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(44. Fortl«tzung.) Oii dieser trotzigen Einsamkeit der ersten in Armut und Der schlossenheit zugebrachten Wochen war es ihm eine Erlösung� daß der Zufall ihn an den gleichen Arbeitstisch neben Hilde gestellt hatte, neben ein Wesen aus einer Welt, die er nicht begreifen wollt« und die er doch als heller empfand. Es war vor dem zwölften November, dem Tag der Republik. „Wie werden S' den feiern, Fräulein Hilde?" fragte Drobauer. „Wissen Sie, daß Sie eine Schuld noch abzutragen haben?" „Eine Schuld?" Hilde erinnerte sich, daß sie ihm versprochen hatte, wenn er sich an e'nem Abend hitbsch und manierlich und Hcht ausfällig gegen den Doktor Werner benehme, dann nach seinem Wunsch ein Buch zu lesen. � „Also gut, geben S' das Büchel her, das Sie in der Tasche haben." „Na, kein Büchel diesmal. Aber—. Sie gehen mit mir zu einer Republikfeier, wenn's Ihren aristokralischen Allüren auch zu- wider sein mag." „Im Kegenteil. Ich sperr' meine aristokratischen Neigungen in den Kasten und komm' sogar gern mit." Der Doktor Werner lächelte Ironisch, als Hilde ihm von Ihrer Absicht sprach.„Ich sreue mich wirklich über die Republik und halte sie auch für was Höheres, der Menschenwürde mehr Entsprechende» — muß man deshalb einen Abend in einem verrauchten Lokal mit sehr vielen Menschen zubringen?" „Jawohl!" zischte Drobauer. „Die Reden lese ich, wenn sie interessant find Ich vermute sogar, daß sie gelesen viel geglätteter sind als gesprochen. „Ich verspreche Ihnen, daß wir Ihre Grabrede vorlesen lassen werden, und zwar von einem Hofschauspieler," sagte der Drobauer, auf dessen rohen Witz Doktor Werner mit nachsichtigem Lächeln antwortet«. „Sind da» schon die Dorschauer des Dolkstümlichen?" Verraucht war das Riesenlokal, in dem die Feier der Republik abgehalten wurde. Ungeheuer viel Menschen standen da neben» einander und umringten«ine klein« Minderheit, die sich an Tischen um die Rednertribüne versammelt hotte. Es roch nach Menschen, Bier und feuchten Kleidern. „Na ja, bei einer Opernpremiere ist es glänzender," sagte Dro» bauer, gleichsam entschuldigend, als er mit Hilde eintrat,„aber da ist Zukunft, und dort— man darf eben die Dinge nicht nur von außen betrachten, sondern muß ihren Wert, ihren inneren W.'rt durchschauen." Hilde hatte sich an der Wand auf einen Tisch gesetzt. Dir Menge schwatzte, es war ein wogendes Rauschen, das ihrem Ge» murmel entstieg und das nur die hellen Stimmen von Burschen und Mädeln übertönten, die ihre Broschüren zum Verkauf ausriefen. Manchmal wurden auch Hochrufe laut, dann wurde es still, die Leute reckten sich, um zu sehen, wem die Begrüßung gegolten hatte, und gleich darauf brauste e» wieder im Saal« wie zuvor. Plötzlich das Klingeln einer Glocke, die Tribüne wurde von mehreren Männern und Frauen besetzt, und rasch wurde es im weiten Saale ruhig. Ein Vorsitzender sprach einige Sätze, die der Bedeutung der Feier galten. Er sprach recht unpathetisch, zuweilen auch stockend, erfüllt« sachlich ein« Zeremonie. Schließlich erteilte er einem zweiten Redner das Wort. Beifallklatschen, wieder Hochruf«, Zurechtrücken der Stühle. „Niedersetzen!"— ein Mann malmte den langen Drobauer, der sich vorgeschoben hatte, er solle vom Stockerl heruntersteigen, und nahm die Erklärung, daß dieser aus seinen eigenen Beinen stehe und sie nicht abschnallen könne, sichtlich interessiert zur Kenntnis. Ruh«. Di« Stimme des neu«n Redners war volltönend und boritonal, sie war gewohnt, große Säle mit ihrem Klang zu erfüllen. Auch er beaann ein wenig zurückhaltend, und es war, als sucht« er erst den Kontakt mit den Zuhörern einzuschalten. Aber das dauerte nur einige Sätze lang, und dann erhob er sich, ein» mit der Mass«, die vor ihm war, mit seiner Stimm« und mit dem Schwung seiner Gedanken ihr voranstirnnend, sie mit sich packend, er riß die alten Wunden des Krieges auf,«r zeigte di« erfüllte und die unerfüllte Republik, er wie» auf die kommende Zelt hin, die aller Verheißun- gen voll sei, aber nicht lässig erwartet, sondern in Kämpfen und Vorbereitungen errungen werden müsse, er zürnte und drohte, legte in sein« Wort«, die sich an die Reichen, die ewigen Gewinner In noch so blutig verlorenen Kriegen, wendeten, Hohn, Mitleid zitterte darin, wenn er von den ewig Genarrten und Betrogenen sprach, und wie die Fanfare des Sieges erklang es, als er die Zukunft herauf- beschwor, dl« Gerechtigkeit als ihr Zeichen haben werde. Die Leute hatten gebannt zugehört. Am Anfang hatten sie laut zugestimmt und waren mit Beisalls- oder Empörungsrufen den Ausführungen des Redners gefolgt. Aber weiterhin waren sie ver- siummt, und man merkte es doch, wie sie mit allen Sinnen mit ihm durch die gedrückte Vergangenheit und die ringende, emporstrebende Gegenwart hinaus in die lichtere, befreit« und befreiend« Zukunft mit allen ihren Gedanken und Gefühlen mitstürmten. Dann erst, als der Sprecher geendigt hatte, brach der Applaus los, die Leute, die sich um hin drängten, hatten sich selbst wiedergefunden. Der Drobauer war in seiner Erregung langsam vorgetreten, setzt sah er, daß er sich von seiner Begleiterin entfernt hotte, und rasch kehrte er zu ihr zurück. „Was sagen S' dazu, was?" fragte er leidenschaftlich. „Es war wirklich sehr schön." antwortet« Hild«. „Sehr schön! Sehr schön!" tadelt« Drobauer.„Das war ja kein« Theatervorstellung, daß es sehr schön sein soll. Es war mehr! Eine Parademusik ist sehr schön, aber die Schlachtmusik, die eine "�asie wie eine Lawine hinstürmen läßt, ist mehr, viel mehr!" Der Drobauer war so erregt, daß er keuchte. Wollen Sie bei dem Festkonzert dableiben?" fragte er. Nein." Hilde war zufrieden, in die Nacht hinauszugehen. Dro> �auer sprach vom Sozialismus, von seiner Theorie und Wissenschaft. „Sind Sie vielleicht dagegen?" fragte er plötzlich Hilde, als ob st« Ihm den schärfsten Widerstand entgegengesetzt hätte. „Aber was fällt denn Ihnen ein? Das ist sa geradezu be. leidig«id!"
„Na ja, was bleiben S' dann auf der Zufchouergaleri«? Worum kommen Sie nicht mit? Sie nehmen den Kampf des Tages einfach als künstlerischen Genuß hin und warten« wem die Köpf'«in- geschlagen werden!" „O nein, ich wart' nicht, ich hoff« mit Ihnen." „Na, alsdann I Kommen S' zu uns, helfen S' mit! Wieviel könnten gerade Sie leisten, Fräulein Hilde!" Sie waren, während Drobauer noch immer brummte und be- geistert war,«in Frciheitsgedicht rezitiert« und sich in die Erläute-
rung von Organisationsfragen einließ, zum Kaffeehaus in der Iosefftädter Straße gekommen, in dem Doktor Werner am Abend zu sitzen pflegt«. Da» war ausgemacht worden, daß sie sich noch treffen würden. Doktor Werner ließ sich von der Feier erzählen und erfaßte, so wie Hilde dort noch im Saale, vor allem da» künstlerische Ele- meist, da» die gehörte Red« ausgezeichnet hatte.
„Passen S' auf, Herr Doktor," rief Drobau«r hämisch,„dos Fräulein Hilde wird in kurzer Zeit ein tätige» Mitglied der Partei. Sie werden sehen, wie sie Vorträg« hält..." „Ist das wahr?" fragte Doktor Werner ernst. „Er redet es sich ein" antwortete Hilde lachend.„Ich wüßte nicht einmal« wo ich die Zeit hernehmen sollte. Sie tun so, Dro» bauer, al» ob Sie meinen Stundenplan gar nicht kennen möchten." „Ach was, der Arbeiter, der acht Stunden lang gearbeitst hat, und gar der erst, der früher einmal zwölf Stunden gearbeitet hat— ich frag' Sie, hat der mehr Zeit gehabt als so eine Studentin der Medizin?" „Es kommt nicht auf die Zeit an," sagt« Doktor Werner,„es kommt darauf an, daß man... daß unser eine»... frei bleiben soll, ungebunden nach jeder Richtung hin." „Ist denn überhaupt jemand frei? Nur der polnisch« Faust hängt genau zwischen Himmel und Erde in der Luft, ohne je den Doden zu berühren!" schrie Drobauer. „Ich bin frei," sagte Doktor Werner stolz und sah dabei fest auf ihn. „Ja, Schnecken!" rief noch der Drobauer spitzbübisch, und dann oersteckte er sich hinter einer Zeitung. Auch Hilde sagt- es mehr zu. ganz frei, ganz unabhängig zu sein. Auf der Universität zeigte ihr der erste Einblick, den sie in das Vereinsleben tun tonnte, einen erbitterten Zwist um«inen Sessel, den zwei Gruppen von Studentinnen miteinander ousfochten, weil jede ihn für ihr Dereinszimmer anfordert«. Da hatte sie genug und wollte sie nicht mehr sehen. Svcctovitz beschwor sie sreilich, einem Studentinnenverein beizutreten, und brachte sie mit zwei Kolleginnen zusammen, di« sie vom Kopf bi» zum Fuß musterten und dann wie beleidigt« Herzoginnen jeden Satz damit einleiteten, daß sie sich auf den Wunsch ihre« Landsmannes Svectooitz beriefen. „Nur da» nicht!" rief Hilde, als die beiden jungen Domen fort waren,.�ören Sie. Herr Svectooitz, li.'ber schab' ich zur Prüfung um zwanzig Gelenk« mehr, als daß ich mich mit denen zusammen- setz'-' Hilde dachte jetzt nur an ihr Studium. Sie war unter den ersten, di« sich zur.Knochenprüfung gemeldet hatten und dadurch zu einem eingehenderen anatomischen Studium an den Knochen ac- langt«. Vor da» Geheimnis des menschlichen Körper» selbstgestellt, war sie von Begeisterung für die höchste Wissenschaft, di« ärztliche Kunst, ergriffen. Deshalb unterhielt sie sich nun am iiabstcn mit Sveetovitz, weil sie mit ihm die Dorsällc im anatomischen Institut und die Vorlesungen besprechen konnte, die sie nunmehr einzig und ollein Interessierten.(Fortsetzung folgt.)
WAS DER TAG BRINGT. mmnmiiimiiiinnmniimimniiiinnnranniiininfflmnnnmimimmininmmiiiMiniramninniiimi*iw»ii«inmiiiiiiiniiniiiimiiminmiiwmimimmiinmmiiiuniniiimmu!iiniii
Plackereien an der Grenze. Ein bezeichnendes Grenzabenteuer hatte ein Bautzner Lehrer zu bestehen, der mit einer Mädchenklosse einen zweitägigen Aus» flug ins Elbsandsteingebirge unternahm. Da ein Grenzübertritt vorgesehen war, wandte sich der Lehrer an das tschechische Konsu- lat in Dresden und erhiell dort den Bescheid, daß es vollauf ge< nüge, wenn er sich an der Grenze einen Sommelauswei« ausstellen lasse. In Rosenthal— Schweizermühle erhielt er gegen die entsprechenden Unterlagen für einen mäßigen Preis einen Äimmelausweis, mit dem der tschechische Grenzposten die Klasie unbeanstandet passieren ließ. Bei der Heimfahrt am anderen Tag erklärt« in Herrnskretschen der tschechisch« Beamte bei der Paß- kontrolle auf dem Dampfer den Sammelausweis für ungenügend. Jedoch schien er geneigt zu sein, entgegenzukommen und einen Ausweg zu suchen. Er wollte sich erst mit seinem Kollegen be- sprechen, sagte der Beamte sehr höflich. Doch da fuhr zum allge- meinen Befremden der deutsche Grenzbeamte in sehr energischem Ton dazwischen und erklärte, daß er«in Eni- gegenkommen auf jeden Fall beanstand«! Da» durch war der tschechische Grenzbeanste gezwungen, für jedes Mäd- chen der Klasse einen Einzelausweis ausstellen zu lasten— auch für zwei Mädchen,— die zwar auf dem Sammelausweis standen, aber Infolge Erkrankung daheimgeblieben waren— und dafür neun Mark zu erheben. Der Porfall erregte bei den Pasta- gieren unangenehines Aufsehen. Der deutsche Beamte mit dem bureaukratischen Zopf erreichte mit seinem Vorgehen, daß der tschechische Staat neun Mark erhielt, während die deutsche Behörde durch das Vorgehen ihres Beamten nicht nur keinen Vorteil, son- dern nur wohlverdienten Spott erntete!.... Eine Frau im Dienste der GPU . In einer von den russischen Sozialrevolutionären herausge» gebcnen Emigrantenzeitschrlst schildert ein gewlster G o n z o w sein« Eindrücke aus Sowjetrußland, wo er sich längere Zelt illegal auf» gehalten hat. Unter diesen Schilderungen befindet sich eine, die be- sonders interestant Ist. Er erzähst von einem ausländischen Schriit- steller, der in Moskau die Iubiläunksfeierlichkeiten mitgemacht hat. Da dieser Schriftsteller Russisch kannte, eines Dolmetschers und Be» gleiters also Nicht bedurft«, man aber fürchtete, er würde auf eigene Faust Forschungsreisen durch Rußland machen, so fand man den Ausweg, Indem man eine verführerische Schönheit seinen Weg kreuzen ließ. Es war eine von den Mitarbeiterinnen der GPU. , deren spezielle Aufgabe es ist, sich der Ausländer auf der ihr eigenen Weise anzunehmen. Auch der Schriftsteller widerstand nicht den Reizen der schönen Frau, verlebte mst ihr einige genußreiche Nächte und Tage und dampfte hierauf Ins Ausland ab. Die GPu. hatte aber Wind bekommen, daß der Schriftsteller die Niederschrift sein« Eindrücke beabsichtigte— allerdings mit Ausnahme des stärksten Eindrucks, nämlich mit Ausnahm« dossenigen. den die Frau auf ihn gemacht hatte. Und wieder fand die GPU. einen Ausweg. Sie ent- sandte die Verführerin in» Ausland mir einem Paß, in dem sie als Frau des Schriftstellers vermerkt war. Di« lusto ollen Nächte, die die
beiden miteinander verbracht hatten, wurden gewistermoßen al» still- schweigend« Eheschließung betrachtet. So erschien die Schöne eines To««» in seinem Gesichtskreis— al» sein« Frau. Er war aber verheiratet. Es drohte«ine Katastrophe. Und wieder fand sich ein Ausweg: die Niederschrift der Eindrück« wurde Unterlasten, die russisch « Frau durste um einen guten Happen Geld reicher nach Hause zurückkehren. So schildert Gonzow. Für die Richtigkeit seiner Erzählung trägt er die Verantwortung. Weshalb sollte sie ober nicht wahr sein? Die gestohlenen Modelle. Die großen Pariser Modehäuser sind mit dem Ergebnis der verflossenen Saison durchaus nicht zufrieden, ist doch der Absatz französischer Modelle nach England um Proz. gesunken! Die Pariser Modeschöpfer machen dafür mehrere Gründe verantwort- lich, von denen di« Stabilisierung des französischen Franken ihrer Ansicht nach noch nicht der wichtigst« ist. Schwerer falle der Ein- suhrzoll von 3Z� Proz. nach England ins Gewicht. Ferner: die amerikanischen Käufer haben Konsortien gebildet, und wo früher 12 Modelle gekauft wurden, kaufe man von amerikanischer Seite nur noch eines. Roch schlimmer aber sei eine Befürchtung, daß di« Modelle kopiert oder durch geschickte Wirtschaftsspione gestohlen würden. Bei den letzten Modcverahstaliunaen hätte man beob» achtet, das deutsche Käufer ironisch die Modelle von Mannequins begrüßt hätten, weit sie die gleichen Modelle schon einige Wochen zuvor in Berlin besichtigt hätten. Alle Bemühungen, hinter dieses Geheimnis zu kommen, seien bisher vergeblich gewesen, obwohl man die neuen Moäellschöpsungen mit Argueaugen hüte. Jeden- falls aber stände das eine fest,— daß die mühsam geschaffenen Modelle vorzeitig unter der Hand weiterverkauft worden seien. Die schlechte Wirtschaftslag« habe bereits einige Modellhäuser zu Ein- schränkungen in ihrer Produktion gezwungen. Kuhstreik in Indien . Seit drei Wochen herrscht in dem wichtigen Textll- und Ge» treidezentrum Fazilka bei Lohore vollkommener Stillstand der Geschäfte, rveil sämtliche Hindustanische Geschäftsleute im Streik ver harren. Fabriken und Geschäfte sind geschlossen mit Ausnahme einiger kleiner von Mohammedanern geleiteten Läoen. Der Grund für diesen zähen Streik ist die Tatsache, daß der engti>che Distriktskommissar den Mohammedanern die Erlaubnis zum Schlachten von Kühen gegeben hat, was gegen hindustamsch« Glaubensregeln verstößt. Der Seetisch. Hippe liebt einen guten Happen. Destellt sich In Swinemünde einmal Seefisch gebacken. Der Fisch kommt. Mit ihm ein Duft, der nicht gerade an Flieder erinnert. Schimpft Hippe:„Der Fisch ist ja alt!" Dienert d«r Wirt:„Bedenken Sie bitte die Hitze und den weiten Weg, bis wir di» Fisch« aus Berlin hcranbekommen!" (Aus dem„Wahren Jakob".)