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Morgenausgabe

Nr. 437

A 222

45.Jahrgang

35chentlich 85 B1, monatlich 8,00 2. bm voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 2. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne ment 6-2. pro Bonat

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, bie Abenbausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Jlluftrierte Beilagen Boll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Biffen", Frauen timme". Technit"," Blid in bie Bücherwelt und Jugend- Borwärts

Vorwürts

Berliner   Boltsblatt

Sonnabend 15. September 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die ein paltige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reftamezeile 5.- Reichs mart. Aleine Anzeigen das jettge. brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwet fettgedruckte Borte), jedes meitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes meitere Mort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben Arbeitsmarti zählen für zwei Borte.

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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts: Verlag G.m. b. H.

Noch keine Verhandlungen.

Die Auffaffung in Paris  .

Paris  , 14. September.  ( Eigenbericht.) Das innerpolitische Interesse an der Ernennung der beiden neuen Minister hat die Debatte über die Rheinlandverhand. lungen in Genf   vollkommen in den Hintergrund trefen laffen. Ueber die Erklärungen Briands, der schließlich zum Zwecke der Be­richterstattung von Genf   nach Paris   reifte, wird nur mitgeteilt, daß er sehr ausführlich war und einstimmige Annahme fand.

Das Havas- Bureau und der Temps" erklären übereinstimmend,

daß die Genfer   Besprechungen immer noch nicht die Bezeich­nung Berhandlung en verdienen. Was bis jetzt in Genf   ge­schehen sei, wäre nichts anderes als ein genaueres Erkunden des Berhandlungsbodens. Man unterhalte sich darüber, was möglich und was nicht möglich fel, man unterrichte sich über die Absichten der verschiedenen Partner, man entwidele auch einige Leitgedanten, die etwa dazu führen könnten, den Rahmen für die späteren Ber. die etwa dazu führen könnten, den Rahmen für die späteren Ber­handlungen abzustecken. Aber es fei noch keineswegs eine fefte Grundlage vorhanden, auf der man aufbauen fönne, zumal der Reichskanzler fich noch nicht zur Formulierung fester Borschläge habe entschließen können. Immerhin sei die Atmosphäre sehr günstig, und das fei schließlich das einzige Moment, das zu einem gewissen Optimismus berechtige. Wenn man auch schon sagen fönne, daß eine Einigung nicht mehr unmöglich er­fcheine, so werde es doch sicherlich noch lange dauern, bis sie wirtlich erreicht sei.

Poincaré  - Kabinett bleibt wie es ist. Keine Umbildung nach links. Keine Luftfahrtminister. Cheron Handelsminister.

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Paris  , 14. September.  ( Eigenbericht.) Der Ministerrat, der am Freitag die Nachfolgeschaft Botanowitys zu regeln hatte, hat es nur zu einem sehr bescheidenen Rompromiß gebracht. Die Anregung der zur Linken zählenden Minister, die Neubejegung des Handels- und des Luftfahrtministeriums auszunüzen, um das Kabinett ents sprechend der republikanischen Mehrheit in der Kammer umzu­bauen, ist abgelehnt worden. Auch der zweite Gedanke, das zustatten und ihm einen Chef von Rang zu geben, ist fläglich ins Waffer gefallen. Laurent Eynac  , der jegige Inhaber des Bostens, wird unter diesen Umständen alle Mühe haben, das fran zösische Verkehrsflugwesen wieder auf die Höhe zu bringen. Das Handelsministerium wird in den Händen des Senators Cheron, des bisherigen Generalberichterstatters für das Budget, in orbent: lichen Händen sein, ohne dabei die Gefahr fühner liberaler

Neuerungen zu laufen.

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Müller bei Albert Thomas  .

Reichstanzler Müller stattete gestern vormittag dem polnischen Außenminister 3alesti einen Gegenbesuch ab und folgte fodann einer Einladung des Direktors des Internationalen Arbeits­amtes Albert Thomas  , bei dem er Gelegenheit zu einer Begegnung mit Bernhard Shaw und zu einer längeren Unterhaltung mit dem tschechoslowakischen Außenminister Benesch hatte. Nachmittags empfing der Reichskanzler den lettländischen Außenminister Balodis, den rumänischen Gesandten in Berlin   Comnen und bas Mitglied der norwegischen Delegation Frithjof Nansen. Abends

Wehrkampf in Belgien  .

Die Gozialisten verlaffen den Sitzungsfaal.

Brüffel, 14. September.  ( Eigenbericht.)

Der Wehrentwurf, der so lange und bittere Rämpfe ver­urfacht hat, wurde am Freitag von der Kammermehrheit endgültig verabschiedet. Bor der Abstimmung verlas der frühere Minister Wauters namens der sozialistischen   Fraktion eine Erklärung, Darin wird gegen die Berfuche, die die Regierung und ihre Mehrheit gemacht haben, um den schlecht vorbereiteten und übereilten Entwurf unter Ablehnung jeber ernsten Debatte durchzupeitschen und jede Möglichkeit einer Abänderung zu unterbinden, protestiert. Der Wehr entwurf entspricht nicht den Wünschen der Nation. Er bringe eine schwerwiegende Bermehrung der Finanzlaften mit fich burch vermehrte Rüftungen und Festungsbauten und verhindere badurch bringende Sozialreformen. Er stehe im Widerspruch zur Frieden spolitif, die die schrittweise allgemeine Abrüstung erfordere. Er bedeute einen Rüdschritt zum Berufsheer, statt einen Fortschritt zum Boltsheer. Er bringe außerdem feine wirt­fiche Sicherheit und sei von einem Geiste der Ungleichheit getragen, indem er mehrere Rategorien von Wehrpflichtigen mit verschiedener Dienstzeit von 14, 13, 12 und 8 Monaten schaffe. Er bebeute auch einen Schritt zurüd zum Söldnerheer, während man früher selbst das Boltsheer mit fechsmonatiger Dienstzeit ver­prochen habe. Auch der Entwurf über die Regiments

nahm der Reichskanzler auf Einladung des Präsidenten der Völker bundsversammlung, des dänischen Gesandten in Berlin  . 3ahle, an dem alljährlich vom Präsidenten zu Ehren der Delegationsführer gegebenen Effen teil.

Genfer   Kommissionskämpfe.

Genf  , 14. September.  ( Eigenbericht.)

Die Debatte über die Personalpolitit des Bölkerbundes fand am Freitag einen matten Austlang mit der Erklärung Japans  , daß eine alle Teile befriedigende Lösung der Personalfrage nicht möglich sei und der Annahme einer holländischen Resolution, die an die unparteiische Besetzung der Be­amtenposten, wie sie von der Völkerbundsversammlung im Jahre 1920 verlangt wurde, erinnert. 1920 verlangt wurde, erinnert. In der Budgetdebatte be­schwerte sich Ungarn   darüber, daß die Minderheitenabtei Iung um einen Beamten vermindert worden sei, trotzdem die letzte Bollversammlung erst wieder die Wichtigkeit der Minderheitensache anerkannt habe. Gegen Schluß der Sizung kam man zum Budget des Internationalen Arbeitsamtes. Hierzu liegt ein einziger Antrag auf Herabsetzung des Budgets durch Streichung einer der Konferenzen des Jahres 1929 vor. Der Antrag wird am Sonnabend

erörtert.

Die Abrüstungstommission behandelte das Memoran­dum der Sicherheitstommiffion über die Artikel 10, 11 und 16, wo­bei es zu einem bezeichnenden Streit zwischen Deutschland   und Polen  sowie Griechenland   über die Einleitungsresolution der Sicherheits­fommission fam. In dieser Einleitungsrefolution wird gesagt, daß ein gewiffes Maß von Sicherheit schon infolge des Völkerbundspattes vorhanden sei. Polen   bestritt überhaupt das Vorhandensein dieser Resolution. Der Grieche Politis hielt es nicht für nötig, fie in den Schlußbericht mit hineinzunehmen. Benesch machte den Ber­mittlungsvorschlag, sich die Sache bis Montag noch einmal zu über­

legen.

Der Rest der Sigung wurde mit einer lebhaften Debatte über den finnischen   Vorschlag finanzieller Unterstügung an den finnischen   Vorschlag finanzieller Unterstügung an triegsbedrohte oder angegriffene Staaten ausgefüllt. Drei wich­tige Punkte sind zu erklären: 1. ob eine unabhängige Konvention geschlossen werden soll oder die Frage erst bei der Abrüstungs­tommission behandelt werden foll; 2. ob die finanzielle Unterstützung schon bei Bedrohung eines Staates oder nur bei einem An­griff gegeben werden soll; 3. ob der Rat selbst über die Unter­stüßung beschließt oder ob die Unterzeichner des Abkommens Der von dem zur Entscheidung herangezogen werden müssen. Belgier   erstattete Bericht verlangt eine unabhängige Konvention, Unterſtügung bei Bedrohung, Billigung durch einstimmigen Rats­beschluß. Der norwegische Vertreter Lange wies darauf hin, daß es sich vorläufig nur um Studien handele, daß andererseits sein Land dem Gedanken sympathisch gegenüberstehe, da er eine Fortentwidelung nichtmilitärischer Sanktionen bedeute, der einzigen, an der ein fleines Land teilnehmen fönne. Er nahm aber absolut Abstand von dem Vorschlag, auch bei Kriegsbedrohung schon finanzielle Unterstützungen auszuzahlen. Indien   und England waren sehr zurückhaltend und wiesen darauf hin, daß der Plan bisher noch nicht den Regierungen vorgelegt worden sei. 3 a pan sprach fich ebenfalls gegen die Unterstüßung bei Kriegsdrohung aus, während Polen   ein eventuelles Abkommen so bald wie möglich haben wollte. Die Debatte über diesen Punkt fonnte noch nicht abgeschlossen werden:

ftrafen sei unannehmbar. Er entspreche weder den Wünschen der flämischen noch der wallonischen Bevölkerung.

Die sozialdemokratische Fraktion verließ bei der Schlußabstimmung zum Protest geschlossen den Sigungsfaal

Wahlkampf in Dänemark  . Sturz der Regierung möglich.

Kopenhagen  , 14. September.

Am heutigen Freitag werden in drei Wahlkreisen Dänemarks  die Wahlmännerwahlen für das Landsthing vollzogen. Die vom Landsthing selbst zu bestimmenden 19 Mandate find bereits vor einiger Zeit zur Verteilung gelangt, wobei die liberale Re­gierungsfraktion einen Siz an die Sozialdemokraten verlor. Am 21. September treten die Wahlmänner zusammen, um die alle vier Jahre fällige Ergänzungswahl vorzunehmen, d. h. 28 Abge­ordnete zu füren. Bisher waren die Landsthingmandate folgender: maßen verteilt: 31 Liberale, 12 Konservative, 25 Sozialdemo traten und 8 Demokraten. In politischen Kreisen rechnet man start mit der Möglichkeit, daß die bisherige liberal- fonservative Majorität durch eine sozialdemokratisch- demokratische ersetzt werden wird. Ein derartiges Wahlrefultat würde aller Wahrschein lichkeit nach den Rücktritt des Rabinetts Madsen- Mngbal zur Folge haben. Die Wahlbeteiligung soll außergewöhnlich lebhaft sein und bis zu 80 Proz. erreichen.

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Wie steht es in Genf  ?

Was ist die Feststellungs- und Verständigungskommiffion"?

Nachdem Briand   in Paris   von seinem Rabinett die einstimmige Zustimmung zu seinen Verhandlungsricht­linien erhalten hat, wird sich heute das Reichs= fabinett unter Borsiz seines dienstältesten Mitgliedes, des Reichswehrministers Gröner, über die gleiche Materie vom deutschen   Standpunkt aus schlüssig machen. Von seiner Haltung wird der Verlauf der Besprechung am Sonntag in Genf   wesentlich abhängen.

Es ist nicht anzunehmen, daß die Frage der einzusetzen­den Finanzfommission besondere Schwierigkeiten machen wird. Die endgültige Festsetzung der Endsumme der Reparationen fann nur erwünscht sein; ist sie erfolgt, so fann über eine Teilmobilisierung geredet werden. Die Finanz­verhandlungen werden nicht unter dem Druck der Gegenseite stehen, denn die Fortdauer der Besatzung bis zum vertrags­mäßigen Schlußtermin ist nicht so unerträglich, daß Deutschland   sich dazu verleiten lassen tönnte, für die frühere Räumung irgendwelche neuen finanziellen Belastungen auf sich zu nehmen.

Auch die Angelegenheit der sog. Feststellungs­und Berständigungsfommission" würde ein­facher liegen, wenn sie nicht so unvermutet in die Debatte geworfen wäre und wenn die Deffentlichkeit ein klareres Bild von ihr hätte.

Nach Mitteilungen, die aus französischer Quelle stammen, aber auf deutscher Seite nicht bestritten merden, handelt es sich nicht um eine ständige Militärtontroll­fommission, also nicht um die Einführung der berühmten éléments stables, fondern um etwas ganz anderes, nämlich um eine Einrichtung zweds Ausführung des Artikels 4 des Vertrags von Locarno  . Dieser Artikel besagt:

1. Ist einer der Hohen Vertragschließenden Teile der Ansicht, daß eine Verlegung des Artikels 2 dieses Vertrages oder ein Berstoß gegen die Artikel 42 oder 43 des Vertrages von Versailles   begangen worden ist oder begangen wird, so wird er die Frage sofort vor den Völkerbundsrat bringen.

2. Sobald der Völkerbundsrat festgestellt hat, daß eine solche Verlegung oder ein solcher Verstoß begangen worden ist, zeigt er dies unverzüglich den Signatarmächten dieses Vertrages an, und jede von ihnen verpflichtet sich, in solchem Falle der Macht, gegen die fich die beanstandete Handlung richtet, sofort ihren Beistand zu gewähren.

3. Im Falle einer flagranten Berlegung des Artikels 2 dieses Bertrages oder eines flagranten Verstoßes gegen die Ar­tifel 42 oder 43 des Vertrages von Versailles   durch einen der Hohen Vertragschließenden Teile verpflichtet sich schon jetzt jede der anderen vertragschließenden Mächte, sobald ihr erkennbar geworden ist, daß diese Verletzung oder dieser Verstoß eine nicht provozierte Angriffs= handlung darstellt, und daß im Hinblick, sei es auf die Ueberschrei­tung der Grenze, sei es auf die Eröffnung der Feindseligkeiten oder die Zusammenziehung von Streitkräften in der entmilitarisierten 3one, ein sofortiges Handeln geboten ist, demjenigen Teile, gegen den eine solche Verlegung oder ein solcher Vorstoß gerichtet worden ist, sofort ihren Beistand zu gewähren. Deffenungeachtet wird der gemäß Absatz 1 dieses Artikels mit der Frage befaßte Völkerbunds­rat das Ergebnis seiner Feststellungen befanntgeben. Die Hohen Bertragschließenden Teile verpflichtet sich, in solchem Falle nach Maßgabe der Enipfehlungen des Rates zu handeln, die alle Stiminen mit Ausnahme derjenigen der Vertreter der in die Feindseligkeiten verstrickten Teile auf sich vereint haben.

Der Artikel 2 des Locarno  - Vertrages formuliert die Ver­pflichtung der Beteiligten, nicht zum Kriege gegeneinander zu schreiten. Die Artikel 42 und 43 des Vertrages von Versailles   untersagen Deutschland   das Anlegen von Befesti­gungen und das Halten von Streitkräften in der 50- Kilo­meter- Zone, die, nebenbei gesagt, weiter reicht, als das besetzte Gebiet.

Die neue Kommission soll das Berfahren vereinfachen helfen. Es soll nicht mehr die Anrufung des Bölkerbunds­rats notwendig sein, der dann seinerseits eine Kommission einsetzt, sondern es soll von vornherein eine Kommission da sein, die auf Anruf eines der Beteiligten, also von Fall zu Fall, zusammentritt, um erhobene Beschwerden zu prüfen. Diese Kommission soll, wie es heißt ,, bilateral" sein, d. h. auch Deutschland   soll sie anrufen fönnen. Auf den deutschen   Einwand, daß die Kommiffion auf französisch­belgischer Seite nichts nachzuprüfen habe, da ja dort jede Aufrüstung erlaubt sei, wird geantwortet, daß erstens immer­hin Vorgänge jenseits der Grenze möglich seien, die Deutsch­ land   beunruhigten und über die es Aufklärung verlangen fönnte, und daß zweitens für die Zukunft auch eine Ab­rüstung der anderen Seite vorgesehen sei.

Aus dieser ganzen Konstruktion ergibt sich, daß die Gegenseite nicht an eine Kommission denkt, die gewisser­maßen den Stab der Befagungstruppen ersetzt und dann logischerweise mit Ablauf der Befagungsfrist, 1935, Der­schwinden müßte, sondern an eine Kommission, die so lange besteht, wie der Vertrag von Locarno   in Kraf bleibt.

Offen ist die Frage, wann die geplante Kommission ein­