Nr. 450 45. Jahrgang
Sonnabend 22. September 192S
Die Fesseln der Ozeanriesen.
Wer hätte sich wohl in der Mitte des vorigen Jahrhunderts I träumen lassen, daß es dereinst Dampfer von so gigantischen Di-\ mensionen geben werde, wie sie etwa die.Bremen " oder die � .Europa " aufweist, deren Läng« beinahe M Kilometer beträgt? Wehe dem Unseligen, der zu jener Zeit seinen Glauben an die Möglichkeit eines derartigen Ereignisses laut geäußert hätte! Man würde mit ihm wohl nicht viel Federlesens gemacht, sondern den an einer Abart von Größenwahn Leidenden bald in eine stille Heilanstalt gebracht Hadem Und doch sind die Dimensionen ständig ge» wachsen. Und mit welchen Verhältnissen man heutzutage rechnen muß, lehrt uns ein Blick auf eine unserer Abbildungen, die eine mo. derne Ankerboje und einige Kettenglieder der Ankerkette solch eines Riesendampfers dar- stellen. Denn mit dem Wuchs der Riefen- dimensionen dieser.Windhunde des Ozeans", wie man die Passagier- Luxusdan.pfer so treffend genannt hat, mußte natürlich auch die ständige Vergrößerung sämtlicher der- ortiger Meeresriesen gehörigen oder damit in Verbindung stehenden Ausrüstungsgegenstän- den, Materialien, Apparate und Instrumente gleichen Schritt halten. Es ist ja auch ein gewaltiger Unterschied, ob ein aller, biederer Raddampfer, wie das erste brauchbare von Fullon Anno 1807 in New Bork erbaute Dampfschiff.Claremont " mit seinem Tonnengehall von IM Tons und seiner Wattschen Maschine von 18 Pferde- kräften sich vor Anter legt, oder ob es ein Ozeanriese von heute ist. Und ebenso ge- wattig wie der Unterschied zwischen jenem Raddampfer und den Ozeanriesen ist natür- lich auch der Unterschied zwischen ihren Anker- geschirren, wie Ankerkette, Ankerbojen. Da vtts, Betings, Spill und Kranbalken. Während als Ankerketten— das sind diejenigen Ketten, durch die der Anker mit dem Schiffe verbunden ist— noch bis zum Anfange des 19. Jahrhunderts fast nur Taue gebraucht wurden, oerdrängten um die Mitte des vorigen Säkulums eiserne Gliederketten von 220 Meter Länge jene Taue. In neuerer Zell traten an Stelle dieser Eisenketten die leichteren und trotzdem haltbaren Stahl- drahtankertaue: für die modernen Ozeanriesen lverden je- dock) wieder Gliederketten verwandt, die in bezug auf Sicherheit doch wohl die größte Gewähr bieten. Die einzelnen Glieder sind von einer außerordentlichen Stärke. Aus besonders hierzu prä» parierten Eisenbarren geschmiedet, besitzt jedes Gelenk bei einer Metalldicke von SS Millimeter e in« Länge von 564 M i l l i m et e r. Außerdem dient zu seiner Verstärkung � noch eine gußstählerne Ouerstütze, so daß ein einziges Kettenglied i das recht anständige Gewicht von 72 Kilogramm hat. Bei der Belastungsprobe eines solchen Ge- lenkes zeigt es sich, daß dieses nach einer Belastung von 2<X> Tons(1 Tonne— 20 Zentner) sich nur um 6 Milli- meter gedehnt hatte. Die Dehnung stieg auch noch einer Belastung von 270 Tons nur auf 18 Millimeter, und nicht einmal die Maximalbelastung von 370 Tons ver- mochte das Gelenk zu zerreißen. Diese Dertauungsketten werden aber noch wesentlich durch die für die zwölf Tons wiegenden Anker bestimmten Ketten übertroffen denn die Stärke dieser Gelenke beträgt im Durchmesser sogar 109 Millimeter. Natürlich hat man auch für die Ozeanriesen auf der Reede Ankervorrichtungen schaffen müssen, denn es kommt ja oft genug vor, daß jene bei niedrigem Wasser nicht in den Hafen einlaufen können, sondern auf der Außenreede zu vertäuen gezwungen sind. Dazu dienen besondere große schwimmende Bojen, die mit Leuchtgercten ausgestattet sind. Bei einer Höhe von 4,21 Meter hat eine derartige Leuchtboje«inen Durch- Messer von-i,88 Meter, und da sie vollständig aus 0% Millimeter starken Platten von bestem Martinstahl her- gestellt sind, besitzen sie eine sehr große Widerstands- fähixteit, dafür aber auch das«benfolls enorme Gewicht von fast 17 Tons. Der außerhalb der Ankerboje an er- höhter Stelle befindlich« Leuchtapparat ist mit dioptrischen Linsen versehen, so daß er auf eine beträchtliche Eni- fernung hin leuchtet und infolgedessen den Dampfern das Aufsuchen der Boje wesentlich erleichtert. Zur Beranke- runa dieser Leuchtbojen braucht man Ketten, die in bezug auf Stärke und Widerstandsfähigkeit alle bisher erwähnten in den Schatten stellen. Jedes ihrer Ge- lenke wiegt voll 110 Kilogramm, während der Schäkel, an dem die Kette befestigt ist, ein Gewicht von 325 Kilogramm, und'«in Verbandstück, welches als Bindeglied zwischen den Nebenketten und der Hnuptkette fungiert, und das auf unserer Abbildung deutlich sichtbar ist, sogar da« enorme Gewicht von 1995 Kilogramm besitzt.— Wie man sieht, enthäll die Bezeichnung Riesenonker, Riesenbojen usw, für die zu den.Windhunden des Ozeans" gehörigen Ausrüstungs- gegenständen durchaus keine Uebertreibung, sondern ist ein vollständig berechtigter Ausdruck für die tatsächlich wundervollen Leistungen der heutigen Schisfsbautechnik Qss statt Benzin Das reue Trlcbmitlel des Zeppelin. Die Verwendung von Triebgas statt Benzin steht durch das Verhallen de« Reichsverkehrsministeriums und her Versuchsanstalt für Lustsahrt tn der Frage der
Fahrtgenehmigung für das Zeppelin-Luftfchiff wieder im Vorder. grund des Interesses. Daher sollen im folgenden die Vorteile der Triebgasverwendung dargetan werden: Die gesamte Tragkraft eines Lustschiffes beträgt, grob ge- rechnet, ebenso viele Kilogramm, als das Schiff Kubikmeter Wasser-
steffgas enthält..LZ. 127 " wird normalerweise 70 000 bis 80 000 m'(Kubikmeter) Wasserstoffgas mitführen, also eine Ge- samttragkrast von durchschnittlich etwa 75 000 Kilogramm besitzen. Wäre das Luftschiff, wie bisher, nur für Benzinverwendung ein- gerichtet, dann würde der gesamte Schiffsraum von 105 000 m' zur Aufnahme von Traggas oerwendet werden können. Die gesamte Tragkraft wäre in diesem Falle allein um 30 000 Kilogramm höher als bei Trieb- gasverwendung. Jedoch wäre bei ausschließlicher Verwen- dung von Benzin etwa ein Drittel der gesamten Tragkrast des Schiffes zur Hebung der riesigen Benzinlast benötigt, so daß die restliche Tragkraft nur 75 000 Kilogramm betragen würde. Die Tragkraft des Luftschiffes bleibt also ziemlich gleich. Ob man
105 000 m' Wasserstoffgas und 30 000 Kilogramm Benzin oder ob man 75 000 m' Wasserstoffgas und 30 000 m* Triebgas vom spezifischen Gewicht der Luft mitführt, jedesmal verbleibt für das Leergewicht des Schiffes und für die Nutzlast eine Tragkraft von 75 000 Kilogramm. Es ist also durchaus nicht so, daß allein durch die Verwendung des Triebgases an Stelle von Benzin die Nutztragkrast des Schiffes um das Gewicht der stüher not- wendig gewesenen Benzinvorräte vermehrt würde. Der Vorteil der Triebgas- Verwendung besteht vielmehr in erster Linie darin, daß ein Kubikmeter Triebgas 25 Prozent mehr leistet als ein Kilogramm Benzin, so daß 30 000 m* Triebgas einem Benzinvorrat von 37 500 Kilogramm entsprechen. Die Triebgasoe» wendung bedeutet asso entweder ein« St ei- gerung des Aktionsradius um 25 Prozent oder bei Vermehrung der Trieb- gasmenge zugunsten der Traggasmenge eine entsprechende Steigerung der Nutztragkraft. Ferner ist damit endlich das erreicht, was schon sett den Anfängen der Luftschiffahrt an- gestrebt wurde, daß nämlich das Luftschiff beim Verbrauch des Betriebsstoffes keinerlei Gewichtsveränderung erleidet, da das Blaugas von gleichem spezifischen Gewicht wie die Luft ist. An die Stelle des verbrauchten B l a u g a s e s tritt Lust und der statische Zustand des Schiffes bleibt der gleiche. Dadurch wird das Abblasen größerer Mengen Traggas, wie es bei Benzinverbrauch unumgänglich ist, ver- mieden. Das letzt« Lustschiff LZ. 120 hatte auf seiner Amerikafohrt nicht weniger als 23 000 Kilogramm Benzin und 1300 Kilo- gramm Oel verbraucht und mußte deshalb im Verlauf der Fahrt etwa 24 000 m» Wasser- stoff abblasen, was einen erheblichen Verlust bedeutet, vor allem, wenn an Stelle von Wasserstoff da? teure Helium verwendet wird. Außerdem ist die Wasserstoff- oder Heliummeng« von vornherein bei Triebgasver- ivendung erheblich geringer als beim Benzin-Luftschiff. Insgesamt wird die Steigerung der Fahrtleistung durch Verwendung von Triebgas statt Benzin mit 25 Prozent angegeben. Dazu kommen die genannten wirtschaftlichen Vorteile, so daß mit der Verwirklichung der Idee des allen Luftschifführers Dr. Eberhard Lempertz i» Friedrichshafen , der sich als erster für die Verwendung eines luftschweren Triebgases eingesetzt hat, die Luftschiffahrt einen er- heblichen Schritt nach vorwärts getan hat. Wenn man für die ersten Fahrten des.Grafen Zeppelin" trotzdem nur Benzin ver- wendet, so hat das seinen Grund bekanntlich darin, daß die Her- stellung des Blaugases in großen Mengen noch Schwierigkeiten bereitet.— Die bisherigen Versuche mit dem Triebga» entsprechen aber in jeder Beziehung den gehegten Er- Wartungen, und die Amerikafahrten des LZ. 127 , bei denen in der Haupffach« Blaugas als Brennstoff ver- wendet wird, werden auch in dieser Hinsicht bahnbrechend sein. Nie Funkanlage des LZ. 127 . Die drahtlose Anlage des LZ. 127 ist sicherlich das Modernste, was die Funktechnik heute auf diesem Gebiet leisten kann. Der Hauptsender fft fremdgesteuert und ver- fügt über ein« Antennenleiswng von etwa 140 Watt. Er kann«urf Wellenlängen von 500 bis 2100 Metern arbeiten. Ms Stromquelle für den Betrieb der Geräte dient ent- weder ein Generator, der von einem sogenannten.Regel- Propeller" angetrieben wird öder ein fester Maschinensatz, der eine Akkumulatorbatterie speist. Der Regelpropeller, vom Winde der großen Propeller angetrieben, erzwingt iirfolg« einer sinnreichen Konstruktion eine vollkommen gleichmäßige Stromerzeugung, auch bei wechselnder Fahrtgeschwindigkeit: seine Flügel»er- stellen sich nämlich automatisch je nach der Intensität des Treibwindes derart, daß der Generator ständig auf gleicher Tourenzohl gehalten wird. Bei Nicht- benutzung kann der ganze Generator mit Propeller in das Luftschiff eingeschwenkt werden, um durch Fortnahme seines Stirnwiderftairdes eine etwaige Verminderung der Fahrt- geschwindigkeit zu verhüten. Die Empfangsanlage ist ein modernes Neutrodyngerät, ein Sechs» röhrenapparat mit einem Wellenbereich von 125bis 25 000 Metern. Ein Telefunkenpeiler neuester Konstruktion vervollständigt die Funkanlage. Als Anteim« dienen zwei Drähte von je 100 Metern Länge, die mit 'leinen Endgewichten belastet sind. Außer dem Haupt- sender wird ein Notsender, der 70 Watt Antennenleistung hat, eingebaut: sein Betrieb erfolgt ebenfalls aus den ge- nannten beiden Stromquellen. Di« gesamten Sende- und Empfangsgeräte, die das geringe Gewicht von etwa 90 bis 100 Kilogramm haben, sind in der vorderen Gondel« einem besonderen Funkraum untergebracht.
Aus der Vergangenheit. Die älteste noch erhaltene Uhr In Deutsch » land ist eine Sonnenuhr an der Klosterkirche in Otterberg bei Kaiserslautern . Die Uhr befindet sich an einem Teil der Kirche, der schon vor 1225 errichtet war. Die Uhr ist etwa fünf Jahre aller als die Sonnenuhr am Straßburger Münster.,