Morgenausgabe
Tr. 417
A 212
45.Jahrgang
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Der„ Borwärts" erscheint mochentag Bich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolf und Zeit“ und„ Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Biffen"," Frauen Stimme". Technit"," Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"
mus? Distrs mis
Vorwärts
Dienstag 4. September 1928
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
Die ein paltige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reklamezeile 5- Reichs. mart. Aleine Anzeigen das jettge. brudte Mort 25 Pfennig( zuläffig zwei fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwet Worte. Arbeitsmarti Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden Straße 3, wochentagl. von 8 bis 17 Uhr,
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V. Sch. Genf , 3. September. ( Eigenbericht.) Mandhe Leute waren geneigt, der 9. Böllerbundstagung, die heute morgen eröffnet wurde, von vornherein jedes Interesse deshalb abzusprechen, weil zwei der Hauptakteure, Chamberlain und Stresemann , durch Krankheit am Erscheinen verhindert find. Es mag sein, daß die diesjährige Tagung an großen Ereigniffen arm sein wird. Aber das wäre sie auch dann gewesen, wenn der englische und deutsche Außenminister heute in Genf unter den Delegierten fäßen. Uebrigens hat Lord Cushendun selbst ausdrüdlich betont, daß er mit den gleichen Vollmachten ausgestattet ist wie Chamberlain, und was die Autorität der deuschen Delegierten betrifft, so hat sie durch die Entsendung des Reihstanzlers in den Augen des Auslandes nichts verloren; daß Hermann Müller als Leiter des Reichskabinetts persönlich in Genf erschienen ist, hat auf alle Bölkerbundsdelegierten den günstigsten Eindruck gemacht. Das geht schon aus den Stimmenzahlen bei der geheimen Wahl der sechs Bizepräsidenten, die in der Nachmittagsfizung vorgenommen wurde, hervor: Hermann Müller erhielt genau die= Jelbe Stimmenziffer wie Briand ( 38 von insgesamt 42)
und eine Stimme mehr als Cushendun, während zum Beispiel der österreichische Bundeskanzler Seipel auffallend wenig Stimmen erzielte; nur mit Mühe mit zwei Stimmen mehr als die abfolute Mehrheit tonnte Seipel noch im ersten Wahlgang gewählt werden.
fanfretes.
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Ob die Tagung von 1928 wirklich so wenig ereignisreich sein wird, bleibt noch abzuwarten. Aber gleichviel was im Rahman der offiziellen Tagesordnung auch geschehen mag, das Interesse fanzentriert sich jetzt auf die bevorstehende Unterredung Hermann Müllers mit Briand über die Räumung des Rheinlandes. Dieser Schritt ist im August offiziell den Besatzungsmächten angefündigt worden. Ueber das Ergebnis, soweit man von einem solchen sprechen fann, der Pariser Unterredung zwischen Stresemann und Poincaré verlautet auch in Genf bisher nichts Sicher ist, daß der Reichskanzler den prinzipiellen Standpunkt der Reichsregierung vertreten wird, ber bereits in der Regierungserklärung formuliert wurde, und der von allen deutschen Parteien grundsäglich geteilt wird, daß Deutschland munmehr Anspruch auf die Gefamräumung hätte. Daß eine fofortige Gesamträumung taum zu erreichen sein dürfte, ist allerdings fein Geheimnis. Wenn sich aber die deutschnationale Presse schon von vornherein bemüht, eine Teilräumung Beispiel die baldige Befreiung der zweiten Zone- zu verkleinern, so geschieht das lediglich aus innerpolitischen Gründen. Wenn nicht vier fozialdemokratische, sondern vier deutschnationale Minister im Kabinett fäßen, dann würden dieselben Rechtsblätter, die heute so geringschäßig über die zweite 3one sprechen, ihre Minister als Befreier des Vaterlandes feiern, wenn es ihnen gelänge, auch nur die Befreiung von Koblenz und Düren aus Genf heimzubringen.
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zum
Genf , 3. September. ( Eigenbericht.) Auf der gegenwärtigen Tagung des Völkerbundes find fünf Etaaten durch ihre Ministerpräsidenten vertreten, darunter Deutschland und Desterreich, 17 Staaten haben ihre Außen
König von Muffolinis Gnaden.
Achmed schon von Italien anerkannt.- Wohlwollen und tiefe Rührung".
Tirana , 3. September. Nach der feierlichen Zeremonie der Eidesleistung Achmed Jogus L. vor der Nationalversammlung begab sich der italienifche Gesandte Sola mit dem Gesandtschaftspersonal zum Palais des Königs von Albanien . Gesandter Sola verlas u. a. folgende Begrüßungsadresse:„ Die Regierung des Königs von Italien beauftragt mich, fofort in offizielle Beziehungen mit der Regierung Ew. Majestät, des Königs der Albanier, zu treten. Meine Regierung hat mit Wohlwollen den Regimemechiel, der Ew. Majestät auf den Thron brachte, aufgenommen. Ich bin ficher, daß Ew. Majestät in der traditionellen politik Italien gegenüber fortfahren werden." König Achmed Zogu antwortete: Ich bin tief gerührt über die Glüdwünsche und bitte, meinen lebhaften Dant Seiner Majestät, dem König von Italien, Muffolini. role auch dem großen italienischen Bolt für die Unterstützung, die fie dem albanischen Boff und meiner Person brachten. ausdrücken 30 wollen."
Zwei Schattenkönige beglückwünschen sich. Rom , 8. September.
minister delegiert, Irlands drei Delegierte sind der Finanzminister, der Verteidigungsminister und der Unterrichtsminister des Landes. An Sozialdemokraten haben Schweden den früheren Außenminister Unden und Frankreich Paul Boncour als Delegierte entsandt. Für Deutschland ist neben Hermann Müller der Reichstagsabgeordnete Dr. Breitscheid als Stellvertreter erschienen. Stellvertretender Delegierter in der dänischen Delegation ist der frühere minifter Borgbjerg. Als technischer Ratgeber gehört der franzöfischen Delegation noch 3o u haug an. Auf die sechs von der Völkerbundsversammlung am Montag eingesetzten Kommissionen verteilen sich die Sozialisten wie folgt: Borgbjerg und unden Mit glieder der ersten Juristischen Kommission, Breitscheid 2. und 3. Kommission für technische und Abrüstungsfragen, Boncour, Jouhaut und Unben ebenfalls 3. Kommission; Borgbjerg 4. Kommission( Budget).
Als Bizepräsidenten wurden gewählt der Japaner Adati, Briand , Hermann Müller , diese beiden mit der gleichen Stimmenzahl von je 38 Stimmen, der österreichische Bundeskanzler Seipel, der Engländer Lord Cuhsendun und der kanadische Außenminister Madenzie Ring. Am Dienstag Nachmittag wird die Vollversammlung mit der allgemeinen Aussprache beginnen.
B
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Unfallstatistik und Luftverkehr.
3mmer wieder: Sicherheit zuerst!
Aus Luftfahrtkreisen wird uns geschrieben:
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Die schreckliche Brandkatastrophe im französischen Luftvier weitere Personen zum Opfer gefallen sind, lenkt aberverkehr, der der französische Minister Bokanowski sowie vier weitere Personen zum Opfer gefallen sind, lenkt abermals die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit auf die Frage: Wie steht es mit der Sicherheit im Luftverkehr? Gewiß wird ein vernünftiger Mensch die Benutzung von Eisenbahn oder Schiff ablehnen, weil er gerade von einer Verkehrskatastrophe gelesen hat. Es wird immer so bleiben und ist auch im Beitalter der Postkutsche nicht anders gewesen, daß auch bei gewissenhaftester Bflichterfüllung aller Verantwortlichen ein unglückliches Zusammentreffen widriger und unvorhergesehener Umstände, ein plögliches Versagen von Material oder menschlicher Spannkraft eine Ratastrophe herbeiführen fann. In dem Maße jedoch, wie sich solche sogenannten ,, Zufälle" häufen, wird die öffentliche Meinung beunruhigt und verlangt mit Recht genaueste Aufklärung darüber, ob nicht irgendwelche prinzipiellen Fehler technischer oder organisatorischer Art ein Mitverschulden trifft.
Ein so junges Verkehrsmittel wie das Flugzeug, dem das Vertrauen des großen Publikums immer noch erst erobert werden soll, darf sich nicht wundern, vorläufig noch einer ganz besonders scharfen und mißtrauischen Aufmerksamkeit zu begegnen. Es wäre jedoch verhängnisvoll, wenn Vorsitzende der Kommissionen wurden: 1. Kommission( Ju- die öffentliche Kritik dieselbe Taftit mitmachte, die besonders ristische Fragen) Scialoja Italien, 2. Kommission( Technische Dr. Das Reichsverfehrsministerium anzuwenden beganisation) Motta Schweiz , 3. Kommission( Abrüstung) Minister liebt: Unangenehmes totzuschweigen oder durch unvollstänCarton de Biart. Die 4. Kommission( Budget) leitet ein Bortu. bige Tatsachenangaben zu verfälschen. Wir wollen heute giese, die 5.( Hygiene und soziale Fragen) der Delegierte Guate nur am Beispiel der Unfallstatistik aufzeigen, wo so malas, während die wichtige 6. Kommission, die sogenannte politische etwas in der Nachrichtenstelle für LuftfahrKommission, unter dem Vorsiz des serbischen Außenministers Mamesen des RB M. gemacht wird. Unter der Ueberschrift rinkowitsch verhandeln wird. ,, Unfälle im planmäßigen Luftverkehr wird für 1926 und 1927 folgendes amtlich veröffentlicht: Flugzeugunfälle mit Berlegungen der Fluggäste: 1926 1
S
Die Wahl von Motta Schweiz zum Vorsitzenden der Rom miffion für technische Fragen hängt damit zusammen, daß diese Kommission über die eventuelle Errichtung einer Funtstation für den Völkerbund entscheiden wird. Dadurch würde die Frage der Souveränität der Schweiz über diese auf ihrem Gebiet stehende Funkstation aufgeworfen. Der Schweizerische Bundesrat hat fürzlich zu diese Angelegenheit eine Stellung eingenommen, die der Verfügungsfreiheit des Völkerbundes über die Station einschränken würde.
Ein Berliner als Völkerbundspräsident. Genf , 3. September.
Zum Präsidenten der diesjährigen Völkerbundversammlung wurde der dänische Gesandte in Berlin Jahle gewählt. Er erhielt 44 von 50 abgegebenen Stimmen.
Der Krieg ein Stück Menschennatur?
In seiner Eröffnungsansprache führte der finnische Minister des Aeußeren Procope noch aus, der Wille zur Kriegsverhinde rung werde oft als eine Illusion bezeichnet, weil der Krieg so alt wie die Menschheit sei und solange dauern merde als sie selbst. Gegenüber diesen Skeptikern müsse aber auf den Umstand verwiesen werden, daß ähnliche Bemühungen zur Stärkung des Friedens, wie sie jetzt vom Völkerbund unternommen werden, noch niemals versucht wurden.
die Schicksale Italiens leitend, mir den Weg weist, der zur Größe und zum Glück meines Volkes führen wird. gez. 3ogu I."
Der König von Italien antwortete:„ Ich danke Euer Majestät herzlich für Ihr liebenswürdiges Telegramm und spreche aus diesem feierlichen Anlaß die lebhaftesten Wünsche für das Glück Ihres Reiches und das Gedeihen Ihres Volkes aus. Viktor Emanuel III. "
Das Geständnis der Faschistenhilfe.
An den Ministerpräsidenten Mussolini richtete König 3ogu I. bas folgende Telegramm: Im Augenblick, da mich Mein Bolt zum König proklamiert, gereicht es mir zur Freude, Euer Exzellenz mit zuteilen, wie sehr Ich und die albanische Nation die dauernde Unterftühung anerkennen, die die Königlich Italienische Regierung befonders der Bewegung für das monarchische Regime in Albanien zuteil werden ließ. Ich rechne auf die Mitarbeit der verbündeten Regierung als grundlegenden Faktor für die Politit in Meinem Reich, die darauf abzielen wird, den Fortschritt der Nation auf allen Gebieten zu fördern und zu beschleunigen. Mit dem Aus brud meiner unveränderlichen Zuneigung gez. 3ogu I, Rönig der
Albanier."
Ministerpräsident Mussolini antwortete mit folgenden Worten: ,, Die Gefühle, die Eure Majestät anläßlich der Thronbesteigung mir befunden, sind mir und meiner Regierung besonders willkommen, Nach seiner Proflamierung zum König von Albanten hat König ba fie in der Errichtung des monarchischen Regimes einer verbündeten Sogu I. an den Rönig von Italien das folgende Telegramm gesandt: Nation bie Garantie für die fortdauer her auf Im Augenblid ber Thronbestcigung weilen meine Gerichtigen 3usammenarbeit, die zwischen den betben Danten bei Euer Majestät, die mit edelstem Gemüt Ländern besteht, erblickt."
tödlicher Art nichttödlicher Art
• A F
b k
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1927 4
Wer diese Ausdrucksweise nicht sorgfältig durchschaut, und auch sonst nicht gut im Luftverkehr Bescheid weiß, nimmt an, daß im Jahre 1926 nur ein Toter, 1927 vier Todesopfer unter den Passagieren des Luftverkehrs zu beklagen sind. Und diesen Effekt will man offenbar auch erreichen, sind die Zahlen doch schon bereits in dieser Form von Fachstatistikern in Jahrbüchern übernommen worden.
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In Wirklichkeit liegt der Fall so, daß sich hinter der Eins des Jahres 1926 vier getötete Passagiere sowie ein getöteter Pilot( Unfall bei Juift) verbergen, während 1927 die Unfälle bei Schmalkalden , Kassel , Rudolstadt und Schleiz insgesamt 18 Tote gefoftet haben, von denen je die Hälfte auf Baffagiere und Besatzung entfallen. Während man in früheren Jahren wenigstens noch die Unfallziffern in eine Beziehung zur Flugstrecke und zur gesamten Verkehrsfrequenz setzte und diesbezügliche Zahlen beifügte, hat man auch das jetzt ganz unterlassen. Glauben die Herren dieser famosen Nachrichtenstelle, die auch in anderer Beziehung eine nähere Beleuchtung wert ist, wirklich, durch solche Verschleierungen das Vertrauen des Publikums zu stärken?- Der einzige Effekt ist, daß man nach solchen Leistungsproben des amtierenden Herrn Profeffors sich hüten wird, auch seinen sonstigen Nachrichten ungeprüft Glauben zu schenken. Gerade die leitenden Stelien sollten am wenigsten BogelStrauß- Politif in der Sicherheitsfrage treiben. Denn sie ist das A und O jeder Verkehrsentwicklung, und feien wir ehrlich noch steht es nicht allzu glänzend damit im Luftverkehr. Ein Vergleich mit Eisenbahnen oder Schiffahrt, sowie auch mit dem Kraftwagenverkehr macht nachdenklich. Im Jahre 1925 wurden im gesamten deutschen Eisenbahnverkehr 148 Reisende und 409 Bahnangestellte bzw. Arbeiter getötet, wobei in der letzteren Zahl die Ueberfahrenen mit einbezogen sind. Im gesamten britischen Weltschiffsverfehr( die entsprechenden deutschen Zahlen sind mir nicht zur Hand) wurden in den letzten Jahren 1920 bis 1924 pro Jahr durchschnittlich etwa 10 Reisende und 269 Seeleute Opfer des Berkehrs. Wenn wir in Betracht ziehen, daß die deutsche Eisenbahn im angezogenen Jahr 2106,3 millionen Fahrgäste befördert hat, mährend die Luftverkehrsfrequenz 1927 zum ersten Male 100 000 Fahrgäste inapp überschreitet, so fommen bei der Reichsbahn erst auf etwa 14 millionen Fahrgäste ein getöteter, mährend im Luftverkehr bei Zugrundelegung der letzten zwei Jahre die entsprechende Vergleichsziffer um ein Bielhundert. faches höher ist.
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Ein Vergleich mit dem Automobilverkehr ist insofern schwieriger zu ziehen, weil sich die Zahl der insgesamt durch Autos beförderten Personen statistisch nicht leicht erfassen läßt. Jedenfalls fallen auch hier bie prozentualen Vergleichs zahlen- obwohl das Automobil relativ mett mehr Opfer fordert als Schiffahrt und Eisenbahn noch erheblich zugunsten des Automobils aus. Es existieren Statistifen, welche