Der Abend
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Nr. 432
B 214
45. Jahrgang.
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Perfinar meldet dem„ Daily Telegraph " aus Genf , die Ausfichten für ein schließliches Einvernehmen schicnen den fünf Unterhändlern, die gestern in Cord Cushenduns Zimmer über das Rheinlandproblem berieten, im großen und ganzen günftig. Briand habe die Gelegenheit ergriffen, um seine vorgeftrige Rede zu erklären und alle Ursachen für eine Verftimmung auf seiten der Deutschen zu beseitigen. Reichskanzler Müller habe erneut auf das auf Artikel 431 des Berjailler Bertrages geftützte moralische Recht Deutschlands auf eine vorzeitige Räumung des Rheinlandes hingewiesen. Es scheine allgemeine Uebereinstimmung darüber zu herrschen, daß die Räumung, wie sie von Deutschland gewünscht werde, durchgeführt werden könne, vorausgesetzt, daß Deutschland weitere Garantien für die fünftige Durchführung des Dawes- Planes gebe. Es jei nicht leicht, zu sehen, welche Gestalt diese Garantien annehmen fönnten, da Amerika an der Regelung nicht teilnehmen könne.
Es werde angenommen, daß trotzdem die fünf Mächte eine gemeinsame Affionslinie für die schließliche Lösung des Problems der Kriegsschulden, sobald Amerita geneigt sei, es neu zu erwägen, bejchließen würden. Briand werde wahrscheinlich unter dem Ein fluß Paul Boncours auf der Errichtung irgendeiner Form internationaler Kontrolle des entmilitarisierten Rheinlandes bestehen. Es jel jedoch zweifelhaft, ob Fortschritte in diefer Richtung erzielt werden fönnten. Es werde gemeldet, daß der deutsche Reichs fanzler gestern erklärt habe, daß, als er den Ausdrud unaufrichtige Politik letzten Freitag gebrauchte, er damit nicht auf Briand Bezug nehmen wollte.
Der Reichskanzler soll neue Vorschläge machen. Paris , 12. September. ( Eigenberidyl.)
lleber die gestrige Konferenz in Genf meiß nur der„ Petit Barisien" nähere Einzelheiten mitzuteilen. Vor allem hätten Briand und Müller den Sad ihrer Zwistigkeiten geleert und fich nach gründlicher Aussprache wieder versöhnt. Dann habe Müller den offiziellen deutschen Standpuntt dargelegt und betont, daß Deutschland einen unbedingten Rechtsanspruch auf die sofortige Räumung des Rheinlandes habe, da es seine Berplichtungen entsprechend, dem Artikel 431 des Bersailler Vertrages, vollständig erfüllt habe. Daraufhin jedoch habe man" die entgegengesetzte These entwickelt, nämlich die der politischen, militärishen und finanziellen Pfänder und Gegenleistungen, die die Alliierten hinsichtlich der Sicherheit und der Reparationen immer noch zu fordern hätten. Man" jei dabei auch auf die Vorschläge Stresemanns in Thoiry zu sprechen gefommen und„ man" habe betont, daß Stresemann in seinen Vorschlägen nicht zuviel Widerstand geleistet und entschieden weitergegangen sei. Der Reichskanzler. habe sich endlich bereit gefunden, einen Berhandlungsvorschlag zu machen, doch habe dieser von keinem der Teilnehmer als genügend ange. fehen werden förmen. Immerhin aber sei damit eine Grundlage gegeben gewesen. Die Alliierten hätten daher den Kanzler gebeten, die Lage nochmals zu überprüfen und am nächsten Donnerstag neue Vorschläge zu machen. Sollten diese Vorschläge eine Distusfions. möglichkeit erscheinen laffen, dann würden zunächst einmal die Sach verständigen in Attion treten. Die offiziellen Berhandlungen wür. den erft fpäter meitergehen.
Trauerfeier für Brockdorff- Rantzau.
In der Dreifaltigkeitskirche in Berlin wurde gestern eine Trauerfeier für den in Berlin verstorbenen Botschafter in Moskau , Graf Brockdorff- Rantzau , abgehalten, an der das diplomatische Korps und Vertreter der deutschen Regierung teilnahmen.
Hugo Stinnes wird abgeschüttelt.
Die Aufsichtsräte der Stinnes- internehmen zum Kriegsanleihebetrug.
mittlerrolle, Belastendes Material wurde bei den Haussuchungen nicht gefunden, weil die Betrugsmanöver schon zwei Jahre zurückliegen. Doch hat Groß im Laufe feiner Bernehmungen ein teilweijes Geständnis abgelegt. Im Auftrage des Generaldirektors Not h mann will er Weisungen zum Auftauf von Kriegsanleihe gegeben haben, doch bestreitet er, über das Resultat dieser Ausläufe orientiert gewesen zu sein oder gar gewußt zu haben, zu welchem Zweck der Stinnes - Konzern die Kriegsanleihe benötige. Soweit es sich bis jetzt übersehen läßt, scheinen die so in Rumänien aufgekauften neuen Kriegsanleiheftücke in Kronstadt in Altbefiz umgefälscht worden zu sein. Aber auch aus Deutschland dürften wohl Kriegsanleihestücke zum Zweck der Umfälschung nach Rumänien geschickt morden sein. Ob zwischen diesen Betrugsmanövern von Hugo Blumenstein eine Beziehung besteht, fann erst der weitere Gang ber Stinnes jr. und den ungarischen Anleiheschiebungen Blumenstein eine Beziehung besteht, fann erst der weitere Gang der Untersuchung ergeben, wobei dann allerdings der Berliner Untersuchungsrichter mit den maßgebenden Behörden in Budapest und Paris in Verbindung treten müßte.
Von den Aufsichtsräten der Stinnes- Ge-| Transport der Papiere zwischen Berlin und Rumänien die Verfellschaften wird mitgeteilt: Herr Hugo Stinnes jr. hat wegen der gegen ihn schwebenden Untersuchungen feine gesamten Aemter in Vorständen und Aufsichtsräten in in- und ausländischen Gesellschaften zur Verfügung gestellt. Jm Einvernehmen zwischen den deutschen und Eine sozialistische Interpellation in der Kammer. amerikanischen Aufsichtsratsmitgliedern der Spitzengesellschaft Paris , 12. September. ( Eigenbericht.) des Stinnes- Konzerns, der Hugo Sfinnes Corporation, werIm Auftrage der sozialistischen Partei hat der Abgeordnete den die Geschäfte der Gesellschaft und Untergesellschaften von Brate auf Grund der Rede Briands eine 3nterpellation den bisherigen Leifern dieser Gesellschaften nach Anweisung in der Kammer angemeldet. Wir wollen doch einmal sehen, schreibt dazu der sozialistische Populaire", ob wir nicht unsere an- durch den Aufsichtsrat weitergeführt. geblichen Friedensfreunde dazu bringen können, Farbe zu bekennen. Briand hat uns in Genf ein erbauliches Schauspiel aufgeführt. Als es fich darum handelte, endlich zu Taten zu schreiten, hat er sich in der schmachvollsten, heuchlerischsten Weise seiner Pflicht entzogen. Mit dem Frieden flirten wolle er gern, aber er ist tein ernsthafter Liebhaber. Er ist schon einmal eine Omelette in Thoiry und trinkt einen Porto in Locarno , aber wenn er nun in Genf etwas Praffifches leiften foll, dann fagt er: Nein."
Paris , 12. September. ( Eigenbericht.) Der offiziöse Petit Parifien erklärt heute, Briand selbst sei am meisten überrascht gewesen von der Sensation, die feine Rede hervorgerufen hat und Bertinag ergänzt dieses Geständnis im „ Echo de Paris" dahin, daß Briand seine Heftigkeit sofort bedauert habe.
Gleichzeitig wird vom Aufsichtsrat der Hugo Stinnes Corpo. ration folgende Erklärung abgegeben: Die Hugo Stinnes Corporation und die von ihr kontrollierten und ihr angegliederten Gesellschaften haben zu feinem Zeitpunkt in irgendeiner Form mit den Geschäften zu tun gehabt, die zurzeit Herrn Hugo Stinnes jr. zur Last gelegten werden.
Der in Wien wegen Beteiligung an den Stinnesschen Kriegstage anleiheschiebungen verhaftete Kaufmann Bela Groß spielte beim
Berichte 2, Seite.
Das Material, das die Wiener Aktion der Berliner Polizei zugefördert hat, wird mit der Rückkehr des Kommissars Dr. Heinz
mann und des Kriminalkommissars v. Rassow aus Wien dem Untersuchungsrichter übergeben werden. Es wird dann sofort die Auslieferung von Bela Groß verlangt werden, der wohl ohne weiteres entsprochen wird, daß Groß nicht österreichischer Staatsangehöriger ist. Es dürften dann in Moabit Gegenüberstellungen zwischen Groß und den übrigen Beschuldigten stattfinden, die auch eine klarere Beurteilung der Wiener Betrugsmanöver ermöglichen werden.