung, die als das einzig wesentliche Element zur Sicherung des Friebens zu be­trachten fei, fehle. Die Formulierung des Kriegsverzichts jei un­

Hotel lieferte ihm gegen Bezahlung der Rechnung das gesamte Ge­päd Roffis aus, das schleunigst nach Campione   geschafft wurde. In dem Gepäck werden natürlich wichtige Dokumente über die antifashistische Bewegung der Emigranten vermutet. Die Schweizer   Regierung erklärte, daß sie über den wifchenfall bisher nur kurz unterrichtet sei und die Teffiner Be­hörden zu genauem Bericht aufgefordert habe.

Wie sie lügen.

Ueber die Berschleppung Cesare Roffis von Schweizer   Gebiet in den italienischen Kerter verbreitet die Faschistenagentur folgenden frechen Schwindel:

Como  , 31. Auguft.

Der politische Flüchtling Cesare Rossi   wurde bei dem Ber: such, den italienischen Boden in Campione   an der schweizerischen Prenze heimlich zu betreten, mit der ihn begleitenden Frau Margherita Durand verhaftet. on

Rossi ist einer der Gründer der faschistischen Partei. Er gehörte dem Führerausschuß an, der den Mersch auf Rom   leitete. Später wurde er Leiter des Pressebureaus im Ministerpräsidium. Der Berhaftete ist in die Matteotti- Affäre verwickelt. Er wurde seiner zeit aber wieder freigelassen und flüchtete dann nach Paris  , wo er einen heftigen Feldzug gegen den Faschismus eröffnete und Druckschriften gegen Mussolini   und gegen das faschistische Regime veröffentlichte.

genügend und unbestimmt, und es sei eine Reihe Rlau­feln beigegeben, die bezweckten, im voraus alles zu beseitigen, was einer Verpflichtung zum Frieden ähnlich sei. Trotzdem sei

die Sowjetregierung bereit, den Paft zu unterzeichnen, soweit er in objektiver Weise den Mächten gewisse Verpflichtungen gegen­über der öffentlichen Meinung auferlege und der Sowjefregierung die Möglichkeit gebe, allen Teilnehmern am Pakte die für die Sache des Friedens wichtigste Frage vorzulegen, nämlich die Frage der Abrüstung,

deren Lofung als einzige Garantie für die zukünftige Bermeidung Don Kriegen erscheine. Die Note schließt mit den Worten: Auf Grund dieser Darlegungen werde ich die Ehre haben, Ihnen, Herr Botschafter einen entsprechenden Akt meiner Regierung über ihren Beitritt zum Paft zu überreichen, sobald die damit ver­bundenen Formalitäten abgeschlossen sein werden."

England- Frankreich   zur See. Der Vertrag nur im Abrüftungsinteresse!

Paris  , 31. Auguft.( Eigenbericht.) In dem Maße, in dem die Wiederaufnahme der Arbeiten in der Borbereitenden Abrüstungskommission des Völkerbundes heran­

naht, bemühen sich englische und französische   Staatsmänner, ihr Flottenablommen nicht nur als vollkommen harmlos, son­dern gar als eine sehr wirksame Unterstützung der Abrüstungs­bemühungen hinzustellen. Das tat ebenso der französische   Marine minister Lengues wie der stellvertretende englische Außenminister Cushendun. Der Temps" aber glaubt noch ein übriges tun zu müssen. Er behauptet, daß die ganze Aufregung um das Abkommen zum größten Teil auf den boshaften Eifer der deutschen   Bresse  und auf politische Intrigen der Opposition in England zurückzuführen sei; besonders plump sei die Behauptung, daß Kellogg  aus Berärgerung über den Baft nicht nach London   gegangen sei, mo alle möglichen Aufklärungen zu erlangen, wenn er es nur gewünscht er doch in Baris die beste Gelegenheit gehabt hätte, von Cushendun hätte. Ebenso abwegig" seien die Behauptungen, die die Demission Bridgemans, des ersten Lords der Admiralität, auf die Streitigkeiten um das Flottenabkommen zurückführen wollten.

Man fönne hoffen, schließt der" Temps" mit reichlicher Be­friedigung, daß man schon bei der Tagung der Abrüftungskommission in Genf   den beiden verdächtigten Mächten die Gerechtigkeit widerfahren laffe, daß fie mirtlich eine loyale Anstrengung im Interesse der Abrüftung unternommen hätten, die bis­her gerade an ihren Gegenfäßen gescheitert sei.

Reform Reform in China  .

Aufhebung der Gondergerichte.

Pefing, 31. Auguft.

Die Ranking- Regierung hat die Auflösung der besonderen Ge­zichte gur burteilung der Kommunisten angeordnet. Stünftig fallen Rommunisten und andere Staatsfeinde van orbentlichen Gerichten abgeurteilt merben.

-A

Bostscheckkonto: Berlin   37 536. Bankkonto: Bant der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Distonto- Gesellschaft, Depofitentasse Lindenstr. 3

Klare Entscheidung.

Bur Panzerfreuzer- Debatte.

Von Paul Löbe  .

Auch wer der Meinung ist, daß die Ansehung eines Volksentscheides über den Bau von Kriegsschiffen ein ganz verfehlter Plan ist, der nur mit einer Stärkung der Freunde des Baues enden wird- war nicht einmal für die Fürsten­enteignung die erforderliche absolute Mehrheit zu erreichen, dann erst recht nicht in diesem Falle auch wer also diesen Weg für total verfehlt hält, muß dabei bleiben, daß die Sozialdemokratische Fraktion eine flare Scheidung über den Weiterbau des Panzerfreuzers herbeiführen muß. Ich halte uns für absolut gebunden an unser Wahl= persprechen und halte es sachlich für vollkommen zu recht­fertigen, daß Mittel des Reiches in der gegenwärtigen Zeit Sem Wohnungsbau, der Kinderspeisung, der Bauernhilfe zu­geführt werden, statt dem Bau von Panzerfreuzern. Spätestens bei der Entscheidung über die zweite Rate für den Schiffsbau muß also ein entsprechender Borstoß gemacht werden, der umso mehr Berechtigung hat, als der militärische Wert des geplanten Kreuzers in Fachkreisen selbst aufs Stärste umstritten ist. Auch von diesem Standpunkt aus erschien es als vorteilhafter, etwaige 5 bis 6 Millionen Mark zu verlieren, die bis dahin in den Bau gesteckt sein können, als 64 Millionen in einer Reihe von Jahren nutzlos zu verwenden. Vielleicht gelingt es doch noch, eine Mehrheit des Reichstages aus diesen sachlichen Gründen zu unserer Anschauung zu befehren.

Vorläufig ist es ein Irrtum, wenn behauptet wird, daß der neue Reichstag eine sichere Mehrheit gegen den Banzerfreuzer befize. Bleiben die Parteien bei ihrer früheren Abstimmung, dann sind für den Kreuzerbau 78 Deutschnationale, 61 Bentrumsabgeordnete. 45 der Deutschen Bolfspartei, 23 der Wirtschaftspartei, 17 Bayern  , 13 Christ­liche Bauern, 12 Nationalsozialisten. Dagegen sind 153 Sozialdemokraten, 25 Demokraten, 54 Kommunisten. Das find 249 Abgeordnete für den Bau, 231 dagegen. Fraglich ist allein die Stellung von 8 Angehörigen der Deutschen  Bauernpartei und 2 Aufwertlern. Bon diesen hatten im alten Reichstag 2 gegen den Panzerfreuzer gestimmt, aber auch wenn jetzt alle 10 dagegen stimmten, bliebe eine Mehr­heit für den Kreuzer vorhanden. Es ist nämlich ein Irr­tum, anzunehmen, daß die Wirtschaftspartei gegen den Kreuzer gestimmt hätte. Das ist in der Vergangenheit nicht geschehen und wird, wie mir von der Führung versichert murde, auch in Zukunft nicht geschehen. Trotzdem ist die Mehrheit so klein, daß wir das Recht haben, zu erforschen, ob der neue Reichstag den Bau des Panzerfreuzers tatsächlich weiterbetreiben will, und es ist nicht einzusehen, weshalb man diese Prüfung nicht vornehmen soll. Die Sozial­demokratie muß vor aller Welt und vor ihren eigenen An­hängern durch eine flare Abstimmung befunden, daß fie ihre Auffassung über diese Rüstungen nicht geändert hat. Gewiß ist der Banzerfreuzer feine Bermehrung unserer militärischen Rüstung, deren Umfang vom Versailler Ver­trag endgültig bestimmt ist, sondern der Ersazbau für einen der Ueberalterung entgegengehenden bisherigen Kreuzer. Aber das war unserer Partei auch vor der Ab­Fraktion steht auf dem Standpunkt, daß es Dugende anderer lehnung der ersten Rate im Reichstag bekannt und die Aufgaben gibt, die wichtiger, dringender und nüzlicher sind als dieser Bau. T

Freilich müssen wir uns mit der Möglichkeit ab­finden, daß trok unserer flaren Abstimmung die Mehrheit auf die andere Seite fällt und daß dies bestimmte Ron­fequenzen haben kann. Dann würde ich den Parteifreunden zu bedenten geben, daß wir zwar in der Panzerfreuzerfrage absolute Klarheit herbeiführen und unseren Standpunkt fest haben. Es heißt doch das Kind mit dem Bade ausschütten, und unverrüdbar vertreten müssen, daß dieser Kreuzer aber nicht die einzige Frage ist, die wir zu entscheiden haben. Es heißt doch das Kind mit dem Bade ausschütten, herige Regierungstätigkeit schlösse mit einem Minus ab. menn in manchen Versammlungen behauptet wird. die bis­Man soll auch in verständlichem Unmut nicht ungerecht sein, denn das Gegenteil ist richtig. Wenn wir einmal ganz geschäftsmäßig rechnen wollen, so ergibt sich das folgende Bild:

-

-

Wir fenften die Lohnsteuer um zirka 130 Mil­lionen Mart. Das ist für den einzelnen Steuerzahler freilich nicht sehr wirksam, aber insgesamt ist das doch kein Pappen­stiel. Wir haben lange Kämpfe um die Aufhebung der Zündwaren und Leuchtmittelsteuer geführt die Kom­munisten übrigens auch und diese Steuern brachten in ihrer Gesamtheit nur 20 Millionen Marf ein. Wir haben die Ausdehnung der Krisenfürsorge in einem Um­fang erreicht, der dem Reiche etwa 70 Millionen Mark Aus gaben für die Unterstützten jährlich auferlegt. Die Maß nahmen sind noch nicht völlig zufriedenstellend, aber es find eben 70 Millionen Mart mehr für die Arbeiterklasse durch gesezt. Wir haben durch die Amnestie etwa 3000 Gefangenen, politische und solche, die aus sozialer Not fündigten, die