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Beilage

Freitag, 7. September 1928.

Der Abrno

Spätausgabe des

Vorwärts

Fiebers.

Die Stadt des Fiebers.

Wie es in Athen

Aus Griechenland tommen Meldungen über das Umfich­greifen der Dengue- Epidemie. Dengue, das ist eine Fleberkrankheit, die zumeist gutartig verläuft, aber doch auch viele Todesopfer fordert, wenn fie epidemisch auftritt. Unfer Zeichner rommer gibt heute eine intereffante Schilde. rung der griechischen Hauptstadt Athen , die besonders schwer unter der Dengue- Epidemie zu leiden hat. Athen bietet heute dem Fremden das Bild einer modernen Großstadt von eigenartigem Reiz; auf der einen Seite erzählen dic antifen Bauten von der glanzvollen Vergangenheit der Stadt auf der anderen Seite spricht aus den in den letzten Jahren ent­standenen Flüchtlingsvierteln erschütterndes Schicksal der Nachkriegsjahre. Es war im September 1922, als innerhalb zweier Wochen eine Million fleinasiatischer Griechen den Hafen von Athen , Piräus , und Athen selbst überschwemmten. Fahrzeuge aller Art hatten diese Flüchtlinge nach den Bestimmungen des Lau­fanner Friedens aus Kleinajien herübergebracht. Da lagen sie nun

heute aussieht.

baedekerbewaffneter Ladys und Gentlemans" mit pathetischen Führerworten in die Herrlichkeiten antifer Baukunft eingeführt wird. Dann ist es schon besser, die marmorne Burg zu verlassen und durch eins der schmalen Gäßchen, vorbei an zerbrechlichen, an die Felsen der Afropolis gefletten Proletarierhäuschen, über hunder Stufen. in der einen immer in die geräuschvolle Stadt hinabzusteigen bald mäch­

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wieder bald ein Grabdenkmal bald ein Tempel gelehrt wird. wie das Französische als zweite Umgangssprache eine tige Säulenruinen an die Vergangenheit erinnern. Emen anderen Geist atmen die mittelalterlichen, byzantinischen große Rolle in ganz Griechenland spielt. Kirchen mit ihren Kuppeln und seltsamem, plastischem Schmuck. Namentlich abends, wenn aus den geöffneten Portalen der melodische

Mit Spannung erwartet man die Ergebnisse der Ausgra­bungen, die ein amerikanisches Konsortium an der Nordseite der Akropolis ( Lagestelle des alten Agora) unternimmt. Aus Mangel an Mitteln mußte die griechische Regierung auf die Aus. grabungsarbeiten in eigener Regie verzichten.

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Schon ein flüchtiger Rundgang durch die Stadt gibt einem eine anschauliche Darstellung von der glanzvollen baulichen Ver= gangenheit der Stadt. Zwar haben so ziemlich alle Nationen Europas in edlem Wettstreit wertvolle Plastiken, Säulenteile, Fi­guren in ihre Museen verschleppt an erster Stelle bei dieser ton­fervierenden Tätigkeit wären die Engländer zu nennen, die seit dem Tod Lord Byrons , der sein junges Leben für die griechische Freiheit vom Türfenjoch opferte, als die eigentlichen Brotektoren Griechenlands gelten. Auch die Kanonen der Türken und Venezia­ner haben auf der Akropolis genug Unheil angerichtet. Trotzdem staunt man über die reiche Fülle von Tempeln, Theatern, Baudenk mälern aus der klassischen Zeit, die sich noch zwei Jahrtausende später Architekten aus Mangel an Befferem zum Vorbild nahmen, weshalb wir auch im hohen Norden soviel öffentliche Bauten im ,, griechischen Stil" besitzen.

Auch die prachtvollen, aus gleißendem Marmor erbauten öffent­lichen Gebäude, die meist deutsche Architekten unter dem bayerischen Griechenkönig aufführten, verblassen vor der unnachahmlichen Größe und edlen Harmonie des Parthenons oder des Theseions. Ein paar Stunden um die Mittagszeit auf der Atropolis mit dem Blick auf das tiefblaue Meer, auf die weitausgedehnte Stadt, auf die schroffe Spize des von einer Kapelle getrönten Lyfabettos und die fernen Höhenzüge des Hymettos und Penteliton mit den weißen Flecken ihrer Marmorbrüche gehören zu den weihevollsten Augenblicken einer Griechenlandreise. Freilich darf man zu solchem Sichversenken nicht eine Zeit wählen, in der gerade eine Herde

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Kromm

Alle byzantinische Kirche Kapni Karea", Athen . Gesang der griechisch- orthodoxen Geistlichkeit bis auf die Gasse schallt und elegant gekleidete Griechinnen neben dunkelhäutigen Händlern und Kaufleuten ihrer Andacht obliegen, der Duft der Räucherferzen sich mit dem profanen, aber nicht minder lieblichen Duft gebratener Hammeln mischt, umgeistert einen die Welt des Orients glaubt man noch das ,, Allah il Allah" des Muezzin zu hören, der noch vor Jahren die Gläubigen zum Gebete rief und versteht es, wenn Griechenland von manchen Griechen als nicht zu Europa gehörig betrachtet wird trop Autobusse, Elektrischer und Untergrundbahn.

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Krommer.

Kron

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2.4

Proletarierhäuser am Fuß der Akropolis .

mit ihren armseligen Habseligkeiten auf dem Pflaster, füllten die Kirchen, Theater und die Tunnels der Untergrundbahn. Die ein­

heimischen Griechen halfen, soviel fie fonnten. Eine großzügige

Alttion wurde durch den Völkerbund eingeleitet. Die Mehrzahl der Flüchtlinge, deren Gesamtzahl Millionen betrug, wurde in Maze­ donien und Thrazien angesiedelt, zum großen Teil in den von der türkischen Bevölkerung verlassenen Ortschaften.

In der Umgebung von Athen entstanden vier neue Flüchtlings­viertel, so daß die Einwohnerzahl Athens von 350 000 im Jahre 1922 plöglich auf 650 000 anstieg. Die große Arbeitston= furrenz, die durch diesen Zuwachs für die einheimischen Griechen entstand, hatte auch ihre guten Seiten, eine Steigerung der Quali tätsarbeit. Vor allem in der Teppichindustrie waren seit jeher die kleinafiatischen Griechen( Smyrna) führend. Auf athenischem Boden wird die Tradition handwerklicher Teppichweberei weiter. gepflanzt. Auch die Töpferei, die armenische Töpfer aus Kiutahia zur Blüte brachten, hat in den volfreichen Flüchtlingsvierteln emfige Anhängerschaft gefunden. Jetzt dürfte endlich eine ruhigere Linie der Gesundung für das vielgeprüfte Land begonnen haben, das

Wir müssen sittlicher sein!

Geschlechter durcheinander.

Bor einigen Tagen brachten wir eine Notiz über die Zustände am Plötsee. Herr Ernst 3iemen in Bernau schickt uns nun ein Schreiben zu, dem wir folgendes entnehmen:

Wandern und beim Baden nicht genügend Rücksicht genommen wird. Gerade die organisierten Arbeiterwanderer wenden sich mit aller Entschiedenheit gegen derartige Ausschreitungen. Aber am Plötsee handelt es sich darum nicht. Hier glaubt ein einzelner Mensch, weil er die Fischerei gepachtet hat, sich das Recht heraus­nehmen zu können, alle Wandersleute von dem Besuch seines" Gebiets abzuhalten. Kein Mensch hat, so wird uns berichtet, bisher daran gedacht, diesen Mann anzugreifen, er aber droht sogar schrift­lich den Gebrauch des Schießprügels an! Im übrigen braucht man nur den Inhalt und den Ton des Schreibens auf sich wirken zu lassen: man weiß dann sofort, wes Geistes Kind der Fischereipächter

vom Plößsee ist.

Die unsittlichen Beine.

Ein sächsischer Pastor hat sich auf den Kriegszug gegen die böse Fleischesluft begeben. Er scheint gar umf angreiche Studien an ge= eigneten Objekten vorgenommen zu haben, sonst wäre es ihm un­möglich gewesen, so sachkundig im Sächsischen Kirchen= famer Becbachter ist der Herr Bastor, das muß ihm der Neid lassen. blatt" zu schreiben, wie er es tat. Und ein feiner und aufmerf­

außer den zahlreichen Kriegen der legten Zeit noch durch die Butsch Die Personen, welche ohne Badeanzug gebadet hatten, wurden feft- Ganz unbestreitbar unfittlich scheinen ihm auch Gesellschaftsspiele

gelüfte ehrgeiziger Offiziere erschüttert wurde.

An die Herrschaft des bayerischen Königs Otto erinnert noch heute die nahe bei Athen gelegene Ortschaft Heraklion , eine Kolonie alter, bayerischer Soldaten, deren Nachkommen mit der Entwöhnung von G'selchtem mit Kraut und Knödeln" auch den bajuwarischen Dialekt verloren und trotz ihrer Familiennamen wie Wagner, Dachauer, Hoffmann so geläufig griechisch sprechen, als

Straße im 3lüchtlingsvierte!.Jonia" bei Athen . ob ihre Vorfahren direkt von Perikles abstammen würden. Den großen Stolz der Athener bildet der von einer deutschen Firma be­triebene Ausbau der elektrischen Schnellbahn, die als Untergrundbahn Athen mit Biräus verbindet und jetzt über Attiki , Kephisjia bis Dionysos ausgebaut wird, also die geräuschvolle Stadt mit einigen prächtigen Villenvororten verbindet.

Groß ist das Auswanderertontingent, das Griechen­ land stellt. In Chikago allein leben 300 000 Griechen; tein Bunder, daß jezt der Metropolit von Korinth nach Amerika gereift ist, um die nötigen Kapitalien zum Wiederaufbqu des vom Erdbeben zerstörten Korinth zu sammeln. Auch Paris hat eine starte griechische Kolonie( 22 000). In Paris erscheinen drei griechische Seitungen, eine davon in französischer Sprache. Auffallend gering ist dagegen die Zahl der Griechen in Berlin ( 100 Personen, mit den Studierenden 170). Das mag seinen Grund darin haben, daß in den griechischen Schulen hauptsächlich das Französische und Englische

Hier badeten die Geschlechter trop Badeverbots von mir u. dem Besitzer ohne jedes Schamgefühl u. ohne jede Rücksicht auf andere auch dort Erholung suchende Leute ohne jedes Badezeug durcheinander, da brannten große Feuer ohne Rücksicht auf Brandgefahr für die schönen Tannenschonungen, da spielte man auf den Wiesen zu Hunderten Fußball, ohne Rücksicht auf den Schaden der Besitzer, alle Bitten u. Vorstellung blieb erfolglos, nur einige wirklich Anständige sahen ein. Des Weiteren stahl man mir meine Geräte, schwamm zu meiner Fischerhütte, brach dort ein. Kippte den Kahn um, u. trieb jeden Allotria, welcher nur zu denken war. Ich habe oft genug versucht, im Guten zuzureden. Ich wurde aus. gelacht. Wissen Sie denn überhaupt, was sich unter Arbeiter wanderer verbirgt? Bitte sehen Sie sich das Treiben nur einmal an, dann werden Sie anders urteilen. Natürlich habe ich bei den maßgebenden Stellen Beschwerde erhoben gegen all diesen Unfug, u. mit Recht. Oft erschienen nun Landjäger. Auch an dem fraglichen Sonntag. Da trieb sich wieder viel Bolt ohne Badezeug umher u. sollte festgestellt werden. Zu diesem Zwed erbaten sich die Beamten meine Hilfe, da die Anwesenden der Aufforderung der Beamten, das Wasser zu verlassen, nicht nachtamen. Ich habe dann Beamten, das Wasser zu verlassen, nicht nachkamen. Ich habe dann im Angesicht der Beamten den Badenden dieses verboten u. zum Verlassen des Wassers aufgefordert. Dies geschah denn auch. gestellt als Erreger öffentlichen Aergernisses, find angezeigt u. werden bestraft werden. Troß meines Badeverbotes wagte ein frecher Lümmel, dicht an meinem Kahn mit frecher Be­mertung ins Wasser zu springen, daß ich den richtig herausbrachte, war selbstverständlich. Ich habe dort Pflichten, aber auch Rechte. Ich jedenfalls verbitte mir vom Publikum, auch von Arbeiter wanderern, jeden Uebergriff, u. merde jedenfalls alles tun, was gefeßlich erlaubt ist, um mich vor mutwillig verursachten Schaden zu schützen. Also holen Sie erst Nachrichten ein, éhe Sie einen derart unwahren verheßenden Artikel schreiben, Sie werden die richtige Sachlage dann erfahren. Unter Arbeitern hier u. in der Umgegend herrscht wohl eine andere Meinung von mir, als wie Sie denken und erzeugen möchten. Es ist viel Ehre für mich, derart von Ihnen bedacht zu werden. Mir zugesagte Angriffe auf mein Leben werde ich abzuwehren wiffen, nötigenfalls auch mit dem Schießprügel. Die Herren Wanderer knallen ja die ganze Sommernacht mit Pistolen dort umher, man ist seines Lebens nicht sicher. Dazu habe ich mir beſtimmt keinen See gepachtet, u. dazu hat auch keiner von den Lausejungen dort das Recht. Wie viele anständige Wanderer sind dort Stammgäste, welche sich der schönen Landschaft freuen, aber auch danach handein. Den Leuten sagt kein Mensch ein Wort, auch wenn sie dort mal

baden

Menschenfreundlichkeit gegen Menschenfreundlichkeit. Noch bestehen preußische Gesetze, u. müffen gehalten, werden, auch von mir, aber auch von anderen Mitbürgern. Die Partei hat damit garnichts zu tun. Sittenlosigkeit u. sonstige Gemeinheiten dulde ich nicht, unter feinen Umständen im Wasser des von mir gepachteten Blößensees. Alle anderen Sachen gehen mich nichts an, ich fann dagegen nicht einschreiten, nur Anzeige fann ich machen gegen Diebstahl u. Uebertretung. Und das geschieht.

Hochachtend

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Ernst Ziemen, Schneidermeister.

Hierzu nur einige Bemerkungen: Es ist selbstverständlich ungehörig, wenn die Natur verschandelt, wenn im Walde Feuer angemacht, wenn auf die Gefühle und Rechte anderer Leute beim

feiner Meinung in Deutschland erfunden worden sein soll und das Zunächst geht er mit dem Familienbad ins Zeug, das nach Schamgefühl gemindert habe. Christlich fittlich tief denkende Eltern sollten nicht einwilligen, sich mit Kindern in Badeanzügen photo­graphieren zu lassen. Der Herr Pastor hält so etwas für ebenso unanständig, als wenn man sich im Nachtgewand abfonterfeien ließe. oder gar Tanz im Badekostüm. Die allergrößte Gefahr für die Ermedung sinnlicher, sündiger Gefühle liege aber in der Ent= blößung der Beine bis weit über die Knie. Was der Herr Pastor nun weiter über das sagt, was man in Busenausschnitten, selbst bei schicklich gekleideten Frauen zu sehen bekommt, erinnert lebhaft an die Verse, die ich irgendwo einmal las: Er sah den Busen schöner Frauen, Die ordnend sich herniederbeugten, Nicht ahnend, daß zwei Augen äugten, Um sich an ihnen zu erbauen.

Der gute Paftor meint nämlich, die große Gefahr des Familien­bades liege in der trotz der Verhüllung durch den Badeanzug ge= gebenen Entblößung der weiblichen Brüste, die bei den Badeanzügen bei jeder Beugung und beim Liegen nach borne kommen müßten( man beachte die scharfe Beobachtungsgabe des Pastors), da ein straffer Zug des Badeanzuges drückend und beengend. wäre. Das gelte bedauerlicherweise auch bei der jetzigen Frauenkleidung überhaupt. Solle sie halsfrei sein und nicht drücken, so wäre es nie ausgeschlossen, daß beim Beugen des Körpers sehr leicht die Brust sichtbar werde. Das sei auch dort nicht ganz abzuändern, wo man vom christlichen Standpunkt aus seine Klei= dung möglichst schicklich und anständig gestalten lasse.

Im Interesse des Seelenheils der ihm anvertrauten Schäfchen hat der Herr Pastor seine Studien auf unbedeckte Beine aus­gedehnt und kommt dabei zu dem Ergebenis:

Frauen und Mädchen ahnen auch nicht, wie bei der Bein

gestellung( Originalwort des Pastors), wenn die Kleidung selbst bis gerade unter die Knie geht, sehr oft die Beine oberhalb der Kniekehlen entblößt werden, sowie sie etwas auf­heben oder dergleichen, in der Weise, wie es früher nur bei den hochgeschürzten arbeitenden Landmädchen auf dem Felde zu sehen war."( Da darf doch ein Pastor gar nicht hinschauen!) Wenn man das alles in einem christlichen Kirchenblatt gelesen hat, dann fann man nichts weiter tun, als mit Wilhelm Busch sagen:

Ach ja, ja, ich sag es immer: Diese Welt wird schlimm und schlimmer Und die Frömmigkeit nimmt ab.

Fir.