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�50. Fortsetzung.) l£rinmiiii0«n an die frühere Zeit, da es arg war, elf. zwölf Stunden und noch längere Arbeit und Kämpfe um die Fahne, die sich oft mit Blut rot gefärbt, und wegen des Heute Stolz, immer wieder Stolz— es ist etwas Erhebendes, stolz« Menschen zu sehen, nicht einzelne, di« sich über eine Masse erheben und sich mehr dünken als sie, sondern eine Vielheit von Menschen, die all« ihr Haupt hochtragen. Es war eine neue Welt, in die Hilde Einsicht bekam. Sie ging neben Drobauer hin, der mit Begeisterung, schier rnit Ehrfurcht dahintrabt«, ganz ungewohnt kleine Schritte machte, um die Reihe nicht zu stören und die dicke Frau, die unmittelbar vor ihm sich Mühe geben mußte, nachzukommen, nicht totzutreten. Er hatte noch nie so acht gegeben. Wie er, hielten auch alle anderen auf Ordnung, e» war Bezirkepatriotismus darin— man sollte nicht sagen, daß gerade di« Iosefftädter den Zug ver- schandeln— und noch mehr eben jenes Bewußtsein, daß hier ein geschichtliches Ereignis abrolle, das seine Bedeutung jedem ein- zelnen mitteilte. Man sprach von Persönlichem, von Bekannten, die nicht mehr fähig seien, mitzugehen, von Toten, und wie jener sich gefreut hätte, wenn er das noch hätte mitanschauen können! Der Bezirkspatriotismus regte sich wieder— denn der Mensch Hot ja doch seine Heimat im Engen und Unmittelbaren und immer kehrt er gern von der weiteren Welt zu ihr zurück—, mit Neid sahen sie auf den Ottakringerzug, der wie ein« gewaltige Meer«- welle dahergeflutet kam.—„Ja, mit den Ottakringern kann man freilich nicht konkurrieren!" seufzten einige von den Alten, die sich schon«inen Ucberblick über die gesamte Bewegung erlauben konnten—, aber mit den Neubauern gab es einen kleinen, heiter durchgeführten Kampf, um ihnen den Vortritt vorwegzunehmen. Musikkapellen vertreiben die Zeit, wenn man andere Reihen vor- lassen mußte, und wenn gar ein Chor von Jungen vorüberzog, da gab es zu hören und sich zu freuen, daß sie so schön, so stark, so jung waren. „Ja, wir waren, anders zu der Zelt," sagt« wieder ein alter Mann,„wir haben keine Zeit und keine Lust gehabt, zu singen. Um sieben Uhr Hab' ich im Geschäft sein müssen, und wenn ich am Abend vor neun Uhr fort bin. hat der Ehef am nächsten Tag über- all Staub entdeckt. Am Sonntag vormittag habe ich auch da sein müssen.. Dann war man aber doch auf den Rothausplatz angelangt, der, so weit er war, die einströmend« Menge nicht fassen konnte. Man reckte sich, und so weit man blicken konnte, Menschen, Menschen, Menschen und alle eine Einheit, von einer Idee zusammen- geschmolzen, Fanfaren, Musik, Chöre, Reden, die Im Raum« verhallten und aus deren weiterdringenden Bruchstücken jeder sich den Sinn an- einanderfügen konnte. Und schließlich entwickelte sich ein Schau- spiel, nicht minder eindrucksvoll als sedes andere des Einzuges, das nämlich, wie sich die ungeheure Versammlung löste, die Massen sich auseinanderschoben, di« Bezirke wieder heimkehrten, der Platz In kurzer Zeit frei wurde. Alles ohne Kommandorufe und Drill, nur von einigen Hornsignalen ins Werk gesetzt. Wunderbares Abbild einer Ordnung, die ohne Gewalt,'bloß durch den Gedanken besteht! Hohes gegenwärtiges Zeugnis einer anderen Welt, die in die Zukunft ragt! Drobauer hatte auf dem Wege nichts anderes gesprochen, als daß er Hilde auf dies oder jenes aufmerksam inachte oder ihr manches erklärte, was ihr fremd war. Erst als sich der Zug auf- löste, fand er sich selber wieder. „No. was sagen S'. Fräulein Hilde? Ist da, ein Erlebnis?" „Ja," antwortete Hilde einfach. „Ein Erlebnis, nicht wahr? Da winseln diese Doktoren Werner, daß unserer Zeit Größe fehlt, natürlich, wenn sie absichtlich weg- schauen, wo es sich ereignet. Di- Kultur, immer ist die Kultur in Gefahr. Ais ob es irgendwo mehr Kultur beisammen gäbe als hier, freilich, muß man erst einig sein, was das überhaupt ist, Kultur! Gewiß, nicht, daß ein Bürgersöhnchen in seiner Privat- bibliothck ausgefallen« Bücher studiert, sondern daß sich Tausend«, Hunderttausende im freien Tag als freie Bürger bewegen und msnschlich, körperlich, geistig mehr sind, immer mehr und höher sind als Generationen vor ihnen. Ist's nicht so?" „Ja," sagt« wieder Hilde. Drobauer fand an diesen kurzen Antworten nichts auszusetzen. Er kannte Hilde gut und wußte, daß sie, gerade wenn sie bewegt war. nicht ausführlich zu reden liebte. Es freut« ihn, daß sie be- wegt war. Die zwei bogen bald vom großen Zug ab. Frau Fernleitner hatte den Drobauer zum Mittagessen eingeladen, da er noch mit Hilde am Nachmittag den Turnern zuschauen wollte. Frau Fernleitner l)atte es nicht gern gesehen, daß Hilde, an- statt aufs Schloß Wunder aller Welt zu fahren, sich mit Dingen, wie mit diesem Maienzug, abgegeben hatte. Fräulein Rose war sogar empört, freilich getraute sie sich in Hildens Gegenwart nichts zu sagen. Aber ihre Hoffnung war schwer enttäuscht. Welche Pläne hate sie für das liebe Kind gehabt! Aber hier, vor der Mutti, fing 5silde zu erzählen an: „Weißt du, Mutti, schon vom künstlerischen Standpunkt aus war's wunderschön!" Frau Fernleitner hatte immer begeistert zugehört, mochte Hilde von Schulerlebnisscn berichten, von dem, was sie bei der Meisterin lernte, oder von den Aussprüchen des Anatamieprofessors. Jetzt wurde es der Frau Fernleitner freilich viel schwerer, sich wider- standsloe von dem, was ihr da vorgetragen wurde, fesseln zu lassen. Schüchtern meinte sie:„Aber Kind, du warst doch sonst immer... disserenzierter." Sie hatte was anderes sagen wollen, es fiel ihr nur dieses Wort«in, daß ungenau di« Abscheu des Kindes vor allem Ge- meinen ausdrückte. „War ich'», Mutti, so beweist dir das nur.'Ines, daß auch hier mein bißchen Geschmack nicht verletzt worden ist." „Unbegreiflich," stammelte Frau Fernleitner und ging in die Küche.„Ich hätte nie gedacht, daß du dich in solchen Massen- austäufen wohl"füßlcif könntest." Der Drobauer hörte mit leuchtenden Augen zu und schwieg
klüglich, da er ja wußte, daß er natürlich als der bös« Geist r*» dächtigt würde, der Hilde von der unermeßlichen Feinheit ihrer früheren Bekanntschaften abgezogen hatte. Er unterhielt sich mit dem Fräulein Rose, von dem er sich gutmütig— es war ja ein Festtag— über di« Familienverhältnisse, die Verwandtschaft und den Aufwand ihres Generaldirektor» in- formieren ließ.
Am frühen Nachmittag ging's zu den Turnern, auch die zogen auf dem Rathausplatz auf. Eine weiße Kette nach der anderen löst« sich au» dem Grau der Straße, singend, alle singend, mar- schierten sie auf, Jungen und Mädel, Turner und Turnerinnen Gleichmaß der Bewegung. Rhythmus und Kraft, und bei ollen, auch bei den Aelteren, blühende Jugend, und dos Bewußtsein bei den ganz Kleinen, den Sechsjährigen, und bei den ausgebildeten, erprobten Männern, daß sie nicht nur für sich allein, nicht nur zum eigenen Nutzen ein sportliches Spiel betrieben, sondern daß
sie, wie hier, zu kurrswollen Figuren und dem Auge gefälligen Zeichnungen ihre Körper zusammenfügten, auch ihre Gesster zu einem Bau oereinigten, der, heute schon sichtbar, morgen sich in noch hellerer Deutlichkeit erheben sollte. „Gefällt Ihnen dies auch vom rein künstlerischen Standpunkt au»?" fragte Drobauer ironisch. „Nein, viel mehr," sagte Hilde. Sie war an diesem Tag, der feiertägliche Fröhlichkeit über alle ausströmte, die guten Willens waren, so merkwürdig ernst geworden. Drobauer, der trefflich zu beobachten verstand, fragte sie deshalb auch, während sie zusahen, plötzlich: �Tut'» Ihnen leid, daß Sie hier sind?" Hilde reichte ihm di« Hand. „Nein, Drobauer, ganz gewiß nicht, ich bin Ihnen für den heutigen Tag donkbar. Ich Hab' schon Feste mitgemocht— dos war was anderes. Da» waren Feste, bei denen man, wie soll ich das nur sagen? Bei denen man sich, vor allem nur sich allein freute. Und dann, meine erste Bergpartie, hoch oben, das war schon was Eigenartigeres. Und wie ich zum ersten Male eine Symphonie von Beethoven gehört Hab«— alle» war so spät in meinem Leben, daß ich diese Eindrücke nicht un< bewußt auffassen, sondern sie mir sehr gut einprägen konnte. Und heute, vormittag und jetzt an diesem Nachmittag— das alles hat auch so was Feierliches an sich, was Befreiendes, ja, ganz wie jene beiden Eindrücke, die ich niemals, hoffentlich niemals vergessen werde. Es ist was Herrliches darum, wenn man sich einen Augen- blick sagen kann, Gott sei Dank, daß ich ihn erlebt, daß ich das noch gesehen Hab'. Sehen S', Drobauer, Sie haben mir heut' dank Ihrer Ekelhofttgkeit ein« rechte Wohltat erwiesen." Der Hilde stand das Pathetische nicht, e» schlug bei ihr rasch in einen unbekümmerten, lustigen Ton über. Aber wenn man sie verstand, so wußte man schon, daß dies nur Scham ob einer Gefühlsbewegung war, die sie zu verbetzgen suchte. Drobauer erkannte die».„Sie brauchen{ich gor nicht zu schämen, Fräulein Hilde, ich bin gewiß ein roher Kerl, aber manchmal kann ich die Tränen nicht zurückhalten, glauben Sie's mir. Wenn ich so manchmal einen Arbeiterburschcn oder ein Arbeitermädel seh', die arbeiten, lernen, Sport üben, Bildung aus- nehmen und sich bewußt sind, wer sie zu sein hoben.— Hören El«'»?" Da marschierte ein Zug fort und die hellen Stimmen sangen: Wir sind die junge Garde... „Ja, sie sind die Garde, und wie sie den Posten übernommen haben, meiner Seel', das bewegt mich." Sie wanderten nun in die Stadt, sahen Menschen, auf deren Gesicht der Maientog«inen Abglanz gebreitet hatte und auch miß- gelaunte Bürger, die wortlos neben ihren Frauen dahintrotteten und sich langweilten.(Fortsetzung folgt.)
WAS DER
32 Reisen umsonst. Einen eigenartigen Rekord stellte ein Geschäftsvertreter au« der Umgebung von Löbau in Sachsen auf. indem er feit dem Sommer 1N24 bis zu Beginn diese» Jahres die Reichseisenbahn zweiunddreißigmal zu kostenlosen Reisen benützte, die sich von Löbau bis Hannover ausdehnten. Der Geschäftsvertreter hatte in Lautitz bei Löbau , einer kleinen Haltestelle,«inen Verwandten, der neben seinem Kohlenhandel auch die Stelle«ine» Güteragenten der Reichsbahn innehat und dem die Ausgabe der Fohrkarten über- tragen ist. Der Geschäftsvertreter half seinem Verwandten öfter bei der Erledigung der Arbeiten und er hotte Kenntnis davon, daß zum Aueschreiben nichtvorrätiger Karten«in Block benutzt wird. Der Reiselustige schrieb sich neu« Fahrscheine nach einer in der Nähe liegenden Haltestelle aus und zahlt« di« geringen Beträge dafür an seinen Verwandten. Er unterließ aber auf dem Block durchzuschreiben, wie es Vorschrift ist, und benutzte das leere Blatt dazu, sich Fahrscheine nach Dresden , Chemnitz und Hannover aus- .zustellen. Durch die Aufmerksamkeit eines Scholterbeamten, bei dem der Reisende eine Schnellzugszuschlagskart« lösen wollte, kam der Schwindel heraus. Der Mann hat die Reichsbahnverwaltung um etwa 300 M. geschädigt. Sein Reisefieber wurde durch eine Ge- fängni-strafe von sieben Monaten recht unangenehm eingedämmt. Der Fuchs im Krug. Im Zellwald bei Marbach hatte ein Fuchs einen Krug mit so leckerem Schmaus« entdeckt, daß«r dl« Nase zu tief hineinsteckte, dann aber mit dem Kops« nicht wieder heraus konnte. Nun beißen ja Reineke» ihre eigenen Glieder ab, wenn sie In Not sind. Aber sich selbst den Kops abbeißen, da» tonnt« er doch nicht. So jagt« denn der Fuchs, den Krug über den Kopf gestülpt, blindlings in die Welt und hätte in Marbach beinahe in feiner Raser«, die Pf«rde eine» Fuhrwtrk» scheu gemacht. Schließlich wurde das schon ziemlich entkräftete Tier getötet, denn niemand wußte, wie lange Zeit es in seinem trau, igen Zustande bereits oerbracht hotte. „Menschenfeind". In den fast undurchdringlichen Wäldern Ostpolen », bei Bar a- nowice, lebt seit etwa acht Jahren ein sogenannter„Wold- mensch", völlig unbekleidet,' mit langen Nägeln und wallenden Haaren. Ganz selten wird er von Menschen gesehen. Kürzlich gelang e» drei Gendarmen, sich an ihn heranzupirschen, jedoch konnte d«r Sonderling im letzten Augenblick entfliehen, nachdem er In zur- gelnden Schrei«» versichert hatte, daß er ein abgesagter Feind aller menschlichen Gesellschaft fei. Konkurrierende Diebe. Badeorte sind nicht nur für Gastspiele von Künstlern geeignet: auch Dieb« statten ihnen gern Besuch« ab. Der Strand von Riga bildet in dieser Hinsicht kein« Ausnahm«. Daß e« aber ausländische Taschendiebe waren, die die Kleidung der harmlosen Badegäste um ihren Inhalt erleichterten,«rsuhr die rigaische Kriminalpolizei auf sehr cigeniümlich« W«is«. Bei dem Leiter der Kriminalpolizei er-
4(7 BRINGT. mmiiimmimimHiinnitmnimimiiiHiiiiimnmiinimmiinnmninmiinmimmiimmiN schienen ein«» Tages einig« alte Bekannte, rückfällig« Di«be, und machten ihm voll Empörung die Mitteilung, daß sich am Strande ausländisch« Konkurrenz breitgemocht habe. Und siehe da: als die Empörten für einige Zeit Riga verliehen, hörten die Diebstähle Nicht auf. Die Poliz«! hob nun die Gasthäuser aus und säubert« da» Feld von ausländischen Spitzbuben. Ab«r auch die Tätigkeit ihrer einheimischen Kollegen war nicht mehr von langer Dauer. Der gestohlene Wachhund. Im Schulhau» von Conca Fallata, einer Dorstadt von Mailand , wurde ein Einbruch verübt. Gestohlen wurden die merk- würdigsten Gegenstände, auffallend darunter ist immerhin ein Grammophon, die daAugehörigen Platten und der o!» höchst bissig gepriesen« Wachhund. Di« Diebe wurden bald ausgespürt. Sic hatten ihre ganze Beute bereits versilbert außer dem Hund, den sie nicht an den Mann bringen konnten. Alkoholverbot und Telephongeheimnis. Eine kompliziert« juristische Frag« ist in Kalifornien auf- geworfen worden: Ist da« durch die Verfassung der Vereinigten Staaten verbürgt« T«lephongeheimiii» auch dann zu achten, wenn «s sich darum handelt, Verbrechen auf die Spur zu kommen? Man hott« in einem Städtchen Rord-Kaliforniens mit Hilf« einer ins- geheim angeschlossenen Ttl«phonleitung einen Klub des Alkohol- verkaufe überführt. Das Gericht sprach ober die Schuldigen frei und verurteilte die Polizei uxgei, Bruchs des Telephongeheimnisses. Im Obersten Gerichtshof teilten sich die Stimm«». Fünf von den neun Richlern stellten sich auf di« Seitc der Poliz«i: die in der Minder- heit geblieb«»«» oi«r Richter veröffentlichten ihr« besondere Meinung. Der Fall soll auch den Kongreß beschäftigen: gilt das Telephon- g«heimnis oder nicht? Der Filmautomat. Nachdem uns Amerika vor einiger Zeit das Photomatom be- schert hat, das gegen Einwurf einer Münze binnen kurzer Zeit ein oder auch mehrer« guter Lichtbilder liefert, kommt jetzt der Film- outomat an die Reih«: Gegen Einwurf einer Münze kann man kurze Filme, koloriert und ftereolfkopifch, also mit Tiefenwirkung, in Muße betrochtW. Es hat sich bereits eine Gesellschaft zur Ausnutzung dies«r neuen Erfindung gebildet, die Dramagraph Motion Picture Evrporation. ßadewärter, die nicht schwimmen können. Bisher war die Stadt N e w P o r k voll felsenfesten Zutrauens zu den Männern am Vadeftrand, di« das schwere. Amt d«r Bade- Wärter versahen und mit messerscharfen Augen umheräugten, ob nicht »in Ertrinkender ihrer Hilf« bedürfe. Aber der Schein trügt oft, ebenso di» Muskulatur. Es ergab sich b«i einer oberflächlichen Prüfung, dos von ixn im städtisch«» Seebad beschäftigten Bade- Wärtern 15 überhaupt nicht schwimmen konnten. Als man, siutz'a geworden, von d«n anderen Badewärtern den Beweis ihrer Fort- bemequ»g?möglichkeit im nassen Element forderte, drückten sich weitere 18 Badewärtcr von der Adlezimg dieser Prob«.