Nr. 438 45. Jahrgang
Technik
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Sonnabend, 15. September 1928
W. M. Effen, im September 1928.
Effen liegt heute an der Ruhr. Das ist nur bedingt richtig. Ber von den fommunalpolitischen Grenzen dieser Industriestadt nichts meiß, wird den Eindrud gewinnen, daß es einige Rilometer nördlich der Ruhr gebaut sei. Der Fremde, der hier zum ersten Male unvorbereitet durch das Industriegebiet wandert, wird nicht so sehr von der großen Zahl der Schächte, der Fördertürme, der Hochofenwerte und der sonstigen Industrie überrascht sein, als von der Entdeckung, daß dieses vom Lärm der Fabriken, vom Rhyth mus der Arbeit durchpulste Gebiet, von dem man weiß, daß es das Rohlenreservoir Deutschlands ist, auch lieblich grünende Wiesen und Tauschende Wälder bejizt, die anmutige Hügel frönen, Er wird überrascht sein von der Idylle dieser Landschaft, durch die die Ruhr bedächtig fließt. Und doch, unter diesen grünen Matten, auf denen das Bieh behaglich weidet, unter den waldgekrönten Hügeln, die von Vogelsang erfüllt sind, dehnen sich meilenweit die Stollen, in denen fleißige Bergarbeiter in viel zu langer Arbeitszeit Tag und Nacht nach den schwarzen Diamanten graben, jenem Rohstoff, der den Ruhm der Ruhr in der Welt verkündet.
Fast 80 Proz. der in Deutschland gewonnenen Kohle werden im Ruhrbezirt gefördert. Welch eine Bergangenheit hat dieses Land Der schwarzen Erde durchgemacht! Das Steinkohlengebirge der Ruhr hat, soweit man es bergmännisch erschloß, eine Mächtigkeit von 3000 Metern. Und die Flöze haben zusammen eine Stärke von etwa rund 80 Metern. Diese Flöze, das sind die in der Retorte der Natur umgeformten und umgepreßten Waldungen der Ber gangenheit. Eine geradezu phantastische Flora aus riesigen Far nen, aus Bärlappgewächsen, aus Schachtelhalmen, Schuppen und Siegelbäumen dedte vor Millionen von Jahren dieses Land, dessen
lösen verwandt wird. Der Abbauhammer bringt nicht nur eine höhere Arbeitsleistung, er gibt auch eine reinere und stückreichere Kohle, als es durch Sprengen oder mit der Hade möglich ist. Bäh harte Kohle wird dagegen durch die Schrämmaschine angegriffen. Sier wird eine mit scharfen Fräsern besetzte Stahlstange in Rotation
| wegen entsprechend gebaute Gleitbahnen hin und her, in emig schwingender Bewegung gleiten die abgebrochenen Kohlenstückchen hinunter in die Förderwagen. Nackte Menschen paden zu, um diese Wagen zur Hauptförderstrecke zu führen, es werden auch Pferde und motorische Kraft in den Dienst dieser Arbeit gestellt. Auf der Hauptstrecke aber befördert dann die Druckluftlokomotive oder auch die Elektrolokomotive die zu einem langen Zug zusammengestellten Fördermagen zum Füllort. Von hier gelangen die gefüllten Wagen in den Förderkorb, der immer aus mehreren Etagen gebildet ist, und werden nun zutage gebracht. Hier beginnt die Aufbereitung der Kohle; hier wird sie sortiert, brikettiert oder auch in ihre Be standteile zerlegt.
Der Ruhrkohlenbezirk ist zweifellos Deutschlands Kraftmittelpunkt. Rund vier Millionen Menschen leben hier auf einem Raum von 3800 Quadratkilometern, sie alle sind von der Kohle beherrscht, sie arbeiten in der Industrie oder hängen ab von der Wirtschafts. lage der Werke. Im Jahre 1927 wurden im Ruhrkohlenbergbau 118 Millionen Tonnen Kohle gewonnen, während im übrigen Deutschland insgesamt nur 35,6 Millionen Tonnen Kohle gefördert wurden. 27,5 Millionen Tonnen Rots, 3,5 Millionen Tonnen Preßfohlen gleich 85 bzw. 71,7 Proz. der Gesamterzeugung Deutschlands wurden im Ruhrgebiet hergestellt, 62 Hochöfen waren 1927 im Ruhr bezirk tätig. Im übrigen Deutschland finden wir nur noch 54 Hochöfen. Der Anteil des Ruhrbezirks an der Roheisenerzeugung betrug mit rund 9,7 Millionen Tonnen 74 Proz. der deutschen Erzeugung, rund 69 Proz. der deutschen Rohstohlerzeugung und rund
Abbau mit Drucklufthämmern. Symbol heute der Förderturm ist. Im Gluthauch einer tropischen Sonne starben diese Bäume. Sie vermoderten. Es blieben Riesen moore. Hurtige Flüsse brachten Sand, Kies, Ton und Mineralmassen heran und breiteten sie über das Riesengrab der gestorbenen Bäume. Und immer stärker wurden die Sandschichten, immer größer wurde der Druck auf dem ersten Moor des Ruhrgebiets. Und wieder wuchsen neue Bäume. Wieder entstanden neue Moore, und wieder wurden sie bedeckt von Sand und Geröll. Nicht meniger als 46 bis 48 abbauwürdige Schichten solcher Moore hat man im Ruhrbezirk festgestellt. Heute sind diese Moore, die Flöze, die tohlenführenden Schichten des Ruhrgebirges. Da gibt es Flöze von einem halben Meter Stärke und andere, die etwa fünfmal so start sind. Und die Bergmänner folgen den Spuren dieser uralten, zu Stein gewordenen Moore und bringen das, was die Sonne vor Millionen von Jahren zum Leben erweckte, dessen Tod fie erlebte, wieder ans Tageslicht, damit Menschen für fünstliche Sonnen, für Wärme, Kraft und Licht sorgen können. Man unterscheidet hier im Steinkohlengebirge der Ruhr drei Arten von Kohle: die am tiefsten in der Erde ruhende Kohle hat den geringsten Gasgehalt. Der ungeheure Drud der auf ihr lastenden Gebirgsmassen preßte das ursprünglich in ihr enthaltene Gas heraus. Dort unten lagert die Magerkohle, die einen Gasgehalt von 5 bis 18 Proz. hat. In den oberen Schichten aber bildet sich die Gasflamm, oder Gastohle mit etma 28 bis 38 Broz. Gasgehalt. Zwischen diesen beiden Kohlenschichten ruht die Fettkohle mit einem Gasgehalt von 19 bis 27 Broz. Im Süden des Ruhrgebietes tritt das Kohlen. gebirge zutage. Dort sind die Schächte nicht so tief wie im Norden, wo einige schon bis über 1000 Meter in das Reich der Kohle hinabgesenkt wurden.
Welche Unmenge von Arbeit ist notwendig, um einen Kohlen. schacht in die Erde hinabzutreiben! Welche Unmenge von theore tischer und praktischer Arbeit muß geleistet werden, wenn der erste Schacht fertig ist, um Stollen, Querschläge und Strecken und alles das, was zur Förderung der Kohle gehört, in der Tiefe der Erde zu bauen! Das Ruhrgebiet hat in der Nachkriegszeit begonnen, mehr und mehr an Stelle der früheren Handarbeit den Maschinen. betrieb für den Abbau der Kohle einzuführen. Im Jahre 1927 find bereits 75 Broz. der Förderung des Ruhrbezirks durch Abbau bämmer und 8 Proz. durch Schrämmaschinen gewonnen worden. Der Abbauhammer ist eine Art Luftdrudhammer, der mit schnell pufeinander folgenden Schlägen bei nicht zu harter Kohle zum Ros
Abbau mit Schrämmaschine.
perfett; fie frißt in den Kohlenflöz einen Schlitz hinein, so daß dieser durch sein eigenes Gewicht gelockert und abbaufähig wird.
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Der Laie ist gar zu leicht geneigt, die Ersetzung der Hacke durch die Maschine als eine Erleichterung für den Bergarbeiter zu be. trachten. Das ist ein Irrtum. Die Arbeit unter Tage ist immer schwer und anstrengend. Je besser die Maschinen sind, um so inten fiver soll die Leistungsfähigkeit der Bedienenden werden. Noch nie ist der Traum der Techniker, den Menschen durch Maschinenarbeit wirklich zu entlasten, sein Leben zu erleichtern, in Erfüllung ge= gangen. Stets zwang die verbesserte Maschine zu höheren Leistunwie zum gen, zu schnellerem Arbeitstempo. Und selbst da, wo Beispiel bei Beförderung der Kohle durch die elektrische Lokomo tine mit angehängtem. Grubenwagen gegenüber dem früheren Förderbetrieb in die Augen springende Erleichterungen geschaffen wurden, sind die geistigen Anforderungen, die Anforderungen an die Aufmerksamkeit wesentlich gestiegen. Hätten wir feine Arbeiter. schutzgesezt, gäbe es feine Gewerkschaften, die den Kampf um finn gemäße Berfürzung der Arbeitszeit und ausreichende Löhne führten, fo erlebten mir auch im Ruhrgebiet trotz modernster Arbeitsmittel die gleiche Ausbeutung der Arbeitskraft, wie sie im Mittelalter üblich war. Auch heute führen die Bergherren einen wütenden Rampf gegen die Berkürzung der Arbeitszeit, und ihre Syndizi verfuchen pflichtgemäß nachzuweisen, daß die Herabjegung der Schicht zeit von 8% auf 7 Stunden einschließlich der Ein- und Ausfahrt die Wirtschaftlichkeit der Gruben bedrohe. Ueber die hier obwalten den wirtschaftlichen Zusammenhänge ist im Wirtschaftsteil des„ Bor
An der Schüttelrutsche.
märts in zahlreichen Artikeln eingehend berichtet worden. Der legte Lohnkampf der Bergarbeiter im März ist noch heute lebhaft in Erinnerung.
Die abgelöste Rohle wird durch Förderwagen, die 750 bis 1000 Liter Inhalt haben, zutage gebracht. Bei fteiler Lagerung der lize fällt die gebrochene Rohle noch unten. Breßluftmotoren be
Die Druckluft- Lokomotive.
6 Proz. Walzwerkserzeugnisse wurden von der Gesamtproduktion Deutschlands im Ruhrbezirk erarbeitet. Und immer weiter dehnen fich die Arbeitersiedlungen, immer mehr wachsen die Städte der Ruhr zufammen zu einem einzigen großen fommunalen Gebilde. Immer schwieriger werden die gemeinsamen Aufgaben, die die eng verflochtenen Gemeinden heute zu lösen haben. Und sicherlich rückt der Tag immer näher, an dem es an der Ruhr nicht mehr einzelne Gemeinden, sondern nur noch die große Riesenstadt an der Ruhr geben wird, die ein einziges, zentral verwaltetes und einheitlich organisiertes fommunales Gebilde sein wird. Verschmelzungen von Gemeinden sind in den letzten Jahren mehrfach bekannt geworden. Die Ruhrstadt wächst. Es wird eine Stadt der Arbeit sein, die aus den Tiefen der Erde mit immer neuer Kraft gespeist wird.
Das größte Thermometer der Welt. Im Deutschen Museum in München . Im Deutschen Museum zu München ist jetzt am Museumsturmt das größte Thermometer der Welt angebracht worden. Die riesige Stala hat eine Länge von nicht weniger als 22 Metern, so daß die Temperatur noch auf mehrere hundert Meter Entfernung abgelesen werden kann. Das Instrument zeigt außer der augenblicklichen Temperatur jeweis auch die Marimal- und die Minimaltemperatur des vorhergehenden Tages. Die Betätigung findet in der Weise statt, daß die Bewegungen eines gewöhnlichen fleinen Thermometers mit Hilfe eines Elettromotors auf eine Seilminde übertragen werden, die den Zeiger längs der Stala aufund abbewegt. Das Werk ist eine Schöpfung des Berliner Jn. genieurs Paul Fueß.
Bereinheitlichung und wirffchaftliche Verwaltung im Burgau Im Rahmen der Internationalen 6. Bureauausstellung in Berlin Dom 7. bis 16. September veranstalten der Deutsche Normenaus schuß, der Ausschuß für wirtschaftliche Verwaltung, der Reichsaus. schuß für Lieferbedingungen und die Gesellschaft für Organisation gemeinsam eine Sonderschau Vereinheitlichung und wirtschaftliche Verwaltung im Bureau". Wandtafeln und praktische Beispiele werden zeitgemäße Fragen behandeln: Formatvereinheitlichung, Bureaumöbelnormung, einheitliche Liefer. bedingungen, zweckmäßige Vordrudgestaltung, Schreibmaschinenarbeit usw. Es wird sich empfehlen, daß jeder, der auf neuzeitliche Einrichtung feines Bureaus Bert legt, diese Sonderausstellung befucht,
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