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BERLIN  Freitag, 14. September 1928

Der Abend

Ericheint tåg lich außer Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 m. pro Monat. Redaktion und Erpedition: Berlin   SW 68, Lindenfir.3

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Spalausgabe des Vorwärts

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Nr. 436

B216 45. Jahrgang.

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Mussolinis Mordgehilfe.

Warum Rossi aus der Schweiz   verschleppt worden ist.

Jm römischen Staatsgefängnis fieht der frühere Gehilfe Muffolinis und Anstifter des Matteotti  - Mordes seiner Ab­urteilung wegen Verleumdung des Faschismus entgegen. Mussolini   und Rossi lernten sich als Mitglieder der Loge Gesu in Mailand   tennen. Sie waren Anhänger des extremen Sozialismus, jener syndikalistischen Richtung, die am liebsten gleich mit allem Parlamentarismus Schluß gemacht und den Uebergang von der privatrechtlichen zur Staats- und Kommunal wirtschaft durch die Gewerkschaften erzwungen hätte. Damals waren die beiden miteinander verbunden. Rossi hat lange geschwantt, ob er die Advokatenfarriere einschlagen oder ins Bantfach übergehen solle. Diesen Berufskonflikt hat er nicht mit sich selbst oder mit feinen Angehörigen, sondern mit Mussolini   ausgemacht. Der da. malige Chefredakteur des Avanti" entschied: Weder das eine noch das andere; du kommst zu mir und wirst Redakteur meines Blattes." Der Krieg tam und Muffolini fonnte Rossi bald gut brauchen. Beide waren Interventionisten: für den Krieg mit Defter­reich- Ungarn  . Als solche fonnten sie nicht gut im Avanti" wirken, nachdem die sozialistische Partei Italiens   zwar den Niederbruch des deutsch  - österreichischen Militarismus für wünschenswert erklärt hatte, den Anschluß an die Alliierten gegen die Mittelmächte aber aus Mißtrauen gegen den ungezügelten Imperialismus zu vermeiden fuchte. So entstand der Wunsch, die Kriegseintrittsagitation in einem eigenen Blatt zu betreiben. Mussolini   war wenig beliebt, hatte schlechte gesellschaftliche Manieren, galt als unzuverlässiger Hysteriker und schlechter Schuldenzahler. Seine Aussichten, Geld für die Gründung eines großen Blattes zu bekommen, waren gleich Null. Da standen die Chancen für Rossi bester. Er verfügte über gute Beziehungen zur Finanzwelt, zur Industrie, zu den Geld­magnaten der Freimaurerloge und er hatte genug Geschid, um diesen Herrschaften als Finanzsachverständiger, Jurist, Journalist uno Gentleman zu imponieren.

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Mit dem Geld der Freimaurerei und der Industrie wurde der Popolo d'Italia" gegründet. Rossi hätte den Abmachungen mit den Geldgebern nach sein Leiter werden sollen, Mussolini   wurde es. Zwischen beiden Männern war die journa­listische Rollenverteilung schon bestimmt worden. Roffi hatte die Genugtuung, stellvertretender Leiter des Heßblattes zu werden, als Mussolint für einige Zeit die Feder mit dem Gewehr vertauschte.

Hernach hat Rossi geholfen, die faschistische Bewegung zu organisieren und hochzubringen. Als sie gefiegt hatte, wollte er Mussolini   sofort zu den äußersten Konsequenzen treiben. Er sollte nicht nur die Kammer und den Senat, sondern auch

den König zum Teufel jagen

und die Diktatur der Regierung als herrschendes Staatssystem er. flären Mussolini   zeigte nun auf einmal viel mehr diplomatisches Geschick als Rofft. Er ließ die Monarchie, den Senat und das Bar­lament einflußlos bestehen und Persönlichkeiten, die ihn zu finnlosen Gewaltstreichen drängen wollten, schob er aufungefährliche Ehrenposten a b. Roffi wurde Pressechef des Minister präsidenten. Das war kein Posten nach Rossis Wunsch. Er hatte jelbst Minister oder wenigstens Bräfett in Mailand   werden wollen. Er merkte sehr gut, daß Mussolini   ihn auf ehrenvolle Weise" taltgestellt hatte. Er begann gegen den Duce zu intrigieren.

Es wurde bekannt, daß

Matteotti

Amerikanische Schule in Berlin  .

Die amerikanische   Kolonie in Berlin   hat in den Räumen der amerikanischen Kirche eine Schule für die Kinder der in Berlin   lebenden amerikanischen   Familien eingerichtet. Die Schule wurde am 10. September eröffnet.

Der D- Zug Mörder festgestellt.

Ein schwer vorbestrafter Verbrecher.

Den Bemühungen der Landeskriminal.] beschreibung des Hamburger   Zeugen stimmt auf ihn ganz genau: polizei Hamburg   ist es gelungen, festzustellen, wer den Direktor Nordmann im Eilzug Ham­ burg  - Bremen   ermordet und aus dem Zuge geworfen hat: es handelt sich um einen 30jährigen Emi! Hopaus Lindau im Kreise Plön  , der sich bei Verwandten in Harburg   aufhielt.

Hop wohnte schon mehrere Wochen in Harburg  , hat sich aber trop verschiedener Aufforderungen durch seine Verwandten immer gefträubt, seine polizeiliche Anmeldung vorzunehmen. Wahrschein lich lag dies daran, weil er eine Begegnung mit der Polizei zu fürchten hatte. Tagelang blieb er von Hause fern, um dann, wenn er zurüdfam, von geheimnisvollen Geschäften zu erzählen, die er schäftsausflügen" eine Brillantuhr und mehrere Brillantringe mit. Am Freitag ist er wieder abgereift, um am Dienstag mit völlig beschmuktem Anzug zurückzukommen.

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Hop hat in der Tat bei seiner Abreise aus Hamburg   einen grünen Man hat in Erfahrung gebracht, daß sich in seinem Besiz ein von Lodenpaletot, eine braune Mühe und braune Schuhe getragen. einer Münchener Behörde ausgestellter Baß auf den Namen Wil­liam Miller, Buchhalter" befindet. Nach seinen Identitätskarten, die von seinen früheren Strafen her im Besitz der Behörden sind, ist Hop 1,70 Meter groß und auffallend schlank.

Der Mörder spricht reines Hochdeutsch und beherrscht außerdem die holländische, englische und ruffische Sprache. Hop bot seinen Verwandten am Dienstag Bigarren aus einer braunen 3igarrentasche an. Die Beschreibung der Zi­

dieser Tasche überein. Außerdem besitzt Hop einen Mädler= Roffer, der die Zeichen M. St. trägt und wahrscheinlich auch ge­ftohlenes Gut ist. Hop hat seine blutbefleckte Kleidung in Harburg  gewechselt. Er trägt jezt einen braunen Sportanzug mit ver­schiedenartigen Längsstreifen, dazu eine Knickerboderhose und eine hellbraune Müze. Sein Hauptbetätigungsgebiet lag in Hamburg  , übed und Köln  . Man hält es aber nicht für ausgeschlossen, daß er sich nach Berlin   gewandt hat.

in einer Kammerrede die Technik der faschistischen Mordorgani sationen an den Tag bringen wollte. In dieser Rede sollte auch die Ausdehnung der faschistischen Spizelorganisationen nach Frankreich  , Deutschland  , England und der Schweiz   besprochen werden. Diese Lage benutzte Rossi, um den grande Duce" rein­zulegen. Er drang- in seiner Dentschrift hat er das gestanden inzwischen gemacht habe. Erst jüngst brachte er von diesen Ge. garrentasche des Direktors Nordmann stimmt mit der Beschreibung auf die Ermordung Matteottis und Mussolini   ging darauf ein. Das Entsezen über den Mord an dem sozialistischen  Führer war gewaltiger als der Faschistenchef geglaubt hatte. Bor allem hatte Mussolini   nicht gedacht, daß die Entrüstung über diese Mordtat sogar die Zurückhaltung der ausländischen Staatsleiter sprengen würde. Macdonald erhob im Unterhause unter dem Beifall aller Abgeordneten Protest gegen dieses Bubenstück" und er ließ, von der Presse Englands gedrängt, Mussolini   wissen, daß seine schon angekündigte Reise zur Londoner   Finanzkonferenz im ganzen Lande höchst unerwünscht" sei. Vandervelde   sprach im belgischen Parlament von einem scheußlichen Verbrechen, das gar eng mit dem herrschenden System zusammenhänge". Mussolini fah ein, daß er dieser Erregung Zugeständnisse machen mußte. Er ( Fortseßung auf der 2. Seite.)

Hop ist den Strafbehörden seit langem bekannt, er ist wegen Raubes und schweren Diebstahls sowie verschiedener Hochstapeleien mehrfach auch mit Zuchthaus vorbestraft. Bei seinen Hochstapeleien bediente er sich eines romantischen Fürstentitels. Die Personal­

Vor der Einigung in Gent  ? Riesenbankroff in Bautzen  .

Berichte 2. Seite.

Bei seinen Sprachkenntnissen pflegt er sich als Ausländer auszugeben.

Mitteilungen zu seiner Ergreifung erbittet die Mordinspektion A im Berliner   Polizeipräsidium. Weiterhin wird noch bekannt, daß Hop u. a. auch den Trid verfolgt, Bilder bekannter Meister zu ko­pieren und dann als Original zu verkaufen.