Morgenausgabe
Rr. 413
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45.Jahrgang
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Sonnabend 1. September 1928
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Der Faschistenstreich von Lugano .
Roffis Entführung mit Lift und Gewalt.
Lugano , 31. Auguft.( Eigenbericht.)
Die Verschleppung des abfrünnigen Faschisten Rossi erinnert an die übelsten prattiken der Geheimpolizei in den neutralen Ländern während des Krieges. Es hat fich herausgestellt, daß die angebliche Tochter Rossis in Wirklichkeit eine im Dienff der Faschistenpolizei stehende& otoffe ist, die Roffi in Paris tennengelernt hatte und auf deren Wunsch er unter einem angenommenen Namen nach Lugano tam. Hier machte er durch Vermittlung dieser Frau die Bekanntschaft der Spitzel, die fich mit falschen Pässen dort aufhielten und unter
der falschen Angabe, Teffiner zu sein, vor kurzer Zeit ein Auto fauffen. Um 27. August abends lud man Rossi zu einer Mond. fcheinfahrt nach Morcote , dem letzten Ort auf Schweizer Boden, ein. An der letzten Wegkreuzung vor Morcote bog das Auto nach Campione ab, das auf italienischem Boden liegt. Die Schweiz hat auf diesem wenig befahrenen Wege teine Grenzstelle, während die Italiener ihr Grenzschilderhäuschen vorher forgfältig entfernt hatten, so daß
nichts verriet, daß man über die Grenze fuhr.
Am nächsten Morgen rief die„ Dame" telephonisch von Campione aus bei dem Hotel„ Adler" in Lugano , wo sie mit Roffi gewohnt hatte, an, erklärte, daß sie durch einen Autounfall in Campione aufgehalten feien und fie einen Boten mit dem Geld zur Begielhung der Hotelrechnung schicke. Der Bote tam auch und das
Am 11. September Parteiausschuß!
Der Borstand der Sozialdemokratischen Partei hat den Parteiausschuß zum 11. September nach Berlin berufen. Auf der Tagesordnung steht die Erörterung schwebender politischer Fragen.
Rußlands Beitritt zum Kelloggpaft.
Nach vielen Vorwürfen angekündigt.
Moskau , 31. Auguft. Die Antwort Litwinows auf die Einladung, dem Kellogg- Batt beizutreten, ist dem französischen Botschafter Herbette übergeben worden. Sie lautet in der Sache:
Die Sowjetregierung ist stets und überall als fonfequenter Anhänger des Friedens aufgetreten und hat jeden Schritt, der von anderen in dieser Richtung unternommen wurde, unterstüßt. Dabei hielt und hält die Sowjetregierung die Verwirklichung des Planes einer allgemeinen und völligen Abrüftung für das einzige wirksame Mittel zur Abwehr friegerischer Berwicklungen; ihr Totalabrüstungsporschlag in Genf ist nicht unterstützt worden, leider auch ihr Teilabrüftungsvorschlag. Auf diese Weise bewies der Ausschuß nochmals die völlige Ohnmacht des Völkerbundes in der Sache der Abrüstung, die die sicherste Friedensgarantie und das beste Mittel zur Aechtung der Kriege bilden würde. Alle Staaten, die als erste den Pariser Batt unterzeichneten, haben sich damals dem Entwurf der Sowjetregierung offen widersetzt.
Die Note sagt, daß die Sowjetregierung schon lange vor dem Kellogg Patt den anderen Mächten den Antrag unterbreitet habe, in zweiseitigen Verträgen nicht nur auf Angriffstriege, sondern auf alle Kriege zu verzichten. Einige Staaten, wie Deutsch land, die Türkei , Afghanistan , Persien und Litauen , hätten diesen Borschlag angenommen und mit der Sowjetregierung entsprechende Verträge abgeschlossen. Andere Staaten hätten den Antrag stillschweigend übergangen und eine dritte Gruppe von Staaten hätte ihn mit der sonderbaren Begründung abgelehnt, daß ein unbedingter Verzicht auf Angriffe mit ihren Verpflichtungen gegenüber dem Bölferbund unvereinbar sei. Dieser Einwand habe dieselben Mächte jedoch nicht daran gehindert, den Bariser Baft zu unterzeichnen. Deffenungeachtet hätten es die Urheber des Pariser Battes nicht für notwendig gehalten, die Sowjet. regierung zur Teilnahme an den Vorverhandlungen einzuladen. Gleicherweise seien auch die Mächte, die am ehesten an der Sicherung des Friedens interessiert sind, Türkei , Afghanistan und China , nicht dazu aufgefordert worden. Die Aufforderung an Rußland , dem Baft beizutreten, enthalte auch keine Feststellungen, welche es der Sowjetregierung gestatten tönnten, auf bie Gestaltung des Legtes des Pariser Dokumentes einzuwirken. Die Sowjetregierung geht jedoch von der ariomatischen Boraussetzung aus, daß sie unter teinen Umständen des Rechtes beraubt werden kann, welches die Regierungen, die den Patt bereits unterzeichnet haben, für sich in Anspruch nehmen fonnten. Indem sie sich auf dieses Recht ftüßt, muß fie zunächst einige Bemerkungen über ihren Standpunkt gegenüber dem Patt machen.
Die Note Bitwinows tommt dann zu dem Befund, daß im Kriegsächtungspaft Me Berpflichtung zur Abriftung, die als das einzig wesentliche Element zur Sicherung des Friebens zu betrachten fei, fehle. Die Formulierung des Kriegsverzichts jei un
Hotel lieferte ihm gegen Bezahlung der Rechnung das gesamte Gepäd Roffis aus, das schleunigst nach Campione geschafft wurde. In dem Gepäck werden natürlich wichtige Dokumente über die antifashistische Bewegung der Emigranten vermutet. Die Schweizer Regierung erklärte, daß sie über den wifchenfall bisher nur kurz unterrichtet sei und die Teffiner Behörden zu genauem Bericht aufgefordert habe.
Wie sie lügen.
Ueber die Berschleppung Cesare Roffis von Schweizer Gebiet in den italienischen Kerter verbreitet die Faschistenagentur folgenden frechen Schwindel:
Der politische Flüchtling Cesare Rossi wurde bei dem Ber: such, den italienischen Boden in Campione an der schweizerischen Prenze heimlich zu betreten, mit der ihn begleitenden Frau Margherita Durand verhaftet. on
Rossi ist einer der Gründer der faschistischen Partei. Er gehörte dem Führerausschuß an, der den Mersch auf Rom leitete. Später wurde er Leiter des Pressebureaus im Ministerpräsidium. Der Berhaftete ist in die Matteotti- Affäre verwickelt. Er wurde seiner zeit aber wieder freigelassen und flüchtete dann nach Paris , wo er einen heftigen Feldzug gegen den Faschismus eröffnete und Druckschriften gegen Mussolini und gegen das faschistische Regime veröffentlichte.
genügend und unbestimmt, und es sei eine Reihe Rlaufeln beigegeben, die bezweckten, im voraus alles zu beseitigen, was einer Verpflichtung zum Frieden ähnlich sei. Trotzdem sei
die Sowjetregierung bereit, den Paft zu unterzeichnen, soweit er in objektiver Weise den Mächten gewisse Verpflichtungen gegenüber der öffentlichen Meinung auferlege und der Sowjefregierung die Möglichkeit gebe, allen Teilnehmern am Pakte die für die Sache des Friedens wichtigste Frage vorzulegen, nämlich die Frage der Abrüstung,
deren Lofung als einzige Garantie für die zukünftige Bermeidung Don Kriegen erscheine. Die Note schließt mit den Worten: Auf Grund dieser Darlegungen werde ich die Ehre haben, Ihnen, Herr Botschafter einen entsprechenden Akt meiner Regierung über ihren Beitritt zum Paft zu überreichen, sobald die damit verbundenen Formalitäten abgeschlossen sein werden."
England- Frankreich zur See. Der Vertrag nur im Abrüftungsinteresse!
Paris , 31. Auguft.( Eigenbericht.) In dem Maße, in dem die Wiederaufnahme der Arbeiten in der Borbereitenden Abrüstungskommission des Völkerbundes heran
naht, bemühen sich englische und französische Staatsmänner, ihr Flottenablommen nicht nur als vollkommen harmlos, sondern gar als eine sehr wirksame Unterstützung der Abrüstungsbemühungen hinzustellen. Das tat ebenso der französische Marine minister Lengues wie der stellvertretende englische Außenminister Cushendun. Der„ Temps" aber glaubt noch ein übriges tun zu müssen. Er behauptet, daß die ganze Aufregung um das Abkommen zum größten Teil auf den boshaften Eifer der deutschen Bresse und auf politische Intrigen der Opposition in England zurückzuführen sei; besonders plump sei die Behauptung, daß Kellogg aus Berärgerung über den Baft nicht nach London gegangen sei, mo alle möglichen Aufklärungen zu erlangen, wenn er es nur gewünscht er doch in Baris die beste Gelegenheit gehabt hätte, von Cushendun hätte. Ebenso„ abwegig" seien die Behauptungen, die die Demission Bridgemans, des ersten Lords der Admiralität, auf die Streitigkeiten um das Flottenabkommen zurückführen wollten.
Man fönne hoffen, schließt der" Temps" mit reichlicher Befriedigung, daß man schon bei der Tagung der Abrüftungskommission in Genf den beiden verdächtigten Mächten die Gerechtigkeit widerfahren laffe, daß fie mirtlich eine loyale Anstrengung im Interesse der Abrüftung unternommen hätten, die bisher gerade an ihren Gegenfäßen gescheitert sei.
Pefing, 31. Auguft.
Die Ranking- Regierung hat die Auflösung der besonderen Gezichte gur burteilung der Kommunisten angeordnet. Stünftig fallen Rommunisten und andere Staatsfeinde van orbentlichen Gerichten abgeurteilt merben.
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Auch wer der Meinung ist, daß die Ansehung eines Volksentscheides über den Bau von Kriegsschiffen ein ganz verfehlter Plan ist, der nur mit einer Stärkung der Freunde des Baues enden wird- war nicht einmal für die Fürstenenteignung die erforderliche absolute Mehrheit zu erreichen, dann erst recht nicht in diesem Falle auch wer also diesen Weg für total verfehlt hält, muß dabei bleiben, daß die Sozialdemokratische Fraktion eine flare Scheidung über den Weiterbau des Panzerfreuzers herbeiführen muß. Ich halte uns für absolut gebunden an unser Wahl= persprechen und halte es sachlich für vollkommen zu rechtfertigen, daß Mittel des Reiches in der gegenwärtigen Zeit Sem Wohnungsbau, der Kinderspeisung, der Bauernhilfe zugeführt werden, statt dem Bau von Panzerfreuzern. Spätestens bei der Entscheidung über die zweite Rate für den Schiffsbau muß also ein entsprechender Borstoß gemacht werden, der umso mehr Berechtigung hat, als der militärische Wert des geplanten Kreuzers in Fachkreisen selbst aufs Stärste umstritten ist. Auch von diesem Standpunkt aus erschien es als vorteilhafter, etwaige 5 bis 6 Millionen Mark zu verlieren, die bis dahin in den Bau gesteckt sein können, als 64 Millionen in einer Reihe von Jahren nutzlos zu verwenden. Vielleicht gelingt es doch noch, eine Mehrheit des Reichstages aus diesen sachlichen Gründen zu unserer Anschauung zu befehren.
Vorläufig ist es ein Irrtum, wenn behauptet wird, daß der neue Reichstag eine sichere Mehrheit gegen den Banzerfreuzer befize. Bleiben die Parteien bei ihrer früheren Abstimmung, dann sind für den Kreuzerbau 78 Deutschnationale, 61 Bentrumsabgeordnete. 45 der Deutschen Bolfspartei, 23 der Wirtschaftspartei, 17 Bayern , 13 Christliche Bauern, 12 Nationalsozialisten. Dagegen sind 153 Sozialdemokraten, 25 Demokraten, 54 Kommunisten. Das find 249 Abgeordnete für den Bau, 231 dagegen. Fraglich ist allein die Stellung von 8 Angehörigen der Deutschen Bauernpartei und 2 Aufwertlern. Bon diesen hatten im alten Reichstag 2 gegen den Panzerfreuzer gestimmt, aber auch wenn jetzt alle 10 dagegen stimmten, bliebe eine Mehrheit für den Kreuzer vorhanden. Es ist nämlich ein Irrtum, anzunehmen, daß die Wirtschaftspartei gegen den Kreuzer gestimmt hätte. Das ist in der Vergangenheit nicht geschehen und wird, wie mir von der Führung versichert murde, auch in Zukunft nicht geschehen. Trotzdem ist die Mehrheit so klein, daß wir das Recht haben, zu erforschen, ob der neue Reichstag den Bau des Panzerfreuzers tatsächlich weiterbetreiben will, und es ist nicht einzusehen, weshalb man diese Prüfung nicht vornehmen soll. Die Sozialdemokratie muß vor aller Welt und vor ihren eigenen Anhängern durch eine flare Abstimmung befunden, daß fie ihre Auffassung über diese Rüstungen nicht geändert hat. Gewiß ist der Banzerfreuzer feine Bermehrung unserer militärischen Rüstung, deren Umfang vom Versailler Vertrag endgültig bestimmt ist, sondern der Ersazbau für einen der Ueberalterung entgegengehenden bisherigen Kreuzer. Aber das war unserer Partei auch vor der AbFraktion steht auf dem Standpunkt, daß es Dugende anderer lehnung der ersten Rate im Reichstag bekannt und die Aufgaben gibt, die wichtiger, dringender und nüzlicher sind als dieser Bau. T
Freilich müssen wir uns mit der Möglichkeit abfinden, daß trok unserer flaren Abstimmung die Mehrheit auf die andere Seite fällt und daß dies bestimmte Ronfequenzen haben kann. Dann würde ich den Parteifreunden zu bedenten geben, daß wir zwar in der Panzerfreuzerfrage absolute Klarheit herbeiführen und unseren Standpunkt fest haben. Es heißt doch das Kind mit dem Bade ausschütten, und unverrüdbar vertreten müssen, daß dieser Kreuzer aber nicht die einzige Frage ist, die wir zu entscheiden haben. Es heißt doch das Kind mit dem Bade ausschütten, herige Regierungstätigkeit schlösse mit einem Minus ab. menn in manchen Versammlungen behauptet wird. die bisMan soll auch in verständlichem Unmut nicht ungerecht sein, denn das Gegenteil ist richtig. Wenn wir einmal ganz geschäftsmäßig rechnen wollen, so ergibt sich das folgende Bild:
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Wir fenften die Lohnsteuer um zirka 130 Millionen Mart. Das ist für den einzelnen Steuerzahler freilich nicht sehr wirksam, aber insgesamt ist das doch kein Pappenstiel. Wir haben lange Kämpfe um die Aufhebung der Zündwaren und Leuchtmittelsteuer geführt die Kommunisten übrigens auch und diese Steuern brachten in ihrer Gesamtheit nur 20 Millionen Marf ein. Wir haben die Ausdehnung der Krisenfürsorge in einem Umfang erreicht, der dem Reiche etwa 70 Millionen Mark Aus gaben für die Unterstützten jährlich auferlegt. Die Maß nahmen sind noch nicht völlig zufriedenstellend, aber es find eben 70 Millionen Mart mehr für die Arbeiterklasse durch gesezt. Wir haben durch die Amnestie etwa 3000 Gefangenen, politische und solche, die aus sozialer Not fündigten, die