Unterhaltung unö �Nissen Jzz*
Die tragische Maske des Rokokos.
Der Puder des Rokokos war so wenig wie die Monge der Barocke eine Modetorheit, sondern dessen beredtestes Symbol. Im Rokoko galt der Mann, wenn er das vierzigste Jahr überschritten hatte, für ausgeiebt, die Frau noch viel früher: man heiratete auch viel zeittger als heutzutage: die Mädchen oft mit 14 oder IS Iahren, die Jüngling« mit 20. Voltair« nennt sich von seinem 4S. Lebensjahre an in seinen Briefen einen Greis: feine Freundin Frau von CHStelet empfand sich als unmögliche Figur, als sie noch mit 40 Jahren ein Kind erwartet«. Es sind dies Mabstäbe, die großen Wandlungen unterworfen, aber stets im Zeitgeist tief begründet sind. Noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts war eine Frau mit 30 Jahren Ball mutter, heute geht sie mit SO in die Tanzschule: in den französischen Sittenstücken der 80er Jahre war der Räsoneur, der da» Leieen und die Lieb« mit den Augen des resignierten Zuschauers betrachtet, selten älter als 40, in den Heu- tigen Filmen wird der gewissenlose Verführer mit Dorlieb« als SOer dargestellt. Das Rokoko fühlte sich all, und zugleich war es von der verzweifelten Sehnsucht des Atters erfüllt, die entschwin- dend« Jugend festzuhalten: darum verwischte es die Altersunter- schiede durch das gleichmäßig graue Haar. Das Rokoko fühlte sich krank und anämisch, darum mußte der Puder die Blässe und Bleichsucht gleichsam zur Uniform machen. Das junge oder jung geschminkte Gesicht mit dem weißen Kopf ist ein erschütterndes Sinnbild der Rokokoseel«, die tragische Maske jener Zeit, denn jede Zeit trägt eine bestimmte Charaktcrmaske. Man liebt auf Denkmälern die komische Sitte, dem Derewigten einen Gegenstand in die Hand zu drücken, der seine Tätigkeit charak- terisieren soll: dem Dichter«ine Papierroll«, dem Erfinder«in Rod, dem Seehelden ein Fernrohr. In analoger Weise könnte man auch für jede Kulturperiode ein bestimmtes Utensil als besonders repräsentativ ansehen: so müßte man sich z. B. den Men- scheu der anbrechenden Neuzeit mit einem Kompaß vorstellen, den Barockmenschen mit einem Mikroskop, den Menschen des 19. Jahrhunderts mit einer Telephonmuschel, den Nokokomenschen aber mit einem Spiegel. Er begleitete die damalige Gesellschaft durchs ganze Leben. Die Repräfentationsräume füllten sich mit mannshohen venezianischen Tafeln, die dem Besucher sein volles Porträt entgegenwarfen: an einer Menge täglicher Gebrauchs- gegenständ« waren kleine Tafchenspiegel angebracht: von allen Wänden glitzerten, durch reiche Kronleuchter und eine Fülle kleinerer Lüster unterstützt, Spiegelgläser in ollen Größen und Formen: sogar ganze Zimmer waren mtt ihnen austapeziert, die ungemein beliebten Spiegelkabinette, die das Bild des Beschauers ins Un- endliche vervielfachten. Aus dieser Spiegelloidenschast spricht man- cherlei. Nicht bloß, was am nächsten liegt, Eitelkeit, Eigenliebe, Narzißmus, sondern auch Freude am Selbstbeschau, Autoanalyse und Versenkung ins Jchproblem, die sich in der Tat oft bis zu einer wahren Introspektionsmanie steigerte. Das Rokoko ist das anbrechende Zeitalter der klassischen Brief- und Memoirenliteratur, der Selbstdarstellungen und großen Konfessionen der Psychologie. Diese neue Wissenschaft«st eine Errungenschaft des 18. Jahrhun- derts. Und noch ein zweite» symbolisiert der Spiegel des Rokoko-
mensche«: die Web« zum Schein, zur Illusion, zur buwen Außen- hülle der Ding«,«>a» aber nicht so sehr.Oberflächlichkeit", als vielmehr extremes Künstlertum, raffiniert« Artistik bedeutet..Am farbigen Abglanz haben wir da« Leben" lautet die Devise Fausts, die, wenn wir Nietzsche glauben dürfen, auch das Leitmotiv der griechischen Kultur war: ,OH diese Griechenl Ei« verstanden sich daraus zu leben: dazu tut not, tapfer bei der Oberfläche, der Falte, der Haut stehen zu bleiben, den Schein anzubeten... Diese Griechen waren oberflächlich— au» Tiefe!" Es gibt eine Berufsklasie, für die der Spiegel ein ebenso un- entbehrliches Instrument bedeutet wie die Retorte für den Chemiker oder die Tafel für den Schullehrer: es sind die Schauspieler. Und damit kommen wir zum innersten Kern des Rokokos: es war «in« Welt des Theaters. Niemals vorher oder nachher hat es eine solche Passion für geistreiche Maskerade, schöne Täuschung, schillernde Komödie gegeben, wie im Rokoko. Nicht nur war das Dasein selber ein immerwährender Karneval mit Verlarvung, In- trig« und tausend flimmernden Scherzen und Heimlichkeiten, son- dern die Bühne war«in so dominierender Faktor im täglichen Leben, wie etwa im klassischen Altertum die Rednertribüne oder heutzutage der Sportplatz. Ueberall gab es Amateurtheater, bei Hofe und im Dorfe, auf den Schlössern und in den Bürgerhäusern, an den Umversitäten und in der Kinderstube. Und fast alle spielten ausgezeichnet. In dieser Theaterleidenschaft zeigt sich am stärksten und deutlichsten, was der tiefst« Wille des Zeitalters war: die Sehnsucht nach letzter Enthüllung der eigenen Seele. Man hat die Schauspielkunst nicht selten als eine Art.Prostitution" be- zeichnet und mit Recht. Hierin liegt aber der Hauptgrund, warum das Theater auf so viele Menschen ein« unwiderstehliche An- ziehungskrast ausübt. Die.Protistution" ist nämlich ein ungeheurer Reiz. Der Mensch hat einen tiefen, eingeborenen Hang, sich zu prostituieren, auszudecken, nackt zu zeigen, nur kann er ihn fast nie befriedigen. Dies war schon die Wurzel der uralten Dionysus- kult«, bei denen die Männer und Frauen sich im Rausche die Kleider vom Leibe risien, was aber die Griechen nicht als schäm- lose Orgie, sondern als.heilige Raserei" bezeichneten. Uebertragen wir dies ins Psychologisch«, so stoßen wir auf den merkwürdig suggestiven Hautgout, den oller Zynismus an sich hat. Im tag- lichen Leben wird dem Menschen durch Staat und Gesellschaft die Aufgabe gestellt, möglichst geschickt nicht er selber zu sein, sondern immer Hüllen, Draperien, Schleier zu tragen. Immer ist der Vor- hang unten, nur einmal ist er oben: eben im Theater. Gerade dort also, wo sich nach der falschen Ansicht des Laien der Herrschaftsbereich der Maske, Verkleidung und Verstellung befindet, springt der Mensch unoermummter, echter, ungeschminkter hervor als sonst irgendwo. Die» ist der wahr« Sinn der.Protistution", die das Wesen der Schauspielkunst ausmacht: das Seelenvisier fällt, das Geheimste wird Manifest, das innerste Wesen wird ent- larvt, es muß heraus, ob der Träger des Geheimnisses will oder nicht. Das Theater ist eben mehr, als die meisten glauben: keine bunte Oberfläche, kein bloßes Theater, sondern etwas Entsiegelndes und Erlösendes, etwas schlechthin Magisches in unserem Dasein.
Gtraßenkampf. Don Walther 0. Oschilewski. Wir waren eine höllisch verkommene Bande, wir Iungens aus der Badstraße,«ine wildhäuttge Kameradie gegen die Träg- heit, immer sprungbereit, in ein Abenteuer zu stürzen, kopfüber und rücklings, mit einem frechen Pfiff zwischen den Zähnen. Gleichallrig, kurzbehost, dreckig vom Schopfhaar bis unter den Fuß- sohlen, vollgepumpt mtt zirka drei Liter springlebendigen Blutes, ein wenig angebraten vom Feuer der Jugend: dos waren wir, der Schreck der Straße, die unser« Prärie war, Rauhreit«r wir, zerbeult und flink wie die Feldhasen. Alle waren gegen uns: die Schulmeister, die Heulgören, der Herr Pfarrer, die Gemeinde- schwester, die Hebamme, Vater und Mutter, und wir waren in manchen Stunden fast vereinsamt in den Spielen unserer Kindhett, hatten wir doch oft nur die erbärmliche Schimpferei der übel- wollenden stockloten Anwohner auf dem Rücken. Aber pah! Da fiel alles glatt hinunter. Der klein«, dicke Baldinger, ein struppiger Bär und gerissen wie ein Tauende, wohnte Nr. 7, also Badstraße 7; Böhm, dem die selig« Keilerei der Straße schon einmal die Nase zerfetzt«, die nun ganz besonders schön aussah, Nr. 18: der pockennarbige Hannes Bäumling Nr. 61 und ich, kein geringerer Dreckbeutel, Nr. 26. Wir vier Mann hoch bildeten die Elite der Gesellschaft, sozusagen die geistige Oberschicht, mit der es, was das Geistige anbetrifft, nicht allzuweit her war. Der dicke Baldinger war trotz seiner körperlichen Aufgeblasenheit der gewiegteste von uns allen: das wurde aufrichtigermaßen anerkannt, und war unser Anführer. Camp, das war unsere geheime, sorgsam behütete Der- sammlungslokalität, ein durch eine alte Stallaterne dürftig er- leuchtete» Kellerloch in Nr. 7, das wir mit Zeitungepapier tapeziert zu einer einigermaßen häuslichen, wenn auch etwas modrigen Jude, hergerichtet hatten, wenn auch die Bezeichnung Camp für diese unterirdische Kiste natürlich ein ganz gehöriger Witz war. Hier wurde nun mit viel Temperament und schlechtem Tabak phantasiert, daß die hanebüchenen Träumereien des edlen Don Ouichot« ein Dreck dagegen waren, manche mühselig erworbene Schulweisheit m Grund und Boden gerasselt, Dummheiten aus- geknobelt, Kriegserklärungen entworfen, geschworen, gestänkert, tätowiert und die Friedenspfeife geraucht: Himmel, was weiß ich nicht noch alles! Es waren wilde Jahr«, gerade die schlimmsten für uns, als das Blut in den Adern leis zu tanzen begann und un» die zart andeutende Brust eines gleichaltrig.n Mädchen» wirr und schielend macht«, und ein dumpfer Druck sich wie ein Stemmeisen gegen die Schläfen preßte. Da war es gut. daß wir Bewegung hotten, in den wenigen freien Stunden, und uns müde toben und raufen konnten. Die gleichaltrigen Kerls aus der benachbarten Hanfstraß«, kurz �Hänflinge" genannt, das waren für uns, rundweg herausgesagt, ausgemachte Schweinehund«. Daß Böhm eines schönen Tages der Gemüsehökerschen Schnurrb« eine Handvoll Kirschen aus dem Korb grabscht«, und die dann in selbstverständlich«? Solidarität mit uns teilt«, verpetzten diese Brüder, und dos Ende von der Geschichte war, daß wir alle vier abgefaßt und vom Mann der Schnurrb«, der sich noch zu diesem beabsichtigten Zweck zwei handfeste Burschen dazu aemietet hotte, jämmerlich verprügest wurden. Aber das war noch nicht das ärgste, was uns passieren könnt«. Wir sahen wohl etwa» blau und dickangelaufen um die hinter« Körperpartie aus, aber das schrumpfte schon wieder zusammen. Und die„Hänflinge" konnten sich auch auf etwa» gefaßt machen. Wir waren nur noch nicht so wett, denn vier Mann können doch bei Gott nichts gegen so eine Korona ausrichten, aber wie gesagt, das Sündenregister der .Länflinge" sollte noch um eine weitere und größere Schandtat vermehrt werden. Denn schlimmer war es schon, als sie«ine« Nachts heimlich auf unsere Bude rückten und alles, was nicht hieb- und nagelfest war, demolierten, ausplünderten, und unser Heilig- tum dann so vollsauten, daß wir uns, als wir am anderen Morgen, an einem schulfreien Tag, zornbebend die Bescherung sahen, die Nase zuhalten muhten. Das war nun hinreichender Grund genug, jegliche Beziehungen, auch die losesten, zu dieser Schmutzband« ab- zubrechen, was wir auch getan haben. Der Lokalpatriotismus unser«? Straße schlug Flammen, denn die so friedfertig« Politik unseres Bundes sowie die Ehre jedes einzelnen von uns. wurde in der schamvollsten Weise besudelt und unsere Gefühle auf das gröbst« verletzt. Die Erregung war echt, das kann memand bestreiten. Wir trommelten schleunigst unsere Iungens aus der Badstraße zu- sammen, mit Radau begann der Kriegsrat und die Sitzung endete in heroischer Entschlosienheit. So, nun waren wir etwa 18 Mann, wenn wir die fünfjährigen Heulpieper, die wir ansonsten nicht für voll nahmen, die sich aber nun einmal für unsere gerechte Sache entschieden hatten, mit dazu rechneten, und nun war die Sache klar, und wir konnten am dreißigsten September mit allem zere- moniellen Backwerk aufgeputzt, die Kriegserklärung feierlich los- lassen. Dies« Kampferklärung wurde auch schriftlich fixiert, und Ich habe noch heute die Ehre. Autor dieses für uns so historischen Schriftstückes aus unserer Knaben zeit zu s.'in. Das Ding, bar jeder Kenntnis der diplomatischen Verkehrsordnung, sah-twy so aus: KriegserklarungiN An die Schweinehunde aus der hanfsiraße» Ihr habt uns am vorigen Donnerstag verpetzt. von wegen der Kirschenklauerei. Das ist gemein von euch gewesen. Ihr habt auch unser« Bude kaputt ge- schlagen und sie vollgesch.... Daraus steht Krieg!!! Dreck und Feuer über euch!, Die Kauhreiler aus der Badstraße. Baldinger, Hauptmann. lieber das„Dreck und Feuer über Euch", bin ich auch noch heute«in wenig stolz. Das klang gut, begeisterte uns und war auch ganz richtig. Der lang« Döhm mit der verhunzten Nase wurde zum Kurier bestimmt, mußt« solchen Zeichens ein Taschen- tuch um den Kopf binden und die schicksalsgeladene Bannbulle in die Hansstrah« bringen. Drüben, bei den feindlichen Heerscharen, wurde er mit Halloh! empfangen; die wußten ja, was los war. Böhm konnte sich vorerst gar nicht seines gewichtigen Auftrages erledigen. Er wurde hin- und hergeschubst dann endlich wurde auch der Wortlaut unserer Kriegserklärung in weiteren Kreisen des Volkes der Hanfstraße bekannt. Der Wildledern« Priemeisen, aus der Oberklasse, der gefürchtet« Häuptling der„Hänflinge", stieg auf eine Letter und so über den Köpfen seiner Bande turnend, verlas er unter Gebrüll der Zuhörer unsere Kampfansage. Daran schloß pch«iae trompetend«, durch bissigen Hohn außerordentlich«ter-
punktiert« Brandred«, daß dem Böhm etwa» kribbelig ums Herz wurde, und er sich in unsere Nähe wünschte. Es kamen sehr sau- grobe Worte darin vor. die einen, wenn man nicht mit der Hölle beheimatet ist, schon ängstlich machen können. Nachdem unter lautem, begeisterten Beifall seiner Anhänger Priemeisen geendet hatte, spie er mit außerordentlicher Energie und mit einer beispiel- losen Geschicklichkeit, die unsereinen neidisch machen konnte, in die Richtung unserer Vadstraße, und sprang dann dröhnend auf die Erde.„Da kommt unser dicker Baldinger doch nicht mit," dacht« wohl Böhm bei sich. Der mag vielleicht gerissener sein, ja, aber reden konnte er nicht so wie der Priemeisen, der auch die Schlaf- mützigsten zur prallen Explosion aufpeitschte, und das ist doch viel wert, sagte er sich.(Schluß folgt.)
Norddeutsche Weine. Von Ernst Edgar ReimSrdeS. Den Kenner mag unwillkürlich«in leises Grauen überkommen, wenn er von norddeutschen Weinen hört. Und doch sind selbst die Erzeugnisie der Mark Brandenburg, die natürlich niemals Edel- gewächs« waren, einst viel getrunken worden, obwohl es Spötter gab, die nichts Gutes daran ließen, wie der Verfasser des lateinischen Verses„Vinum<le Marchiva terra— Transit guttnr sicut serra" (Märkischer Erde Weinerträge— Gehn durch die Kehle gleich einer Söge). Die Hauptweingebiele der Mark befanden sich bei Verlin, Kölln a. d. Spree , Potsdam , Beeskow , Frankfurt a. d. O, Drossen, Krossen , Sternberg und in der Niederlausitz . Beliebt war vor allem der Werdersche Wein, der viel nach Hamburg verkauft wurde. Zum erstenmal wird der märkisch« Weinbau in einer 1173 vom Bischof Siegfried von Brandenburg, dem Sohn Albrechts des Bären, aus- gestellten Urkunde erwähnt, in welcher er dem Domkapitel dessen Güter bestätigt, zu denen u. a. die von den aus dem Rheinland herbeigerufenen Kolonisten angelegten Weinberge gehörten. Im 12. Jahrhundert brachte Otto von Bamberg den Weinstock nach Pommern , ja sogar zu derselben Zeit wurden in vielen Orten Norddeutschlands, ja sogar in Königsberg und Tilsit, Reben ange- pflanzt. Weichselwein gab es jedoch nur kurze Zeit, da der strenge Winter von 1437 sämtliche Weinberg« bei Kulm, Merwa, Thorn usw. vernichtet«.— Die Blütezeit des märkischen Weinbaus begann im 13. Jahrhundert, sie erreicht« ihren Höhepunkt unter Johann Georg und unter dem Großen Kurfürsten. Damals gediehen bei Berlin Gewächse, welche sogar bei fürstlichen Besuchen den Ehrenlrunk liesern mußten. 1563 hatte Berlin 74 Weinberge und Weingärten, Kölln a. d. Spree 22: eine recht stattliche Zahl. Bei Hofe wurde hauptsächlich Wein aus den kursürstlichen Weinbergen getrunken: Johann Georg trank morgens und abends nach dem Rezept seines Leibarztes Thurneyser mit Kräutern vermischten märkischen Wein. Der Große Kursürst legte außer bei Berlin in der Nähe Potsdams neue Weinberg« an, wofür er die Trauben aus Italien und Frank- reich bezog. Obwohl im strengen Winter auf 1740 die Reben viel- fach bis auf die Wurzeln erfroren und Friedrich II. dem Weinbau keineswegs wohlgesinnt war. versuchte man auch in späterer Zeit in d«r Mark die Anlage neuer Weinberge. Um 1782 benutzte man dort 23 000 Morgen Land zum Weinbau, der jährlich 1970 Faß zu je 200 Quart im Gesamtwert von 28 000 Talern einbracht«. Berlin besaß damals nur noch ein Weingelände von 9 Morgen mit einem Ertrage von 36 Faß im Wert von 430 Taler». Erst nachdem 1814
! eine Rebenkrankheit ungeheuren Schaden angerichtet hatte, gab man den Weibau allmählich auf. Zu den bekannteren Weinen Norddeutschlands gehört«» von jeher die Erzeugnisse des Saale - und Unftrut-Tales. Auf den Naum- burger Wein hatte es Johannes Trojan , der Dichter und Weinkenner, besonders abgesehen, er widmete ihm di«„sinnigen" Verse:„Wenn du ihn schlürfst in dich hinein,— Ist dir's, als ob ein Stachelschwein — Dir kröche durch deine Kehle" usw. In der Gegend von Dresden , Meißen und Pirna wird ebenfalls immer noch Wein gekeltert. Häufiger jedoch hört man vom Erünberger, den Spötter gern mit Namen wie„Lacrimae Petri'(und er ging hinaus und weint« bitterlich),„Rachenputzer" usw. belegen. Er ist jedoch entschieden, besser als fein Ruf. Infolge der eigenartigen geologischen Verhält- nisse gedeiht in jener Gegend in guten Iahren«in gar nicht so übler Tropfen. Di« frühesten Nachrichten über den fchlesischen Weinbau stammen angeblich aus dem 13. Jahrhundert; 1830 wurde in Grün- berg dos 700jährige Jubiläum des Weinbaus gefeiert, es ist jedoch keineswegs einwandfrei nachzuweisen, daß der Weinbau Schlesiens wirklich auf«in so hohes Alter zurückblicken kann. Neben dem Grün- berger Wein darf schließlich das Produkt von Bombst nicht vergessen werden, dem nördlichsten Punkt der ganzen Erde, an dem noch Wein erzeugt wird. Dem Bombster ist es säst noch schlechter«rgangen, als dem benachbarten Grünberger: auch ihn hat Trojan in köstlichen Versen besungen._
Drahtloser Arztruf. In Austrasien leben im sogenannten „Hinterlande" viele Siedler, von aller Welt ziemlich abgeschlossen. In Krankheitsfällen war es bisher oft nicht möglich, ärztliche Hilfe so rechtzeitig herbeizuholen, daß der Kranke am Leben erhalten werden konnte. Nunmehr ist der Presbyterianischcn Inlandmisslon die Erlaubnis zum Betriebe sieben kleinerer Sender- und Empfangs- stationen gegeben. Durch eine dieser sieben Stationen kann ja jeder eit ein Arzt herbeigerufen werden, der sich zum Besuche seiner unden kleiner Flugzeuge bedient, die einen Aktionsradius von etwa 800 Kilometer haben. Dieser ist vollkommen ausreichend, da die Siedler in den wenigsten Fällen weiier als 300 Kilometer von der nächsten Station entfernt wohnen. Die Durchschniitsgeschwindigtett der Flugzeuge beträgt 130 bis 130 Kilmometer in der Stunde. Was dem Kanadier und Amerikaner die schädlichen Insekten kosten, wird manchem Leser geradezu ungeheuerlich erscheinen, wemr er die statistischen Angaben liest, die. H. v. Lengerken in der Zeit- schrift für angewandte Entomologie verössentlicht hat. Danach be- trägt der jährlich« Verlust durch Insektenzerstönmgen in Kanada über 1 121 177 100 Dollar, m den Vereinigten Staaten von Nord- amevika sogar 2 Milliarden Dollar. Der jährliche Verlust, der durch Insekten allein an Feldfrücksten in Kanada verursacht wird, ent- spricht nach Hewitt, in Weizen umgerechnet, einer Weizenmenge. di« den jährlichen Bedarf der ganzen kanadischen Bevölkerung decken könnte. In bezug auf die Vereinigten Staaten äußert sich der Staatsentomologe Howard dahin, daß der jährliche Schaden durch Insektenzerstörungen dem Wert der Arbeitsleistung von 1000 000 Männern entspricht. Die größten Verlust« werden in Kanada durch eingeschleppte Arien hervorgerufen; so geht der Schaden, den allein die Schwammspinner und Goldaster in Ostkanada hervorrujen. in die Millionen Dollar, und unsere kleine 5>essensli«ge schädigt« 1900 den Wei>zen«rtrag in den Bereinigten Staaten um 100 000 000 Dollar. Unfere Obstmade mindert jährlich den Obstertrag in Kanada um 2 000 000 Dollar und in den Vereinigten Staaten um 12 000 000 Dollar. Für ihr« Bekämpfung werden m den Vereinigt en Staaten jährlich allem 4000 000 Dollar ausgegeben. ch