Sonnabend
8. September 1928
Unterhaltung und Wissen
Ich zog mir am Abend die Jacke aus, wollte fie in den Schrank hängen. Den Bügel hatte ich schon aus dem Schrank geholt. Wie ich den Bügel mit der Jacke in der Hand die leichte Schranktür öffne, entfährt sie mir und schlägt hart gegen den Nachtkasten. Es gibt ein Klirren. Wie ich nachsehe, was geschehen ist, liegt da mein Schlüsselbund auf meiner Uhr. Das Schlüffelbund hatte in der Tür gesteckt, war beim Anprallen herausgefallen und war mir gerade auf meine Uhr gefallen. Das Uhrglas war entzwei. Ich stand staunend da, hielt meine Uhr in der Hand. Das Glas hatte ich mir erst vor zwei Tagen neu machen lassen. Mir gehen Ilhrgläser ganz selten entzwei. Dies Glas war besonders start und dia, ich hatte es mir selbst vom Uhrmacher abgeholt. Ich hatte mich mirklich darüber gefreut und mir noch gedacht, wie unvergleichlich Geld und Bare sind; da hatte ich vorher die ein, zwei Mart in der Tasche und das war nichts, und jetzt hatte ich die schöne Uhr, sie fah ordentlich neu aus, ich fonnte sie alle Stunden betrachten. Das Glas war jetzt hin. Es war wie ein Ueberfall.
Beilage des Vorwärts
Die Revolution am Shannonfluß.
Bon Erich Gottgetreu.
Limmerid( Irland), im Sommer. Die Landschaft.
lich, seine Straßen sind so ungleichmäßig wie die Furchen auf dem Limmerid, an der Westküste Irlands gelegen, ist alt und häßGesicht einer Dame mit einer etwas zu großen Vergangenheit: die ist denn auch da, reicht bis auf die dänische Zeit zurück, aber die Stadt hat wie ihr Land mehr gefämpft als geliebt, viel gelitten und viel gestritten, und seitdem sie einmal ganz besonders heftig zerstört worden war, zogen die irischen Soldaten mit dem Ruf Remember Lomerick!" in den Krieg. Natürlich regnete es Bauernjungen, als ich ankam, außerdem Priester und Mönche, die einen Tag vorher irgend etwas hoch und jubelnd gefeiert hatten; zu dreißigtausend waren sie zusammengekommen, was selbst für Irland, das Land der Sünder und Heiligen" eine hohe Bahl sein dürfte. Ich gehörte wieder mal zu den Sündern, kam einen Tag zu spät, nun weinte der Himmel. Und traurig hingen die Fahnen und Wimpel des Festes wie gehabt" von ihren Masten herunter.
Mir fiel ein Gespräch ein, das ich vor einer Stunde in der Eisenbahn mit einem Bekannten gehabt hatte. Er trug einen Kneifer ohne, Schnur; ich fragte ihn, ob er nicht öfter Malheur mit Vor der Stadt mar die Selbstmordstimmung noh viel ärger. dem Glas hätte. Er sagte: schon lange nicht. Das letztemal aber, Träge und schmuzig floß der Shannon dahin, mit den Seen Lough taum hätte er davon gesprochen, schon sei ihm das Glas herunter- Allen, Lough Lee und Lough Den hatte er seine schönsten Erleb gefallen. Ich hatte ihm geantwortet: das sei wohl eine Art halb- nisse schon hinter sich, sein aufregendstes von dem wir aber erst bewußter Handlung gewesen; eine Vorstellung hat etwas zwingen- später sprechen wollten, auch, nun schien er es gar nicht eilig zu haben, sich in den Ozean zu ergießen. Störend rieselte dünner des; man denkt, der Kneifer könnte einem herunterfallen, und schon, Regen aus tiefen Wolfen. Wind figelte die Bäume, die sich unin einem unbewachten Augenblid, wirft man ihn herunter. Ich willig schüttelten, auch die sich unter ihrem Dach zärtlich umgreifenhabe doch aber mein Uhrglas nicht zerbrechen wollen, und was ist den Liebespaare ach, es waren nicht wenige, wie hartherzig das für ein merkwürdiges Arrangement: ich öffne die Schranktür, müssen Limmerider Eltern sein!, fahen mißmutig nach oben. die macht halt am Nachttasten; jetzt schießt das Schlüffelbund her- Marie, Wozzets Marie, starb in dieser Naht im Fluß. Und in aus, gerade über meiner Uhr und praffelt auf mein neues Glas. den Fluß wandern sah die Phantasie die Paare alle in dieser Nacht der Trauer, in dieser ach so irischen Nacht. Das fann man doch kein Arrangement mehr nennen; vielleicht ein böser Zufall, aber es hat so etwas Ausgerechnetes, dieser Vorgang, im Zusammenhang mit meiner Freude an dem Glas und mit dem Gespräch vorhin. In der Nacht geht mir die Sache nach. Mir fällt
ein:
Gedanken oder die Antriebe hinter ihnen sind von einer anderen Natur und Wesenheit, als man so obenhin meint. Sie figen nicht bloß in meinem Kopf, sind nicht bloß abstrakte" Dinge. Sie sind in irgendeiner Weise Kräfte oder Zeichen, Begleiterscheinungen, Merkmale von Kräften.
Und dann sind Gedanten nicht auf mich beschränkt. Wie eine Hand greift, ein Auge sich auf ein Ding erstreckt, so die Gedanken auf Dinge außer mir. Gedanken oder was hinter den Gedanken steht, fann über mich hinausgreifen, fann mit äußeren Dingen in Berbindung treten und Vorgänge einleiten. Ich habe schon nicht mehr an das Gespräch in der Bahn gedacht und an die Uhr, ich war beim Ausziehen, aber in mir arbeitete es, unbewußt, und nun erfolgte etwas: Mein Schlafzimmer, vielleicht besonders sensibel, viel leicht mit meiner Dentart besonders vertraut, erfaßte die schweigen den, mir gar nicht bewußten Gedanken, und es erfolgte eine Attion. Ich bin hier belauscht worden, und man hat mir dies Stück gespielt. Es ist etwas vollkommen von meinem Willen Unabhängiges da, rege um mich, weiß, was ich weiß, agiert. Etwas Koboldartiges. Das steht mit mir in Korrespondenz; ich trage eine Aura um mich. Ein lautloses Hin- und Herdenken, blizrasch, sehr wirksam, sehr real. Die Dinge, die man unterjocht hat, wollen sich rächen?
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Ich muß durchaus der Borstellung des Psychischen" und isoliert Individuellen entgehen. Das Psychische erscheint mir als eine leere, unfaßbare Sache, als Hohlraum in der Natur. Solche Abstraktion fann es nicht geben. Alles bei Pflanzen, Tieren zeigt wirksam treibende Kräfte, die mit anderen zusammenhängen und reale Erscheinungen machen. Ganz unmöglich aber ist jenes abstrakte Psychische"; was soll das" Soll es aus dem Nichts ins Dasein er plodieren, an Millionen Stellen ein persönliches einmaliges Ich", ein mystisches Ding ohne Herkunft? Denn im Grunde fann das punktuelle, individuelle Ich weder geboren werden noch sterben, denn das find Dinge in der realen fraftdurchflossenen Natur. Nimmt man aber doch, wie man es tut, seine Geburt, sein Entstehen und Berschwinden an, so muß man auch das Ich im ganzen in die übrige Natur verlegen, und damit ist sowohl sein Zusammenhang mit der Natur wie feine reale Birksamkeit in der Natur gegeben. Ich fann mich nicht begnügen mit den heutigen Erffärungen von Affoziationen der Gedanken. Das find Rationalismen und Unklarheiten. Man sagt, die Physik und unsere Naturerklärung entlehne ihre Begriffe der menschlichen Seele, man übertrage Gefühle, Empfindungen auf äußere Borgänge. Ich meine, man tut das mit vollem Recht. Und man muß es noch viel intensiver, entschlossener und bewußter tun: das Psychische muß ganz hineingeleitet werden und mit eingebaut in die übrigen realen Dinge. Erst so beginnt die Lehre nom realen Ich, von den realen Seelen, und sie beginnt mit der 3ertrümmerung der Vorstellung vom eingefapfelten, beziehungslofen wirkungslosen abstrakten Ich.
Bur 150. Wiederkehr seines Geburtstages am 8. September Im Frühling des Jahres 1805 erschien zu Heidelberg ein Buch, das der deutschen Nation einen bis dahin ungehobenen Schatz erSchloß, ihr einen Reichtum offenbarte, von dessen Fülle sie nichts geahnt hatte: Des Knaben Wunderhorn ", die nie veraltende Sammlung deutscher Volkslieder, herausgegeben von Achim von Arnim und Clemens Brentano . Dieses Buch war eine Tat. Was Herder in seinen Stimmen der Völker in Liedern" hatte ahnen iassen, ward hier erfüllt. Und zwar gebührt Brentano das Hauptverdienst. Ihm war das innerste Wesen volkstümlichen Gesanges aufgegangen, und so war er der denkbar beste Herausgeber und Be arbeiter dieses grundlegenden Werkes, das noch heute monumental wirkt, dessen bloßer Titel schon meisterhaft gewählt ist. Der Eindruck bei den Zeitgenossen war gewaltig, es herrschte einmütige, freudige Zustimmung. Das Lob, das Goethe alsbald in den Jenaischen Gelehrten Anzeigen" spendete, gilt noch heute ohne Einschränkung.
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Hätte Brentano teine 3eile eigener Prägung hinterlassen, die eine Großtat seiner Herausgeberschaft sicherte ihm allezeit ein ehren polles Gedächtnis. Bon seinem Dichterwerk, das alle Gattungen um faßt, ist blutmenig geblieben. Denn als Dichter wie als Mensch ist Brentano nie zur Reife gelangt, nie ist es ihm gelungen, sich zu zähmen, fich zu sammeln, sich ein Ziel zu sehen.
Doch heftig, als fündigte sich ein Gottesgericht an, färbt fich in später Stunde hinter Limmerid der mächtige Himmel rot. Drei Stunden lang, vielleicht sind es vier, wandere ich nun dem Scheine nach, finde aber am Ende des Weges keinen zürnenden Gott, sondern ein leuchtendes riesiges Schild: Siemens Bauunion G. m. b. H.
Das ist 1928. Das Land des Todes wird ein Land des Lebens. Das ist 1928. Das Blut, das den Boden der grünen Insel wieder und immer wieder schmerzhaft tränkte, ist taum verflossen, da reißen fie dem Lande den Leib auf: fürs Waffer. Das ist 1928. Auch nachts arbeiten sie, die ganze Naht hindurch. 1928. Rot wird der Regenhimmel. 1928. Jrland hofft. 1928.
Die Menschen.
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Da sind die Iren, frei jetzt wie schmeckt die Freiheit? Das wissen sie noch nicht. Der Riese erwacht, reist sich die Augen und sieht um sich und sieht, es ist nicht hell genug. Holt er fich die Deutschen , für die er ja schon immer viel übrig gehabt hat mäh rend des Krieges ein bißchen zu viel, meinen die Engländer be stellt sich bei ihnen eine Lichtanlage, ein Wasserkraftwerk, will die stellt sich bei ihnen eine Lichtanlage, ein Wasserkraftmert, will die Macht des Shannon ausgenugt haben.
Da sind unter dem Präsidium des Herrn Karl Friedrich von Siemens die Herren in Berlin , rechnen, grübeln, fhicken Sachperständige nach Irland , präsentieren den Kostenanschlag auf ungefähr 100 Millionen Mart.
Anleihe in Amerika auf, schielen auf die Reserven auf der Banf von England. Mut hat das kleine Bolt, das muß man sagen, Mut und eine kühne Idee: Erst das Kraftwerf, die Industrie rundum wird dann schon folgen. Rohmaterialien sind nicht auf und in der Insel, nicht einmal Wald, aber auf der anderen Seite würde die verwertete Wasserkraft die Einfuhr englischer Kohle überflüssig, die Gestehungskosten der immerhin schon etwas vorhandenen Industrie niedriger machen. Dann denkt man an eine Modernisierung und Intensivierung der Landwirtschaft nach dänischem Muster. Hofft auch auf die praktische Teilnahme des politisch und mirtschaftlich getrennt lebenden nordirischen Staates.
Also Rohmaterialien fehlen heute. Selbst die, welche zum Bau des Kraftwerks gebraucht werden, schleppen tagaus tagein feuchend die Schiffe heran. Engänder liefern die Kohle. Belgier den Zement, Deutsche das Eisen und alle Geräte, Maschinen, Schweden und Finnen das Holz. Aber irische Arbeiter werden beschäftigt. tausend an der Zahl. Der Arbeitslosigkeit zu steuern, war ja einer der treibenden Faktoren des Plans, die Garantie der Anstellung eines großen Prozentsazes irischer Kräfte ein Punkt des Vertrags. Sie einzuarbeiten, soll im Anfang nicht ganz leiht gewesen fein. Die Iren waren alle mehr oder minder unterernährt. Die Firma hat sie eine Zeitlang zwangsweise regelrecht zu füttern versucht, was jedenfalls eine interessante, oft zu beobachtende und in der Tendenz unseres Zeitalters liegende Kreuzung von Humanität und Kapitalismus darstellt.
Dann sind da noch dreihundert Deutsche . Sie stellen das leitende Personal, die Ingenieure, die technischen Arbeitskräfte zur Bediemung der Maschinen. Das ist ein Geschlecht frischer Pioniere, sehr von der interessanten Arbeit gepackt, sehr unternehmungsluftig. Man hört alle deutschen Dialekte. Aber doch ziemlich wenig Herrentöne, also, um eine Konzession an die Terminologie der Vergangenheit, der Hoffentlichvergangenheit zu machen, wenig preußish. Die Deutschen sind fast alle verheiratet, haben ihre Frauen mitgebracht, ihre Kinder in eine deutsche Miniaturschule geschicht, Blumen vor ihren Häusern, die teils frish errichtet, teils aufgekauft und auch recht nett eingerichtet sind. So schaffen fie fich für das öde Limmerid ein Aequivalent an Häuslichkeit.
Ganz einfach überschreiben wir den letzten Abschnitt: das Werf.
Einer von vielen interessanten Säßen, die im Gedä htnis geblieben find:„ Das Wichtigste ist der schnelle Abtransport der Erdmassen, die Hauptfrage somit die des Transports." Das leuchtet ein. Man sieht auch, daß der ganze Hilfsbahnbetrieb auf jeder Uferseite des Grabens zweigleisig ist. Auf einer Gesamtftrede pon ungefähr 24 Kilometern laufen links und rechts des großen Kanalschachts, der den Lauf des Shannons dergestalt ergänzt, daß im Anfang des Grabens ein Wehr sich Wasser erzwingt und am Ende dieses Wasser 30 Meter tief stürzt und in drei Riefenturbinen von je 30 000 PS. Riefenfräfte erzeugt, die Maschinen, die Krane, Kippenbagger, Löffelbagger, 100 fleine Lokomotiven, Tausende von Loren, Abfeher die anderen Vokabeln habe ist vergessen. Menshen find auch da, über dreitaufend, wie wir wissen, aber die dreis tausend verschwinden vor dem gewaltigen Aufgebot an Maschinen. Es sind die besten Maschinen, die man hat, ich muß das wissen, ich gehe ja alle Tage mit Absehern um. Aber auch der Laie sieht, wie schnell alles geht. In einem Jahre wollen sie, werden sie den Kanal voll haben, mit Wasser meine ih da der Bau erst vor
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Da sind in einem rasch zum Puppenstubenreichstag umgebauten ehemaligen Theater die irischen Parlamentarier, reden hin, reden her, sagen schließlich Ja, schicken Vorschuß nach Berlin , nehmen eine zwei Jahren angefangen wurde, ist das wirklich ein Tempo.
Sohn eines reichen, aus der Lombardei nach Frankfurt am Main gekommenen Kaufmanns, Sohn der einst von Goethe geliebten Maximiliane v. Laroche, Enkel jener Sophie v. Laroche, die Wielands Seelenfreundin gewesen, spielt er als Kind mit seiner Schwester Bettina im alten Hirschgrabenhause zu Füßen von Goethes Mutter. Als Jüngling wider eigene Neigung in die Kaufmannslehre getan, findet er bald nach seines Vaters Tode den Weg zur Universität Jena. Dort gerät er in den Bann des Romantikerkreises um die Brüder Schlegel und Tied. Anstatt Schellings stets überlaufene Borlesungen über die Naturphilosophie zu hören, schweift er umher und schwärmt. Dabei entsteht sein erster Roman Godwi". Nun folgen unftete Wanderjahre; in Dresden , am Rhein , in Heidelberg , in Wien , in Frankfurt am Main , in Berlin , in Hanau , auf einem böhmischen Herrschaftssize, in München führt er das Leben eines fahrenden Literaten. Ueberall fnüpft er Bande der Freundschaft mit bedeutenden Männern, nirgends läßt er sich dauernd fesseln. Im Besige eines beträchtlichen Erbes darf er jedweder Laune folgen, stets wechselnden Neigungen nachgeben. Eine im Jahre 1803 geschloffene Ehe mit der 10 Jahre älteren Dichterin Sophie Mereau wird nach drei Jahren durch den frühenTod Sophiens gelöst. Die zweite Ehe mit einer jungen, reichen Frankfurterin, die er ihren Verwandten entführt hat, lehrt Brentano nach seinen eigenen Worten schon auf Erden die Qualen der Hölle kennen; eiligst erfolgt die Scheidung. Brentanos Lebensgeschichte verläuft überhaupt wie ein buntschillernder Roman. In München im Jahre 1815 erlebt er, dem Zuge der Zeit folgend, der gerade herrschenden Geistesmode wie immer untertan, sein Damastus. Er, der aus einer Mischehe stammend seit seiner Knabenzeit nie mehr gewesen war als bestenfalls ein Tauffchein- Ratholif, fehrt reumütig zum Kinderglauben in den Schoß der Mutterkirche zurüd, empfindet die furchtbarsten Gewissensqualen, weil er„ das Sakrament der Ehe zweimal unwürdig empfangen habe" und will in den geistlichen Stand treten. Im Jahre 1818 pilgert er nach dem westfälischen Städtchen Dülmen zum Schmerzenslager der stigmatisierten Jungfrau Katharina Emmerich , der Vorgängerin der Konnersreuther Therese. Dort bleibt der vordem fo ruhelose Bhantast, verstiegen in die höchsten Höhen. der Etftase, in ver zücktem Wunderglauben sechs Jahre, pflegt mit hingebender Aufopferung die heilige" Katharina und zeichnet ihre abstrusen Bifionen mit tödlichem Ernst und frommer Salbung in mehreren Bänden auf: Nach dem Tode dieser Heiligen lebt er noch achtzehn Jahre in beschaulicher Stille, zuletzt in Aschaffenburg bei seinem jüngeren Bruder, dem Vater des Nationalötonomen Lujo Brentano .
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Auf Clemens Brentano besonders darf man Goethes Wort münzen von jenen problematischen Naturen, denen feine Situation genügt, die auch selbst feiner Situation zu genügen vermögen. Sein Leben, sein Dichten. sein Irren ist rätselvoll und problematisch wie das der meisten deutschen Romantiker. Ihm ist der ererbte väterliche Reichtum, den ein Schopenhauer zur Sicherung seiner geistigen Un abhängigkeit zu nußen wußte, zum Fluch geworden. Denn nie hat Brentano den Segen der Arbeit und ihre Würde gekannt. brauchte er um das tägliche Brot sich zu mühen, doch rang er auch nie ernstlich im Geistestampf um Erkenntnis und dichterische Voll enduna. Selbstzucht kannte der geistig reichbegabte Mann nicht. Er hatte Erlebnisse, Visionen, Pläne. Er wollte Großes. In seinen ,, Romanzen vom Rosenkranz", einem Fragmente, das wundervolle Stanzen aufweist und Großes leider nur verheißt, wollte er ein Gegenstück zu Dantes Göttlicher Komödie schaffen und gar mit Goethes Faust wetteifern. In seinen Dramen finden sich neben
| bizarrem Must sprühende Einfälle, in seinen Rheinmärchen Berlen, wie Godel, Ginkel und Gaceleia". Unter seinen übrigen Prosawerfen ist die Chronika eines fahrenden Schülers", obwohl dem heutigen Geschmack recht fremd, ein sprachliches Kleinod, desgleichen, trog mancher Absonderlichkeiten, die Geschichte vom braven Kasperl und vom schönen Annerl", eine schlicht erzählte Schicksalstragödie. In den Liebesliedern an Sophie Mereau finden sich zarte, echte Töne, ebenso in den religiösen Gedichten, die freilich an Novalis nicht heranreichen. In den um 1813 entstandenen Soldatenliedern und Kriegsgefängen tommt zwar der herrschende Zeitgeist zum Ausdruck, bei dem die erzwungene, Brentano innerlich völlig fernliegende verlogene Mache peinlich auffällt.
Sonst aber findet sich bei Brentano nichts Unechtes; so unbedacht er sich oftmals neuen Gözenbildern zuwandte, so seltsame Wege er zuweilen ging, niemals war er ein verlogener Poseur oder eitler Snob. Er blieb in allen Jrrsalen ein eigensinniges. verträumtes und verspieltes, doch arglofes großes Kind, das, frühreif, nie zur Bollreife gelangt ist. Doch in findlicher Einfalt wurde er ein Meister der deutschen Sprache, die er so verschroben seine Empnie verschandelt hat. Auch dafür gebührt findungen auch waren Dant dem liebenswerten Träumer, der uns ,, Des Knaben WunderKurt Dittrich. horn" geschenkt.
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Warum feine komponistinnen? Es existiert wohl heute taum ein Gebiet, das nicht der Frau offen stünde. Seit die Frau als gleichberechtigt neben dem Manne hergeht, sind ihre Leistungen auf allen Gebieten menschlichen Wirkens gewachsen; heute sind große Ingenieurinnen, Bankdirektorinnen und Philosophinnen Seltenheit mehr. Nur ein einziges Fach scheint für die Frau, nicht von Gesetzes wegen, verschlossen zu bleiben: es gibt feine oder zumindest feine irgendwie bedeutenden Komponistinnen. Mit diesem interessanten Phänomen beschäftigt sich der französische Dichter Paul Valery in dem französischen Blatte Nationale Frauenvereinigung". Er wirft die Frage auf, ob die Frau für alle Zeit dazu verurteilt sei, in der schöpferischen Musik untertänig oder eine Mittelmäßigfeit zu bleiben oder ob diese leider nicht zu bestreitende Ohnmacht nur die Folgeerscheinung einer jahrtausendealten Knechtschaft sei. Valery neigt dazu, das letztere anzunehmen. Wir fennen, so meint der Dichter, noch immer nicht den Einfluß jahrhundertelang herrschender Sitten und Gefeße auf die allmähliche Entwicklung des Organismus und Nervensystems. Bom biologischen Standpunkte aus gefehen, ist uns die Wandlung in der sozialen Leistungsfähigkeit der Frau und die immer mehr ansteigende Kapazität ihres Intelletts immer noch ein Wunder. Wohl möglich, daß jene Fähigkeiten, die zur schöpferischen Musikalität notwendig find, am schwersten unter der Mannesherrschaft gelitten haben und daber zuletzt zur Ent. faltung gelangen. Nichts spricht gegen die Hoffnung, daß im Verlauf weiterer freiheitlicher Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte die Frau das Gebiet der Komposition ebenso erobert, wie sie alle anderen Gebiete erobert hat.
Opfer wilder Tiere und Giftschlangen in Indien . Im Jahre 1927 wurden in Indien nicht weniger als 19 069 Personen durch Schlangenbisse und 2285 durch wilde Tiere getötet. Es verursachten Tiger den Tod von 1033 Menschen, Leoparden den von 218, Wölfe den von 465, Bären den von 78, Elefanten den von 56 und Hyänen den Tod von 12 Personen. Ferner töteten wilde Eber und Wild. schweine 85 Personen, Schakale 41. In der Provinz Madras fielen am meisten Menschen wilden Tieren und Giftschlangen zum Opfer, nämlich 579.