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BERLIN Donnerstag, 13. September

1928

Der Abend

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Spätausgabe des Vorwärts

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Nr. 434

B 215

45. Jahrgang.

66 unsetgenprets: Die einfpaltige Nonpareillezcile

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Die Aussprache über Räumung

Sonntag werden die Verhandlungen fortgesetzt.

V. Sch. Genf , 13. September. ( Eigenbericht.) Die zweite Aussprache zwischen Deutschland und den Besatzungsmächten dauerte wiederum Stunden. Kurz bor 1 Uhr verließen Müller und v. Schubert als erste das Hotel Beau Rivage und erklärten den Journalisten, daß am Sonntag eine weitere Besprechung stattfinden würde. Briand , der bald danach herauskam, bestätigte diese Mitteilung und fügte hinzu, daß er so­fort um 1 Uhr nach Paris fahre, um dem angesetzten Ministerrat beizuwohnen, daß er aber am Sonnabend abend wieder in Genf zurück sein würde. Irgendwelche weiteren Mitteilungen über den Verlauf der soeben be­endeten Besprechung sind bisher von keiner Seite erfolgt.

" Friedenskomödianten."

Die Kontrollforderung taucht wieder auf.

Paris , 13. September. ( Eigenbericht.) Der Führer der sozialistischen Partei Frankreichs , Léon Bluin, protestiert im Populaire" mit ebenso großer Mäßigung wie Energie gegen die Genfer Rede Briands. Eine öffentliche Debatte darüber in der Kammer fei nicht zu umgehen, meint Blum, denn diese De­batte müsse Klarheit bringen, ob Briand nur einer bedauerlichen Laune nachgegeben habe. Man möchte gern zu Briands Ehre annehmen, daß er nicht aus persönlicher Reizbarkeit in wenigen Minuten ein Werk zerstören wollte, dem er jahrelang seine besten Kräfte gewidmet habe. Noch unmöglicher aber sei der Gedante, daß er die Versöhnung mit Deutschland aufgeben wolle. größerer Schärfe erklärt der Generalsekretär der sozialistischen Partei, Paul Faure , daß man die Friedenskomödianten" in Frankreich entlarven müsse. Es sei eine Sabotage des Friedens, wenn General Guillemaut im Rheinland Soldaten paradieren lasse an­gesichts einer friedlichen Bevölkerung.

Mit

Die bürgerliche Presse in Paris bemüht sich, die schweren Fehler, die von französischer Seite in Genf begangen worden sind, zu forrigieren. Man findet tein Wort der Polemit mehr, fast alle Zeitungen fuchen zu betonen, wie friedensbereit Frankreich sei. Jedoch beginnt die Diskussion über die Sicherheitsgarantien wieder, die Deutschland als Gegenleistung für die Rheinland­räumung gewähren soll. Wie Sauerwein im Matin" berichtet, soll die von Frankreich geforderte Kontrolle der entmilitarisierten Rheinlandzone eine solche Form erhalten, daß sie unter teinen Um ständen das Nationalgefühl Deutschlands verlege. Pertinar im ,, Echo de Paris" weiß fogar zu melden, daß die Kontrolle auf Gegenseitigkeit beruhen soll. In der Kontrollinstitution soll Deutschland genau wie Frankreich Siz und Stimme haben. Auch soll sich ihr Kontrollrecht ebenso auf das deutsche wie auf das französische Grenzgebiet erstrecken. Endlich soll die Kontrolle in einem Anhang im Locarno - Bertrag verfügt werden; dadurch erhalte sie den Charakter eines Registrierapparates in der Hand der beiden Locarno - Garanten England und Italien .

Wegen dieser Frage der Kontrolle wird Briand persönlich nach Baris reisen, um dem Ministerrat Bericht zu erstatten und deffen Meinung einzuholen. Er hat gestern den elfäffischen Unterstaats­sekretär Obertirch zu sich nach Genf gebeten, damit dieser ihm in den Berhandlungen mit dem Reichstanzler Müller als Dol metscher diene.

*

Diese Pariser Meldung unseres Vertreters zeigt, mit welchem Geschick die Genfer Delegation Frankreichs auf dem Instrument der öffentlichen Meinung zu spielen versteht. Kaum hat sich Frankreich grundsätzlich zu Verhandlungen über Rheinlandräumung bereit erflärt, so stellt man Gegen forderungen finanzieller Natur. Raum muß man erkennen, daß man damit nicht weiterfommt, taucht die Kontrollforde rung wieder auf, von der anfangs in Genf überhaupt nicht die Rede gewesen war. Wohlüberlegt berichtet die eine Zeitung von der einen Seite des Problems, während eine andere eine andere Darstellung bringt. Dabei wird sogar der Ge­einer gegenseitigen Kontrolle verteidigt, um Deutsch­

Die D.- Zugkatastrophe in Mähren .

Die Trümmerstätte kurz nach dem Unglück. Reisende und Beamte sind bei Rettungsarbeiten. Im Hintergrund die verunglückten Züge.

Massenverhaftungen in Spanien .

Die Diftatur bringt die Verschwörung.

Madrid , 13. September.

Ein in letter Stunde den Zeitungen zugehendes Kommuniqué besagt: Für heute nacht war ein von ver­schiedenen Elementen und Personen angezetteltes Kom­plott geplant, das Dank dem Eifer des Leiters und des Personals der Sicherheitspolizei zur Stunde als ge­scheitert angesehen werden kann. Die notwendigen Ver­haftungen find vorgenommen und eine eingehende Unter­suchung eingeleitet worden, um das von den Ver­schwörern verfolgte Ziel, die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel und den Umfang ihrer Verantwortung genau festzustellen. Das Komplott sollte den Stolz und Ehrgeiz von Leuten befriedigen, die nicht an den Schaden dachten, den sie Spanien gerade in diesem Augenblick zufügen konnten, wo dieses in Genf einen neuen Beweis für die Achtung der Welt erhalten hat. Vielleicht war die Ursache des Komplotts der Verdruß und der Neid, die die dieser Tage stattfindenden gewaltigen Kund­gebungen der Anhänglichkeit an die Regierung hervor. gerufen haben. Das Land kann beruhigt sein."

Paris , 12. September.

Ueber das angebliche Komplott in Spanien werden in einer Agenturmeldung aus Hendaye folgende Einzelheiten gebracht: mehrere tausend Personen sollen bereits ins Gefängnis eingeliefert

baben neuesten Rompensationsvorschlag schmachaft zu Neue Verhaffung im Stinnes- Skandal machen. Aber dabei käme nur. heraus, daß eine solche Rontrollkommission längs der französischen Grenze mächtige Schweres Unglück in einem Walzwerk Festungsbauten, Militäreisenbahnen und Militärtransport­ſtraßen, im deutschen Rheinland aber immer wieder nur die Wieder Schiffsunfall auf der Elbe völlige Entmilitarisierung feststellen tönnte. Das würde

Cartießung auf der 2. Geite.)

Berichte 2. Seite.

worden sein, darunter zahlreiche revolutionäre Agenten, die von den Urhebern des Komplotts auf verschiedenen strategischen Buntten verteilt worden seien. Allein in Saragossa seien mehrere hundert Personen verhaftet worden. Die Festnahme zahlreicher Soldaten der Ortsgarnison scheine darauf hinzudeuten, daß mili­tärische Elemente an dem Komplott beteiligt feien. In Madrid sollen 320 Personen verhaftet worden sein, darunter zahlreiche be tannte Republikaner, außerdem verschiedene Delegierte, die zur Teilnahme an dem Kongreß des spanischen Bergarbeiterverbandes erschienen feien, der gegenwärtig in Madrid tage. Auch in Barce. lona feien mehrere hundert Personen verhaftet, darunter der Brigadegeneral Lopez Achoa, einer der erbittertften Gegner des Generals Primo des. Rivera.

New Bort, 12. September.

Behörden in Madrid die Auslieferung einer Anfrage der Associated Nach einer Mitteilung der Associated Pres" verweigerten die Breß" an ihren Korrespondenten in Spanien , in der um eine Be­stätigung der Nachricht über die Entdeckung eines Anschlages gegen die spanische Regierung ersucht worden war.

Alfons aus Spanien läßt Primo allein feiern. Kiel , 12. September.

Der König von Spanien, der fich auf der Durchreise nach Stod holm turze Zeit hier aufhielt, empfing heute vormittag den Besuch des Flottenchefs Bizeadmiral Odetop und des Chefs der Marine station Bizeadmiral Dr. h. c. Raeder.

Diefer Rönigsbesuch gewinnt an Reiz dadurch, daß König

fons aus feinem Königreich abgereift ist zwei Tage bevor Brimo

de Rivera das fünfjährige Jubiläum feiner Diktatur begeht. Alfons

nimmt an der Staatsfeier feines Dittators also nur aus der Ferne

mit einem freundlichen Telegramm teil. Da aber in Spanien Zensur herrscht, wird man nicht erfahren, ob die Spanier sich mehr über ben verhöhnten Diftator oder mehr über den machtlosen König luftig machen