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Dienstag 4. September 492S
Unterhaltung und �Nissen
Beilage des Vorwärts
Ein Abschied. Von Kalobdrichkeit. Da war er schon wieder. Der Pfiff. Grell, beißend schrillte er diirch die Nacht. Der Regen prasselte gegen das Fenster. Ein Sturm heulte. Nun flog das Fenster auf. Und der Regen schoß in das Zimmer... Wer pfeift in einer solchen Nacht in einer Straße, die erfüllt ist vom Modergeruch und unheimlichen, winselnden Schreien, diesen gellenden, schrillen Pfiff...?... Die Frau weiß es. Sie liegt auf dem Strohlager in der Mansarde, ist nicht sähig, auszustehen, um das Fenster zu schließen, durch das der Regen strömt. Ist nicht fähig, aufzustehen, um sich eine Decke zu holen, die ihren Matten, mageren, jungen, schöngewesenen Körper wärmen könnte... Ein trockener Husten schüttelt sie. Hektische rote Flecken zeichnen ihr Gesicht. Und nup. Da ist er wieder. Der Pfiff. Jetzt leiser. Jetzt zaghafter. Demütiger. Flehender. Bittender. Die Frau reißt sich zusammen. Kriecht aus dem Bett. Schleicht zum Fenster. Und winkt mit einem grellbunten Tuche. Dann sinkt sie unter dem Fenster in sich zusammen. Schritte. Polternde Schritte. Quietschende, knarrende Treppe. Näher, näher. Nun tritt er ein. Sein Gesicht ist noch verzerrt von elwas ungeheuer Schrecklichem.Marile*, sagte er,Marile, komm doch her... hob kenne Angst... ick tu dta doch nischt.. Dann sieht er die Frau am Boden liegen. Nimmt sie behutsam auf. Und legt sie aus dos Bett. Er massiert ihr Herz. Aus einer kleinen Flasche, die er aus dem Innern seiner schmierigen Jacke holt, flößt er ihr etwas Schnaps ein. Das tut ihr gut. Sie schlägt die Augen aus. Ein Wort flüstert sie:Hunger." Und der Mann beugt sich nieder zu ihr, um sie zu küssen, als könne er mit seinem Kusse ihren Hunger stillen. Sie aber stößt ihn mit einem letzten Aufwand einer vermeintlichen Kraft(die Ekel ist) zurück.... Die Frau liegt und windet sich vor Schmerzen. Und der Mann beginnt, zu reden. Was erzählt ein Mann, der eben eine grauen- erregende Tat begangen hat, der mit Mühe nur aus den Klauen einer lynchlustigen Menge sich rettete, einer Frau, die er oerraten und verlassen hat, die er bcstohlen hat und ihr die Seele aus dem Leibe gerissen? Was erzählt ein solcher Mann in einer die Sinne betrübenden Mansardenstube irgendwo in der heulenden Regennacht einer immensen Weltstadt dieser Frau...?... Oh, er erzählt , nicht. Und er redet nicht. Aber er winselt auch nicht... Nur seine Zunge lallt Laute, die nur dieser Frau verständlich sind, nur seine Augen sprechen eine Sprache, die nur sie begreift. Und dann--- ganz unvermittelt--- wissen beide, daß sie einander gehören. Plötzlich sind sie sich bewußt, daß sie, die beide am Verhungern sind, die Frau krank, der Mann gehetzt, ver- folgt, daß sie einander Helsen müsien. Dos Wort, das sie zusammen- schließt, dos sie zusammenkettet, heißt: müssen. Nun erhebt sie sich. Er zieht sie an. Er zieht sie an, wie etwa eine besorgte Bonne das ihr anbefohlene Kindchen anzieht, weil es schön aussehen soll, denn die Mammi bekommt Besuch. Trogisch- bizarrer Kontrost!!! Er zieht die vollkommen Willenlose an. Er setzt sie auf seinen Schoß. Und schminkl sie. Ja, er frisiert sie sogar. Sie ist wie in etner hypnotischen Trance. Und er-- er!-- besten Nerven fliegen, dessen Pulse hämmern, dessen Adern-- jede für sich-- vibrieren, er ist der Hypnositeur. Dann geht sie. Fürchterlich sieht sie aus. Nicht mehr Mensch. doch noch nicht tot. Nicht mehr Mensch, doch auch nicht Tier. Denn nicht für sich lauert sie jetzt stumpf, kaltberechnet, instinktiv und gemein auf ein Objekt der materiellen Lüste. Wahrhastig nicht für sich. Sie wäre da oben liegen geblieben. Sie hätte da oben ihre Seele unter dem bellenden Husten einer unerträglichen Qual aus- geröchelt... Für ihn! So steht sie denn grell geschminkt, z»nd dennoch die eine Wange kreideweiß, die andere Wange purpurrot, hektisch gerötet... An einer Laterne steht sie, deren Licht hin und her flackert. Bald wild auszuckt, bald müde, tot schwell. Und dann kommt da so ein Junge vorbei. Der gehört gewiß nicht hierher. Der hat suchende, fiebernde Augen. Er trägt einen Regenmantel. Und hat das Gesicht tief in dem hochgeschlagenen Kragen verborgen. Der kommt nun näher, denn er sucht das Aben- teuer, weil er jung ist... Sie werden einig. Sie gehen hinauf. Er wirft das Geld aus den Tisch. Dann reißt er ihr die Kleider vom Leibe. Und nun hört er plötzlich sehr dicht neben seinem Ohr einen spitzen, dünnen Schrei. Einen Schrei, der so unglaublich schmerzerstarrend ist, daß er zurückschaudert. Und dann hält er ein totes Bündel Mensch im Arm. Geschminkt, frisiert, ein nackter. magerer, abgezehrter Körper. Unsagbar tot. Da will er schreien. Doch er kann nicht schreien, weil die Angst ihm die Kehle zuschnürt. Und nun rast er hinunter auf die Straße. Rennt, rennt. Und der Regen pestscht sein bleiches, junges Gesicht.... Der Mann, der oben gehockt hat. verborgen vor den Augen des anderen, dieser Mann, der ein hartgesottener Verbrecher und dennoch Mensch ist. nimmt da, Geld des Jungen in die Hand. Sieht es mit einem fast abergläubischen Grausen an. Dann legt er die Leiche aus das Bett. Nun steckt er das Geld in die Tasche. Und nimmt Ab- schied von dem einzigen Menschen, der noch an sein Menschentum geglaubt.__ Eine Tür fällt ins Schloß. Von Tilla Ourieur. Ter Sor-n.B-rlaz, Bttlin-Srunewald, stellt uns aus kinem In diesen Tagen erscheinenden Ziontan»Eine Tue f a 1 1 1 ins Schloß" von Till- Durieux. der b-ianntcn Scha». spielerin, die Wiedergabe des folgcndeu Kapitels zur Verfügung. Als die Prob« zu Ende war, fand Carola auf dem Heimweg unvermittelt den jung«n Autor an ihrer Seit«. Sie war von seiner Begleitung nicht sehr entzückt, denn sie war müde und bedurfte der Ruhe. Sein Lob hatte si« nicht besonders berührt und das Getuschel der ander«» war kaum in ihr Bewußtsein gedrungen. Nach ihrem Kampf fühlt« sie sich erschöpft, erleichtert und fast zufrieden. Worüber sollte sie mit dem jungen Menschen reden? Ueber dos Stück? Uetxr ihre Auffassung? Das war alles viel zu anstrengend. Und da fragt« er auch noch, ob sie nicht mit ihm fpeifen wolle. Si« sah sich o«ronlaßt,sehr gern" zu sagen und wünschte ihn dabei zu allen Teufeln. Jetzt unt«r fremde L«ute in ein Restaurant zu gehen, war ihr unmöglich, also lud sie ihn zu sich ins Hotel ein. Sie lieh das Esten auf ihr Zimmer bringen-, während sie sich im Badezimmer die Hänhe wusch, konnte sie durch den Spiegel be­merken, wie er sich im Wohnzimmer neugierig umsah; ihre Ein- ladung ärgert« sie.» Bi, das Esten aufgetrogen wurde schwiegen beide und rauchten Zigarette». Carola verstwt i« Gebaxtoi, schreckte auf. als der
25 Lahre Daktyloskopie. Oer Kinger spricht, aber er lügt nicht.
Am frühen Morgen fand ihn die Wirtin. Der Tot« lag neben dem Bett, mit zertrümmertem«chädel und einem Mesterstich in der Brust. Die Schubkästen des Schreibtisches waren Herausgeristen, Pa- piere bedeckten den Boden. Offenbar lag ein Raubmord vor. Die Kriminalpolizei fand am Tatort weder den abgerissenen Hosenknopf noch das mit Monogramm versehene Taschentuch des Täters, sie fand keine Fußspuren oder sonst einen Gegenstand, der dem Mörder gehörte. Aber sie entdeckte auf den durchwühllen Brieffchasten Fingerabdrücke, die mit bloßem Auge gar Nicht zu fchen waren, sondern erst durch ein chemisches Verfahren sichtbar gemocht wurden. Dieses Fingerlinienbild wanderte mm zum Erkennungsdienst. In der Registratur, wo die FingerabdruckbläUer aller vorbestraften Per- sonen ausgehoben werden, wurde tagelang gesucht. Endlich fand man den identischen Abdruck und stellt« fest, daß er einem der gewalttätig verschrienen Einbrecher gehörte. Der Mann würde verhaftet und gestand noch längerem Leugnen die Tat ein. Ein anderer Fall. Schiffer bergen ein« verstümmelte Leiche. Der Kopf der Toten ist gräßlich verstümmelt. Niemand weiß, wer die Frau ist, die allem Anschein nach Selbstmord begangen hat. Da nimmt man Fingerabdrücke der Toten auf und stellt sest, daß es sich um eine vor einigen Wochen aus dem Gefängnis ent- lastene Hausangestellte handelt. Noch ein dritter Fall. Ein bisher unbestrafter Mann wird bei einem Einbruch erwischt. Als man fein« Fingerabdrücke mit den in der Registratur liegenden unaufgeklärten Tatorffingerab- drücken vergleicht, findet man heraus, daß der Lerhaflete wahr- scheinlich vor Monaten einen Einbruch bei einem Juwelier verübt hat. Die Kriminalpolizei hatte damals Finoerspuren an einem Geldschrank gesichert, aber diese in der Registratur nicht identisi- zieren können. Der Verhastete gab auch den Juwelierdiebstahl zu. Mit Hilfe der Daktyloskopie sind also in den oben angeführten Fällen ein Mörder und die Personalien einer Toten festgestellt worden, hat man einem nicht vorbestraften Diebe noch eine andere Straftat nachgewiesen. Durch die Daktyloskopie sind in den letzten Jahren viele Verbrecher ermittelt worden, die sonst wohl unentdeckt geblieben wären. Da das Fingerabdruckversahren in diesen Tagen 25 Jahre bei der deutschen   Kriminalpolizei im Gebrauch ist, wollen wir mal' diesem Jubilar, der viel älter ist als die Laien ahnen, näher treten. Wer ist eigentlich zuerst auf die Idee gekommen, die Innen- fläche unserer Finger als Jdentifizierungsoerfohren zu benutzen? Wohl jeder hat schon etwas von dem verdienstvollen sranzösijchen Kriminalisten Bertillon   gehört. Bertillon war der erst«, der die exakte Körpermessung, Aiichropometri«, und die Profil- und Enface- Photographie in den Dienst der Kriminallechnik stellt«. Aber um die Einführung der Daktyloskopie hat er sich kein« Verdienst« er- worden. Er hielt bis zur letzten Stunde seines Lebens an dem von ihm ausgebauten.Körpermeßversahren fest. Regierungsrat Heindl, einer unserer besten Kriminologen, weist in seinem Standardwerk über die Daktyloskopie daraus hin, daß die Papillarlinien der Fingerkuppen und der Handsläch« schon- vor Jahrhunderten bei den Chinesen und Japanern als Erkennungs- mittel, als Ersatz von Urkundenunterschriften angewendet wurden. Aber die Asiaten sind wohl mehr durch Zufall, als durch wissen- schastliche Forschung auf die Tatsache gestoßen, daß aus der ganzen Welt nicht zwei Menschen existieren, deren Papillärlinienbilder übereinstimmen. Aus dieser und der anderen Naturtotsache, daß die Linienbilder unveränderlich bleiben, beruht das System der Daktyloskopie, die selbswerständlich, wie jede ander« Methode, auch ihre Gegner Hot. 'Die ersten europäischen   Gelehrten, die im 17. und 18. Jahr- hundert den PaMorlinien wissenschaftliche Untersuchungen wid- nieten, waren Malpighi, Hintze und Prochaska. Aber erst Profesior Purkinje   kam im Jahre 1824 zu einer Klassifizierung der Papillär- linienbllder. Die ersten polizeilichen Versuche reichen bis aus da» Jahr 1858 zurück. William Hcrrscyel war es, der in Bengalen   ein polizei- liches Fingerabdruckverfahren einführte. Aber erst Edward Henry  drang mit seinem oerbesserten Registrierversohren in Europa  , wo Bertillion noch den Ton angab, durch und schuf 1901 die erste Fingerabdruckzentrole in London  . In den nächsten Jahren trat dann die Daktyloskopie ihren Siegeszug in Oesterreich  , Deutsch­ land  , Holland  , Rußland   usw. an. Die Bertillonage wurde durch die bessere Methode verdrängt. Und welche Wichtigkeit, ja man muß sagen Unsehlbarkeit heute der Daktyloskopie m der Gerichts- Praxis zugesprochen wird, beweisen die Berurteilungen von Ange- klagten, gegen die oft weiter nichts spricht als das Vorhandensein ihrer Fingerabdrücke am Tatort. Mörder wurden aus diese Indiz
hin guilloniert, Einbrecher in die Zuchthäuser gesteckt. Schlechte Zeiten für die Gesetzesverächter. Schlechte Zeiten. Der Arm der strafenden Gerechtigkeit wird von Tag zu Tag länger. Der Laie wird der Daktyloskopie etwas mißtrauisch gegen- überstehen.Vielleicht wird doch eines Tages der Fall«intreten, daß die Fingerabdrücke zweier Menschen übereinstimmen." Ach nein, dieses Naturwunder wird wohl nicht eintreten. Ebensowenig. wie man an Bäumen einer bestimmten Gattung auch nur zwei Blätter finden wird, die nicht in irgend einer' Form von einander abwichen. Auf die Analyse der Fingerabdrücke will ich hier nicht weiter eingehen. Immerhin empfehle ich dem Leser, seinen Daumen oder irgend einen anderen Finger auf eilten Spiegel zu drücken. Er wird dann auf dem Glas die von einander verschiedenen Papillär- linienmuster sehen, die Wirbel, Schlingen und Bogen bilden. Stellt er stch nun vor, daß dieser unvollkommene Abdruck vergrößert und genau klassifiziert wird, so kann er sich wohl sagen, daß ein derartiges Jdentisizierunasversahren sicherer ist als eine Photo- graphie, eine Körpermessung oder eine Handschriftenprobe. Diese vier Derfahren zusammengefaßt bilden allerdings die vollkommenste, unfehlbarste Ermittiungsrnethode. Nun wird mancher Laie fragen, wie es denn möglich sei, daß die Polizei Fingerspuren am Tatort entdecke, obgleich der Dieb saubere Hände gehabt habe? Nun, saubere Finger hat ein Em- brecher selten. Er hat gewöhnlich ein Schloß ausgebrochen und sich dabei schmutzig gemocht, er hat an staubige Gegenstände ge- faßt usw. Aber selbst gesetzt den Fall: der Dieb besitzt saubere Finger, so befindet sich doch immerhin an der Hautoberfläche eine Mischung von Fett und Schweiß, und diese klebrige Substanz prägt einen Handabdr�ck schon aus, den die Kriminalpolizei durch ver- schiedene Versalsren zum Borschein bringt. Fingerabdrücke befinden sich daher häufig an Türen, Schränken, neben Schlössern, auf Tischplatten, fast auf allen nichtporöscn Gegen- ständen, die ein Verbrecher berührt hat. Und dort sucht die Kriminal- Polizei zuerst. Diese Abdrücke sind natürlich nicht vollkommen, aber sie genügen in den meisten Fällen zur Identifizierung des Täters. Leider müssen die Beamte» oftmals die Wahrnehmung machen, daß am Tatort aufgeräumt worden ist. Man hat schnell nochmal Staub gewischt, die am Boden liegenden Papiere aufgesammelt und ge- ordnet. Durch diese Reinigungsprozedur sind aber sehr oft Spuren vernichtet worden. Es kann daher dem Publikum nicht dringend genug ans Herz gelegt werden, den Ort des Verbrechens in dem Zustande zu lassen, in dem es ihn gefunden hat. Man räume nicht auf. Halte die Neugierigen sern. Ueberlosse alles der Polizei. Man versuche nicht selbst Detektiv zu spielen. So etwas macht sich in Romanen ganz gut, führt aber in Wirklichkeit nur zu Miß- erfolgen. Es gibt verschiedene Berfahren, die für das bloße Auge un- sichtbaren Finger- oder Handabdrücke aufzunehmen. Frische Spuren, auch blutig« Abdrücke, werden am besten durch Photographie und Gelatineabziehsolien gesichert. Spuren auf glattem Papier durch Ioddämpfe und Photographie. Außerdem ist noch das Einstäub- verfahren. Einpinseln mit Aiuminiumpulver im Gebrauch/ Wie lange nun sind latente Fingerabdrücke feststellbar? Robert Heindl   teilt mit, daß man noch nach zwei bis drei Jahren Eifolge erzielt habe. Er weist sogar auf folgenden Fall hin: Im Jahre 1910 erhielten der sächsische Kriegsminister und ein Oberst mehrere Drohbriefe. Der Briesschreibcr blieb damals uner- mittelt. Zehn Jahre später setzte die anonyme Brieffchreiberei wieder ein. Diesmal entdeckte der Dresdener Ertemmngsdienst Fingerabdrücke auf den Briefen und ermittelt« dadurch den Täter. Gleichzeitig dehnte man nun die Untersuchung auf die zehn Jahre früher geschriebenen Briefe aus und fand, da wir inzwischen unsere Untersuchungsmethode verbessert hatten, auch aus den alten Brisfen die Papillarlinienbilder des Täters. Ein gerichtliches Verfahren konnte gegen den Briefschreiber nicht eingeleitet werden, weil er Selbstmord oerübte. Welche Nutzanwendung hat man bis jetzt aus der Daktyloskopie in anderer als rein kriminalistischer Hinficht gezogen? Brasilien  und Argentinien   stellen Pässe aus, die den Fingerabdruck des In- Habers entholten müssen. Verschiedene amerikanische Bonken nehmen den Abdruck ebensalls als Sicherungsmittel. Wahrscheinlich ist die Zeit nicht mehr allzu fern, wo jeder Erdenbürger nicht nur namentlich in den Registern geführt wird, sondern auch die Abdrücke seiner zehn Finger in einer Melde- stelle liegen. Der Mann, der nicht mehr weiß, wie er heißt," ist dann eine Phantasiegestolt.
Kellner erschien, verfiel dann wieder in ihre Geistesabwesenheit, und vergoß zu essen....- Der Autor brach das Schweigen:Wie haben Sie es denn ge- funden?" und auf Carolas völlig verständnislostn Blick:Ich mein«: das Einfache und Natürliche in Ihrem Spiel!" Interessiert sah si« ihn an:Dadurch, daß ich ganz klein ge- worden bin. Ich könnt« auch sagen: dadurch, daß ich viel gelitten habe, ober das Wort ist nicht(jaNz treffend. Leiden sind nur ein Anfang und müssen nicht immer zu diesem Ziel« führen; der Weg dorthin ist lang und ungewiß." Er schwieg, starrte si« verblüfft an, dann stieß er hervor: Warum wohnen Sie in diesem Hotel? Do» paßt gar nicht zu Ihnen, Sie gehören ganz wo anders hin!" Nein," sagte Carola,nicht dorthin, wohin Si« meinen. Ich gehöre nicht zu den Kämpfern, denen Sie mich zugesellen wollen." Und dann auf sein Nicken:Ich bin ein großer Egoist, führe meinen Kampf nur für mich allein und will nur mich selbst befreien. Täuschen Si« sich nichl: ich kenne kein Mitleid mit anderen, weil ich auch kein Mitleid mit mir habe. Möglich, daß ich auch für andere kämpfen kann, wenn ich über mich gesiegt haben werde, aber früher nicht!" Er ließ es nicht gelten, widersprach:Gerade Menschen wie Si« dürfen sich uns nicht entziehen. Si« würden in tommuniftischsn Kreisen den Halt finden, den Sie brauchen!" Aber Carola wehrte ab, Sie könne den Kommunismus, nur in seiner strengsten, idealsten Form gutheißen. Danach zu lebey, fehse ihr aber der Mut. Das Beispiel, dos Franz von Assisi   gegeben, sei herrlich, aber dieser Erhabenheit sei sie nicht gewachsen. Er wandte ein, daß si« den Kommunismus ganz fälsch verstünde, er hätte doch cnjdere Ziel«. Aber man hatte, sich schon so off bemüht, Carola dos alles auseinanderzusetzen, sie. tonpt« doch nicht von ihrer Auffassung lasten. Auf seinen Einwurf, map dürse«ine politisch« Partei nicht mit Gefühlen belasteis, die nicht« mit ihr. zu. tyn habe», kam sofort ihr« Antwort: sie sei eben ein« Frau und verstünde nichts von Politik. Er wollte ihr beweisen, daß ihr ganzes Wesen, ihre Einstellung zur Welt, die sie in der Rolle seines Stück« zeigte, von komm«.
nistischem Geist« erfüllt wäre; und daß ihr nur der Mut fehlte, es zu bekennen. Ach," sagte Carola,Sie sehen nicht richtig. Ich tauge nicht zur Kommunistin. Eine ewige Revolutionärin bin und bleibe ich, auch jeder Partei und Revolution gegenüber. Ich kämpf« gegen die Moral von Gut und Bös«, ich verabscheue die Weg« der Konvention, ich wehre mich gegen mein eigenes Ich, das im Althergebrachten wurzelt und gleichwohl rettungslos dem Tier in mir verfallen is�. Es gibt Augenblick«, in denen ich mich am liebsten austilgen möchte, um mich von mir selbst zu befreien." Auf seinen Einwurf:Denken Sic denn gar nicht an die anderen, immer nur an sich selbst?" rief sie aus:.La, nur an mich, an mich«(lein, denn wie soll ich in meiner Verworrenheit noch andern helfen, die ich mir selbst nicht zu helfen weiß?!" Der jubg« Autor starrte sie entsetzt an:Und alle Elenden und Hungernden, die belosten Sie auch nicht?" Rein tausendmal nein.. Was ist Hunger, was ist Armut? Sie meinen wohl, man habe leicht so reden, wenn man vornehm wohnt und sich dt« besten Speisen leisten kann. Aber was soll mir dieses Zimmer, wenn ich vor Sehnsucht nach Wunschlosigkeit zugrunde gehe?!" Er wollt« sie unterbrechen, doch sie wehrte ab:Sie sind noch jung und haben viele Wünsche. Eines Tages werden Si« erkennen, daß Wunschlosigkeit dos Wünschenswerteste ist." Sie sank in sich zusammen, wie erloschen. Der Dichter stand stumm auf, verabschiedete sich förmlich und ging betreten. Auf der Straß« angelangt, kam ihm der Gedanke:Diese Frau kann män nur maßlos hoffen oder besinnungslos lieben I" Do« Projekt einer Eisenbahn quer durch die Sahara   beschäftigt dos französische Kolanialministerium sehr lebhaft, und im Jahre 1918 wurden allein für die abschließenden Studien dieses Planes 20. Mjl- lionen Franken ausgeworjen. Wenn die Bahn von Ras et Ma, der Endstation der von Oran kommenden Eisenbahn, nach Tysaje am Niger   geb«ut würde, so könnte die Arheit mit Hilfe van 8000 Ar- heitern in fünf bis sechs Iahren durchgeführt werden, und die Kosten würden etwa IM Milliarden Franken betragen, also etwa 250 Mii- jährlich