(56. Fortsetzung.) Der Wagner, dem die Sache übrigens nicht sonderlich gefiel, war der einzige, von dem man Abschied zu nehmen hatte. Fräulein Rose, die ihren Kummer über die Ungcbundenhcit Hildens, über ihren Umgang mit schlechtgetleideten Männern und beruflich so«in- geengten Mädchen wie Volksschullehrerinnen und Fürsorgerinnen im Innersten vergrub, erfuhr wenigstens von dem Aergsten nichts, von den Vorstellungen, sondern nur davon, daß ihr Hilöekind wieder eine längere Partie mit einem Trupp von Freunden und Freun- binnen mache. Und so ging's, wahrhaftig, wie zu den Zeiten des rollenden Theaterkarrens fort. Zuerst in die Steiermark , aber nur in kleinen Etappen, denn nur das erste Betriebskapital war zur Not vorhanden, das zweite mußte schon erworben werden. Es war mehr als ein Erfolg, es war«in Ereignis. In den kleinen Städtchen, in denen sich die Truppe aufhielt, kamen ihr die Bürgermeister und die Lokalbehörden, die zahlenden Bewohner und Honoratioren in einer Weise entgegen, die Ihrer Kunstbegeiste- rung alle Ehre machte. Ja, da und dort, wo Lokalblättchen er- schienen, wurde sogar die Leistung kritisch untersucht und gepriesen, und der höchste Triumph war, daß sich ein Städtchen direkt darum bewarb, diese Schauspielcrtruppe bei sich begrüßen zu können. Man spielte in Wirtshäusern, wo man rasch so eine Art Bühne zusammenstellte oder ein verstaubtes Podium, das jetzt für die Lagerung von leeren Bierfässern diente, zur Bühne aus- staffierte... Schlafröcke dienten als mittelalterliche Frauenkleider, und die Tracht der Männer hätte kaum auf Hoftheatern bei klassi- schen Stücken bestehen können. Aber was macht« es— dies« acht jungen Leute brächten in die verschlafene Atmosphäre ehrsamer Dürgerstädte einen Hauch von Jugend und Kunst, von Begeisterung und Abenteuern. Und die Spieler selbst durchzogen spesenfrei und sogar mit der Aussicht eines kleinen Gewinnes für den Herbst die grünsten Länder und altertümlichsten Städte und tonnten, wenn sie dazu Lust verspürten, tagsüber, ohne auf die Kosten zu achten, in Kirchen die Altäre besser studieren, wenn sie einen zweiten Abend ansetzten. So sehr mischte sich in ihre Arbeit die Absicht, diese neu- artige Sommerreise wie wahre Vergnügungsreisende zu genießen. Aber die helle Freude, die Hilde an diesem Streiche empfand, wurde schließlich, nein, nicht gestört, ober getrübt. Zugleich mit der fleinen Truppe, die ihren ganzen Kunstbetrieb in Rucksäcken mit sich trug, kam in einem Städtchen eine Jagd- gefellschoft in Automobilen an, sehr elegante Herren und Damen, die im ersten Hotel abstiegen und mit ihren mitgebrachten Hunden und Treibern und den aufgeladenen großen Koffern die allgemeine Aufmerksamkeit der Bewohner auf sich lenkten. „Weim wir richtige Schauspieler wären," meint» Hilde,„so wären wir jetzt schmerzlich berührt oder beunruhigt, weil diese Herrschasten das Interesse von un» abziehen. Aber da wir Gott sei Dank schnöd« Dilettanten sind, so ist es un» Wurst." Alle konstatierten, daß es ihnen Wurst sei, nur Inge, der Schatz- meister der Truppe, war pflichtgemäß um dos finanziell« Ergebnis dieses«inen Gastspiels besorgt. Sie hatte unrecht, die Bevölkerung strömte trotz der Jagdgesellschaft herbei, füllte den kleinen Kino- saal, und die erste Reihe der Sitz« war von den vornehmen Gasten besetzt, die freilich«her bereit schienen, die ganz« Vorstellung als Hetz auszufossen. Aber im zweiten Einakter, den die Truppe auf- führte, trat Hilde auf, und sie erkannte sogleich hier gab es nicht die große Distanz zwischen Bühne und Zuschauerraum, die in einem warklichen Theater beide scharf trennt— in der ersten Reihe Eduard Gruber. Das war peinlich. Er benahm sich tadellos, schlich sich, sobald es möglich war, fort und sendete Hilde einen Brief, in dem er sie bat, ihn ganz
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gewiß, noch an diesem Abend, da er morgen früh bereit» weiter- fahre, im Speisesaal seines Hotels zu erwarten. Er war, als er Hilde sah, weitaus befanden«? als sie. „Ich versteh' gar nix, Fräulein Hilde. Sie hier Vieder zu finden... Sie verzeihen schon, da mit einer Schmiere... Sie, dos Fräulein Hilde, da, heut« am Burgtheater hätte sein können, wem» es nur ein bisierl gewollt hätte. Ja. um Gottes willen, was ist denn passiert?" „Aber gar nix ist passiert, Herr Edi. Sie fassen einen Jux viel zu tragisch auf." Edi sah ungläubig und noch immer verängstigt aus Hilde. „Nix haben Sie von sich hören lassen. Ihr Wort haben Sie nicht gehalten! Die Hilde Fernleitner hat ihr Wort nicht gehalten!"
Hilde mußte lachen, weil er das so feierlich sagte. „Ich konnte damals wirklich nicht kommen. „Ja, weil Sie haben umziehen müssen... auf der Ringstraße. die Hilde Fcrnleitner!" „Gehen S', hören S' schon auf, von mir zu sprechen wie von einem... höheren Wesen. Und dann— woher sind Sie denn so gut informiert?"
„Oh, weil ich Sie nicht Hab' sehen können, hob' ich mich eben über Sie informiert." „Nachspioniert?" „Halt a klein bisiel." Sie sagten beide nichts. „Was Sie alles seitdem angestellt haben, Fräulein Hilde..." „Aber gar nichts, das kann ich Ihnen ruhig sagen." Wieder dieser ungläubig« Blick Edis. „Ich will Sie nicht da einladen, Fräulein Hilde. Wisien Sie. da sind Damen, die sind grab gut genug für mich, aber nicht für Sie... Ich mächt' auch gern mit Ihnen allein sprechen.. heut' muß das unbedingt sein... aber esien muß man auch, wie macht man das nur?" „Na wissen Sie, mir macht es aber schon gar nichts aus, etwas erst zu mir zu nehmen, wenn ich schlafen geh'." „Nein, ich muß, Sie entschuldigen schon, Fräulein Hilde, aber ich glaub', da» wissen Sie ja... und dann, wir kennen uns so lange... ich muß immer was Warmes nachtmahlen."
Glücklicherweise sah Edi nicht, daß Hilde ein wenig lächelte und dann die Oberlippe hochzog. „Also, dann speisen wir hier, im Speisesaal vom Hotel, mir werden Ihre Damen nichts abbeißen und.. wir werden schon mit, einander reden können." Die Gesellschaft Edis war bereits versammell, sie begrüßt« die neuen Ankömmlinge mit Hallo, nur eine, übrigens bildhübsche, impertinent blonde und ebenso aussehend« junge Frau schrie mit ziemlich mißtönender Stimme:„Ach, du hast ja schon Damenbekannt- schaften hier gemacht..." „Nur erneuert, liebe Tutzi," antwortet« darauf Edi milde.„Das ist eine alt« Iugendfreundschoft, die ich hier getroffen habe." „Hier?" Die blonde Dame rümpfte geradezu hörbar die Nase. „Jawohl, das find so die Launen des Schicksals, teure Tutzi Jetzt wirft du aber so freundlich sein und dich weniger um mich und mehr um deinen Nachbar kümmern. Denn ich möchte doch mit der Dame, die ich mir hier vorzustellen erlaube— Fräulein Hilde Fernleitner— ein bißchen Iugenderinnerungen austauschen." Di« blonde Dam« wendete sich— sie macht« alles so ostentativ, daß man selbst ihr« Bewegungen gleichsam zu hören glauben konnte— mit einem gleichfalls hörbaren Ruck ihrem Nachbar zu, der wie ein Schneemann aussah, nur daß ihm der Zylinder fehlte. Während die Gesellschaft nach einer interessierten Begrüßung wieder ins Plaudern kam, sagte Edi so leise, daß nur Hilde ihn verstehen konnte:„Wenn die Siebzehn, und Achtzehnjährigen wüßten, wie- viel Schmutz sie in ihrer holden Reinheit in die Menschheit bringen..." „Wie meinen Sie das?" fragte Hilde und dämpfte ebenfalls ihr« Stimme. „Na, diese Siebzehn, und Achtzehnjährigen, die mit den Män- nern spielen und diese dann zur— Tutzi stoßen." .Last du was gesagt, Edi?" Die hörbare Dame wendete sich um. „Nein, ich hob' nur von deiner wundervollen Tanzkunst ge- sprachen, weibt?" Und zu Hilde gewendet:„Für die bin i das höhere Wesen... Können sich also vorstellen..." ,Lab' ich je mit Ihnen gespielt, Herr Edi?" „Nein, ich tät' Ihnen Unrecht, das zu sagen. Nein. Aber laß ma, was war. Da» wichtigste ist. daß ich..." Man brachte das Essen und Edi aß. Dann sprach man von was anderem, und Hilde erzählte freimütig von Zweck und Wesen der„Tournee", und alles fand das riesig geistreich und lustig. Dann, nach dem Nachtmahl, erklärte sie aber, doch zu ihren Freunden zurück zu müssen, und Edi begleitete sie. Aber man ging nicht auf den kürzesten Wegen in den Gasthof, sondern nahm— die Sommer- nacht war lau und die Sterne glänzten, als ob sie der lieb« Gott gerade frisch geputzt hätte all« Umwege, die nur möglich waren, und umwanderte immer wieder das kleine Städlchen. „Ja, was ich sagen wollte," begann Edi, als sie allein waren, „ich halte ganz formell um Ihre Hand an. War eh blöd genug, daß ich's nicht schon längst getan Hab', wie Sie noch ein ganz kleines Mädel waren; aber, mein Gott, man ist halt jung, dumm und schüchtern." Pause.(Fortsetzung folgt.)
WAS DER TAG BRINGT. aiiiiiiMiiiiiiiiiiiiiiiiniintiiiiiiiiiiMiiiiiniiimiiiiiiiiiiiiiimmiiniiiiniiiiiiiiiiiiininimiiniimiimiuiiiuuliiiiiiuiiiiimuliimiiiiiiiiiiiiniiiniiiiimiuiiiiiuiiniiiiiiiHiiiiiiiiiiimiiiitimiiiiiiii
Wer will Ehrenbürger werden? E» gibt in Deutschland noch genug Titel, die man sich mit«in bißchen Geld kaufen kann. So an der Würzburger Universität. Da ist es nicht allzu schwierig, für Geld den Doktor Konom causa zu erwerben. Das ging noch unter Ausschluß der Oeffentlichkeit vor sich. Aber es gibt«ine deutsche Stadt, die ihre höchste Ehrung gegen Geld öffentlich ausbietet. In der„Deutschen Allgemeinen Zeitung" war ein Inserat zu lesen, das sah so aus: .Lerrlich gelegen«, durch ihre geschichtlichen Bauten weltberühmte Mittelstadt sucht zwecks Erhaltung und Erweiterung ihres städtischen Orchesters einen einwandfreien, angesehenen Gönner und ist bereit für die einmalig« Stiftung von 1200000 Mark in bar.thr« höchsteShrung. den Titel Ehrenbürger, zu verle hen..." Ein« Million und 200 000 Mark für den Ehrenbürgertitel einer deutschen Mittelstadt! Bietet niemand mehr? „Paris bei Nacht." In Paris , das immer noch eine der größten Fremdenverkehrs- städte Europa » ist, machen sich«ine ganze Reihe falscher Führer die Konjunktur zunutze, indem sie sich an ortsuntundige Fremde heranmachen und ihnen«inen sehenswertes„Paris bei Nacht" versprechen. Sie lassen sich sehr gut bezahlen, und der Fremd« wird nach allen Regeln der Kunst geneppt, ohne wirklich auch nur«in Zipfelchen des echten Pariser Nachtleben» gesehen zu haben. Der Pariser Polizei- Präsident hat nun angekündigt, daß gegen solche„Fremdenführer" scharf vorgegangen werden soll, die sich ihre Opfer besonder» in der Nähe des Opernhauses und der Place Madeleine suchen. „Lady Margaret aus Medina." Im Londoner Kristallpalast ist die sechste National« Bienenschon eröffnet worden, die die größte Schau ihrer Art ist. Es liegen 1300 Beteiligungen vor, darunter sogar 5 aus den Kolonien. Eine Bienen- königin ist mit der Post geschickt worden, sie hat 4000 Kilometer zurücklegen müssen. Sie war in einem kleinen Käfig untergebracht, der Zucker und andere Süßigkeiten und Wasser enthielt, damit„Lady Margaret von Medina"— so heißt die würdige Dam«— unterwegs auch keine Not leide. Sie ist wohlbehalten im Kristallpolost einge- troffen und Hot sofort die Regentschaft in einer verwaisten Kienen- kolonie angetreten Mit der Bien«nschau Ist auch eine Ausstellung von Honig und anderen Süßigkeiten verbunden, ferner unterrichtet die Ausstellung über Pfleg« und Krankheiten der Bienen. Autobusse gegen Eisenbahn . Im Mtttampf der Autobusse mit den Eisenbahnen scheinen in Schweden die Eisenbohnen den kürzeren zu ziehen, wenn man die Verhältnijse in Schonen(Südschv'edcn) verallgemeinern dors.
Dort hat eine der ältesten Eisenbahnlinien Schweden », die von Hoer- Hoerby, dermaßen unter der Konkurrenz der Autobusse zu leiden. daß die Gesellschaft die Regierung um Erlaubnis gebeten hat. den L«rtehr einzustellen und die Schienen auszubrechen. Dabei war diese Linie noch vor einigen Jahren eine der beliebtesten Strecken de» Lande». Aber seit der Autobusverkehr«insetzte, der sich elastischer den Bedürfnissen der Passagier, und Güterbeförderung anpaßt, laufen die Züge fast leer. Schweden besitzt gegenwärtig die Verhältnis- mäßig größte Anzahl von Autobuslinien in der ganzen Welt. Zu dieser Entwicklung hat namentlich d«r Ausbau der Landstraßen nach modernen Vethod«» beigetrogen. Sofortige Hilfe tut not. Unter dieser Ueberschrift bringt die.Kommunistische Jugend, prawda"«in« kurz» Notiz über schier unglaublich klingende Zustände in einem Kinderheime in der Nähe von Moskau . Di« Notiz stammt vom Mitglied« des„Verbandes der ehemaligen zaristischen Zuchthäusler" Maslow. Das Kinderheim führt den Namen„Lenin ". Es sind da Sö Kinder, 13 Mädchen und 22 Knaben im Alter von 13 bi» zu 15 Jahren. Alle Kinder sind Vollwaisen. Sie besuchen die umliegenden Schulen. Für jedes Kind werden monatlich nur 12 Mark ausgeworfen, außerdem für Kleidung 23 M. jährlich: also für Verpflegung stehen p r 0 Kopf 40 Pfennig zur Verfügung. Im strengsten Winter gehen die Kinder halbnackt und Halbbarfuß in die Schulen. Jedes von ihnen hat nur ein« Wäschegarnstur, die die Knaben ahn« zu wechseln trogen, während die Mädchen ihre Wäsche des Abends waschen, damit sie über Nacht trocknet. Di« Kind«? haben dem Verfasser der Notiz erzählt, daß sich nicht weit davon ein anderes Kinderheim befindet, das den Namen des ersten Vorsitzenden des allrussischen Dollzugsrates„Swerdlow " trägt und in dem jüngere Kinder unter gleichen Bedingungen leben. Ganz in der Nähe dieses Kinderheim» gibt e» aber ein Säuglings- und Mütterheim, wo für jede» Kind 150 M. monatlich verausgabt werden. So sieht es in nächster Nachbarschaft des roten Moskau aus. Wären ähnlich« Verhältnisse etwa im sozialistischen Wien oder in Berlin unter der Herrschaft der„Sozialverräter" möglich? Freundschaft. Der Lehrer in der Schul«:„Wer kann mir einen andern Aus- druck für„Freund" nennen!" Allgemaines Stillschweigen.„Nun, überlegt einmal," fährt der Lehrer fort.„Wie nennen wir einen Menschen, der alle» für uns tut, ohne dafür Lohn anzunehmen. der un, stets unterstützt und uns hilft, ohne eine Gegenleistung zu fordern und zu erwarten. Nun? Kam-- Kam--"„Ich weiß schon. Herr Lehrer! Ein. Kamel!" ruft sreudestrohlend der kleine Fritz.