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Beilage

Sonnabend, 1. September 1928.

Die schwindende Insel.

Ein Opfer des ruhelosen Meeres.

Sylt, die nördlichste der nordfriesischen Inseln, Schleswig  -| lander Strand ein Stelldichein geben und die Zugvögel ihre Raft Holstein westlich vorgelagert, ist eine deutsche   Insel, auf der Ostseite vom Wattenmeer umschlossen, das die Insel vom Schleswiger   Fest= lande trennt.

Die äußere Gestalt von Sylt   hat im Berlaufe der Jahrhunderte große Veränderungen durchgemacht: was heute als einzelne Land­brocken mitten im Wasser liegt, war einstmals reiches und frucht­bares Land; hier reißt das ruhelose Meer Fetzen Landes ab, dort flickt es sie wieder an; nichts hat hier ewigen Bestand alles wandelt sich,., alles fließt". Sturmfluten zernagten die Ufer der Küsten und riffen allmählich gefährliche Tiefen, so daß das Wasser Eintritt fand in das flache Land; dadurch wurde abgespült, was nicht umdeicht war und die kostbare Erde vom Ebbestrom fortgeführt.

So hatte denn die Bevölkerung sehr früh schon, zu Zeiten des dänischen Geschichtschreibers Sago Grammaticus um 1200 herum, mit dem Bau von Deichen und Dünen begonnen, um das Land vor den eindringenden Wassermassen zu schützen. Ohne Er­folg! Die große Sturmflut im 17 Jahrhundert machte alles Menschenwert zunichte und begrub zahllose Menschenleben in ihren Fluten. Seitdem ist die Insel ohne Sommerdeiche geblieben, un­beschütte, jährlich an Ausdehnung verlierende Halligerde.

Ein eigenartiger, fräftiger Menschenschlag wohnt auf diesem Land: keine Friesen, sondern Abtömmlinge der im 5. Jahrhundert nach England abgewanderten Angeln, die sich allerdings nicht lange dem Einfluß der friesischen Küstenherrschaft entziehen konnten. Sylt wurde ein Teil Nordfrieslands   und nahm friesische Kultur an: det friesische Baustil, friesische Handweberei und Töpferei sprechen eine deutliche Sprache der völligen Verschmelzung mit altfriesischem Kulturgut

Die Bevölkerung, deren starte fünstlerische Begabung auffällt, galt früher als verschlossen und überstreng ablehnend gegen alles, was vom Festlande fam und die alten starren Sitten gefährdete. Bieles   ist seither anders geworden in diesen stillen Infeldörfern, seit Sylt um die Mitte des vorigen Jahrhunderts begann, sich mehr und mehr zur Badeinsel zu entwickeln. Diese Entwicklung, aber, auch wenn sie zweifelsohne auf Kosten mancher Eigenart und wertvoller Anlagen der Sylter   Bevölkerung geschah, fönnen wir nur begrüßen, gehört doch das Klima von Sylt, troß seiner Rauheit, zu den stärksten Berjüngungsquellen armer, überhetter Großstadtmenschen.

Immer mehr hat man in den letzten Jahren die Bedeutung der Nordseereifen und ihren unschätzbaren Wert für unsere Boltsgefund­heit erkannt. Bei vielen Erkrankungen, besonders bei Tuber­tulose, ftellt man heute eine Nordseefur einer solchen im Hoch­gebirge mindestens gleich. Und so, wie das Gebirge heute zu allen Jahreszeiten besucht wird, ja im Winter gerade seine Haupt­anziehungsfraft entfaltet, fo beginnt man allmählich auch die Schön heiten des Meeres während der verschiedenen Jahreszeiten zu er fennen; insbesondere im Herbst, wenn die Möwen sich am Wester­

auf der Insel halten, bevor sie ihre weite Fahrt über das Weltmeer antreten, hat die Nordsee   ihre starken Reize. Dazu kommt der Vor­zug der Billigkeit; während in der Hochsaison die Preise in den

Klippen aut Sylt  .

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

verborgen, um mir eine Weihnachtsüberraschung zu bereiten. Es ward das fidelste Weihnachtsfest, das je zwei Naturwissenschaftler von Upsala verlebt hatten. Viel Schinken und noch mehr Humor und tausend flammende Hoffnungen, die hinreichen konnten, um tausend Meilen im Kreise Eis und Schnee zum Schmelzen zu bringen. Fast merkten wir nicht, daß der Schneesturm die eine Hälfte unserer Tur hinweggeweht hatte; uns selbst trug ein ganzer Wirbel jugend licher Hoffnung, ungezügelter Sehnsüchte wer weiß wohin.

Die Nordpolpolizei.

Die nur spärlich bewohnten, vom Eis und Schnee erfüllten weiten Einöden des Polarkreises und der Gebiete zwischen Alaska  und der atlantischen Küste und Labrador, jene Gegenden, von denen aus in legter Zeit der Flug über den Nordpol   begann, sind heute doch schon insofern an die Zivilisation angeschlossen, als der Arm der Gerechtigkeit" selbst bis hierher reicht. Die Polizeitruppe, die in diesen Gebieten den Dienst versieht, ist die reitende Schuhmannschaft von Kanada  , eine besondere Organisation, die ihr Hauptquartier in Saskatchewan   in der Provinz Ottawa hat. Der jährliche Bericht über die Tätigkeit dieser merkwürdigsten Polizei der Welt ist jetzt wieder von deren Oberbefehlshaber, Starnes, veröffent. licht worden, und dieser durchaus sachlich gehaltene Band erzähli von mancherlei aufregenden Abenteuern und spannenden Erlebnissen. Das Polargebiet, dessen leberwachung der Polizeitruppe unter. stellt ist, umfaßt mehr als die Hälfte von Kanada   und ist fast so groß wie Europa  . Aber nur 5 Offiziere und 72 Schußleute sind dazu bestimmt, hier für Ordnung zu sorgen. Sie sind in 28 Stationen verteilt, in denen zwei oder drei Polizisten, Hunderte von Meilen von jeder weißen Ansiedlung entfernt, hausen. Jeden Sommer bringt ein Schiff Vorräte und Nachrichten von den Stationen, die in der Nähe der Küste liegen. Der Unteroffizier Innes z. B., des auf der Nottingham   Insel stationiert ist, geriet auf einer Inspektionsreise, bei der er von zwei Estimos begleitet war, ir dichten Nebel; bei bitterster Kälte mußte er mit seinen Begleiterr unter Felsen übernachten und fam halb verhungert und erfrorer nach einigen Tagen wieder in seiner Station an. Ungewöhnlich was auch die 1500 Kilometer lange Reise, die der Unteroffizier Murray der an der Baffins Bay stationiert ist, nach Kap Kater unter nehmen mußie, um den Verbleib von Henry Pitchforth festzustellen einem Belzhändler, der selbst von jedem Estimodorf weit entfernt als ,, Einsamſter der Einsamen" am Rap Rater lebte. Man vermuteti ein Berbrechen, da Pitchforth lange nichts hatte von sich hören lassen Wie Murran jedoch auf seiner langen Reise feststellte, war der alte Belzhändler an einer natürlichen Krankheit gestorben.

RUND­FUNK

AM ABEND

Sylter Kurorten für einen gewöhnlichen Sterblichen schwer erschwing-, bar sind, kann sich während der Vor- oder Nachsaison auch der. weniger Bemittelte einen Nordseeaufenthalt zu zivilen Breisen gönnen, eine Möglichkeit, von der recht viele arbeitende Menschen Sonnabend, 1. September. im Interesse ihrer Gesundheit Gebrauch machen sollten.

Dr. Lily Herzberg.

Die Robinsone des ewigen Schnees

Malmgreens letzte Aufzeichnungen

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einer gewöhnlichen Petroleumlampe garzukochen, scheiterte fläglich. Es war nicht daran zu denken, ein Holzfeuer anzuzünden. Meilen­weit gab es tein Reislein.

Die Stockholmer Zeitschrift ,, Staut" brachte die kurz vor feinem| sich mit diesem Gedanken abzufinden. Ein Versuch, die Erbsen auf Tode gemachte Aufzeichnung des bei der Expedition Nobiles so tragisch zugrundegangenen schwedischen Meteorologen Malmgreen. Noch ein Jüngling, lebte ich einen Winter lang auf einem Berg: gipfel in der Ortschaft Sorettjade in einem 1850 Meter hoch gelegenen fleinen Observatorium, das von dem schwedischen Gelehrten Pro­fessor Hamberg zweds meteorologischer Beobachtungen erbaut worden war. Außer mir befand sich dort ein junger Magister aus Upsala, Wiberg, und ein Lappländer, der die mannigfaltigsten Auf gaben zu erfüllen hatte. Seine Hauptaufgabe war die Beschaffung von Proviant und anderen für den täglichen Gebrauch unentbehr­lichen Dingen aus dem Dorfe Kwifiot, das zwei Tagereisen von unserem Observatorium entfernt lag. Während solcher Ausflüge blieb er gewöhnlich über Nacht in einem anderen Observatorium Professor Hambergs, das ein anderer junger Naturwissenschaftler

verwaltete.

Eine Weihnachtsnacht ist mir in besonderer Erinnerung ge blieben. In den letzten Tagen war das Wetter entsetzlich schlecht gewesen. Das war recht trostlos, denn nun blieb wenig Hoffnung, unferen Lappländer mit Proviant und Weihnachtspost wiederkehren zu sehen. Ich will übrigens gestehen, daß wir den Proviant mit weit größerer Ungeduld erwarteten als die Post; nährten wir uns doch eine Woche lang bloß von Graupen und gelben Erbsen. Wir sehnten uns nach einer Taffe duftenden Kaffees, nach Brot, Butter und ähnlichen Delikatessen. Zwischen auffladernder und erlöschender Hoffnung gingen die Tage hin, je nach dem Stande des Barometers.

In aller Morgenfrühe hatte sich ein Schneegestöber erhoben. Ich medte Wiberg. Wir genoffen zum Frühstüd ein Kaffeefurrogat aus gerösteten Getreideförnern und faltem Brei. Dann troch ich aufs neue in den Schlafsack. Wiberg bezog den Beobachtungsposten. Un­unterbrochen dauerte die Beobachtung, Tag und Nacht. Wir dejou­rierten abwechselnd stundenlang.

Als ich wieder erwachte, war es 11 Uhr morgens. Wehmütig verständigte mich Wiberg, das Schneegestöber sei schlimmer ge worden Er hätte nicht nötig gehabt, es zu sagen: ich spürte es mit allen Fiebern meines Wesens. Jede Hoffnung auf Rückkehr des Lappländers war nun erschöpft. Wieder nahmen wir ein wenig falten Brei zu uns und spülten ihn hinunter mit einer Tasse ge= rösteten Graupenkaffees. Die Erbsen hoben wir vorsorglich zum Mittagessen auf.

Nachmittags brachte Wiberg, der Unglücksrabe, eine neue furcht­bare Nachricht. Der Petroleumkocher, auf dem wir das Essen be= reiteten, war in Unordnung geraten. Die letzten Deffnungen waren verstopft und wir hatten nichts zur Hand, um sie zu reinigen. Wir hatten den Lappländer beauftragt, befondere für diesen Zweck geeignete Nadeln mitzubringen. Sollten wir wirklich während der Fefttage uns nicht an warmer Nahrung gütlich tun dürfen? Es war schwer,

Doch das Schneegestöber wurde zum Orfan. Gegen vier Uhr begann auch Wiberg nervös zu werden, und war doch der ruhigste Mensch, der mir je begegnet war. Genau um vier Uhr ging er hinaus. Ich glaubte, er habe die Absicht, irgendeine Beobachtung zu registrieren. Da er lange nicht wiederfam, faßte mich Unruhe. Ich holte meine elektrische Lampe, öffnete die Tür und trat hinaus. Durch den wirbelnden Schnee hindurch sah ich kaum merklich ein winziges Licht schimmern. Ich troch geradewegs darauf zu. Es war nicht möglich, zu gehen. Schnee und Wind warfen einen einfach um. In wenigen Minuten war ich bei Wiberg. Mit der einen Hand umflammerte er einen hochragenden Mast, indes er mit der anderen im Schnee wühlte. Es gelang ihm mit einiger Mühe, einen Leinsac unter dem Schnee hervorzuziehen.

zu

Es wäre fruchtlos gewesen, an Ort und Stelle eine Erklärung verlangen und es war wegen des Sturmes unmöglich, auch nur ein einziges Wort auszusprechen. Schweigend und schwer atmend

Malereien in einem Bauernhause.

( Zu dem Artikel: Die schwindende Insel".)

trochen wir zurüd zum Observatorium. Dort erstand vor meinen Augen etwas Wundervolles: der Sad barg einen herrlichen Schinken! Den hatte unser lieber Chef, Professor Hamberg, uns zu Weihnachten gejandt. Mein Kollege hatte den Schinken im Schnee

16,00 Dr. C. E. W. Behl: Psychologie des Witzes". Plauderei. 16,30 Kriminalkommissar Dr. Georg Bartsch: Die Polizei in Dienste der Völker". II.: Die englische Polizei. 17,00 Uebertragung aus dem Haus der Funkindustrie. Unten haltungsmusik des Konzert- Orchestes Otto Kermbach  . 19,00 Leopold Lehmann: ,, Einrichtungen, die wir kenner müssen." I.: Sollen wir auswandern? Die Reichsstell für das Auswanderungswesen.

19,30 Dr. med. Ernst Rothe: Vortragsreihe Die Macht des Suggestion". I.: Unterbewußte Kräfte.

20,00 Uebertragung aus dem Haus der Funkindustrie. Große Garten- Konzert. Dirigent: Bruno Seidler- Winkler  .

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1. Nicolai: Ouverture zu der Oper Die lustigen Weiber von Windsor  ". 2. Grieg  : Peer- Gynt- Suite Nr. 2.­3. Meyerbeer: Fackeltanz Nr. 1. 4. Liszt  : Ungarische Rhapsodie Nr. 2. 5. Weber: Aufforderung zum Tanz 6. Wagner: Einzug der Gäste auf der Wartburg, au der Oper Tannhäuser  ". 7. d'Albert: Fantasie aus des Oper Tiefland". 8. Joh. Strtuß: Künstlerleben, Walzer 9. Dvořák  : Slavische Tänze, op. 46. 10. Joh. Strauß Vater: Radetzky- Marsch  ( Berliner   Funk- Orchester). 22,30-00,30 Tanzmusik Dajos Béla  .

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Königswusterhausen. 16,00 Aus dem Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht. 16,30 Schulrat Wolff: Der Lehrer in der Reichsverfassung. 17,00 Uebertragung des Nachmittagskonzertes Hamburg  . 18,00 Dr. Geyger: Der Arbeiter in der Volkshochschule  . 18,30 Gertrud van Eyseren, Cesar Mario Alfieri: Spanisch für Anfänger.

18,55 Generalmusikdirektor Knapstein: Das Kammerorchester( I) 19,20 Prof. Minde- Pouet: Lesen wir noch Goethes Romane?( I) Sonntag, 2. September.

11,00 Uebertragung aus dem Haus der Funkindustrie. Außer ordentliche Mitgliederversammlung des Reichsverbandes deutscher Funkhändler. Anschließend: Unterhaltungsmusik der Kapelle Gerhard Hoff.

mann.

14,00 Funkheinzelmann. Brennecke entdeckt Berlin  ". Erzählt von Hans Bodenstedt  .

15,00 Hans- Bredow- Schule. Prof. Dr. Amsel und Fritz Wester­mann: Kurzschrift.

15,30-16,25 Für den Landwirt.

Prof. Dr. Wundsch, Direktor der Preuß. Landesanstalt für Fischerei: Vortragsreihe Fischerei und Fischzucht". 4. Die Teichwirtschaft und künstliche Fischzucht, im Haupt- und Nebenbetriebe. 1. Anlage und Bau von Fisch­teichen.

17,00 Uebertragung aus dem Haus der Funkindustrie. Unter­haltungsmusik.

19,00 Dr. J. E. Poritzky: Paneuropa in der Weltliteratur". VII.: Die Kunst auf wissenschaftlicher Basis.

19,30 Senatspräsident Dr. Riedinger: Gedanken über die Todes­strafe. 20,00 Uebertragung aus dem Haus der Funkindustrie. Straus - Jessel- Hollaender dirigieren! Mitwirkende: Hilde Wörner   und Else Kochhann, Sopran, Eduard Lichtenstein  und Herbert Kiper  , Tenor, Berliner   Funk- Orchester. 22,30-00,30 Tanzmusik Dajos Béla  .

Königswusterhausen. 18,30 Prof. Dr. Hermann Muckermann  : August Forel   zum 80.

Geburtstag.

19,00 Dr. Gustav Manz: Die Ernte in der deutschen   Dichtung.