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Rr. 445 45. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Donnerstag, 20. September 1928

Zusammenbruch der Getreidezollpolitik.

Gute Ernte, schlechte Preise, teures Brot- Bauer und Verbraucher, verständigt euch!

Landwirtschaft nichts mehr zu verkaufen hat und die Ernte in die Hände des Handels und der Mühlen übergegangen ist.

Was die Sozialdemokratie immer vorausgesagt hat, ist einge-| Erntejahres, daß die hohen Preise dann einsetzen, wenn die treten: die erste gute Ernte nach zwei Mißernten hat einen tiefen Sturz der Getreidepreise gebracht, und der 30llschuh" hat fich gegenüber diesem Preissturz als mirtungslos erwiesen. Dies ist schon das zweite mal, daß seit der Einführung der Betreidezölle die Sinnlosigkeit dieser angeblichen Schutzmaßnahme ür die Landwirtschaft vor aller Augen offenbar wird. Ein ähn icher Preissturz war bereits im Herbst 1925, also unmittelbar nach der Schaffung der neuen Zölle, eingetreten, wo die Landwirtschaft gezwungen war, fast die gesamte Roggenernte zu Preisen zwischen 3,50 und 7,50 m. für den Zentner, also noch unterhalb der Bor­Priegspreise, zu nerschleudern. Diesmal ist es in erster Linie der Weizen, der infolge des Zusammentreffens einer reichen überseeischen und einer guten deutschen Ernte von dem Preissturz betroffen ist, so daß die Weizenpreise heute mit 10,25 m. je Zentner etwa auf dem Stand der Borkriegspreise und noch unter den Preisen von 1925 stehen.

Ebenso übel wie dem Landwirt ist es unter der Herrschaft diefes Schutzollsystems dem Verbraucher ergangen, und man braucht sich nur in die hier bildlich dargestellte Entwicklung der Getreidepreise und der Brotpreise zu vertiefen, um die ganze Leidensgeschichte der Getreidezollpolitit aus einwandfreien Zahlen ablefen zu tönnen.

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ROGGENPREIS UND ERNTEVER WERTUNG

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1925-1928

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1925-1928

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Auf den Schaubildern Roggen preis und Ernteverwertung" und Weizen preis und Ernteverwertung" ist jedesmal Monat für Monat gleichzeitig mit der Preisentwicklung die von der Landwirt schaft verkaufte Erntemenge angegeben. Und nun zeigt uns das Schaubild, was der Verstand des Boltes eigentlich immer schon ge wußt hat, daß die Getreidepreise immer dann niedrig sind, wenn die Landwirtschaft größere Erntemengen zum Markt bringen muß also in den Monaten August bis Februar jeden

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SCHIEL

Das gleiche gilt von dem Wechsel der Erntejahre: in den Jahren mit Inapper Ernte sind die Preise sehr hoch, um dann bei jeder guten Ernte, alfo 1925 und jetzt wieder 1928, tief herabzuftürzen. So hat die Landwirtschaft in den ersten sechs Monaten des Jahres 1925/26 etwa 4 Millionen Tonnen Roggen verkauft und dafür einen durchschnittlichen Erlös von 150 m. je Tonne erzielt, in der zweiten Hälfte des Erntejahres 1926/27 dagegen, als die Preise auf 270 bis 280 m. die Tonne gestiegen waren, nur tnapp eine Mil­lion Tonnen. Und so wie die Landwirtschaft bei dem Auf und Ab der Preise nie etwas von den höchsten Preisen gehabt hat, so haben auch die Verbraucher niemals einen entsprechenden Borteil von den Beiten der niedrigen Getreidepreise gehabt, ba, wie das Schaubild Roggenpreise und Brotpreise" zeigt, die Brotpreise dem

BROTPREIS BERUN

ROGGENPREIS UND BROTPREIS 1925-1928

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1926

1927

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Sturz ber Roggenpreife immer nur ganz unzu reichend gefolgt sind.

Als im Wirtschaftsjahr 1925/26 in ben Ernteverwertungs­monaten ein Preissturz des Roggens um über 100 m. je Lonne eintrat, ist das Brot nur etwa 3 Bf. je Bfund billiger geworden. Der Rüdgang des Roggenpreises in den Ernteverwertungsmonaten bes Jahres 1927/28, der troß der fnappen Ernte je Tonne doch etwa 50 m. ausmachte, ist beim Brot nur mit einer Preissentung Don etwa 1 Pfennig je Pfund in Erscheinung getreten. Und der augenblidliche Breissturz, der innerhalb von vier Wochen einen Preisrückgang beim Getreide um 70 m. je Lomme herbeiführte, hat bisher überhaupt noch zu feiner Senfung des Brotpreises geführt. Erzeuger und Berbraucher leiden also in gleicher Weise unter den Folgen dieser tatastrophalen Breisschwankungen; fie müffen eine übermäßige Preisspanne zwischen dem Erzeugerpreis des Landwirts und dem Brotpreis in Rauf nehmen, weil die Preis­Schwantungen natürlich für den Getreidehandel, die Mühlenindustrie, den Mehlhandel und das Bäckergewerbe eine gewaltige Bermehrung des Risitos bedeuten.

Unermüdlich hat die Sozialdemokratie auf dieses Berjagen bes privaten Handels und auf ben Unfug bes starren Schutzollsystems hingewiesen, das den Berbraucher brutal und besonders in den Zeiten, wo die Landwirtschaft nichts mehr zu verkaufen hat, sinnlos brutal belastet und der 2 and. wirtschaft boch teinerlei hilfe bringen fann.

Schon einmal, im Winter 1925, bei dem tiefen Preissturz un­mittelbar nach Schaffung der Zölle hatte ja auch bei anderen Barteien im Reichstag   die Erkenntnis gedämmert, daß die Bölle tein geeignetes Mittel find, um der Landwirtschaft ausreichende Preise zu sichern. Das deutschnationale Ernährungsministerium Ranih brachte damals einen Gesezentwurf zur Sicherung ber Erntebewegung ein, der die Beibehaltung der Reichsgetreidestelle Dorfah, aber bei den bürgerlichen Parteien des Reichstages teine Gnade fand. Bon einer Gruppe der deutsch   nationalen Reichstagsfratti on wurde sogar der Borschlag eines Ge treidemonopols gemacht. Die Furcht der bürgerlichen Bar­teien vor jedem Eingriff in das private Wirtschaftsleben führte jedoch zur Ablehnung dieser Pläne und schließlich zur Gründung der Betreibehandelsgesellschaft, die als private Organi sation der landwirtschaftlichen Genossenschaften und der Kunstdünger. industrie, aber mit einem Betriebskapital von 30 Millionen aus Reichsmitteln, die Getreidepreise beeinflussen sollte. Die Sozial­demokratie hat damals alles aufgeboten, um den vernünftigen Ansaß, der in der Gründung einer starten Gesellschaft zur plan­mäßigen Beeinflussung der Getreidepreise liegt, zu einem wirklichen Inftrument für eine vernünftige Getreidepolitit auszubauen. Insbesondere sollte die Gesellschaft unter eine wirkliche Rontrolle des Reiches gestellt und ihr durch Gesetzgebung feste Richtlinien für eine Geschäftspolitit im gemeinsamen Interesse der Erzeuger und Berbraucher mitgegeben werden.

Die Sozialdemokratie hat damals gefordert, daß ein Sinfen der Roggenpreise unter 180 m. und eine Steigerung über 220 m. ver­hindert werden sollte und ebenso ein Sinten der Weizenpreise unter 220 m. und eine Steigerung über 260 m. In den beiden ersten Schaubildern sind nun diese oberen und unteren Preisgrenzen ein­gezeichnet, die die Sozialdemokratie damals als

Richtlinien einer ehrlichen Verständigung zwischen Erzeugern und Verbrauchern

beantragt hat. Und nun zeigt sich, daß, während die Zollpolitik völlig unzulänglich gewesen ist, der Landwirtschaft ausreichende Preise zu sichern, diese von der Sozialdemokratie geforderte Preis­politit tatsächlich der Landwirtschaft im Durchschnitt der Jahre einen höheren Ernteerlös gebracht, gleichzeitig aber die völlig umötige Belastung der Verbraucher vermieden hätte. Bereits in den drei abgeschlossenen Erntejahren nach Ein­führung der Zölle hat die Landwirtschaft troll Zoll und Zollerhöhung immer bei reichen Ernten erhebliche Getreidemengen zu Preisen weit unterhalb der von der Sozialdemokratie geforderten unteren Grenze verkaufen müssen, und nur in knappen Erntejahren, und besonders gegen Schluß der Erntejahre, wo die Landwirtschaft nichts mehr zu vertaufen hatte, haben die Preise für Roggen und Weizen oberhalb der von der Sozialdemokratie geforderten oberen Grenze gelegen.

Benn bei Weizen nicht ein grundlegender Umschwung der gegenwärtigen Preisentwicklung eintritt, und die Preise in den Monaten der Ernteverwertung auch nur auf dem heutigen Stand bleiben, dann wird die Landwirtschaft in den ersten vier Ernte­jahren der Zollpolitit, von denen zwei( 1925 und 1928) gute Jahre und zwei( 1926 und 1927) schlechte Jahre waren, etwa 3,5 Mil­lionen Tonnen zu Preisen von weniger als 220 m., also unter. halb der von der Sozialdemokratie vorgeschlagenen unteren Brenze, etwa 3,4 millionen Tonnen zu Preisen zwischen 220 und 260 m. und nur 2,9 millionen Tonnen zu mehr als 260 m., also oberhalb der von der Sozialdemokratie vor geschlagenen oberen Grenze verkauft haben. Bei Roggen hat die Landwirtschaft sogar in den zurückliegenden Erntejahren bereits 4,4 Millionen Tonnen zu Preisen unterhalb 180 m. je Tonne verkauft, und der Verlauf der Roggenpreise im tommenden Jahr wird zeigen, daß auch hier trotz der Zölle der Durchschnittserlös unterhalb des Mittels der obigen Preisgrenze gelegen hat.

Der Verbraucher aber hat, und das ist das Entscheidende, in den sämtlichen Jahren im Brotpreis viel, viel höhere Breise bezahlen müssen. Auch als im Jahre 1925/26 die Land­wirtschaft ihre reiche Ernte zu etwa 150 m. je Tonne verschleudern mußte, hat der Verbraucher niemals Brot gegessen, das auf einem niedrigeren Roggenpreise als etwa 200 m. je Tonne berechnet war. 3m Durchschnitt der drei ersten Bolljahre hat der von den Ver­brauchern im Brotpreis bezahlte durchschnittliche" Roggen­preis 236 m. die Tonne, der von der Landwirtschaft er­Bielte Durchschnittspreis dagegen infolge der Preisschwankungen mur etwa 200 m. die Tonne betragen.

Der völlige Zusammenbruch der Getreidezollpolitif fann also von feinem Bernünftigen mehr geleugnet werden.

Die reiche Ernte dieses Jahres, die von Landwirten und Ber­brauchern eigentlich als ein Glücksgeschent begrüßt werden müßte, droht sich, zumal für die Weizen verlaufende bäuerliche Landwirt. schaft in West- und Süddeutschland  , zu einem Unglück auszumachsen, und die Beunruhigung der Landwirtschaft, die ihre Ernte nicht ab feßen fann, wird noch dadurch vermehrt, daß sie schwärzesten Be­fürchtungen über die weitere Entwicklung der Preise, besonders auch im Zusammenhang mit der noch nicht zu übersehenden, aber ver­mutlichen günstigen argentinischen Ernte im Umlauf sind.

Forderungen an den Staat werden von den landwirtschaftlichen Berufsvertretungen aus allen Gegenden Deutschlands   täglich lauter erhoben und werden aller Voraussicht nach in den kommenden Wochen und Monaten immer bringender der Regierung und der Die phantastischen Projekte Gefeßgebung übermittelt werden. tauchen, wie immer in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, auf. Dem­gegenüber fönnen wir nur die Frage stellen:

Wann endlich in der jahrelang nach den alten Rezepten der Borkriegszeit irre geleiteten, mit Zollphrafen verblendeten und gegen die städtischen Verbraucher verhetten Landwirtschaft die Erkenntnis reif sein wird, daß diese ganze Politit des starren 3olles ein Schwindel ist, und daß eine Hilfe erst fommen tann, wenn Erzeuger und Verbraucher fich ehrlich verständigen im gemeinsamen Kampfe gegen die unerträglichen Preisschwankungen, gegen Wucher, übermäßigen Zwischenhandel und Spekulation!?

Das trifft sich gut, annemarie

daß Sie heute Oetker- Pudding servieren, denn die Kinder meiner Freundin kommen mit zu Besuch und Schokoladen- Pudding essen sie so gern. Ja, Oetker- Pudding lieben alle Kinder und auch die Erwachsenen.

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Dr. August Oetker  , Bielefeld  .